Obrázky na stránke
PDF
ePub

die blindeste Gehässigkeit einen verständigen Mann hinreissen konnte. Ich hatte zu der Stelle eines Briefes von Goethe an Herder aus dem Jahre 1772, wo Pindarische Verse angeführt werden, die Bemerkung hinzugefügt: „Nach einer Angabe in Riemer's Nachlass soll Goethe in einem in diesem Jahre an Herder gerichteten Briefe die betreffenden Stellen also übersetzt haben: Meister ist u. s. w." Nun kommt Herr Schöll mit der Behauptung, die Uebersetzung sei von ihm, er habe sie in eine Abschrift der Briefe Goethe's an Herder eingetragen. Da aber Riemer jene Abschrift nie gesehen, so habe er auch nichts darüber sagen können. Folglich hat Herr Düntzer, um seine Vermuthung in ein objectives Zeugniss zu verwandeln, die Kunde von einem Aktenstücke aus Riemer's Nachlass und von einem in diesem bezeugten zweiten, einem nach Jahr und Inhalt (1) bezeichneten Briefe Goethe's - gefabelt." Welche Grillen doch in Schöll's Kopfe schwirren! Das, was ich gesagt habe, ist buchstäblich wahr und Schöll's gewissenlose Behauptung einer Fälschung, der dümmsten, die je die Welt gesehen hätte, eine abscheuliche Verleumdung, die er beim Geiste der Wahrheit und Gerechtigkeit verantworten mag. Läse Schöll nicht meine Bücher, wie Hunde den Nil trinken, so hätte er gewusst, was ich unter Riemer's Nachlass verstehe, aus welchem ich an manchen Stellen nicht unwichtige Mittheilungen gemacht habe. Dieser literarische Nachlass zu Goethe, der sich im Besitze der Cotta'schen Buchhandlung befindet, enthält eine ungemein grosse Anzahl einzelner Angaben und Bemerkungen zu Goethe's Leben und Werken, unter ihnen auch Stellen aus Goethe's Tagebüchern und Briefen, die damals ungedruckt waren. So lernte ich denn auch hier manche Aeusserungen Goethe's in den Briefen an Herder viel früher kennen, che mir die Briefe selbst vorlagen. Auf einem Blättchen stand nun zugleich mit den Pindarischen Versen jene Uebersetzung von Riemer's Hand geschrieben, mit der Bezeichnung „Goethe an Herder, 1772." Riemer hielt demnach, als er jenes Blättchen schrieb, die Uebersetzung für ein Werk Goethe's, denn unmöglich konnte er in seinen Collectaneen zu Goethe aus einem Briefe Goethe's bloss die Worte Pindar's sich anmerken mit einer fremden Uebersetzung. Er selbst verstand die metrische

Behandlung der deutschen Sprache viel feiner als Schöll, und seinen Pindar wohl nicht schlechter. Schöll's zuversichtliche Behauptung, dass Riemer seine Uebersetzung jener Verse nicht gekannt, ist also unwahr. Ob ihm die Abschrift der Goethe'schen Briefe vorgelegen, worein Schöll jene Verse eingetragen, weiss ich nicht, doch ist es mehr als wahrscheinlich, und Riemer liess sich wohl nur dadurch täuschen, dass Schöll sich angemasst, eine eigene Uebersetzung in die Handschrift einzuengen; er hielt diese wohl für eine Ergänzung aus der Urschrift, indem er glaubte, der Abschreiber habe zufällig die vielleicht am Rande versuchte Uebersetzung Goethe's ausgelassen. Ich selbst traute der Angabe Riemer's nicht, und bezeichnete sie deshalb mit einem soll. Somit ist meine Angabe in allen Einzelnheiten durchaus wahr, und Schöll's Behauptung der Fälschung eine unverantwortliche Leichtfertigkeit, die ihre Einbildungen auch da der Welt aufladen will, ja sich besonders freut es zu thun, wo sie die Ehre eines redlichen Mannes, der ihr einmal unbequem geworden, damit brandmarken, ihn meuchlings beseitigen will. Das ist eben so unsittlich als unklug. Schöll bildet sich ein, ich habe die von ihm gesehene und mit seiner Uebersetzung versehene Abschrift benutzt, und doch konnte er sich aus meiner Ausgabe leicht überzeugen, dass mir die Urschrift vorgelegen. Hätte ich daneben nur die Abschrift gesehen, so konnte mich diese doch unmöglich verleiten, die von Schöll's mir wohl bekannter Hand geschriebenen Verse, wovon in jener nichts stand, Goethe zuzuschreiben, und die Wahrscheinlichkeit, dass Schöll diese Uebersetzung aus einem andern Briefe Goethe's genommen, fehlte ganz und gar. So hat sich denn der scharfblickende feine Schöll absichtlich verblendet, um mir eine rein aus den Fingern gesogene Fälschung anzudichten. Ich überlasse die Würdigung eines solchen gewissenlosen Handelns allen, die noch Sinn für Recht und Wahrheit haben. Und ein Mann, der sich zu einer solchen Handlungsweise verirrt, wagt es noch von „moralischen Rügen" zu reden, die er mir ertheilen müsse!

Ganz dieselbe kein Recht und keine Wahrheit achtende, blinde Gehässigkeit herrscht in allem, was Schöll in jenem, wie er sich selbst sehr fein ausdrückt, „prolixen“ Angriffe, dessen

Veröffentlichung die „Allgemeine Zeitung" mit Recht ablehnte, gegen mich vorgebracht hat. Er ist überall nur der leidenschaftliche öffentliche Ankläger, der frischweg behauptet, was ihm in den Sinn kommt, im Wahne, dadurch die Welt bethören und die Verurtheilung auch des Unschuldigsten herbeiführen zu können. Herr Schöll hat sich gewaltig verrechnet, ich werde ihn und seine blinde, Recht und Wahrheit verhöhnende Gehässigkeit rücksichtslos, wie er es verdient, entlarven.

66

Die von mir besprochene Schrift von Bernays ist ihm ein Muster der Vollkommenheit, an der auch nicht der geringste Makel zu entdecken, ich dagegen erscheine ihm als der Böse, der sie, wie er sich wieder sehr fein ausdrückt, „,discreditiren" will. Bernays hat nach ihm die Kritik, welche diesen Namen verdient, für Goethe erst begründet und die bisherige bodenlose Kritik beseitigt. Es gehört die ganze Verbissenheit und der ganze Mangel von Scheu für Recht und Wahrheit dazu, den wir eben an Schöll nachgewiesen, um eine solche Behauptung zu wagen gegenüber meinem in der „Deutschen Vierteljahrschrift Nr. 78 (April-Juni 1857) abgedruckten Aufsatze: „Die Herstellung einer vollständigen Ausgabe von Goethe's Werken. Mein Gegner hütet sich wohl, den Leser nur im geringsten ahnen zu lassen, was in diesem Aufsatze geleistet, wie hier die Geschichte des Textes nach den verschiedenen Ausgaben der Werke genau verfolgt, selbst auf Rechtschreibung und Satzzeichnung eingegangen und manche bei der Herstellung des Textes wichtige Betrachtungen gegeben sind, auf welche Bernays gar nicht eingegangen ist; er streift denselben nur, indem er willkürlich eines und das andere herausgreift, was er auf seine Weise entstellt. Bernays hat nach ihm „durch Feststellung der unterscheidenden Textbeschaffenheit der Ausgaben, Herkunft und Filiation ihrer Verderbnisse, welches nur einer durch alle Auflagen sich wiederholenden Lesung mit unermüdlicher Aufmerksamkeit und combinirendem Geiste gelingen konnte, die äussere Fundamentalkritik des Goethetextes erst geschaffen." Nur wem die Wahrheit unbekannt oder gleichgültig ist, kann so etwas behaupten gegenüber meiner Schrift Goethe's Götz und Egmont" (1854), wo S. 390-414 die Abweichungen der verschiedenen Ausgaben in Bezug auf diese

Stücke mit genauestem Eingehen nach strengster Methodik verfolgt und eine grosse Anzahl fortgepflanzter Druckfehler nachgewiesen sind, gegenüber meiner in demselben Jahre erschienenen Ausgabe der drei ältesten Bearbeitungen von Goethe's Iphigenie, wo nicht allein die Veränderungen, welche dieses Stück vom ersten Entwurf bis zum Erscheinen in der ersten Sammilung der Schriften erlitten, mitgetheilt und gewürdigt sind, sondern auch S. 178-180, 184-186 die späteren Abweichungen bis zur Ausgabe letzter Hand verzeichnet werden. Auch habe ich in dem angezogenen Aufsatze S. 233-236 kurz das Verhältniss der einzelnen Ausgaben zu einander erörtert und so „das seltene Missgeschick" dargelegt, welches den Goethe'schen Text von Anfang bis zur letzten Hand des Dichters verfolgt hat." Bernays hat das Ergebniss meiner Forschung S. 13-15, 63 mitgetheilt, ohne meiner Entdeckung mit einem Worte zu gedenken, nur äussert er, „für die forschenden Freunde des Dichters sei es längst kein Geheimniss, welches Uebel die vierbändige Göschen'sche Ausgabe angerichtet." Auf dieses Unrecht von Bernays hinzuweisen, war ich wohl berechtigt; einen Dank dafür, wie Schöll fabelt, habe ich dafür von Seiten des Herrn Bernays nicht verlangt. Dieser hat das Verdienst, nicht nur des Nachweises, dass hiernach noch manche Stellen in Goethe's Werken hergestellt werden müssen, sondern auch der folgereichen Entdeckung, dass Goethe bei der ersten Ausgabe seiner Schriften die durch Druckfehler entstellten Hamburgischen Nachdrucke zu Grunde gelegt hat, wodurch viele Druckfehler sich bis heute fortgepflanzt haben. Mit Recht durfte ich diese Entdeckung als Abschluss meiner eigenen früheren bezeichnen; denn, wenn ich nachgewiesen hatte, wie die Druckfehler der vierbändigen Göschen'schen Sammlung und der beiden folgenden Ausgaben der Werke in die letzter Hand sich fortgepflanzt, so ging Bernays weiter und wies dasselbe Verhältniss der ersten Ausgabe der Werke zu den dabei zu Grunde gelegten Hamburgischen Nachdrücken nach. Diese Entdeckung lag vor den Füssen, wie das bei so manchen bedeutenden Entdeckungen der Fall; das Glück und die eifrige Beschäftigung mit Goethe's "Werther" liessen Herrn Bernays sie machen, und ich bin weit entfernt, ihm dieses Verdienst schmälern zu wollen.

[ocr errors]

Dass Herr Schöll meiner Behauptung widerspricht, ist nur zu natürlich; meine Aufstellung in jenem Aufsatze habe vielmehr die Entdeckung gehindert, wagt er im Ernste zu behaupten. „Wer die Düntzer'schen Thesen annahm, dem war geradezu der Weg zu der Entdeckung abgeschnitten, die Herr Düntzer nun als ihren Abschluss in Anspruch nimmt. Gleich der Anfang des Aufsatzes nimmt das, was Goethe in Briefen von seinen und seiner Freunde Durchsicht der zur ersten Sammlung bestimmten Werke gesagt hat, für gleichbedeutend mit den Druckrevisionen, so dass gefolgert wird, „für manche Stellen sei nicht zu entscheiden, ob eine Abweichung von der früheren Lesart dem Setzer oder dem Dichter zufalle."" Das ist wieder eine böswillige Entstellung! Ich habe nichts weniger gethan, als die Druckrevisionen mit der Durchsicht der einzelnen Werke verwechselt; in meinen Worten liegt das gerade Gegentheil, und zum Ueberfluss habe ich noch auf meine Schrift über Götz und Egmont verwiesen, wo das Verhältniss genau erörtert ist. Ebensowenig habe ich gefolgert, was Herr Schöll mich folgern lässt. Meine Worte lauten: „Auch Clavigo und Stella wurden genau durchgenommen, doch hier gelang es eben so wenig, eine durchgängige Gleichförmigkeit zu erreichen; einzelne Druckfehler stellten sich ein, und an manchen Stellen ist nicht zu entscheiden, ob eine Abweichung von der frühern Lesart nicht eine unwillkürliche, die dem Setzer, nicht (oder ist Druckfehler) dem Dichter zufällt.“ Also nur um Clavigo und Stella handelt es sich an jener Stelle, und meine Behauptung hatte vor der Entdeckung von Bernays, dass so viele abweichende Lesarten aus dem zu Grunde gelegten Nachdruck stammen, ihre Richtigkeit. Aber Scholl fährt fort: „Damit schliesst Herr Düntzer die Möglichkeit eines Dritten aus, dessen Wirklichkeit Bernays entdecken müsste, um Herrn Düntzer's Kritik nicht abzuschliessen, sondern zu widerlegen." Ich hatte nachgewiesen, dass aus den zu Grunde gelegten Ausgaben zahlreiche Druckfehler sich fortgepflanzt; auf demselben Wege kam Bernays zu seiner Entdeckung, und weil ich diese nicht gemacht, soll ich ihm den Weg dazu abgeschnitten haben. „Und dass Herr Bernays die Höflichkeit gehabt hat, dies ohne Nennung des Widerlegten zu thun (als ob es sich nicht vielmehr

« PredošláPokračovať »