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änderung seiner äusseren Lage stand mit seiner inneren Einheit, mit seiner philosophischen und dichterischen Entwicklung in so engem Verein, dass die Rückwirkung davon nicht ausbleiben konnte.

Treffen somit innere und äussere Umstände zusammen, um den Dichter auf den Gipfel seines Vermögens zu stellen und aus der Wirkung seiner gesamten Kräfte einen Lebens- und Thatenkreis zu entwickeln, der in idealer Wirklichkeit vor der Welt steht; ihn selbst aber, indem er alles Irdische beseelt, über sich erhebt und auf Augenblicke vergöttert: so ist es zunächst zweierlei, welches seine höchste, oder nach Horatius' eigenem Urtheil, seine einzige dichterische Epoche wesentlich vermittelt und einleitet. Um sich selbst nämlich und die Welt seinen Aristippisch-epikurischen Grundsätzen getreu mit vollem Behagen zu empfinden, bedurfte er der Befriedigung aller Sinnenempfindungen, womit die Natur ihren Günstling belebte und wodurch sie ihn auf die reichsten Gefilde hinwies, um seine Gemälde durch die Wahrheit einer unvergänglichen Blumen- und Farbenpracht für das menschliche Herz zu verewigen. Wie daher das Schicksal, indem es sein Leben gegen die äussere Welt und die verwickelten Zustände des damaligen Rom 200) unabhängig stellt und über Druck und Noth erhebt, ihn auf die Höhe seines Glückes führt und die Oden und Episteln mit dem frischen Anhauch einer in sich glücklichen Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit beseelt; ebenso ist es ein nothwendiges Freundschaftsbedürfniss, welches ihn überall an die würdigsten Gegenstände bindet, und ein tiefes Feuer der Leidenschaft für das sinnlich Schöne, für sinnliche Liebe und für alles, von der Römischen Welt damit Verknüpfte, welches die Phantasie zur Hervorbringung solcher Kunstwerke steigert, die neben den übrigen Thaten und Werken den glänzendsten Platz einnehmen. In der Erfüllung jenes frühen Strebens nach persönlicher Freiheit liegt ihm sein höchster Wunsch vorbereitet, abgeschlossen von der Welt, die er in allen Theilen in sich aufgenommen hatte, das Leben eines Weisen und philosophischen Dichters führen und das Höchste nach innen bezüglich leisten zu können; hier bindet ihn das Bedürfniss nach menschlicher Verbindung mit allen ihren Genüssen und Beschwerden an die Welt. Er ist nicht allein durch Vorstellungen empfundener Leidenschaften, sondern durch die Wirklichkeit derselben an die Sitte und Denkungsart seines Jahrhunderts geknüpft; aber indem er mit Bewusstsein und freier Selbstbeherrschung einem von der Natur beabsichtigten und gebotenen Zustand seiner

200) Um zu verstehen, was für H. die äussere Unabhängigkeit war, womit Mãcenas im J. 723 ú. c. mit Verstand und Wahl durch sein den Bedürfnissen entsprechendes Geschenk ihn beglückte, muss man sich nicht nur des Dichters höchsten Wunsch nach persönlicher Freiheit und was damit für ihn bedingt wurde, seine ganze Existenz vergegenwärtigen, welche nach jener Zeit ihr vollendetes Glück nur noch in einer wissenschaftlichen Musse, in einem poetischen und philosophischen Stillleben oder in dem Genuss wahrhafter Freundschaft denken mochte; sondern man muss ihn selbst hören über den Contrast des Lebens in der Hauptstadt mit dem eines Dichters. Mit der ebhaftesten Empfindung äussert er sich darüber bald nach Empfang des Sabinums Sat. II, 6, 60 sq. Seit dieser Zeit wird ihm das Leben in Rom von Jahr zu Jahr lästiger und seinen Zwecken widerstreitender. Denn bald schreckt ihn, den Dichter und Denker, die Stadt des Scheins und des Augenblicks, der Unnatur und des Sittenverfalls; bald der Tummelplatz forensischer Geschäfte, das zudringliche Einladen zum Anhören lichterischer Stümpereien, die beschwerliche Verpflichtung an den Tafeln der Grossen die lange Weile zu verkürzen, die Plage geschäftiger Nichtsthuerei, wozu die tumuluarischen und weitläufigen Strassen auffordern, die Ungesundheit des gefährlichen Scirocco u. Tramontana. Alles war anders in Athen, auf dem Sabinum, an der Küste Campaniens. HORAT. EPISTELN.

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Sinnlichkeit nachgiebt: so darf in den Augenblicken des reinsten Genusses, wie des völligen Unbehagens, wenn er inne wird, dass er seiner Idee einen vielleicht minder würdigen Gegenstand unterlegte, des Dichters unerschütterliche Gesundheit nicht verkannt werden.

Durch sie

Ein Ausspruch solcher Art fordert mit Recht eine Begründung. werden wir dahin geführt werden, den sittlichen Character unseres Dichters von einer Seite zu schützen, wo der Einzelne vielmehr, als das gesamte Alterthum, noch von vielen, wie es scheint, ungebürlich verkannt wird. Freilich ist uns von dem Verhältniss der Römischen Frauen nur weniges aus lückenhaften Zeugnissen bekannt, doch auch das wenige verbürgt einen Unterschied alter und neuer Zeit, der kaum irgendwo sonst merklicher sich ausspricht. Wenn es bei uns nämlich durch religiöse und bürgerliche Gesetze anerkannt ist, dass das Wesen der Frau auf sittlichem Grunde ruhe und dass ihre höchste Bedeutung und Aufgabe in der Stellung `zur Welt gelöst ist, wenn sie auf sittliche Veredlung der Gesamtheit ausgeht und sie vermittelt: so brachte es der Mangel an Sittenstrenge in der Augusteischen Zeit mit sich, dass das weibliche Geschlecht nicht viel höherer Anerkennung genoss, als der Stand einer Magd oder treueren Sklavin. Es ist bekannt, dass die Matrone wohl noch die herkömmliche Ehre ihres Standes schützte, aber es wurde auch diess immer mehr eine Ausnahme, die so wenig durch die gesunkene Aner→ kennung alter Vätersitte, als durch Gesetze befestigt werden oder zu allgemeinerer Geltung wieder gelangen konnte. 201) Die Ansicht, dass die Frau zur Unfreiheit und Unmündigkeit geboren sei, war die geltende, 202) Man vergönnte ihr den äusse

201) Solange der Römische Bürger noch wirklich an seine Götter glaubte, für den Frommen Belohnung, für den Gottlosen Strafe bevorstand (Cic. de Legg. II, 9.), behauptete sich auch die Heiligkeit der Ehe oder der Matronen und matres familias (Cic. or. pro Coel. c. 13.), da sie nach einem der drei Ehebündnisse dem Manne durch den Pontifex maximus oder Flamen Dialis anvermählt wurden. Aber diese Sitte bezeichnet Tacitus Ann. IV, 16 das. Lips. für den Anfang der Kaiserzeit schon als vetustus mos; omissa assuetudo aut inter paucos retenta. Kein Wunder also, dass man nicht nur die Scheidungen (diffarreatio) leichter nahm, sondern auch ohne dieselben, nach dem Vorgange der Griechen, dem Reiz der Abwechselung fröhnte. Diese so verderbliche, als lächerliche Unsitte stellt Hor. selbst Sat. 1, 2, 28 s. dar und er giebt seinen Worten durch den Ausspruch des alten Cato noch ein besonderes Gewicht. Von einem Satiriker wie Hor. wird man übrigens keine Moralpredigt wider den Ehebruch erwarten er wusste wohl, dass dadurch das versunkene Zeitalter weniger gebessert werden könne, als durch ein Verlachen der Sache oder durch das Beispiel des eigenen reineren Lebenswandels (s. Note 206 flg.). Wie konnte man eine Zeit besser belehren, in der schon die Ersten (Suet. vit, Octav. c. 69. das. 71. Tac. Ann. II, 24.) mit bösem Beispiel vorgingen? Am berüchtigsten ist das Verhältniss des Augustus zur Terentia, der Gattin des Mäcenas, geworden (738 u. c.), und dass so etwas nicht zu den seltenen Ausnahmen gehörte, darf auch aus der rühmenden Auszeichnung einer reineren Ehe geschlossen werden; wie z. B. vom Germanicus aufbewahrt wird, modicum voluptatum, uno matrimonio, certis liberis egisse. Tacit. Ann. II, 73; von der Cornelia, der Gattin des Pompeius, ausser anderen Tugenden (Note 203.) ein os andías nai megcɛgyías nadaqov herausgehoben wird Plut. vit. Pomp. c. 55. Im allgemeinen aber von dem verderblichen Anwachsen der moechi und des adulterium giebt uns vielleicht das treffendste Bild in wenigen Zeilen Catull. carm. CXII. Vgl. Note 207 und die Schilderung bei Juvenal. Sat. VI, 460 sq.

202) Diess lehren manche ganz herkömmliche, zum Theil gesetzlich gewordene Gebräuche. Die Frau wurde von der Erbschaft ausgeschlossen; sie wurde von Sklaven oder Eunuchen geschützt gegen die Gefahren, welche ihrem Lebenswandel drohten (s. Obbar. z. Epist. I, 1, 17.); sie wurde, wie in Griechenland, und zwar nicht bloss die

ren Schmuck und Putz, während man ihr den Adel der Seele entzog oder absprach; man urtheilte streng, wo ein Streben nach höherer Ausbildung hervortrat, während es geduldet wurde, dass ihre Sitte durch den thätigen Antheil an Fechterspielen verunehrt würde 203); es blieb ihr nur selten die Bestimmung, ein zarteres Verhältniss zwischen Eltern und Kindern zu vermitteln und die Erziehung zu leiten 204); es richtete sich ihr Einfluss und Geschäft auf den Sinnenreiz und erhob sich oft nicht über die Grenze des gemeinsten Bedürfnisses, indem es immer herkömmlicher wurde, die Befriedigung der sinnlichen Lüste auch ausser der Ehe zu suchen. 205) Daher wird jenes antike Verhältniss nicht allein der Idee nach betrachtet, jeden Vergleich mit dem neueren ablehnen, sondern auch in der Wirklichkeit wird die christliche Liebe ungleich edler und reiner, wenn auch seltener und häufig der Entstellung und Unnatur ausgesetzt, erscheinen. Die Liebe des Römers dagegen wird selbst in ihrer Entkleidung der sittlichen Würde mehr auf dem Boden der Natur wurzeln und obwohl vielfach verzerrt durch das Uebermass schwelgerischer Verfeinerung, freier und bewusster und darum vor Schwärmerei oder ähnlicher Verirrung gesicherter erscheinen, als in anderen Zeiten.

Horatius widmete seine Zeit früh und gewiss mit glühender Leidenschaft dem Dienste dieser Liebe, aber seine Gesinnung, ja sein sittlicher Grund, den schon die Strenge der väterlichen Erziehung dem Kinde und Jüngling befestigt hatte, blieb so lauter und unbefleckt, als es bei einem nach herrschender Sitte erlaubten

unverbeurathete unter Verschluss gehalten. Propert. El. III, 3, 49; III, 13, 9. Tibull. El. II, 4, 81 das. Heyn. Ovid. Am. III, 8, 63. Daher der Rath, welcher einem Eifersüchtigen ertheilt wird Juven. Sat. VI, 346 pone seram! cohibe! Hor. Epist. I, 20, 3 das. T. Schmid. Dass diese Sitte ziemlich allgemein war, möchte man schliessen aus den Wagnissen, welche die Männer nach Hor. über sich nahmen, um zu ihrem Zweck zu gelangen. Sat. I, 2, 37 s. ibid. 65 s. ibid. 96 s.

203) In welcher Anerkennung die gebildeten Frauen standen s. bei Sallust. Cat. c. 25. Juven. Sat. VI, 402 sq. ibid. 435 sq. Rühmlicher ist das Urtheil über die Cornelia, die Tochter des Scipio bei Plut. vit. Pomp. c. 55. nai vào nɛgi roάuuata καλῶς ἤσκητο καὶ περὶ λύραν καὶ γεωμετρίαν· καὶ λόγων φιλοσόφων εἴθιστο zonoíuos άnovelv. Vergleiche die folgende Note. Dagegen berichtet Tacit. Ann. XV, 32 aus etwas späterer Zeit: spectacula gladiatorum idem annus (817 u. c.) habuit pari magnificentia ac priora. sed feminarum illustrium senatorumque plures per arenam foedati sunt. Das. die Nachweisungen bei Lipsius.

204) Zum Beweise diene jetzt nur die St. des Auct, de c. c. eloq. c. 28 u. das, was Cic. im Brutus zerstreut, besonders c. 58. c. 72 aus der republicanischen Zeit beibringt. Was dort von den Gracchen, den Catuli, Laelii, Mucii erwähnt wird, hallte wieder, weil man nichts mehr davon hatte, als allein die Erinnerung. magni interest, sagt Cic. 1. c., quos quisque audiat quotidie domi, quibuscum loquatur a puero, quemadmodum patres, paedagogi, matres etiam loquantur. legimus epistolas Corneliae, matris Gracchorum; apparet filios non tam in gremio educatos, quam in sermone matris. Ebenso gründeten die übrigen, wie derselbe meint, domestica consuetudine vielmehr, als durch Studium ihr Ansehn und ihren Ruhm.

205) Schon zu Julius Cäsars Zeit hatte die Ehe- und, was damit zusammenhängt, die Kinderlosigkeit auf eine sehr beunruhigende Weise für das Interesse des Staates zugenommen. Er suchte durch Gesetze zu befördern, was kaum noch durch das Mittel der Religion oder der geistigen Cultur hätte zurückgerufen werden können. Daher Tacit. Ann. III, 25. relatum de moderanda Papia Poppaea, quam senior Augustus post Julias rogationes incitandis caelibum poenis et augendo aerario sanxerat. nec ideo coniugia et educationes liberum frequentabantur praevalida orbitate. Vgl. Tacit. Germ. c. XIX. Sueton. vit. Octav. c. 34. Obbar. z. Hor. Epist. I, 1, 88.

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und daher anständigen Umgang mit Hetären nur immer möglich war. ,206) Denn nirgends verletzen seine sinnlichen Bedürfnisse das Gesetz oder von ihm anerkannte, heilige Familienrechte, obwohl er selbst ausser der Ehe sein Leben führt.207) Er beweist vielmehr in Wort und That, dass jede festere Verbindung ihm achtbar erscheine, wenn sie in alter Reinheit zur Schande Roms sich auch nur noch unter den wackern Sabinern oder Apulern finde 208); ja er konnte selbst im Unmuth über das wankelmüthige Geschlecht eine vorübergehende Sehnsucht nach unauflöslichen Banden der Liebe nicht ganz unterdrücken. 209) Freilich sind diess nur augenblickliche Bekenntnisse, welche der oft rasche Wechsel des Geschmackes dem Wankelmüthigen durch vergeltende Erwiederung des Unbestandes abnöthigt. Wenn

206) Wie früh H. sich auch dem Genuss der Liebe ergab (in dulci iuventa, mit Hindeutung auf die Zeit, wo er Epoden dichtete. Od. I, 16, 23.) und zwar bisweilen zum Nachtheil für seine dichterische Musse (Wiel Einl. z. Sat. II, 3. Epod. XI. XIV.), ja wohl gar so, dass er darum eine längere Jugend einbüsste (in seinem vierzigsten J. erklärt er sich dem Eifersüchtigen gefahrlos Od. II, 4 extr. Vgl. Od. III, 14, 25 s. Epist. I, 20, 24; I, 7, 26.): gegen die Römische Moral verstiess er darum nicht. Der Umgang mit meretrices, ancillae ctt. wurde schon dadurch befördert, dass die gesetzmässige Ehe nur zwischen Römischen Bürgern geschlossen werden durfte und hatte selbst nach dem strengen Cato nichts Entehrendes, ausser im Uebermass. Sat. I, 2, 32, wo Schol. Acr. quum frequentius quendam exeuntem de eodem lupanari vidisset, dixisse fertur: adolescens, ego te laudavi tamquam interdum huc venires, non tamquam bic habitares. Aehnlich der Ausspruch des Aristippus zu einem Jüngling: ov tò ɛloɛλθεῖν χαλεπόν, ἀλλὰ τὸ μὴ δύνασθαι ἐξελθεῖν. Diog. L. II, 69. Vergl. Ter. Adelph. I, 2, 21 sq. und über die durch Solon gesetzlich gewordene Erlaubniss für Griechische Jünglinge, den natürlichen Trieb zu befriedigen, Philem. fragm. pag. 357. Meinek. und dazu Jacobs üb. die Gr. Hetären p. 318. Obwohl nun Horatius einen ziemlichen Unbestand (Note 214.) in seiner Liebe zeigt, so war es ihm doch von Kindheit auf eingeflösst, sich dabei in den Schranken des Anstandes und der Mässigung zu halten. Sat. I, 4, 111 sq. Späterhin kam ihm seine Aristippische Moral zu Statten, um beides zu bewahren, soweit es für Leben und Ruf in Rom ausreichte; doch ermahnte ihn auch wohl sein schwächlicher Körper, den wir aus den Episteln kennen, bisweilen eine Pause eintreten zu lassen. Od. I, 19, 4; IV, 1, init. vgl. Epist. I, 14, 36. Ausl. Sat. I, 2, 111 sq.

207) H. nennt sich selbst caelebs, Od. III, 8, 1. Aber sowie er sich nie zu den unnatürlichen Wollüstlingen seiner Zeit hielt, erlaubte er sich auch niemals Eingriffe in die Alleinrechte anderer. Nicht allein die Lehren seines Vaters, nicht allein das Ungereimte und Gefahrvolle in dem Laster des Ehebruchs (Sat. I, 2.), sondern auch seine Grundansicht, dass der wahre Genuss leicht, furcht- und sorglos sein müsse und noch mehr, dass im Ehebruch die Quelle des grössten Verderbens für das lebende Geschlecht zu suchen sei, liessen jene Unsitte ihn als die scheuslichste Verletzung heiliger Rechte darstellen. Od. III, 6, 17 sq. Vergl. damit die Ansicht des Epicurus. Diog. Laert.

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208) Epod. II, 39-44. Das. die Nachweisungen bei Mitscherlich.

209) Besonders Od. I, 13 extr. Dazu konnte ihn theils das gelöste oder höchst schwankende Verhältniss zur Lydia, Neära, Barine veranlassen, theils diess, dass der Dichter in Erreichung seines Zweckes nicht immer das gleiche Glück hatte; wie z. B. Od. III, 10; III, 11. Denn dass der Dichter hier und in anderen Stellen nur Wesen der Einbildung vor sich habe, wie oft man auch an Griechische Vorbilder erinnert wird, muss mit geringen Ausnahmen im allgemeinen durchaus geläugnet werden. Hierin urtheilte Lessing Rett. des H. T. III. p. 217 flg. p. 22+ offenbar mehr nach dem Geschmack seiner, als der Römischen Zeit und brachte, unseres Bedünkens, wenn wir nur den lyrischen Dichter ins Auge fassen, ein nicht einmal ehrendes Argument zur Rettung bei, da er jenem entzog, was er dem Menschen zulegen wollte. S. Note

212. 214.

jedoch seine Natur höchlich geschickt ist, sein Glück auch in diesem Punkte so rein zu geniessen, wie das Unglück würdig zu ertragen; wenn er sogar in diesem Kampfe der Leidenschaften ein weites Feld für seine Thätigkeit, die reizendste Nahrung für sein Dichtertalent findet: so sollte die Nachwelt wenigstens ihres Dankes gegen den wahrhaft antiken Sinn nicht vergessen, der mit harmonischem Behagen auf die leichteste und wohlfeilste Weise, nach Socrates, seine Sehnsucht stillt, aber mit männlicher Selbstbeherrschung sein edleres Selbst bewahrt und sich in Mitten dieses herrschenden Beherrschtseins handelnd und dichtend der gesundesten Menschenkraft erfreut. 210) Es sei ferne, dass wir ihn darum, vor allem in der Zeit seiner ungezügelteren Leidenschaft, die sich namentlich in einzelnen Epoden ausspricht, von aller Unzüchtigkeit und Unsauberkeit frei sprechen. Wüssten wir nur, dass er an der Untreue einer Gratidia in einem so bitteren, wie schmutzigen Tone Rache nahm 211); dass er die Zudringlichkeit eines und anderen Weibes, welches die Grenzen der Jugend längst überschritten, mit Archilochischer Galle allen Raben zur Beute wünschte: so möchte man ihn eines Geschmakkes zeihen, der nicht der Sitte des Jahrhunderts, wohl aber seiner selbst unwerth sei. Wäre es wahr, was ältere und spätere Verläumdung von Frauen- und Knabenliebe, von sybaritischer Wollust und Genusssucht mit wohlfeiler Selbstbefriedigung ihm anheftet, ja was nur der Dichter über den vielseitigen Umfang seiner Liebesinteressen sich vorwirft oder vorwerfen lässt 212): so dürfte der Griffel zu

210) Indem er die Lehren des Vaters und seine darauf gegründete Weltweisheit zur Richtschnur nimmt, gelingt es ihm trotz seines leidenschaftlich aufbrausenden Temperaments (Od. III, 9, 23. Sat. II, 3, 323. Ep. I, 20, 25.) sich überall zu beherrschen und in Einklang mit sich zu bleiben. Nach beiden ist es ihm Gesetz, eine parabilis facilisque Venus (Sat. I, 2, 119.), nach herrschender Sitte auch concessa Venus von ihm benannt (Sat. 1, 4, 114.), zu lieben; wobei Wieland der verwandten Socratischen Ansicht gedenkt. Xenoph. Memorab. I, 3, 14. 15. Nicht minder verwies ihn aber sein leichter und oft indolenter Sinn in den Umstrickungen der Liebe auf die Aristippische Moral. Schnell war ein gelöstes Verhältniss durch ein neues ersetzt, oft noch während das frühere bestand. So durfte H. jenes Aristippische Exo, ovn Exquaι (Athen. XII. p. 544. e. Cic. Ep. ad Fam. IX, 26.) auch in jenem Sinne auf sich anwenden: mihi res, non me rebus subiungere. Epist. I, 1, 19 das. Obbar. Nach diesem dringt sich uns der Ton und Ausdruck je nach verschiedenen Situationen als characteristisch und durchgehends entsprechend dem Wesen und der Grundansicht des Dichters auf. Wenn nämlich im Allgemeinen reizbare Sinnlichkeit aus seiner Liebe spricht, so wird jene gezügelt durch einen sicheren Takt und Geschmackssinn, welcher den Anstand zu verletzen verbietét; durch die Kraft sich selbst zu bezwingen und den Verwicklungen seiner Interessen eine geistige oder poetische Lösung zu geben; durch das Vermögen, sich an objectiver Beschauung zu befriedigen und sein sinnliches Feuer durch ideale Einkleidung wirklicher Empfindungen oder Erinnerungen zu stillen. Siehe die folgenden Noten.

211) Was aus dem Dichter selbst und seinen Scholiasten von jener Zauberin aus Neapel bekannt ist, stellt Weichert poet. Lat. rell. p. 416 zusammen, und Buttm. Myth. I. pag. 832 hatte gewiss Recht, wenn er schon in der Umänderung ihres Namens in Canidia (von canus.) eine bittere Anspielung auf die greise Buhlerin wahrnahm. Noch weniger zur Ehre gereichen dem Dichter Epod. VIII und XII, welche unbezweifelt an wirkliche Erscheinungen anknüpfen und den schmutzigsten Abdruck Römischer Sittenerniedrigung geben. Dennoch wer möchte es läugnen, dass auch in diesen der Sieg der besseren Natur sich kund thut, welche durch die Aeusserung vorübergehender Stimmungen die Phantasie freispricht von Flecken, durch die sie auf Augenblicke in Roms Schmutzcloake sich vertiefte.

212) Die Unbilden, welche die Manen des Dichters in jener Hinsicht zu erdulden hatten, gingen vornehmlich von den Deutschen und unseren überrheinischen Nachbarn

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