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selbst nicht glaubt, was er einem anderen (wenn es auch eine bloß idealische Person wäre) sagt, hat einen noch geringeren Wert, als wenn er bloß Sache wäre; denn von dieser ihrer Eigenschaft, etwas zu nutzen, kann ein anderer doch irgend einen Gebrauch machen, weil sie etwas Wirkliches und Gegebenes ist; aber die Mitteilung seiner Gedanken an jemanden durch Worte, die doch das Gegenteil von dem (absichtlich) enthalten, was der Sprechende dabei denkt, ist ein der natürlichen Zweckmäßigkeit seines Vermögens der Mitteilung seiner Gedanken gerade entgegen gesetzter Zweck, mithin Verzichttuung auf seine Persönlichkeit und eine bloß täuschende Erscheinung vom Menschen, nicht der Mensch selbst. - Die Wahrhaftigkeit in Erklärungen wird auch Ehrlichkeit, und, wenn diese zugleich Versprechen sind, Redlichkeit, überhaupt aber Aufrichtigkeit genannt.

Die Lüge (in der ethischen Bedeutung des Worts), als vorsätzliche Unwahrheit überhaupt, bedarf es auch nicht, anderen schädlich zu sein, um für verwerflich erklärt zu werden; denn da wäre sie Verletzung der Rechte anderer. Es kann auch bloß Leichtsinn, oder gar Gutmütigkeit, die Ursache davon sein, ja selbst ein wirklich guter Zweck dadurch beabsichtigt werden, so ist doch die Art, ihm nachzugehen, durch die bloße Form ein Verbrechen des Menschen an seiner eigenen Person, und eine Nichtswürdigkeit, die den Menschen in seinen eigenen Augen verächtlich machen muß.

Die Wirklichkeit mancher inneren Lüge, welche die Menschen sich zu Schulden kommen lassen, zu beweisen, ist leicht, aber ihre Möglichkeit zu erklären scheint doch schwerer zu sein; weil eine zweite Person dazu erforderlich ist, die man zu hintergehen die Absicht hat, sich selbst aber vorsätzlich zu betrügen einen Widerspruch in sich zu enthalten scheint. Der Mensch, als moralisches Wesen (homo noumenon), kann sich selbst, als physisches Wesen (homo phaenomenon), nicht als bloßes Mittel (Sprachmaschine) brauchen, das an den inneren Zweck (der Gedankenmitteilung) nicht gebunden wäre, sondern ist an die Bedingung der Übereinstimmung mit der Erklärung (declaratio) des ersteren gebunden,

und gegen sich selbst zur Wahrhaftigkeit verpflichtet. — Wenn er z. B. den Glauben an einen künftigen Welt richter lügt, indem er wirklich keinen solchen in sich findet, aber, indem er sich überredet, es könne doch nicht schaden, wohl aber nutzen, einen solchen in Gedanken einem Herzenskündiger zu bekennen, um auf allen Fall seine Gunst zu erheucheln. Oder, wenn er zwar desfalls nicht im Zweifel ist, aber sich doch mit innerer Verehrung seines Gesetzes schmeichelt, da er doch keine andere Triebfeder, als die der Furcht vor Strafe, bei sich fühlt.

Unredlichkeit ist bloß Ermangelung an Gewissenhaftigkeit, d. i. an Lauterkeit des Bekenntnisses vor seinem inneren Richter, der als eine andere Person gedacht wird, wenn diese in ihrer höchsten Strenge betrachtet wird, wo ein Wunsch (aus Selbstliebe) für die Tat genommen wird, weil er einen an sich guten Zweck vor sich hat, und die innere Lüge, ob sie zwar der Pflicht des Menschen gegen sich selbst zuwider ist, erhält hier den Namen einer Schwachheit, so wie der Wunsch eines Liebhabers, lauter gute Eigenschaften an seiner Geliebten zu finden, ihm ihre augenscheinliche Fehler unsichtbar macht. Indessen verdient diese Unlauterkeit in Erklärungen, die man gegen sich selbst verübt, doch die ernstlichste Rüge: weil, von einer solchen faulen Stelle (der Falschheit, welche in der menschlichen Natur gewurzelt zu sein scheint) aus, das Übel der Unwahrhaftigkeit sich auch in Beziehung auf andere Menschen verbreitet, nachdem einmal der oberste Grundsatz der Wahrhaftigkeit verletzt worden.

Anmerkung

Es ist merkwürdig, daß die Bibel das erste Verbrechen, wodurch das Böse in die Welt gekommen ist, nicht vom Brudermorde (Kains), sondern von der ersten Lüge datiert (weil gegen jenen sich doch die Natur empört), und als den Urheber alles Bösen den Lügner von Anfang und den Vater der Lügen nennt; wiewohl die Vernunft von diesem Hange der Menschen zur Gleisnerei (esprit fourbe), der

doch vorher gegangen sein muß, keinen Grund weiter angeben kann; weil ein Akt der Freiheit nicht (gleich einer physischen Wirkung) nach dem Naturgesetz des Zusammenhanges der Wirkung und ihrer Ursache, welche insgesamt Erscheinungen sind, deduziert und erklärt werden kann.

Kasuistische Fragen

Kann eine Unwahrheit aus bloßer Höflichkeit (z. B. das ganz gehorsamster Diener am Ende eines Briefes) für Lüge gehalten werden? Niemand wird ja dadurch betrogen. - Ein Autor frägt einen seiner Leser: wie gefällt Ihnen mein Werk? Die Antwort könnte nun zwar illusorisch gegeben werden, da man über die Verfänglichkeit einer solchen Frage spöttelte; aber wer hat den Witz immer bei der Hand? Das geringste Zögern, mit der Antwort, ist schon Kränkung des Verfassers; darf er diesem also zum Munde reden?

| In wirklichen Geschäften, wo es aufs Mein und Dein ankommt, wenn ich da eine Unwahrheit sage, muß ich alle die Folgen verantworten, die daraus entspringen möchten? Z. B. ein Hausherr hat befohlen: daß, wenn ein gewisser Mensch nach ihm fragen würde, er ihn verleugnen solle. Der Dienstbote tut dieses: veranlaßt aber dadurch, daß jener entwischt und ein großes Verbrechen ausübt, welches sonst durch die gegen ihn ausgeschickte Wache wäre verhindert worden. Auf wen fällt hier die Schuld (nach ethischen Grundsätzen)? Allerdings auch auf den letzteren, welcher hier eine Pflicht gegen sich selbst durch eine Lüge verletzte; deren Folgen ihm nun durch sein eigen Gewissen zugerechnet werden.

II. VOM GEIZE
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Ich verstehe hier unter diesem Namen nicht den habsüchtigen Geiz (der Erweiterung seines Erwerbs der Mittel zum Wohlleben, über die Schranken des wahren Bedürfnisses); denn dieser kann auch als bloße Verletzung seiner Pflicht (der Wohltätigkeit) gegen andere betrachtet wer

den; auch nicht den kargen Geiz, welcher, wenn er schimpflich ist, Knickerei oder Knauserei genannt wird, aber doch bloß Vernachlässigung seiner Liebespflichten gegen andere sein kann; sondern die Verengung seines eigenen Genusses der Mittel zum Wohlleben unter das Maß des wahren eigenen Bedürfnisses; dieser Geiz ist es eigentlich, der hier gemeint ist, welcher der Pflicht gegen sich selbst widerstreitet.

An der Rüge dieses Lasters kann man ein Beispiel von der Unrichtigkeit aller Erklärung, der Tugenden so wohl als Laster, durch den bloßen Grad, deutlich machen und zugleich die Unbrauchbarkeit des Aristotelischen Grundsatzes dartun: daß die Tugend in der Mittelstraße zwischen zwei Lastern bestehe.

Wenn ich nämlich zwischen Verschwendung und Geiz die gute Wirtschaft als das Mittlere ansehe, und dieses das Mittlere des Grades sein soll: so würde ein Laster in das (contrarie) entgegengesetzte Laster nicht anders übergehen. als durch die Tugend, und so würde diese nichts anders, als ein vermindertes, oder vielmehr verschwindendes Laster sein, und die Folge wäre in dem gegenwärtigen Fall: daß von den Mitteln des Wohllebens gar keinen Gebrauch zu machen die echte Tugendpflicht sei.

Nicht das Maß der Ausübung sittlicher Maximen, sondern das objektive Prinzip derselben, muß als verschieden erkannt und vorgetragen werden, wenn ein Laster von der Tugend unterschieden werden soll. - Die Maxime des habsüchtigen Geizes (als Verschwenders) ist: alle Mittel des Wohllebens in der Absicht auf den Genuß anzuschaffen und zu erhalten. - Die des kargen Geizes ist hingegen der Erwerb so wohl, als die Erhaltung aller Mittel des Wohllebens, aber ohne Absicht auf den Genuß (d. i. ohne daß dieser, sondern nur der Besitz der Zweck sei).

Also ist das eigentümliche Merkmal des letzteren Lasters der Grundsatz des Besitzes der Mittel zu allerlei Zwecken, doch mit dem Vorbehalt, keines derselben für sich brauchen zu wollen und sich so des angenehmen Lebensgenusses zu berauben: welches der Pflicht gegen sich selbst in Ansehung

des Zwecks gerade entgegengesetzt ist.* Verschwendung und Kargheit sind also nicht durch den Grad, sondern spezifisch durch die entgegengesetzte Maximen von einander unterschieden.

* Der Satz: man soll keiner Sache zu viel oder zu wenig tun, sagt so viel als nichts; denn er ist tautologisch. Was heißt zu viel tun? Antw. Mehr als gut ist; was heißt zu wenig tun? Antw. Weniger tun als gut ist. Was heißt: ich soll (etwas tun oder unterlassen)? Antw. Es ist nicht gut (wider die Pflicht), mehr oder auch weniger zu tun, als gut ist. Wenn das die Weisheit ist, die zu erforschen wir zu den Alten (dem Aristoteles), gleich als solchen, die der Quelle näher waren, zurückkehren sollen: virtus consistit in medio, medium tenuere beati, est modus in rebus, sunt certi denique fines, quos ultra citraque nequit consistere rectum', so haben wir schlecht gewählt, uns an ihr Orakel zu wenden. - Es gibt zwischen Wahrhaftigkeit und Lüge (als contradictorie oppositis) kein Mittleres: aber wohl zwischen Offenherzigkeit und Zurückhaltung (als contrarie oppositis), da an dem, welcher seine Meinung erklärt, alles, was er sagt, wahr ist, er aber nicht die ganze Wahrheit sagt. Nun ist doch ganz natürlich von dem Tugendlehrer zu fordern, daß er mir dieses Mittlere anweise. Das kann er aber nicht; denn beide Tugendpflichten haben einen Spielraum der Anwendung (latitudinem) und, was zu tun sei, kann nur von der Urteilskraft, nach Regeln der Klugheit (den pragmatischen), nicht denen der Sittlichkeit (den moralischen), d. i. nicht als enge (officium strictum), sondern nur als weite Pflicht (officium latum) entschieden werden. Daher der, welcher die Grundsätze der Tugend befolgt, zwar in der Ausübung im Mehr oder Weniger, als die Klugheit vorschreibt, einen Fehler (peccatum) begehn2, aber nicht darin, daß er diesen Grundsätzen mit Strenge anhänglich ist, ein Laster (vitium) ausüben, und Horazens Vers: insani sapiens nomen habeat 3 aequus iniqui, ultra quam satis est virtutem si petat ipsam 4, ist, nach dem Buchstaben genommen, grundfalsch. Sapiens bedeutet hier wohl nur einen gescheuten Mann (prudens), der sich nicht phantastisch Tugendvollkommenheit denkt, die, als Ideal, zwar die Annäherung zu diesem Zwecke, aber nicht die Vollendung fordert, als welche Foderung die menschlichen Kräfte übersteigt, und Unsinn (Phantasterei) in ihr Prinzip hinein bringt. Denn gar zu tugendhaft, d. i. seiner Pflicht gar zu anhänglich, zu sein, würde ohngefähr so viel sagen: als einen Zirkel gar zu rund, oder eine gerade Linie gar zu gerade machen.

I

Übersetzung des Herausgebers: »Die Tugend besteht in der Mitte «, > die Mitte haben die Glücklichen innegehalten «, » es gibt ein Maß in den Dingen, kurz: es gibt sichere Grenzen, jenseits und diesseits ihrer kann sich das Rechte nicht behaupten <<. 2 B ändert: »begehn kann «. - 3 B ändert: »ferat «<. 4 Übersetzung des Herausgebers: »Der Vernünftige trüge den Namen eines Unvernünftigen, der Gerechte den eines Ungerechten, wenn er über Genüge nach Tugend trachtete <<.

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