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irdischen Drangsale erhebt, als das Mittel zwischen zweien Extremen 61) zu finden. Dadurch entzieht er sich dem Dienste des gemeinen Glückes. Er weiss es zu befestigen, wenn es wankend ist; er weiss es ohne Schmerz zu entbehren, wenn es sich ihm entzieht. Die Entbehrung sogar als solche verneint er, weil er als Gebieter seiner selbst den Verhältnissen gebietet 62) und in jeder Lage sich ganz besitzt durch die seltene, nur von den Griechen verstandene Kunst, welche ihn die Musse als Ziel aller Thätigkeit betrachten lehrt 63): eine um so seltnere Kunst, da nur höher organisirten Naturen die Zeit kostbar ist.

Wenn nun hiermit festgestellt ist, welche philosophischen Lehren vor anderen einen wichtigen Einfluss ausübten auf die gesamte Weltanschauung, wie sie der Jüngling und Mann theils handelnd, theils dichtend entwickelt und ausspricht: so gab es der natürliche Zusammenhang aller Systeme, dass er auch zu anderen, vielleicht schon während seines Aufenthaltes in Griechenland, in Beziehung trat. Wie konnte es fehlen, dass er namentlich jenem Weisesten der Menschen, dem Athen seinen hohen Glanz über alle Städte der Welt verdankte, nicht hätte begeg→ nen mögen? Und gleichwohl wie war es dem Anhänger der cyrenaischen Schule möglich, auch jenem anzugehören, dessen Bestimmung es war, unter den Weisen und Guten der Weiseste und Beste seiner Zeit zu sein? der die allgemeine Idee des Wissens und des Sittlichguten als ein nicht Vorhandenes unter den Menschen, aber als den Mittelpunkt seiner Bestrebungen setzte; der die Tugend als eine einige nahm und die Selbsterkenntniss auf das Erkennen des moralischen Werthes und dadurch auf die Erkenntniss des Göttlichen in uns leitete? Welchen die innerste Natur und die Bedingung der Zeit bestimmt hatte für einen strengen Syncre

μɛoórns hier dachte, ist an sich einleuchtend. S. Boeckh. Prooem. z. Ind. lectt.

Ostern. 1829.

61) Daher Aeusserungen wie Sat. I, 1, 106. Epist. I, 6, 15. I, 18, 9. Od. II, 10, 5. Bestand ihm somit die Tugend in der Mässigung und Vernunft, so wurde sie ihm doch nie Zweck, sondern schlechthin Mittel zur Erreichung eines Gutes oder von etwas Realem. So die Cyrenaiker: τὴν φρόνησιν ἀγαθὸν μὲν εἶναι, οὐ δι ̓ ἑαυτὴν δὲ αἱρετήν, ἀλλὰ διὰ τὰ ἐξ αὐτῆς περιγινόμενα κ. τ. λ. Diog. L. II, 91. Vgl. Plut. non posse suav. vivi. IV. de cupid. div. III.

.62) Daher gilt für ihn nie nach mehr streben, als man besitzt (s. statt vieler St., aus früherer Zeit Sat. II, 7, 29 flg. Vgl. Plut. de cupid. div. III. Diog. L. II, 72 dieselbe Ansicht bei Aristipp.); nie von sinnlichen Genüssen sich überwältigen lassen (Vgl. Diog. L. II, 69.); stets im Genuss der Gegenwart leben; alle Dinge zu seiner Zufriedenheit nutzen u. s. w. Umfassend dafür sind die St. Epist. I, 1, 18-19. ibid.

17, 15 und die Ausl. daselbst.

68) Mit Recht giebt Scaliger ad Fest. v. sycophantas als Hauptbezeichnung des Griechischen Characters: quae natio nihil paene egisse videtur, quam ut reperiret quomodo in otio negotiosa esse posset. Diese Kunst der Musse (ozoλý, nicht άgyíα.) als Princip eines höheren geistigen und philosophischen Lebens, von Thuc. II, 40 angedeutet, näher bezeichnet von Xenoph. de rep. Laced. III, 3, 4. Arist. Polit. VIII, 2, 4, war den Römern in allen Zeiten fremd und wie konnte es anders sein? Cic. de fin. B et M. III, 3. init. Allgemeiner und im Gegensatz gegen den Athenienser Sallust. Catil. c. VIII. Nur des Venusiners ganzes Leben spricht es aus, dass er, auch hierin dem Griechen verwandt, die Bedeutung einer Glück und Zufriedenheit befördernden inertia oder vita otiosa in sich aufgenommen. Um nicht vereinzelter St. wie Sat. II, 3, 14 8. Epod. XIV. v. A. Sat. II, 6, 61. Epist. I, 11, 28 sq. I, 14, 35 zu gedenken, so giebt diess aus seiner Philosophie gewonnene Resultat eben den Character seiner Epistel an. Was er aber unter otium eigentlich versteht, spricht unter anderem Od. II, 16 sehr klar aus.

tismus auf Aristippisch - epicurischem Grunde, dem konnte wohl soviel nur aus jener Lehre zusagen, als dem ungetrübten Genuss' der Gegenwart unmittelbar anwendbare, nützliche Wahrheit daraus zuwuchs. Sowie daher Aristippus schon als ein entarteter Schüler der Socratischen Ethik den treueren Anhängern galt 64); ebenso verräth auch die Horazische Moral den Freund der Socratischen Schule überall unter den grössesten Beschränkungen und Ausnahmen. 65) Aber dennoch verkannte der Römer, wenigstens in späteren Jahren, wo er vielleicht durch ein genaueres Studium des Plato. 66) eingeweiht wurde, ihren hohen practischen Werth keineswegs. Bleibt es auch unentschieden, wieviel er selbst erlernte aus jener Methode, mit Schülern und Gegnern zu dialogisiren und aus jener Kunst, mit feiner Ironie den Seelen ihre Geheimnisse zu entlocken und sich selbst Gehör zu verschaffen; unter dem Scheine der Einfalt oder Unwissenheit um so mehr zu überzeugen und jeden Vortheil, welchen Stand oder Glücksumstände über ihn bereiteten, zu vernichten; dem Lernenden endlich die wahre Antwort bald unmöglich zu machen, bald durch eine leichte, oft unmerkliche Wendung die verfehlte zu berichtigen 67): bleibt diess um so unentschiedener, je weniger vielleicht jene

64) Namentlich dem Xenophon and Plato, deren Abneigung gegen ihn und tadelnde Urtheile oder Andeutungen daher zu erklären sind. S. Diog. Laert. II, 65 das. Ausl. Heind. zu Plat Phaedon. p. 59. c. Vgl. Arist. rhet. II, 23. med.

-1 165) Wenn Wieland z. Sat. I, 3 in Horatius' ethischen Grundsätzen gewöhnlich Spuren Socratischer Lehre erkennt, so wird diess freilich ganz wesentlich modificirt durch den Zusatz: auch Epicurus habe sich sehr genau angeschlossen an die Moral des Socrates; wodurch der Ausspruch als ein ovlloy ouòs owqɛiτns höchstens gleich wahr und gleich falsch erscheinen mag. Genauer würde man die Uebergänge, welche die cyrenaische Schule macht, nicht unbeachtet lassen und sowie Socrates den Anfangspunkt, Epicurus den Endpunkt derselben nennen mögen. Denn wenn diesem die Tugend, wie den Socratikern, in der poóvnois, diάvoia beruhte: so verstand er hierunter nichts weiter, als eine verständige Berechnung dessen, was nützlich und schädlich ist; (Vgl. Diog. L. X, 132 und 130.) womit aufs genaueste sein Begriff von menschlicher Glückseligkeit zusammenhängt.

66) Schwierig, vielleicht unmöglich wird es bleiben, die Zeit zu ermitteln, wann H. zuerst durch Plato oder einen treueren Schüler mit Socrates mehr bekannt wurde. Denn wenn Heind. z. Sat. II, 3, 11 annimmt, dass schon zur Zeit jenes Gedichtes (722 -723 u. c.) Plato zu H'. Lieblingsschriftstellern gehört habe: so sind die Beweise dafür unhaltbar. Theils bestätigt es sich nicht, dass Plato ohne Zusatz (Sat. II, 4, 3.) nur den Philosophen bezeichne, da auch bei Prosaikern der Comiker sich ebenso findet, selbst wo die Deutlichkeit o nouixos erwarten liesse; Arist. Rhet. I, 15, med. dazu Meineke quaest. scen. II. p. 11. not. Vgl. Athen. II, 47. d. 68. b.; theils durfte sich der Dichter nicht einen Ausdruck und eine Zusammenstellung wie stipare Platona Menandro erlauben, da er, wenn einmal etwas Ungleichartiges mit jenem Verbum bezeichnet werden sollte, nothwendig, wie Bentl. aus Cod. Regin. a m. s. aufnahm, auch im folg. Eupolin Archilocho schreiben musste. Da er nun aber ein fruchtloses und massenhaftes Aufhäufen (Vgl. Epist. II, 1, 60.) seiner Lieblingsdichter und besonders der für die Römische Satire wichtigen (S. unten Note 161.) grade hier sich vorwerfen lassen musste wegen seiner Lässigkeit im Satirenschreiben: so liegt hierin der Hauptgrund nicht nur gegen jene Lesart, sondern auch gegen die Wieland - heindorfische Erklärung. Dazu kommt endlich noch, dass H. Plato, den Philosophen, wie es scheint, nie unter seine Lieblinge erkor. Wenigstens wären Aeusserungen wie Od. I, 29, 14 s. u. III, 21, 9 sq. auffallend, indem er sich darin dem Iccius und Messalla Corvinus offenbar mehr gegenüberstellt, als beigesellt. 67) Dieses Vermögen des Horatius, durch die feinste Ironie das Gefühl der Ueberlegenheit über seine Zeitgenossen oder das Bekenntniss seiner eigenen Gebrechen kund zu thun, durch prüfenden Blick in die menschliche Natur Charactere und ihre Gedanken aus sich heraus zu locken und gleichsam zur Geburt zu verhelfen, endlich durch Induction

Vorzüge zu erlernen sind, so lässt sich doch eine wunderbare, in dieser Trennung aller äusseren Verhältnisse höchst seltene Verwandtschaft beider Geister nicht verkennen. Sie spricht am vollendetsten sich darin aus, dass Horatius nicht nur die sittliche Bedeutung jenes Weisen erkennt, sondern auch den lebendigen Einfluss durchschaut, welchen er ausübe auf ein vernünftiges Denken und auf die Aeusserung desselben in der Dichtkunst, möge es um eine gute Schreibart, oder um die Darstellung wirklicher Charactere zu thun sein. Wie daher die Socratische Weisheit ihm die reinsten Umrisse der menschlichen Natur vorzeichnet, wie sie ihm ein Muster für die Sitten und zu einer Stimme des Lebens wird: SO empfiehlt er sie dem Dichter, vor allem dem Dramatiker, um aus ihr die vollendetste Aehnlichkeit und Annäherung an die Wirklichkeit zu entlehnen 68) und sein Wort erscheint um so gültiger, je mehr er selbst als philosophischer Dichter seine Darstellungen mit dem Stempel lebendiger Wahrheit zu zeichnen weiss. Auffallend mag es hierbei erscheinen, dass für jenen Zweck eines tieferen Eindringens in die Zustände der Seele und des Geistes die Dinge in der Natur ihm untergeordnet bleiben. Aber das Physische konnte wohl dem nur gelegentliche Empfindungen abgewinnen, der die Seelenzustände erkennbar hielt, nicht das, woraus sie hervorgingen 69) und fest auf Aristippisch-epicurischem Grunde nur soweit über Naturerscheinungen grübelte, als er dadurch frei ward von unphilosophischen Gemüthsstörungen und jedem Einfluss von der Aussenwelt. 70) Er folgt daher auch

den Gegner zum Eingeständniss zu bringen, wird unten im Abschnitt über die Horaz. Satire zu erweisen sein.

68) A. P. 309 flg., wo H. dem Dichter dasselbe empfiehlt, was Cicero dem Redner. S. de orat. I, 51. II, 8. Beide hatten, ihrem Römischen Character getreu, dabei reinpractische Zwecke vor Augen, das heisst, sie forderten, dass der Künstler aus jener Nachahmung das Leben in seiner umfassendsten Bedeutung verstehen, den Gesichtskreis daraus vereinzeln, das Einzelne aus dem Allgemeinen erklären, dieses in das Individuelle übertragen und durch den Begriff philosophischer Wahrheit das Characterische bis zu höchster Wahrheit des Lebens erweitern lerne. So bleibt nach Horatius die handelnde Person und der Gedanke in steter Harmonie und die Darstellung wird sich vom philosophischen Gesprächston ebenso weit entfernen, wie von einem fehlerhaften Uebergewichte nach der anderen Seite bin.

69) Ebenso die Cyrenaiker. Sext. Emp. VII. 191 s. Diog. L. II, 92. Daher wendet H. dergleichen Phänomene, wie Mondfinsternisse, Kometen, Ueberschwemmungen u. s. w. vielmehr dazu an, um den abergläubischen Römer an den Zorn der Götter über Roms Sittenverfall zu erinnern, als dass er selbst dadurch in Gemüthsbewegung hätte gesetzt werden sollen. Denn was von seinem Entsetzen über den Blitz aus heiterem Himmel und dem Abschwören des Epicurismus zu halten sei, s. bei Lessing. Rettung des H. pag. 253 flg. S. auch die flg. Note.

70) Ebenso Epicurus, dem, wie Cicero de Fin. B. et M. IV, 5, 11 sagt, an einer explicatio naturae nur darum liegt, ut pellatur mortis et religionis metus. Dass H. also über Erd- und Himmelserscheinungen keine eigenthümlichen, von der gewöhnlichen Vorstellung abweichenden Ansichten gewann, ergiebt sich schon hieraus. Sowie nur der Unweise über den geordneten Lauf der Jahreszeiten (hiemes reducit Iuppiter, idem submovet. Od. II, 10, 15.) erstaunt, ebenso können nur jenen alle übrigen Phänomene am Himmel oder überhaupt in der Natur in Unruh und Staunen setzen. Epist. I, 6 v. A. Lebensweisheit oder ein genügsames, stets im Genuss des gegenwärtigen Augenblicks glückliches Leben führt H. darüber hinweg und dieses räth er daher den Freunden an, um über Unerforschliches in der Natur nicht unnöthig zu grübeln. Od. II, 11, 10 sq. III, 1, 25 sq. Olympus, solium Iovis, arces igneae, arx coeli, dem Gläubigen der Wohnsitz der Götter über der Mitte unseres Erdkreises, wohin den Heroen des Griechischen und Römischen Alterthums einzugehen beschieden war, sowie alle anderen, Uebersinnliches

hierin, wie es seiner Freiheit zusagt und ohne feste Regel, bald dem Anaxagoras, bald späteren Denkern; aber nicht die konnten ihm zu Führern dienen, welche eine Naturphilosophie tadelten, die allein auf Sinnliches leite, nicht auf göttliche Dinge 71), da Horatius das Göttliche aus sich selbst construirte und seine eigene Vorstellung von höchster Vollendung auf dasselbe übertrug. Noch weniger daher konnten ihn die Dogmen der Pythagoreer für eine tiefere Erforschung der Natur gewinnen. Blieb ihm auch nicht verborgen, was schon vor ihm von Römischen Denkern war anerkannt worden, mit welcher tiefen Beschaulichkeit der Samische Weise, nur um den Besitz des Ewigen, nicht um deu Genuss des Augenblicks. bemüht, die Natur des Menschlichen und Göttlichen durchforscht und besonders mit welcher Fülle von Kenntnissen er den Begriff einer wissenschaftlichen Mathe

andeutenden Bestimmungen können bei H. nur als bildliche Umschreibungen gelten. S. z. B. Od. III, 3 v. A. Schmid z. Epist. 1, 17, 34. Orbis mundi, polus, orbis impetus ist ihm (wie bei Lucret. V, 201. 511.) der in bestimmten Zeiträumen kreisende Umschwung des Himmels oder äussersten und darum leichtesten und zartesten Aethers; der von Luft (anima. aer.) durchströmt, in zwei Hälften getheilt (sectus orbis.), die heisse und kalte, mit Nebeln umgossene Zone bildet. Od. I, 22, 17 sq. III, 3, 55-56. Beide erschienen furchtbar und nicht zu bewohnen, hier Scythien (Scythes gelidus.) am Tanais bis nach Thracien sich erstreckend, dort der Inder zwischen Ganges und Indus bis zum Hydaspes (fabulosus H. Od. I, 22, 8.) im Nordosten Asiens, und der Araber (extremi Arabes et Indi.); am äussersten Südosten bis Südwesten der Aethiopier, wozu auch der Aegypter (Od. III, 6, 14.) u. a. mitgerechnet wurden; im Westen, später mehr im Norden die hyperboreischen Rhipäengebirge, darüber hinaus Britannia, welches, wie die Inseln des Oceanus und selbst Gades, vielen in jener Zeit noch, auch dem Virgilius vielleicht, da er die Moriner im belgischen Gallien extremi hominum (Aen. VIH, 727. Vgl. Eclog. 1, 66. Georg. I, 30, das. Voss.) nennt, ausser dem Erdkreise und dem Sonnensysteme Europas, Asias und Africas zu liegen schien, aber schwerlich unserem Dichter, weil ihm die Bewohner öfter ultimi Britanni und Hesperia gleichfalls ultima (Od. I, 36, 4.) heisst. Vgl. damit Od. II, 6, v. A. Ovid. Pont. I, 5, 80. Alles zusammen, entstanden und allmählich belebt nach Epicurischer und schon früheren Ansichten (s. folg. Note.), eine ruhende, länglich gerundete Weltinsel, gleich der damals anerkannten Eratosthenischen Erdtafel gedacht, erschien ihm mit der Himmelsdecke überzogen und von Meeren umflossen, aus denen die ernährende Sonne (Sol almus.), den Hesperus vor sich her scheuchend (Od. II, 9, 10 s.) über die Oetäischen Berge, immer erneuet und doch ewig dieselbe (C. S. 10.) worin Epicurus' Ansicht nicht ganz fest stand s. Diog. L. X, 92. emporstieg. Denn dass H. über den Sonnenlauf aufgeklärtere Begriffe hätte haben sollen, als Lucretius, ist nicht anzunehmen. S. Lucret. V, 639 sq. 669 sq., wonach denn Ausdrücke, wie quum Sol Oceano subest und terminus mundi bei H., wie fines mundi bei Virg., im wörtlichen Sinn zu verstehen sind. Dass ihm übrigens die Ansicht von unserer Erde als einer frei im Weltraume sich bewegenden Kugel, von der beständigen Bewegung der Elemente, ihrer Bildung dadurch und durch die Atome, von gegenüber wohnenden Antipoden, u. a. bekannt war, wenn auch nicht durch Pythagoras selbst, lehrt uns Lucret. I, 1035 sq. II, 79 sq. Die Kugelgestalt gaben jedoch auch Plato (Tim. p. 33. b.) und die Stoiker der Welt.

71) Plato (Phaed. p. 96. de republ. VII. p. 529.) lässt aus diesem Grunde den Socrates die Naturphilosophie seiner Zeit verwerfen und trifft damit besonders die Richtung des Democritus und Anaxagoras, welchem letzteren H. einmal in der Ansicht von der Kosmogonie folgt. Sat. I, 3, 99 sq. Vgl. Diog. L. II, 9. H. Ritter. Philosophie alt. Zt. J. p. 310 flg. Doch behielten auch die Epicureer dieselbe noch bei. Interpp. z. Diog. I. c. Lucret. V, 416 s. In der Entwicklung des Menschengeschlechtes folgte H. vielleicht der herkömmlichen Vorstellung, dass die lebende Generation von den nach der Deucalionischen Flut Geschaffenen abstamme und auf die Wiederkehr eines goldenen Zeitalters harre.

matik festgestellt 72) habe: so entging ihm doch ebenso wenig, dass seine Wirksamkeit sich auf den Kreis seines geheimnissvollen Bundes beschränkte und allein auf Erkenntniss der reinen, von Gott ausgegangenen und im Körper unfreien Seele, nicht auf das Irdische oder Nützliche richtete. 73) So musste ihm das Zwecklose vorwiegen vor dem Gemeinnützigen in der Schule jenes wunderthätigen Mannes, der wegen seiner Geheimlehre, wofür auch Horatius sie hielt, selbst von der Menge mit einem fast göttlichen Glanze umkleidet wurde. Nicht nur das Räthselvolle seiner Person 74), sondern auch seine Orgien und sogar politischen Grundsätze, welche in aristokratischer Form von Kroton aus über Italien sich verbreitet hatten, bestätigten dem Ungeweihten jene absichtliche Verhüllung in symbolische Zeichen und fast abergläubisches Dunkel. 75) Begreiflich daher, dass den Römer nur das Aeusserliche jener Lehre berührt und mit dem Mangel ihres politischen und practischen Werthes auch die Tiefe ihrer sittlichen Bedeutung ohne Antheil lässt.

72) Cic. de N. D. III, 86. Vgl. Tuscul. disp. IV, 1, 2. Wo die wissenschaftliche Seite unter den Anhängern des Pythagoras hervortritt, wie im Tarentiner Archytas, einem um das Vaterland in Krieg und Frieden gleich verdienten Manne (vgl. Ritter. Pyth. Phil. p. 66 s.), wird sie auch vom H., wenn auch nach Griechischen Vorbildern, schön gewürdigt, Od. I, 28 und in der Seele des Schülers auch die Verdienste des Meisters. 1. c. Vs. 14. dazu Wolf. Verm. Schr. pag. 447.

73) Cic. de senect. c. 20. de N. D. I. 11. Ders. de Orat. III, 15 lässt den Pythagoras daher dem Genuss speculativer Ruhe leben und sich aller äusseren Geschäfte enthalten. Auch Horatius deutet darauf, wenn er im allgemeinen von den arcana Pythagorae spricht (Epod. XV, 21) und noch häufiger nimmt er Anstoss an dem Grundsatz der Pythagoreer, die Ueberlegung des Vergangenen und Zukünftigen zu sittlichen Zwecken zu empfehlen. S. darüber Cic. de senect. c. 11.

74) H. folgt der gemeinen Vorstellung von der Metempsychosis, weshalb er den Pythagoras im Troianischen Krieg als Euphorbus sterben lässt (Od. I, 28, 11.) und wegen seines Wiedererscheinens in Gestalt des Hermotimus, des Pyrrhus, endlich des Pythagoras - renatus, iterum Orco demissus nennt. So gefasst musste ihm die Ansicht von der Seelenwanderung lächerlich sein (Epod. XV, 21. Epist. II, 1, 52 das. Bothe.), wie er auch in seiner Verspottung des Pythagoreers Empedocles aus pricht. Sat. II, 3, 296. Cruq. Epist. I, 12, 20-21, dazu Jacobs. lectt. Venus. Rhein. Mus. II, 1. p. 17; der jedoch im zweiten Punkt seiner Apologie den Zweck des Briefes aus dem Auge verlor und darum übersah, dass die eine Hälfte desselben ein unberufenes Studium der Naturphilosophie mit warnender Ironie vorführe. Freilich bezeichnet H. diese durch die in die Sinne fallendsten Erscheinungen, welche seit Thales und Pythagoras aufgekommen und sogar dem Römer Gegenstand der Forschung wurden, allein die Farbe des Ganzen und die Wahl einzelner Ausdrücke lehrt unläugbar, dass der Hauptzweck sei, den Freund theils von anderen Sorgen, theils von der Vertiefung in eine unbefriedigende Philosophie (wie einst den Quinctius Od. II, 11, 10 s. Vgl. III, 1, 25 s.) abzuziehn, und diess nicht ohne Spott gegen Democritus oder Empedocles und indirect gegen den Freund, doch wie überall mit seiner gutmüthigen Art zu bessern und zu helfen. Denn dass Iccius kein ganz festes Lebensziel verfolgte und die Einheit seiner Bestrebungen mit der äusseren Welt nicht immer die grösseste war, zeigt jene Epist. und Od. I, 29 zur Genüge.

75) Des P. Glaube an Divination (Cic. divin. I, 3.), an dämonische Erscheinungen (Arist. bei Appul. de Deo Socrat.), die Gewöhnung der Einzuweihenden an Stillschweigen und die Erforschung ihrer Gesichtszüge vor der Aufnahme (Gell. N. Att. I, 9.) u. a. konnte dem H. schwerlich anders erscheinen, da er die Lehre offenbar nicht bis zu ihrer ersten Quelle verfolgte. Ja selbst das berühmte avròs pa seiner Nachfolger konnte dem Römer nur ein Nothbehelf sein, um die Unsicherheit vieler Dogmen durch einen auf blinde Veneration deutenden und der freien Forschung unwürdigen Machtspruch festzustellen.

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