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,,ut Iuvenalis ibi interficeretur", wie sich ein Biograph ausdrückt, leicht erreicht werden konnte. Es hat auch diese Annahme ihre Widersacher gefunden: indessen hat man auf den Ort der Verbannung kein so grosses Gewicht zu legen, da dieser Punkt in keiner Weise bei der Auffassung unsers Dichters irgendwie in Betracht kommt, was wir von der Verbannung selbst nicht behaupten können. Hatte der Dichter gleich unter Domitian selbst manchen Stoff zu seinen Satiren gesammelt, ja, wie wir gesehen, bereits sich in dieser Gattung der Dichtkunst versucht, was ihm eben die Verbannung zuzog: so veranlasste ihn gewiss die Bitterkeit des Exils selbst, in der einmal begonnenen Weise fortzufahren; sein Ingrimm gegen die erlebten Zeiten musste nur zunehmen durch die ihm daraus erwachsene Schmach und diese selbst der edlen Indignatio Sat. I. 79 einen um so schärferen Sporn verleihen. Ausgegoren brachte er den grössten Theil seiner Satiren mit nach Rom zurück, wo mit der Thronbesteigung Nerva's ein glückliches Gestirn der Menschheit aufgegangen war, das in den Zeiten Trajans, Hadrians und der beiden Antonine culminirte die Poesie hatte überhaupt wieder ihre volle Freiheit und Sicherheit erlangt und so scheinen die neun ersten Satiren unsers Dichters in rascher Reihenfolge verfasst worden zu sein sie sind zu deutlich aus einem Gusse verfertigt, als dass man längere Pausen zwischen den einzelnen Satiren annehmen könnte: ungezügelt und alles Schlechte unbarmherzig niederrennend stürzen die Rosse des Dichters dahin, Niemanden, der es verdient, verschont seine mit kräftigem Arme geschwungene Geissel, der Lasterhafte, auf den er mit gezücktem Dolche eindringt,,,soll, der heimlichen Schuld bewusst, erzittern, vor Angst schwitzen und in Thränen und Wuth ausbrechen" Sat. I. 165, während das vierte und fünfte Buch deutlich die Spuren des höheren Alters an sich trägt, der Einfluss der stoischen Philosophie überall durchblickt und die Satiren selbst im Gegensatze der Invectiven der ersteren mehr reflectirenden Charakter zeigen. Von diesem Gesichtspunkte aus muss man die Verbannung des Dichters ansehen: sie bildet für seine Arbeit ein Ferment mehr und fast möchte man wähnen, er habe sich bei der Abfassung der Satiren seine eigenen Worte zugerufen:,, Quippe et istud Fermentum tibi habe." Sat. III. 187. Daher jetzt die gleichsam schadenfrohe Wiederholung jener drei ihm so verhängnissvoll gewordenen Verse in der siebenten Satire

daher aber auch der volle Erguss über Domitian und seinen

Hof in der vierten Satire, welcher jetzt frei an den Tag treten konnte, nachdem der letzte Flavier mit der Zerfleischung seines schon halb entseelten Reiches zu Ende gekommen war. Sat. IV. 37.

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Mehr als die vorstehenden höchst allgemeinen Umrisse bieten uns die auf unsere Zeiten gekommenen Vitae über unsern Dichter nicht dar am allerwenigsten sind wir im Stande, von seinen näheren Familienverhältnissen das Geringste zu erfahren. Es ist daher auch eine sehr gewagte Behauptung, wenn Völker in seinem Buche: Iuvenal, ein Lebens- und Charakterbild aus der röm. Kaiserzeit. Elberfeld 1851. 8. p. 16 auf Grund der sechsten Satire, in welcher der Dichter die römischen Frauen geisselt, annimmt, Iuvenal sei durch bittere Erfahrungen in seinem häuslichen Leben zu solchen herben Ausfällen gebracht worden, in welcher Annahme schon W. E. Weber in seiner Uebersetzung und Erläuterung des Dichters, Halle 1838. p. 230 vorangegangen war. Es kann unmöglich aus den Bestrebungen eines Satirikers, die Missstände und Gebrechen des weiblichen Geschlechtes zu schildern, gefolgert werden, ihn habe Hass und Verachtung gegen dasselbe geleitet unser Dichter zeigt sich überall als einen zu feinen Menschenkenner, als dass ihm der Zusammenhang mit den Ursachen, welche das weibliche Geschlecht auf die von ihm bezeichnete Bahn hingedrängt, unbekannt geblieben, er hat sie selbst in der Satire bezeichnet; helfen konnte er nicht, denn die Zeiten waren vorüber, in welchen Cicero's Spruch noch gelten konnte: ,,Eiusmodi cives a censore melius quam a poeta notari" de republic. IV. 10; so schwang er denn in edler Entrüstung und höchster Erbitterung die Geissel über die bestehenden Verhältnisse und die daraus entspringende Schlechtigkeit der Zeit, in welche auch das weibliche Geschlecht mit fortgerissen wurde. Moralischer Grimm, wie Teuffel in seiner Charakteristik des Horaz, Leipzig 1842. p. 48. die Muse des Iuvenal bezeichnet, hatte sich des Dichters bemächtigt, und diesem liess er freien Lauf. Man kann die Fehler der Menschen hassen, man kann von der,, Begeisterung des Hasses" durchdrungen sein, ohne darum aufzuhören, die Träger oder die liebenswürdigen Trägerinnen der Fehler selbst zu lieben. Was daher nach Athenaeus (Deipnosoph. XIII. 5) Sophokles vom Euripides, welcher ebenfalls des Weiberhasses beschuldigt wurde, sagt, er sei nur,,soyúvns v tais toaɣodiais“ gewesen, das kann wohl auch von unserm Dichter gelten er hat den Hass nicht auf die Personen, sondern auf ihre

Thaten geworfen. S. meine Bearbeitung der sechsten Sat. Braunschweig, 1854. p. 3 ff.

Die Zeit betreffend, wann Iuvenal seine Satiren schrieb, so geben uns darüber ein paar Stellen in diesen selbst Winke. In der ersten Satire v. 49 ist auf die Verurtheilung des wegen Gelderpressungen in der Provinz Africa angeklagten Marius Priscus hingewiesen (wiederholt in VIII. 120): diese erfolgte aber 100 n. Chr. S. Plin. epist. 11. lib. II., wo die Geschichte ausführlich erzählt ist. Ferner erwähnt der Dichter VI. 205 den Beinamen des Trajan,,Dacicus", welchen er vom Senate nach dem Jahre 101 erhielt. In derselben Satire werden v. 410 Naturereignisse, Erdbeben u. s. w. geschildert, welche unter Trajan im Jahre 114 stattfanden. Siehe das Nähere in der Einleitung zur sechsten Satire. Dass endlich auch die siebente Satire an den Kaiser Trajan gerichtet ist, hat Hermann a. a. O. genügend bewiesen.

Wir können diese kurze Schilderung über Iuvenals Lebensverhältnisse, so viel wir davon wissen, unmöglich schliessen, ohne an einen Schriftsteller zu erinnern, der gleichzeitig mit ihm gelebt und in einer Beziehung wenigstens mit ihm verglichen werden kann, wenn ihn gleich sein Geschick auf eine andere Bahn getrieben hatte, wir meinen den grossen Geschichtschreiber C. Cornelius Tacitus. Geboren 52-54 n. Chr. verwaltete er unter Vespasian, Titus und Domitian die gewöhnlichen Staatsämter auf kurze Zeit, entfernte sich unter Domitian auf mehrere Jahre aus Rom (89 bis 93, vielleicht war er in Britannien oder Teutschland) und widmete sich dann unter Nerva (unter ihm war er 97 Consul suffectus) und Trajan der Geschichtschreibung. Sein Tod fällt wahrscheinlich unter Hadrian. Gleich unserm Dichter war auch Tacitus von altem ächten Römersinn durchdrungen überall leuchtet auch bei ihm die höchste Entrüstung über die verlorene Freiheit durch; was uns der Dichter in poetischer Einkleidung erzählt von den besseren Tagen Roms, von der jetzigen den Tugenden feindseligen Zeit, von den Schandthaten der Zeitgenossen, das finden wir in herzzerschneidender ungebundener Rede (und in welcher Rede!) in den Werken des grossen Historikers niedergelegt, so dass wir wohl sagen können, beide ergänzen einander, wie wir denn auch zu so manchen Stellen in unserm Dichter Tacitus als Beleg anführen müssen. Beide hatten die schmachvollsten Zeiten Roms unter dem Despotenjoche Domitians durchgelebt: sie sahen beide den Staat am

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Abgrunde des Verderbens, die Edelsten der Tyrannenwuth verfallen, den Gedanken in Fesseln, Wort und Lehre verfolgt, die grösste Sittenlosigkeit, wozu die Obersten das Beispiel gaben, in allen Ständen eingerissen beide erlebten die durch den Regierungswechsel nach Domitian eingetretene Umänderung der Verhältnisse, und wie Iuvenal, so lösten auch Tacitus die angebrochenen besseren Zeiten unter Nerva und Trajan die Zunge: seine Worte, wie sich Schmidt in seinem trefflichen Buche: Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im ersten Jahrhundert der Kaiserherrschaft und des Christenthums. Berl. 1847. 8. p. 449 ausdrückt, waren eine Möglichkeit geworden, nachdem alle Rede- und Schriftprocesse, alle Bücherverbote aufgehört hatten. Rühmt doch Tacitus selbst Hist. c. 1 das seltene Glück seiner Zeit, welches ihm gestatte, zu denken, was er wolle, und frei zu schreiben, was er denke. ,,Denn," sagt er an einer andern Stelle, ,, wir haben einen starken Beweis von Geduld gegeben, und wie die Vorzeit sah, was von Freiheit höchster Gipfel war, so wir, was von Sklaverei, da uns durch Nachspähungen selbst der Sprache und des Ohres Verkehr geraubt war. Auch selbst die Erinnerungskraft hätten wir mit der Stimme verloren, ständ' es eben so in unserer Macht, zu vergessen, wie zu schweigen." Agric. 2. Wir sind weit entfernt, unsern Dichter in seinen geistigen Productionen dem grossen Historienschreiber an die Seite zu stellen: mit einer gewissen durchleuchtenden Schadenfreude beschreibt Iuvenal die Gebrechen seiner Zeit und scheint sich an ihnen zu ergötzen, weil sie ihm Gelegenheit bieten, gegen sie die Geissel seiner Satire in voller Kraft zu schwingen. In Tacitus' edler Sprache giebt sich dagegen überall der ungeheure Schmerz zu erkennen, welcher sich bei der Erzählung der erlebten Unthaten seiner Seele bemächtigt: er hofft noch auf bessere Zeiten und will eben durch die treue Abspiegelung des Verderbens der jüngstverflossenen Jahre jene herbeizuführen sich bestreben, er will sich um Wiederveredelung der tiefgesunkenen Zustände nach seinen besten Kräften bemühen. Langsam zwar, meint er, werde diese erfolgen: ,, liegt es ja doch in der Natur der menschlichen Schwäche, dass langsamer die Heilmittel sind als die Uebel, und wie der Körper nur allmählich zunimmt, schnell vernichtet wird, so mag man auch Talent und Geistesstreben leichter unterdrücken, als zurück ins Leben rufen." Agricol. 3. Solch edles und hochherziges Streben nach Belehrung und zuversichtliches Hoffen auf Besserung finden wir bei

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unserm Dichter nicht, wie dieser Zweck denn auch nicht in der von ihm gewählten Dichtungsart selbst liegt sein aufgebrachter und stürmischer Geist vermochte es nicht, in dem friedlichen Gebiete der didaktischen Muse zu verweilen, er will das Laster nur züchtigen, sein ausersehenes Opfer so lange mit seinen Geisselhieben verfolgend, bis es unter denselben gefallen ist:,,Juvenal seems suckled on the national Wolf" sagt in dieser Beziehung ein Gelehrter Englands; seine Zeit selbst gab er auf, für welche bereits nach seinem Ausspruche Sat. XIII. 28. das neunte Zeitalter angebrochen sei, für dessen Bezeichnung kein Metall mehr in der Natur gefunden werden könne," und in der That gingen auch die hoffnungsvollen Jahre der besseren Kaiser spurlos vorüber; denn schon mit Commodus brachen die Zeiten der Knechtschaft und des Geistesdruckes wieder herein, immer seltener durch bessere Herrscher auf kurze Frist unterbrochen. Jene von Tacitus gesegneten Zeiten waren, wie sich ein Schriftsteller ausdrückt, nur,, ein Athemschöpfen der Geschichte, eine Pause im Verfall" gewesen; denn nie konnte wahrhaft und dauernd die Sittlichkeit von dem Verderben und die Freiheit von dem Todesstosse genesen, welchen ihr bereits die Julier beigebracht hatten.,,Zu schwer athmend, um thatkräftig zu leben, und doch nicht schwer genug, um rasch zu sterben, schleppte Rom noch Jahrhunderte lang ein sieches Dasein hin, ehe das letzte Todesröcheln eintrat." Schmidt a. a. O. p. 453.

Wir mussten aber hier an den geschilderten Zustand Roms erinnern, weil wir in ihm den besten Commentar zu den Geistesarbeiten unsers Dichters erblicken: Geschichte und Satire reichen sich hier einander die, Hand, und wo uns, wie bei Iuvenal, die biographischen Nachrichten so wenig Erläuterndes darbieten, da muss die Geschichte der Zeit, welche der Dichter durchlebte, eintreten und das ergänzen, was uns der Mangel jener in freilich bedauernswürdiger Weise entzogen hat.

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