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Zur Erkl. einer noch uned. Münze v. Tius in Bithynien. V. Dr.Becker. 189 Zur Erklärung einer noch unedirten Münze von Tius in Bithynien.

aus.

Von dem K. russ. Staatsrathe Dr. P. Becker zu Odessa.

Ebenso wie im Alterthume die vor den Donaumündungen gelegene Insel Leuce, jetzt Fidonisi oder Schlangeninsel genannt, für die den Pontus befahrenden Griechen von höchster Bedeutung war1), ebenso ist dieselbe gegenwärtig für Alle, welche sich für das klassische Alterthum interessiren, von besonderer Wichtigkeit; denn nicht blos auf der Stelle, wo der Achillestempel stand, sondern auch auf der nordöstlichen, zum Meere sich etwas herabsenkenden Spitze der kleinen Insel sind im Laufe der Neuzeit so manche Ueberbleibsel aus dem regen Leben längst verschollener See- und Handelsstädte aufgefunden worden. Inschriften und Reste von Bauwerken stammten hauptsächlich, soviel ich habe erfahren und selbst sehen können, aus der Mitte der Insel, auf deren Hochplateau der Tempel des Achilles majestätisch thronte, aber Münzen grub man in Sonderheit auf jener schon genannten nordöstlichen Spitze Von letzteren befinden sich in öffentlichen und in PrivatSammlungen manche, welche in die dunkle Geschichte der am Pontus gelegenen Städte einiges Licht zu bringen im Stande sind, und deshalb werde ich jede mir sich bietende Gelegenheit benutzen, um vermittelst der auf Leuce gefundenen Münzen unsere lückenhaften Kenntnisse nach Kräften zu vervollständigen. Von demjenigen, was aus diesem Grabe früherer Herrlichkeit ans Tageslicht gefördert wurde, findet sich namentlich einiges Neue und gewiss nicht Uninteressante in der Sammlung der Odessaer Gesellschaft für Geschichte und Alterthümer. Eine wissenschaftliche Behandlung dieser Stücke mir vorbehaltend, will ich dieses Mal, gleichsam als Beispiel, wie ich meine spätere Arbeit einzurichten gedenke, nur von einer Münze sprechen, welche ich selbst besitze und die vor Jahr und Tag auf der Insel Leuce aufgefunden wurde. Bei dieser Arbeit rechne ich auf die freundliche Nachsicht meiner sachkundigen Leser, von denen ich Einwürfe gegen meine Ansichten und Vervollständigung des von mir Beizubringenden mit Dankbarkeit entgegennehmen werde.

Die von mir zu behandelnde Münze stammt aus Tius oder Tium2),

1) Siehe Köhler Mémoire sur les îles et la course consacrées à Achille dans le Pont Euxin (Mémoires de l'Académie Impériale de St. Petersbourg Tome X. p. 531-819.) 2) Bei Strabo (nach der Kramerschen Ausgabe) Vol. II. p. 519. lib. XII. cap. 3 §. 5., pag. 521 §. 8. u. pag. 560. cap. 4. §. 7. Tò Tistov, nach anderen Ausgaben Tov, wie bei Polybius XXVI. 6.; bei Memnon in Müllers Ausgabe der Fragmenta historicorum Graecorum Vol. III. lib. XI et XII c. 7., XIII et XIV c. 16.. XV c. 27., XVI c. 52. Tios; bei Arrian Peripl. Pont. Eux., Anonymi Peripl. Pont. Eux. p. 5. und Diod. Sicul. XXIX, 23. unbestimmt, ob Tíos oder Tíov; bei Philo Byblius nach Steph. Byzant. Tíos

einem Städtchen3), das im Lande der Cauconen) lag. Reste der letzteren hatten sich noch bis auf Strabo's Zeit in der Umgegend des Flusses Parthenius erhalten 5), allein die Meinungen der Alten über die Abstammung jener alten Völkerschaft (Kaúxovas) waren sehr getheilt; Einige hielten sie, wie Strabo berichtet, für Scythen, Andere für Macedonier, und noch Andere für Pelasger. Wie dem nun auch sein mag, so kann man doch soviel mit Bestimmtheit sagen, dass die Cauconen nicht hellenischen Ursprungs waren und daher nicht unter dem Heere der Achaer, sondern als Bundesgenossen der Troianer vor Troia's Mauern erscheinen. Homer erwähnt ihrer) in Verbindung mit den Lelegern und Pelasgern, und nennt unter den Schaaren der Paphlagonier, welche Pylacmenes nach Troia führte, statt der Cauconen, die nach Strabo vom Callisthenes hier geradezu genannt wurden, die drei Städte, welche sie am Parthenius bewohnten und die Kouva, Alyialos und 'Eovdivo hiessen). Das Land der Cauconen grenzte gegen Westen unmittelbar an das Gebiet der Mariandyner, und da diese auch in späteren Jahrhunderten, wo der alte Stamm der Cauconen schon fast ausgestorben zu sein scheint), eine nicht unbedeutende Völkerschaft Bithyniens blieben, so unterscheiden die weniger genauen Geographen, wie z. B. Plinius, die einen nicht weiter von den andern, sondern umfassen beide Völkerschaften unter dem einen Namen der Mariandyner, und setzen Tius, wie es namentlich Plinius thut, in das Gebiet der letzteren. Noch weniger Uebereinstimmung herrscht über den Namen der Provinz, zu welcher das Land, in dem Tius lag, zu rechnen sei, denn während Strabo Tius unter den pontischen Städten aufzählt, sagt Mela, dass es in Paphlagonien liege, und Plinius, so wie die neueren Schriftsteller über alte Geographie rechnen Tius zu Bithynien. Dieser Widerspruch löst sich indessen von selbst, da bei den einzelnen Meinungen eine verschiedene Zeit berücksichtigt ist und jede also mit gleichem Rechte ihre Vertreter findet. nämlich Nicomedes III. 74 v. Chr.10) die Römer zu Erben seines Reiches einsetzte 11), schlugen dieselben Bithynien zur Provinz Asia und dann zu Pontus. Eine neue Eintheilung nahm Augustus vor, da er, den westlichen Theil Paphlagoniens, welchen Strabo 12) unter dem Namen Pontus versteht, dazu rechnend, Bithynien zu einer eigenen senatorischen Provinz machte, und diese verwandelte Hadrian wiederum in eine kaiserliche 13).

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9.

Als

vgl. Strabo XII. 3, 10 und Kramers Bemerkung zu dieser Stelle; bei Pompon. Mela I. 19, 8 Tius; bei Plin. H. N. VI. 1 Tium. Die Einwohner heissen bei den griechischen Schriftstellern Travol und auf Münzen ebenso, oder Teiαvoi Sestini lettere e dissertazioni numismatiche Tom. VIII p. 19. 3) Strabo XII. 3. §. 8: пoλizviov; Plin. H. N. VI. 1.: oppidum; Peripl. Anonym. p. 5: nólis. 4) Strabo XII. 3. §. 5. 5) Ibid 6) II. X. 429. 7) XII. 3. §. 5. 8) II. II. 851-855. 9) Strabo XII. 3. §. 2 u. 5.10) Zumptii annales vet. regnorum et populorum p. 44. 11) Vellei. Pat. II. 4, 1. und II. 39, 1. 12) XVII. p.

Unter den Städten, welche von den Griechen an der klein→ asiatischen Küste, des Pontus Euxinus angelegt oder colonisirt waren, muss Tius eben keine bedeutende Rolle in der Geschichte gespielt haben, denn Strabo bemerkt ausdrücklich 14), dass dieses kleine Städtchen nichts Denkwürdiges biete 15), und hätte das gewiss nicht gesagt, wenn Tius, abgesehen von jeder politischen Bedeutsamkeit, als Handelsstadt von Wichtigkeit gewesen wäre. Die Nähe des mächtigen Heraclea, von welchem Tius nur einige Meilen entfernt war 16), musste jedem Aufschwunge hindernd entgegentreten und die Tianer schon frühzeitig in die Abhängigkeit von Heraclea bringen. Dieses sähen wir auch wol ganz deutlich, wenn uns das Geschichtswerk des Memnon Tερì Hoaxλelas (welches Heraclea zur Unterscheidung von anderen Städten gleiches Namens den Beit namen Pontica führt) vollständig erhalten wäre. Von demselben besitzen wir indessen durch Photius nur Auszüge und Fragmente aus den acht letzten Büchern; die ihnen vorhergehenden sind uns gänzlich verloren gegangen. Bei alledem ist Memnon fast die einzige Quelle, aus welcher unsere historischen Nachrichten über Tius entnommen werden können, und wir werden gleich sehen, wie viel diese fragmentarischen Notizen zu wünschen übrig lassen.

Aus anderen Schriftstellern wissen wir, dass Tius eine Colonie der Milesier war 17), und dass es nach Philo beim Stephanus Byzantius 18) vom Priester (iɛɛvs) Tius, einem Milesier, seinen Namen erhalten habe. Die Richtigkeit dieser Bemerkung bestätigen einige uns erhaltene autonome Münzen von Tius, auf deren Hauptseite der Name TEIOL oder TEIOC) zu lesen, und der jugendliche Kopf des Tius, mit Diadem oder Lorbeeren im Haar, und bei einer 20) ausserdem noch mit der chlamys auf der Schulter, zu sehen ist. Dass aber der Name des Gründers einer Stadt häufig auf den Münzen derselben vorkomme, ist bekannt, und beweisen unter anderen die Münzen von Cyzicus 2), Byzantium 22), Tomi 23) u. s. w.

Hiernach ist also der Milesische Ursprung und der Name des Gründers ausser Zweifel gesetzt, allein damit noch nicht die Zeit bestimmt, in welche die Gründung falle. Darüber fehlen uns alle geschichtlichen Data, allein da wir von anderen Milesischen Colonien am Gestade des Pontus Euxinus mit Sicherheit wissen, dass ihre Anlegung ins sechste Jahrhundert vor Christi Geburt fällt, so lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Gründung von Tius in eben diese Zeit gehöre, wo Milet auf dem

840. 13) Dio. Cass. LXIX. 14.

mer.

14) XII. c. 3. §. 8. p. 521 ed. Kra15) οὐδὲν ἔχον μνήμης ἄξιον. 16) Plin. H. N. VI., 1: oppidum Tium ab Heraclea triginta octo milibus passuum. 17) Pomp. Mela I. 19, 2. Arrian. Peripl. Pont. Eux., Anonymi Peripl. Pont. Eux. p. 5. 18) Fragm. hist. Graec. ed. Müller Vol. III. p. 574. 19) Mionnet descript. de méd. antiq. II. p. 493. Nr. 481. 482 und Sup. V. p. 259. Nr. 1498. 1499. (20) N. 1498. 21) Mionnet 1. I. II. p. 533: KYZIKOC. 22) Ibid. I. p. 376: BYZAŁ. 23) Ibid. I. p. 361. 362: TOMOC KTI

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Gipfel seiner Höhe stand. Die Anlegung könnte sogar noch höher hinaufreichen, wenn sich unter den sieben Städten, welche der grosse Cyrus dem ihm befreundeten Pytharchos aus Cyzicus schenkte, auch Tius befand. Wir erfahren dieses nach Angabe des Agathocles aus Babylon durch den Athenaeus 24), bei welchem aber der Name unserer Stadt erst durch Casaubonus in den Text hineingekommen ist; denn da Athenaeus für die sieben geschenkten Städte blos sechs Städtenamen, namentlich Πήδασον, Ολύμπιον, ̓Ακα μάντιον, [Τίον], Σκήπτρα, ̓Αρτύψον, Τορτύρην angibt, so hat Casaubonus durch Wiederholung der letzten beiden Silben beim Namen 'Axapάvtiov auch Tíov mit in die Urkunde von der Schenkung des Cyrus hineingebracht. Die Leichtigkeit einer solchen Emendation läugne ich nicht, allein als historischen Beleg für die Existenz von Tius zur Zeit des Cyrus glaube ich sie doch nicht brauchen zu dürfen, und zwar hauptsächlich deswegen, weil die übrigen Städte in Mysien am Fusse des Olympus gelegen zu haben scheinen, und von Tius also ziemlich entfernt waren. Das schon bei Homer 25) erwähnte, am Flüsschen Satnioïs gelegene Pedasus, welches zu Strabo's Zeit nicht mehr existirte 26), ist wenigstens dort zu suchen. Die Lage der übrigen Ortschaften vermag ich nicht genauer zu bestimmen, da sie sonst, so viel ich weiss, nicht weiter vorkommen. Bedeutend waren sie auf keinen Fall, da der herrschsüchtige Pytharchos, welcher sich zum Tyrannen seiner Vaterstadt Cyzicus machen wollte 27) und deshalb ein Heer zusammenbrachte, dem Angriffe der gegen ihn anstürmenden Cyzicener unterlag, und Cyzicus also allein, ohne fremde Hülfe seine Freiheit behaupten konnte.

Als einzige Merkwürdigkeit von Tius führt Strabo 28) an, dass der Ahnherr des Attalischen Königsgeschlechtes in Pergamus, Philetaeros, dort gebürtig gewesen sei, und diese Notiz ist insofern wichtig, als die Existenz unserer Stadt im vierten Jahrhunderte dadurch gesichert wird. Aus eben dieser und einer noch etwas früheren Zeit finden wir nun auch Nachrichten beim Memnon, und so kurz und beiläufig dieselben sind, so zeigen sie uns doch schon zur Genüge, dass Tius um die Zeit des Todes von Alexander dem Grossen von den in Heraclea Pontica herrschenden Tyrannen vollkommen abhängig war. Den besten Beweis hierfür bietet uns die Geschichte der Amastris, einer Nichte des Königs Darius Codomannus, deren Schicksale mit der Geschichte der Nachfolger Alexanders des Grossen eng verbunden sind.

Amastris war, wie wir aus Memnon 29) wissen, eine Tochter des Oxathres, eines Bruders des Darius Codomannus, und wurde von Alexander dem Grossen, als dieser selbst des Darius Tochter Statira geheirathet hatte, dem Crateros zur Gattin gegeben. Diese

CTHC 24) I. p. 30 A. 25) II. VI. 35. vgl. XX. 92. XXI. 87. 26) XIII. 1. pag. 119. (edit. stereot.) 27) Athen. 1. 1. 29) Fragm. c. 4-6. 30) Fragm. 1.

31) Fragm. 2.

28) XII. 3. §. 8. 32) Strabo XII.

Ehe hatte indessen nur kurzen Bestand; denn kaum war Alexander gestorben, so verband sich Craterus mit des Antipaters Tochter Phila, und die von ihm verlassene Amastris wurde die Gattin des Dionysius, welcher schon zu Lebzeiten Alexanders Tyrann von Heraclea gewesen war und nur durch Schlauheit die Wiederherstellung der republikanischen Verfassung in Heraclea verhindert hatte. Durch die Verbindung mit der Amastris, welche ihrem neuen Gatten eine reiche Mitgift zubrachte, und durch die Unterstützung des Antigonus im Kriege gegen Cyprus stieg die Macht des Dionysius dermaassen, dass er, den Namen eines Tyrannen verschmähend, den Königstitel sich beilegen konnte. Herrschte er doch nicht blos über diejenigen, welche bereits den früheren Tyrannen unterwürfig gewesen waren, sondern auch über viele, die bis dahin ihre Unabhängigkeit von Heraclea zu behaupten verstanden hatten. Ob Tius nun erst damals der wachsenden Macht Heraclea's gewichen sei, oder ob es schon unter den früheren Tyrannen in einem abhängigen Verhältnisse von Heraclea gestanden habe, lässt sich historisch nicht nachweisen, allein da uns Memnon 30) den Clearchus, welcher sich nach Umsturz der republikanischen Verfassung um 364 v. Ch. zum Tyrannen von Heraclea machte, als streng und kriegerisch schildert, und ein Gleiches in noch höherem Grade von dessen Bruder und Nachfolger Satyrus sagt3), der als Vormund seiner Neffen Timotheus und Dionysius (so hiessen des Clearchus Söhne) sieben Jahr lang die Obergewalt in Heraclea führte, so ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das nahegelegene Tius schon zu den Zeiten des Clearchus seine Freiheit verloren, und, wenn nicht schon früher, so doch gewiss schon damals dem Staate der Heracleoten einverleibt worden sei. Doch wie dem auch sein mag, zur Zeit der Amastris stand Tius ohne allen Zweifel in der Abhängigkeit Heraclea's, da sie die nach ihrem Namen benannte Stadt mit den Bewohnern von Sesamus, Cytorus, Cromna und Tius bevölkerte 32), und dieses doch nur dann thun konnte, wenn sie, als Herrscherin von Heraclea, die in diesen Städten Wohnenden vollkommen in ihrer Gewalt hatte.

Die Herrschaft des Dionysins war nämlich nach dessen Tode an seine Gemahlin Amastris gekommen; sie führte die Vormundschaft über ihre drei vom Dionysius stammenden Kinder Clearchus, Oxathres und Amastris, und heirathete in dritter Ehe den Lysimachus 33), welcher sie jedoch wieder verliess, als er sich aus Rücksicht auf die damaligen politischen Verhältnisse mit der Arsinoë, der Schwester des Ptolemaeus Philadelphus, ehelich verband. Amastris, welche in der letzten Zeit ihrer Ehe dem Lysimachus nach Sardes gefolgt war und dort vielfache Beweise seiner Liebe empfangen hatte, kehrte verstossen nach Heraclea zurück, wo sie die Zügel der Regierung jetzt allein führte.

3. §. 10. vgl. Memn. fragm. 4. 33) Memņ. fragm. 4. Archiv f. Phil, u, Paedag. Bd. XIX. Hft. 2.

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