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343-345) dieser zweite, weitumfassender und gründlicher ausgearbeitete Theil, die Wortbildung enthaltend. Der Verfasser hat sich, wie es im Vorworte heisst, bemüht, dem Zwecke des Buches gemäss, wie ihn der Titel angiebt, aus der Masse des gewaltigen Stoffes nur das auszuscheiden, was zum unmittelbaren Verständniss der verschiedenartigsten Erscheinungen in unserer Sprache nöthig ist. Die Gruppirung des Stoffes wie die Methode wurde durch die Grundsätze bedingt, welche aus den Werken Bopp's, Schleicher's, Steinthal's u. A. gezogen waren.

Nach einer kurzen Einleitung über die verschiedenen Stufen des Empfindens, Wahrnehmens, Anschauens und Vorstellens als Grund- oder Vorbedingnisse der Worte und Begriffe, über Wurzeln und Wurzelformen, über Onomatopoesie, Laut und Begriffsmetapher, über Stoff- und Formwörter wird im 1. Abschnitt S. 10-132 von den Formwörtern und ihren Bildungen gehandelt. Zuerst werden die Pronomina behandelt, für welche gewisse Stämme von den Linguisten fixirt sind. Nächstdem werden die Casus derselben und deren bestimmte Form und Bedeutung vergleichend besprochen (S. 9-38). An diese schliessen sich die pronominalen Adverbia, Präpositionen und Conjunctionen an (S. 38–124) und von S. 124-132 die Zahlwörter.

Der 2. Abschnitt (S. 133-195) umfasst die Bildungen der Stoffwörter nach den verschiedenen Gestaltungen und Abänderungen durch Ablaut und Ableitung mit den verschiedenen Suffixen.

Im 3. Abschnitt (S. 195 – 253) wird die Flexion des Verbums, die Bildung der Modi und Tempora, der Participia, des Infinitivs, sowie die Flexion des Nomens und die Motion des Adjectivs dargestellt.

Der 4. Abschnitt endlich (S. 254-291) ist der Composition der Wörter gewidmet.

Der erste Abschnitt ist, wie schon die oberflächliche Betrachtung der Seitenzahlen lehrt, am ausführlichsten behandelt, und wenn auch hier für den Sprachforscher die grösste Fülle des Stoffes verlockend wirkte, wäre doch für den Zweck des Buches, Anfängern einen Einblick in die organischen Gesetze der Sprachbildung zu geben, eine grössere Beschränkung wünschenswerth gewesen. Namentlich hätte das Gothische, dem mancher Påragraph in grosser Ausführung gewidmet ist und das der offen ausgesprochenen Absicht des Verfassers nach doch nur zum näheren Verständniss des Hochdeutschen herangezogen ist, bedeutende Abkürzungen erleiden können, ohne dem Zwecke des Ganzen wesentlich Abbruch zu thun.

Den 2. und 3. Abschnitt möchte ich den interessantesten und wichtigsten des ganzen Buches nennen. Und wenn auch hier noch Manches problematisch ist und bleiben muss, so kann doch diese Partie vorzugsweise befruchtend einwirken und für die Erfassung sprachlicher Eigenthümlichkeiten empfänglich machen. Freilich wird dies mehr dem späteren Privatstudium, als der Schule anheimfallen müssen; denn wie soll, zumal bei der jetzt hie und da beliebt gewordenen Beschränkung des Schulunterrichts auf den Vormittag (was, beiläufig gesagt, ein doppeltes Gebrechen in sich trägt: zu grosse Anspannung des Vormittags, zu lange Musse des Nachmittags) die Schule Zeit gewinnen, Alles zu bewältigen und da eine Vertiefung der Studien wünschen oder befördern, wo Verflachung und Concentrirung nothwendig ist?

Ohne mich auf eine Menge einzelner Bemerkungen einzulassen, wozu ein derartiges Buch, wie das vorliegende, auch dem nicht zünftigen Linguisten leicht Anlass giebt, will ich einige kleine Bemerkungen, die mir bei der Durchsicht aufgefallen sind, nicht zurückhalten. Sie bilden keinen wesentlichen Tadel, sollen aber dem Verfasser beweisen, dass ich ihm die Aufmerksamkeit gewidmet habe, die er nach der früheren Anzeige des 1. Theils zu erwarten berechtigt war.

Ueber die, wie mir scheint, zu grosse Ausführlichkeit des 1. Abschnitts, die zum Theil durch zu massenhafte Heranziehung des Gothischen, namentlich da, wo alle Spuren desselben in den jüngeren deutschen Sprachbildungen fehlen, entstanden ist, habe ich schon gesprochen.

Eine zweite Ausstellung scheint mir eine gewisse Dunkelbeit oder Unklarheit der Darstellung zu verdienen. Es mag für einen Mann, der sich Jahre lang mit sprachlichen Abstractionen, mit einer Fulle technischer, anderweitig unverständlicher Ausdrücke beschäftigt hat, hier gar keine Schwierigkeit stattfinden, aber das Sichhineinarbeiten in dergleichen Terminologien erfordert schon eine Masse Arbeit. wie viel mehr die Sache selbst, um die es sich handelt, und die den Schülern der oberen Klassen doch noch sehr fremdartig vorkommen muss. Dazu kommt, dass Alles, was dem Verfasser als Gewissheit, wenigstens als subjective Wahrheit vorliegt, dem Lernenden als Hypothese erscheint, wie z. B. die Menge der angenommenen Stämme, die mannigfaltige, beim ersten Anblick oft so wunderliche Gliederung der Etymologie und Sprachvergleichung u. dgl. m.

Dass eine grössere Uebersichtlichkeit der einzelnen Materien etwa durch kurze Ueberschriften als Inhaltsangabe hätte gewonnen werden können, lässt sich ebenfalls nicht läugnen, jedoch wird der fleissige Schüler diesem Mangel schon selbst durch Excerpirung und übersichtliche Darstellung abzuhelfen beflissen sein.

Mehrmals ist es mir aufgefallen, dass der Verfasser von Wackernagel's Leistungen so wenig Notiz genommen bat. Ich vermisse z. B. die Verweisung auf die ältere schöne Abhandlung über die Negationspartikel; auf die neueste wichtige Schrift: Die Umdeutschung fremder Wörter. Hätte der Verfasser Wackernagel's Abhandlung über die Deutschen Appellativnamen in Pfeiffer's Germania benutzt, würde er z. B. seine Ansicht über Faulenzen p. 167 vielleicht wesentlich modificirt haben (vgl. Germ. V, p. 346). Ebensowenig scheint er das mit grosser Sorgfalt ausgearbeitete Wörterbuch Wackernagel's zu Rathe gezogen zu haben, und doch wäre ihm dasselbe, besonders für den 1. Abschnitt, von entschiedenem Nutzen gewesen.

Dass der Verfasser oft Bopp und andere ältere Meister bekämpft oder bestreitet und seine Ansicht dagegen setzt, ist bei Selbständigkeit der Forschung und des Urtheils natürlich. Aber auch hier wäre oft im Interesse der lernenden Jugend ein grosseres Mass zu wünschen gewesen, da dergleichen weitläufigere Disceptationen die Sache in der Regel nur dunkler machen und verwirren oder wenigstens nicht für Anfänger sich eignen, deren Kraft noch schwach, deren Zeit kostbar ist.

Nach diesen wenigen Ausstellungen glaube ich die Behauptung nicht zurückhalten zu dürfen, dass das Buch in jedem Betracht geeignet sei, seine Aufgabe zu erfüllen. Da es auf dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft steht, wird es nicht bloss Schülern und Studirenden, sondern auch jedem Lehrer, der ein wenig über den handwerksmässigen Gebrauch der Sprache hinaus tiefer in den Organismus des Deutschen einzublicken sich angezogen fühlt, die besten Dienste leisten und ihn empfänglich machen, theils das gesammte Deutsche Sprachgebiet zu überschauen und zu verstehen, theils sich in den Stand gesetzt finden, allen und jeden sprachvergleichenden Untersuchungen mit Nutzen zu folgen.

Berlin.

Dr. Sachse.

Ueber den ersten Theil des Goethe'schen Faust. Ein Vortrag, gehalten im Künstler-Verein zu Celle am 16. und 23. Febr. 1864. Celle 1864.

Goethe's Faust. Gemeinfasslich dargestellt von Julius Voigt. Berlin 1866. (Mittler und Sohn.)

Das erste dieser Schriftchen beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Verhältniss der Goethe'schen Dichtung zur Faustsage und dem Marlow'schen Drama, und mit der Entwicklung der Handlung im ersten Theil, ohne indess zu klaren und fruchtbaren Resultaten zu gelangen. Ja es finden sich grobe Missverständnisse oder wenigstens missverständliche Behauptungen, wie die: Goethe habe die Grundidee der Faustsage, dass der Mensch im Drange nach dem Uebermenschlichen den Bund mit dem Bösen schliesst, festgehalten. Der Vortrag mag auf einige Zuhörer anregend gewirkt haben; warum er aber gedruckt werden musste, vermögen wir nicht zu ergründen.

Dagegen glauben wir mit gutem Gewissen auf das zweite Schriftchen aufmerksam machen zu dürfen, als auf ein gedrängtes Compendium des Gedankenganges im Goethe'schen Drama, namentlich in dessen zweitem Theile, der leider nicht nur für die Vischer'sche Aesthetik, sondern auch für das gebildete Publicum nicht existirt." Je freudiger wir den Versuch, den zweiten Theil von Faust dem Verständniss grösserer Kreise näher zu bringen, begrüssten: desto mehr that es uns leid, dass die im Ganzen gewiss richtige Erklärung der Gemeinfasslichkeit, die der Verfasser auf dem Titelblatte verheisst, zum grössten Theile entbehrt. Gradezu für eine Beleidigung der Leser halten wir es nebenbei, wenn man ihnen ein Buch bietet, das durch Druckfehler so entstellt ist, wie das vorliegende.

In der Einleitung wird "Faust" als titanische Dichtung charakterisirt und ihm seine Stellung neben Muhamed, Ahasverus und Prometheus angewiesen; namentlich wird das Verhältniss des Faust zum Prometheus recht klar entwickelt. „Die Idee der praktischen Thätigkeit, wie sie in Prometheus sich findet, liegt auch als letzter Zweck dem Faust zum Grunde. Während im Prometheus aber die Götter negirt werden, sind sie bei Faust von Einfluss. Die Subjectivität des Gefühls und ihre Schwäche ist es, aus welcher er sich heraus zur prometheischen Idee arbeitet, die eben besagt, dass die Thätigkeit an sich selbst schon Zweck sei. Erstere collidirt aber vorher mit der Ethik in Gretchen und wird geläutert durch die Aesthetik in Helena. Die prometheischen Götter sind also im Leben wirklich und hier ausserdem Bildungsmomente zur endlichen prometheischen Erkenntniss. Es erfolgt dann in Faust auch eine Aussöhnung des Ideals mit dem Leben." (p. 18.)

Im ersten Theil, mit der Ueberschrift: „Die Theorie", handelt der Verfasser zunächst von der Entstehung und dem polemischen Charakter der alten Faustsage und zeigt, auf welche Weise Goethe diese Sage umgestaltet hat. In der Analyse des Prologs und ersten Theils tritt er mit überzeugender Klarbeit der Auffassung des Mephistopheles als eines Damons, der factische Macht und Existenz hat, entgegen. Mephistopheles ist „partielle seelische Richtung". Der Satan der christlichen Sage ist völlig verschwunden; der moderne Teufel ist negativ, daher inhaltslos und unbefriedigend. So wird er nur Durchgangs- und Bildungsmoment und der Held Faust versöhnt und gerettet." Den höllischen Apparat machte der durch Anschluss an die Sage gegebene Stoff, wenn auch nur in geringem Masse, stellenweise erforderlich.

Faust's (des Menschen) Grundtypus ist Aufwärtsstreben. Ein jedes Streben entsteht aus unbefriedigtem Gefühl und geht auf Befriedigung der Subjectivität. Faust setzt sein Ziel zuerst in die Entdeckung der allgemeinen Wahrheit, die er ganz und unbestreitbar besitzen will. Der erste Theil führt uns bis zu dem Zeitpunkte, da Faust, nachdem er die alte Hülle ab

geschüttelt, mit seinem Führer den Boden des Lebens betritt, aus dem er mehr und mehr Kraft saugt, bis er seine Bestimmung erkennt.

Im zweiten Theile, die prometheischen Götter" überschrieben, wird nachgewiesen, wie Faust zur Anerkennung der Idee und ihrer Existenz im Leben gelangt. Der Genuss des Augenblicks ist in Collision mit den Gesetzen des Lebens getreten und so zur Schuld geworden. Der Verstoss gegen das Weltgesetz kommt zum Bewusstsein; die einzelne Persönlichkeit muss anerkennen, dass ethische Gesetze das Leben beherrschen. Aber die Anerkennung des Ethischen ist es nicht allein, die den Geist zu neuem Wirken geschickt macht; Goethe fordert ein objectives Bildungsmittel des Geistes und als solches stellt er die Antike hin in ihrer unmittelbaren und harmonischen Vereinigung des Gefühls und Lebens (Helena).

Der Verfasser findet die Symbolik des Dichters in allen Theilen lebhaft, schön und klar, - eine Behauptung, der wir nicht unbedingt beistimmen können. Was er zur Erklärung des Symbolischen des zweiten und dritten Akts (II. Theils) beibringt, ist dagegen aller Beachtung werth. Auf das Einzelne näher einzugehen, verbietet uns der der Kritik zugemessene Raum. Nur um eine Probe der Erklärungsweise des Verfassers zu geben, heben wir heraus, dass der „Homunculus" als „Geist der Congenialität“ (als Fähigkeit des Hineinversetzens in Fremdes) verstanden wird, der den letzten Rest der Selbständigkeit verliert, sobald er zur Galathea, einer Repräsentantin der Antike, gelangt ist. Aus dem Mephistopheles, dem Vertreter der Ideenlosigkeit, der im ersten Theile als überredender Leiter auftritt, wird in dem zweiten Theile des "Faust" ein nebenhergehender Geselle, der sich nicht behaglich fühlt und einzelne Seiten des Lebens hervorkehrt, die seiner Ansicht zu entsprechen scheinen, um das Ganze zu bemäkeln. Er nimmt die Gestalt der Phorkyaden an, die ihm gleichen. Die klassische Walpurgisnacht löst das Problem, wie der strebsame faustische Geist in seinen Theilen (als Willen, Fähigkeit und Vorurtheil) die Antike erfasst, um an ihr als Bildungsmittel sich beschränken zu lernen.

Dem dritten Theil seiner Schrift giebt der Verfasser die Ueberschrift: ,,Arbeit und Tod." Faust war aus dem subjectiven Gefühlsleben auf die objective Welt gewiesen, um als Glied der Menschheit sich zu beschränken und zu wirken. Dazu braucht er eine Grundlage, auf der er seine Zwecke verfolgt. Zur Aufrechthaltung und zum Schutze der Uebereinstimmung zwischen Idee und Leben ist der Staat berufen, und dahin zielen seine Institutionen. Aber der geschilderte Feudalstaat hat diesen seinen Zweck ausser Auge gesetzt und verfolgt nur Sonderinteressen des Fürsten und der regierenden Kaste. In diesem Treiben findet Mephistopheles Behagen, der hier an seinem Platze ist, weil durch diese Art der Regierung die Idee des Staates negirt wird; Faust zieht sich zurück. An dieser Stelle giebt der Verfasser eine treffende Auslegung des Mummenschanzes.

Erst am Schluss des Drama's tritt die prometheische Lebensidee von der Arbeit als Selbstzweck ans Licht. Die Arbeit ist die Garantie der Vermeidung der leeren Gefühlsäusserung und des Conflicts mit dem sittlichen Bewusstsein. Jedoch ist die Möglichkeit einer derartigen Collision keineswegs ausgeschlossen. Diese Möglichkeit ist in der Schwierigkeit des Festhaltens der Arbeit als Selbstzweck begründet. Indem ihr Faust einen andern Zweck, den Erwerb, den Effect substituirt, verfällt er auf die Anwendung von Gewalt und verstösst gegen die Ethik. Dennoch kann Mephistopheles, obwohl durch Rath und That an dem Verfahren gegen Philemon und Baucis betheiligt, über Faust nicht wieder Macht gewinnen; er wird verdrängt durch die Erscheinung der Sorge. Faust's Schuld ist eine menschliche, natürliche; mit dem Schuldbewusstsein verknüpft sich das Bewusstsein der menschlichen Schwäche. Zwar wird Faust Herr über die Schwäche und die Macht der Sorge; aber er erfährt ihre Wirkungen körperlich, er erblindet. Die Blindheit verweist ihm auf die Innerlichkeit, auf die Reflexion über seinen Zweck, die

Arbeit. Dabei aber verschwinden die Mängel, die die menschliche Schwäche hineingetragen; der prometheische Funke fodert als die Idee des Lebens hell und rein auf. Dieses Gefühl, dass eine Idee im Leben wirksam sei, dass er selbst daran gearbeitet, sie zur Erkenntniss und Geltung zu bringen, das erfüllt seine Brust mit Götterwonne, und

,, wenn du in immer eigenstem Gefühl
umfassest eine Welt,

dann stirbt der Mensch."

Doch genug. Die kurze Skizze des Gedankenganges der vorliegenden Schrift sollte nur auf den Reichthum ihres Inhalts, und mittelbar von neuem auf den Gehalt und die Tiefe der Goethe'schen Dichtung aufmerksam machen.

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