Tochter, die er gern glücklich und wohlversorgt sehen, und der Liebe zur Wissenschaft, deren Panier er zu gleicher Zeit gern hoch halten möchte, schmerzlich hin und herwirft; zu einer Entscheidung kommt es jedoch in dieser Scene noch nicht. In den Anfangsscenen des folgenden Actes stürmen nun Alle auf ihn ein: sein Lieblingsschüler Vivian, der sich den Weg in sein Gefängniss zu Rom gebahnt hat; Niccolini, der toskanische Gesandte, der ihn nicht länger schützen kann; Livie, die ihn geradezu für besessen hält; endlich der schwerste Angreifer von Allen, seine geliebte Tochter Antonia, die an sein väterliches Herz appellirt. Er setzt dem Allen eine Zeit lang das edle Widerstreben eines hochherzigen Jüngers der Wahrheit entgegen und trefflich schildert er die Qualen, die ihn zerreissen, in den Worten: Ah! vous ne savez pas ce que vous exigez, Ce qu'on demande est plus que mon sang; c'est mon âme, Chaque vie a son but, et c'est pourquoi l'on vit; Tout ploie et croule en nous, dès qu'on nous le ravit. à Niccolini. Supposez votre duc détrôné par le pape; à Taddeo. Suppose, Taddeo, qu'Antonia t'échappe; Et vous pouvez juger de quel coup l'on me tue, Quand on veut, Dieu puissant, que je la prostitue!.... Und als seine Umgebung immer wieder von Neuem in ihn dringt, bricht er in den verzweifelten Schmerzensruf aus: Qu'ai je donc fait, grand Dieu! pour être ainsi traité? Qu'il faille que toujours on insulte, on diffame, On poursuive à grands cris, par le fer, par la flamme, L'homme qui, travaillant à la gloire humaine, Et que des êtres doux et bons soient plus haïs, Lui donnant leurs labeurs, leurs veilles, leurs fatigues, Und inniges Mitleid, wenn auch nicht hohe Bewunderung, müssen wir ihm zollen, wenn er mit den Worten schliesst Tu le sais, o mon Dieu! j'ai fait ce que j'ai pu; Les pleurs de mon enfant me forcent au parjure. Die Wehklage dann, in die er ausbricht, während die Mönche, als Zeichen der Demüthigung, ihm sein Obergewand ausziehen Adieu, travaux! Adieu, magnifiques conquêtes! Dans les immensités que je m'étais ouvertes! erinnert an die ähnliche Wehklage des Shakespeare'schen Othello, nachdem ihm die Ueberzeugung von der vermeintlichen Untreue Desdemona's innerlich gebrochen hat O now, for ever, Farewell the tranquil mind! farewell content! Farewell the neighing steed, and the shrill trump, Pride, pomp and circumstance of glorious war Archiv f. n. Sprachen. XL. 3 Die Abschwörung selbst findet nun in der Weise statt, dass er zuerst sein Buch Dialogue de trois amis, touchant le système des cieux (den italiänischen Titel desselben siehe weiter unten) als ketzerisch verdammen muss, worauf der Inquisitor ein umständlich motivirtes Urtheil vorliest, wornach dieses Buch durch öffentliches Edict verboten, er selbst, Galilei, aber zum Inquisitionsgefängniss verurtheilt wird, mit reservirtem Rechte, denselben je nach Lage der Umstände ganz oder theilweise zu begnadigen, worauf dann Galilei noch knieend die Abschwörungsformel verliest und in ein Kloster zu Livorno consignirt wird. Indem er dann aufsteht und auf die Erde stampft, ruft er, jedoch beiseite, das berühmte Et pourtant elle tourne! aus und der Vorhang fällt. Mit diesem halben oder ViertelsTriumphe der Wahrheit, diesem Schnippchen in der Tasche gegen die priesterliche Omnipotenz schliesst also das Stück, das, wie wir schon erwähnten, auch den heutigen, ziemlich defekten Stuhl des heiligen Petrus nicht eben sonderlich in Ungelegenheit bringen und gewiss auch nicht, wie einst Galilei's Buch, auf den Index congregationis kommen wird. Als poetisches Werk betrachtet ist dasselbe jedoch, wie schon aus der vorhergehenden Skizze erhellen muss, keinesweges ganz ohne Werth, wenn auch, wie alle Ponsard'schen Dichtungen, kein eigentlich geniales und von wahrer schöpferischer Kraft getragenes Werk. Die Gesinnungen Galilei's sind in edler Sprache ausgedrückt, manch schönes Wort zu Gunsten der freien Forschung fliesst mit ein und wie die Charaktere sämmtlich durchweg gehalten sind, so treten namentlich in dem Zwiegespräche Galilei's mit dem Delegirten der Inquisition die Gegensätze in voller Schärfe gegeneinander und Ponsard zeigt hier jene Klarheit und Durchsichtigkeit der Diction, welche eine seiner Hauptvorzüge ist und in der der wesentlichste Theil seiner Berechtigung liegt, als ein Nachfolger und würdiger Schüler der grossen dramatischen Meister des 17. Jahrhunderts zu gelten. Sonst ist der Galilée, den der Dichter ja auch nicht Tragédie, sondern Drame benennt, in manchen Partien durchaus nicht klassisch. Dass die drei Einheiten nicht eingehalten sind, darüber wollen wir jetzt, da Ponsard schon in seinem ersten Stücke, der Lucrèce, in dieser Beziehung sich von Corneille und Racine emancipirte, kein Wort mehr verlieren. Ebensowenig wollen wir das Nicht-Antike des Stoffes besonders hervorheben, da er in der Agnès de Méranie ja schon einen mittelalterlichen und in der Charlotte Corday einen ganz modernen Stoff behandelte; obgleich allerdings der Gedanke, einen Astronomen zum Haupthelden einer Tragödie und die Discussion über eine Lehre der mathematischen Geographie zur Haupthandlung derselben zu machen, von so eigenthümlicher Art ist, dass Corneille und Racine, und noch mehr des Letzteren ehrenwerthe Commentatoren, Laharpe und Geoffroy, sicherlich darüber bedenklich den Kopf geschüttelt haben würden. Wie wunderbar würde ihnen wohl jene Apostrophe des Galilei'schen Monologes im zweiten Acte an die Sonne geklungen haben: Soleil, globe de feu, gigantesque fournaise, Chaos incandescent où bout une genèse, Les liquides granits et les métaux fondus, Heurtant, brisant, mêlant leurs vagues enflammées Et, refroidis comme elle et comme elle habités, Noch mehr vielleicht die astrologische Gelehrsamkeit des Professor Pompée im ersten Akte: Je possède Zaël, Maginus, Bonatus, Das ist denn doch weit eher Victor Hugo'sche couleur locale, als klassische Generalisirung nach der bekannten Vorschrift Buffon's, „die Dinge nur immer nach ihren allgemeinsten Beziehungen zu nennen" (l'attention à ne nommer les choses que par les termes les plus généraux, siehe Villemain Cours de Littérature française, vingt et unième leçon, Buffon). Ebenso ist weit mehr nach dem Muster Victor Hugo's, als nach dem von Racine, die Einfügung prosaischer Stellen in den dichterischen Context, wie es hier mit der Verlesung der Citation durch den Gerichtsboten der Inquisition und des Urtheils, wie der Abschwörungsformel im letzten Acte geschieht; doch hatte Ponsard allerdings schon in seiner Charlotte Corday einen Artikel aus dem Marat'schen Ami du Peuple verlesen lassen und schon bei der Besprechung des Ulysse im Jahre 1852 bemerkten wir, dass der restaurirte Classicismus nicht unbedeutende Concessionen an den Romanticismus gemacht, habe. -- Zu diesen gehören wohl auch, wenn auch freilich nur im untergeordneten Maasse sprachliche Neuerungen, Abweichungen von dem recipirten Style der Classicität und den oben erwähnten termes généraux. So würde allerdings Racine sicherlich nicht von einem chaos incandescent, où bout une genèse, von einer houle ardente, où parfois nage un îlot vermeil, von einer fécond incendie, einer gigantesque fournaise u. s. w. gesprochen haben, an und für sich unklassisch sind jedoch diese Ausdrücke nicht und Buffon in seiner wissenschaftlich-poetischen Prosa würde sich nicht gescheut haben, dieselben anzuwenden. Als eigentlichen, der Classicität in ihrem weiteren Umfange, wie sie durch das Dictionnaire de l'Académie bestimmt ist, nicht angehörigen Ausdruck haben wir nur das Wort antireligieux im ersten Akte gefunden. Der Professor Pompée spricht dort davon, dass behaupten zu wollen, Gott habe ausser den sieben Himmelskörpern auch noch vier andere machen können, sei un propos méchant, un thème chimérique, antireligieux, antiphilosophique. Nun findet sich wohl das Wort antiphilosophique im Dict. de l'Acad., nicht aber das Wort antireligieux, welches auch Boiste Pan-Lexique nicht kennt. Wenden wir uns jetzt schliesslich zu der Frage, wie sich der Inhalt dieses Ponsard'schen Stückes zu der historischen |