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DER ALLGEMEINEN RECHTSLEHRE

ERSTER TEIL

DAS PRIVATRECHT

VOM ÄUSSEREN MEIN UND DEIN ÜBERHAUPT

ERSTES HAUPTSTÜCK

VON DER ART, ETWAS ÄUSSERES

ALS DAS SEINE ZU HABEN

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Das Rechtlich-Meine (meum iuris) ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädieren würde. Die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs überhaupt ist der Besitz.

Etwas Äußeres aber würde nur dann das Meine sein, wenn ich annehmen darf, es sei möglich, daß ich durch den Gebrauch, den ein anderer von einer || Sache macht, in deren Besitz ich doch nicht bin, gleichwohl doch lädiert werden könne. - Also widerspricht es sich selbst, etwas Äußeres als das Seine zu haben, wenn der Begriff des Besitzes nicht einer verschiedenen Bedeutung, nämlich des sinnlichen und des intelligiblen Besitzes, fähig wäre, und unter dem einen der physische, unter dem andern aber ein bloßrechtlicher Besitz ebendesselben Gegenstandes verstanden werden könnte.

Der Ausdruck ein Gegenstand ist außer mir, kann aber entweder so viel bedeuten, als: er ist ein nur von mir (dem Subjekt) unterschiedener, oder auch ein in einer anderen Stelle (positus), im Raum oder in der Zeit, befindlicher Gegenstand. Nur in der ersteren Bedeutung genommen kann der Besitz als Vernunftbesitz gedacht werden; in der zweiten aber würde er ein empirischer heißen müssen. Ein intelligibler Besitz (wenn ein solcher möglich ist) ist ein Besitz ohne Inhabung (detentio).

§ 2. RECHTLICHES POSTULAT DER PRAKTISCHEN VERNUNFT

Es ist möglich, einen jeden äußern Gegenstand meiner Willkür als das Meine zu haben; d. i.: eine Maxime, nach welcher, wenn sie Gesetz würde, ein Gegenstand der Willkür an sich (objektiv) herrenlos (res nullius) werden müßte, ist rechtswidrig.

|| Denn ein Gegenstand meiner Willkür ist etwas, was zu gebrauchen ich physisch in meiner Macht habe. Sollte es nun doch rechtlich schlechterdings nicht in meiner Macht stehen, d.i. mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetz nicht zusammen bestehen können (unrecht sein), Gebrauch von demselben zu machen: so würde die Freiheit sich selbst des Gebrauchs ihrer Willkür in Ansehung eines Gegenstandes derselben berauben, dadurch, daß sie brauchbare Gegenstände außer aller Möglichkeit des Gebrauchs setzte: d. i. diese in praktischer Rücksicht vernichtete, und zur res nullius machte; obgleich die Willkür. formaliter, im Gebrauch der Sachen mit jedermanns äußeren Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmete. Da nun die reine praktische Vernunft keine andere als formale Gesetze des Gebrauchs der Willkür zum Grunde legt, und also von der Materie der Willkür, d. i. der übrigen Beschaffenheit des Objekts, wenn es nur ein Gegenstand der Willkür ist, abstrahiert, so kann sie in Ansehung eines solchen Gegenstandes kein absolutes Verbot seines Gebrauchs enthalten, weil dieses ein Widerspruch der äußeren Freiheit mit sich selbst sein würde. Ein Gegenstand meiner Willkür aber ist das, wovon beliebigen Gebrauch zu machen ich das physische Vermögen habe, dessen Gebrauch in meiner Macht (potentia) steht: wovon noch unterschieden werden muß, denselben Gegenstand in meiner Gewalt (in potestatem meam redactum) zu haben, welches nicht bloß ein Vermögen, sondern auch einen Akt der Willkür voraus setzt. Um aber et was bloß als Gegenstand meiner Willkür zu denken, ist hinreichend, mir bewußt zu sein, daß ich ihn in meiner Macht habe. - Also ist es eine Voraussetzung a priori der praktischen Vernunft, einen jeden

Gegenstand meiner Willkür als objektiv-mögliches Mein oder Dein anzusehen und zu behandeln.

Man kann dieses Postulat ein Erlaubnisgesetz (lex permissiva) der praktischen Vernunft nennen, was uns die Befugnis gibt, die wir aus bloßen Begriffen vom Rechte überhaupt nicht herausbringen könnten; nämlich allen andern eine Verbindlichkeit aufzulegen, die sie sonst nicht hätten, sich des Gebrauchs gewisser Gegenstände unserer Willkür zu enthalten, weil wir zuerst sie in unseren Besitz genommen haben. Die Vernunft will, daß dieses als Grundsatz gelte, und das zwar als praktische Vernunft, die sich durch dieses ihr Postulat a priori erweitert.

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Im Besitze eines Gegenstandes muß derjenige sein, der eine Sache als das Seine zu haben behaupten will; denn wäre er nicht in demselben: so könnte er nicht durch den Gebrauch, den der andere ohne seine Einwilligung davon macht, lädiert werden; weil, wenn diesen Gegenstand etwas außer ihm, was mit ihm gar nicht rechtlich verbunden ist, affiziert, ihn selbst (das Subjekt) nicht affizieren und ihm unrecht tun könnte.

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| S 4. EXPOSITION DES BEGRIFFS
VOM ÄUSSEREN MEIN UND DEIN

Der äußeren Gegenstände meiner Willkür können nur drei sein: 1) eine (körperliche) Sache außer mir; 2) die Willkür eines anderen zu einer bestimmten Tat (praestatio); 3) der Zustand eines anderen in Verhältnis auf mich; nach den Kategorien der Substanz, Kausalität, und Gemeinschaft zwischen mir und äußeren Gegenständen

nach Freiheitsgesetzen.

a) Ich kann einen Gegenstand im Raume (eine körperliche Sache) nicht mein nennen, außer wenn, obgleich ich nicht im physischen Besitz desselben bin, ich denAkad.-Ausg.: » es ihn «.

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noch in einem anderen wirklichen (also nicht physischen) Besitz desselben zu sein behaupten darf. So werde ich einen Apfel nicht darum mein nennen, weil ich ihn in meiner Hand habe (physisch besitze), sondern nur, wenn ich sagen kann: ich besitze ihn, ob ich ihn gleich aus meiner Hand, wohin es auch sei, gelegt habe; imgleichen werde ich von dem Boden, auf den ich mich gelagert habe, nicht sagen können, er sei darum mein; sondern nur, wenn ich behaupten darf, er sei immer noch in meinem Besitz, ob ich gleich diesen Platz verlassen habe. Denn der, welcher mir im erstern Falle (des empirischen Besitzes) den Apfel aus der Hand winden, oder mich von meiner Lagerstätte wegschleppen wollte, würde mich zwar freilich in Ansehung des inneren Meinen (der Freiheit), aber nicht des äußeren Meinen lädieren, wenn ich nicht, auch ohne Inhabung, mich im Besitz des Gegenstandes zu sein behaupten könnte; ich könnte also diese Gegenstände (den Apfel und das Lager) auch nicht mein nennen.

b) Ich kann die Leistung von etwas durch die Willkür des andern nicht mein nennen, wenn ich bloß sagen kann, sie sei mit meinem' Versprechen zugleich (pactum re initum) in meinen Besitz gekommen, sondern nur, wenn ich behaupten darf, ich bin im Besitz der Willkür des andern (diesen zur Leistung zu bestimmen), obgleich die Zeit der Leistung noch erst kommen soll; das Versprechen des letzteren gehört demnach zur Habe und Gut (obligatio activa) und ich kann sie zu dem Meinen rechnen, aber nicht bloß, wenn ich das Versprochene (wie im ersten Falle) schon in meinem Besitz habe, sondern auch, ob ich dieses gleich noch nicht besitze. Also muß ich mich, als von dem auf Zeitbedingung eingeschränkten, mithin vom empirischen Besitze unabhängig, doch im Besitz dieses Gegenstandes zu sein denken können.

c) Ich kann ein Weib, ein Kind, ein Gesinde, und überhaupt eine andere Person nicht darum | das Meine nennen, weil ich sie jetzt, als zu meinem Hauswesen gehörig, befehlige, oder im Zwinger und in meiner Gewalt und Besitz Akad.-Ausg.: » seinem «<.

habe, sondern wenn ich, | ob sie sich gleich dem Zwange entzogen haben, und ich sie also nicht (empirisch) besitze, dennoch sagen kann, ich besitze sie durch meinen bloßen Willen, so lange sie irgendwo oder irgendwenn existieren, mithin bloß-rechtlich; sie gehören also zu meiner Habe nur alsdann, wenn und so fern ich das letztere behaupten kann.

§ 5. DEFINITION DES BEGRIFFS

DES ÄUSSEREN MEIN UND DEIN

Die Namenerklärung, d. i. diejenige, welche bloß zur Unterscheidung des Objekts von allen andern zureicht. und aus einer vollständigen und bestimmten Exposition des Begriffs hervorgeht, würde sein: Das äußere Meine ist dasjenige außer mir, an dessen mir beliebigen Gebrauch mich zu hindern Läsion (Unrecht)' sein würde. – Die Sacherklärung dieses Begriffs aber, d. i. die, welche auch zur Deduktion desselben (der Erkenntnis der Möglichkeit des Gegenstandes) zureicht, lautet nun so: Das äußere Meine ist dasjenige, in dessen Gebrauch mich zu stören Läsion sein würde, ob ich gleich nicht im Besitz desselben (nicht Inhaber des Gegenstandes) bin. In irgend einem Besitz des äußeren Gegenstandes muß ich sein, wenn der Gegenstand mein heißen soll; | denn sonst würde der, welcher diesen Gegenstand wider meinen Willen affizierte, mich nicht zugleich affizieren, mithin auch nicht lädieren. Also muß, zu Folge des § 4, ein intelligibler Besitz (possessio noumenon) als möglich vorausgesetzt werden, wenn es ein äußeres Mein oder Dein geben soll; der empirische Besitz (Inhabung) ist alsdenn nur Besitz in der Erscheinung (possessio phaenomenon), obgleich der Gegenstand, den ich besitze, hier nicht so, wie es in der transzendentalen Analytik geschieht, selbst als Erscheinung, sondern als Sache an sich selbst betrachtet wird; denn dort war es der Vernunft um das theoretische Erkenntnis der

1 B: »(Abbruch an meiner Freiheit, die mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann)«.

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