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Menschen austeilende, über die ganze Natur gebietende und die Welt mit höchster Weisheit regierende Macht als wirklich anzunehmen, d. i. an Gott zu glauben? S. Ja; denn wir sehen an den Werken der Natur, die wir beurteilen können, so ausgebreitete und tiefe Weisheit, die wir uns nicht anders als durch eine unaussprechlich große Kunst eines Weltschöpfers erklären können, von welchem wir uns denn auch, was die sittliche Ordnung betrifft, in der doch die höchste Zierde der Welt besteht, eine nicht minder weise Regierung zu versprechen Ursache haben: nämlich, daß, wenn wir uns nicht selbst der Glückseligkeit unwürdig machen, welches durch Übertretung unserer Pflicht geschieht, wir auch hoffen können, ihrer teilhaftig zu werden.

In dieser Katechese, welche durch alle Artikel der Tugend und des Lasters durchgeführt werden muß, ist die größte Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß das Pflichtgebot ja nicht auf die aus dessen Beobachtung für den Menschen, den es verbinden soll, ja selbst auch nicht einmal für andere, fließenden Vorteile oder Nachteile, sondern ganz rein auf das sittliche Prinzip gegründet werde, der letzteren aber nur beiläufig, als an sich zwar entbehrlicher, aber für den Gaumen der von Natur | Schwachen zu bloßen Vehikeln dienender Zusätze, Erwähnung geschehe. Die Schändlichkeit, nicht die Schädlichkeit des Lasters (für den Täter selbst) muß überall hervorstechend dargestellt werden. Denn, wenn die Würde der Tugend in Handlungen nicht über alles erhoben wird, so verschwindet der Pflichtbegriff selbst und zerrinnt in bloße pragmatische Vorschriften; da dann der Adel des Menschen in seinem eigenen Bewußtsein verschwindet und er für einen Preis feil ist, und zu Kauf steht, den ihm verführerische Neigungen anbieten.

Wenn dieses nun weislich und pünktlich nach Verschiedenheit der Stufen des Alters, des Geschlechts und des Standes, die der Mensch nach und nach betritt, aus der eigenen Vernunft des Menschen entwickelt worden,

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so ist noch etwas, was den Beschluß machen muß, was die Seele inniglich bewegt und den Menschen auf eine Stelle setzt, wo er sich selbst nicht anders als mit der größten Bewunderung der ihm beiwohnenden ursprünglichen Anlagen betrachten kann, und wovon der Eindruck nie erlischt. Wenn ihm nämlich beim Schlusse seiner Unterweisung seine Pflichten in ihrer Ordnung noch einmal summarisch vorerzählt (rekapituliert), wenn er, bei jeder derselben, darauf aufmerksam gemacht wird, daß alle Übel, Drangsale und Leiden des Lebens, selbst Bedrohung mit dem Tode, die ihn darüber, daß er seiner Pflicht treu gehorcht, treffen mögen, ihm doch das Bewußtsein, über sie alle erhoben und Meister zu sein, nicht rauben können, so liegt ihm nun die Frage ganz nahe: was ist das in dir, was sich getrauen darf, mit allen Kräften der Natur in dir und um dich in Kampf zu treten und sie, wenn sie mit deinen sittlichen Grundsätzen in Streit kommen, zu besiegen? Wenn diese Frage, deren Auflösung das Vermögen der spekulativen Vernunft gänzlich übersteigt und die sich dennoch von selbst einstellt, ans Herz gelegt wird, so muß selbst die Unbegreiflichkeit in diesem Selbsterkenntnisse der Seele eine Erhebung geben, die sie zum Heilighalten ihrer Pflicht nur desto stärker belebt, je mehr sie angefochten wird.

In dieser katechetischen Moralunterweisung würde es zur sittlichen Bildung von großem Nutzen sein, bei jeder Pflichtzergliederung einige kasuistische Fragen aufzuwerfen und die versammelten Kinder ihren Verstand versuchen zu lassen, wie ein jeder von ihnen die ihm vorgelegte verfängliche Aufgabe aufzulösen meinete. - Nicht allein, daß dieses eine, der Fähigkeit des Ungebildeten am meisten angemessene, Kultur der Vernunft ist (weil diese in Fragen, die, was Pflicht ist, betreffen, weit leichter entscheiden kann, als in Ansehung der spekulativen) und so den Verstand der Jugend | überhaupt zu schärfen die schicklichste Art ist: sondern vornehmlich deswegen, weil es in der Natur des Menschen liegt, das zu lieben, worin und in dessen Bearbeitung er es bis zu einer Wis

senschaft (mit der er nun Bescheid weiß) gebracht hat, und so der Lehrling durch dergleichen Übungen unvermerkt in das Interesse der Sittlichkeit gezogen wird.

Von der größten Wichtigkeit aber in der Erziehung ist es, den moralischen Katechism nicht mit dem Religionskatechism vermischt vorzutragen (zu amalgamieren), noch weniger ihn auf den letzteren folgen zu lassen; sondern jederzeit den ersteren, und zwar mit dem größten Fleiße und Ausführlichkeit, zur klärsten Einsicht zu bringen. Denn ohne dieses wird nachher aus der Religion nichts als Heuchelei, sich aus Furcht zu Pflichten zu bekennen und eine Teilnahme an derselben, die nicht im Herzen ist, zu lügen.

| ZWEITER ABSCHNITT

DIE ETHISCHE ASKETIK

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Die Regeln der Übung in der Tugend (exercitiorum virtutis) gehen auf die zwei Gemütsstimmungen hinaus, wackeren und fröhlichen Gemüts (animus strenuus et hilaris) in Befolgung ihrer Pflichten zu sein. Denn sie hat mit Hindernissen zu kämpfen, zu deren Überwältigung sie ihre Kräfte zusammen nehmen muß, und zugleich manche Lebensfreuden zu opfern, deren Verlust das Gemüt wohl bisweilen finster und mürrisch machen kann; was man aber nicht mit Lust, sondern bloß als Frohndienst tut, das hat für den, der hierin seiner Pflicht gehorcht, keinen inneren Wert und wird nicht geliebt, sondern die Gelegenheit ihrer Ausübung so viel möglich geflohen.

Die Kultur der Tugend, d. i. die moralische Asketik, hat, in Ansehung des Prinzips der rüstigen, mutigen und wackeren Tugendübung den Wahlspruch der Stoiker: gewöhne dich, die zufälligen Lebensübel zu ertragen und die eben so überflüssigen Ergötzlichkeiten zu entbehren (assuesce incommodis et desuesce commoditatibus vitae). Es ist eine Art von Diätetik für den Menschen, sich moralisch gesund zu erhalten. Gesundheit ist aber nur ein negatives

Wohlbefinden, sie selber kann nicht gefühlt werden. Es muß | etwas dazu kommen, was einen angenehmen Lebensgenuß gewährt und doch bloß moralisch ist. Das ist das jederzeit fröhliche Herz in der Idee des tugendhaften Epikurs. Denn wer sollte wohl mehr Ursache haben, frohen Muts zu sein und nicht darin selbst eine Pflicht finden, sich in eine fröhliche Gemütsstimmung zu versetzen und sie sich habituell zu machen, als der, welcher sich keiner vorsätzlichen Übertretung bewußt und, wegen des Verfalls in eine solche, gesichert ist (hic murus ahenëus esto1 etc. Horat.). — Die Mönchsasketik hingegen, welche aus abergläubischer Furcht, oder geheucheltem Abscheu an sich selbst, mit Selbstpeinigung und Fleischeskreuzigung zu Werke geht, zweckt auch nicht auf Tugend, sondern auf schwärmerische Entsündigung ab, sich selbst Strafe aufzulegen und, anstatt sie moralisch (d. i. in Absicht auf die Besserung) zu bereuen, sie büßen zu wollen; welches, bei einer selbstgewählten und an sich vollstreckten Strafe (denn die muß immer ein anderer auflegen), ein Widerspruch ist, und kann auch den Frohsinn, der die Tugend begleitet, nicht bewirken, vielmehr nicht ohne geheimen Haß gegen das Tugendgebot statt finden. Die ethische Gymnastik besteht also nur in der Bekämpfung der Naturtriebe, die das Maß erreicht, über sie bei vorkommenden, der Moralität Gefahr drohenden, Fällen Meister werden zu können; mithin die wacker und, im Bewußtsein seiner wiedererworbenen Freiheit, fröhlich macht. Etwas bereuen (welches bei der Rückerinnerung ehemaliger Übertretungen un vermeidlich, ja wobei diese Erinnerung nicht schwinden zu lassen es so gar Pflicht ist) und sich eine Pönitenz auferlegen (z. B. das Fasten), nicht in diätetischer, sondern frommer Rücksicht, sind zwei sehr verschiedene, moralisch gemeinte, Vorkehrungen, von denen die letztere, welche freudenlos, finster und mürrisch ist, die Tugend selbst verhaßt macht und ihre Anhänger verjagt. Die Zucht (Disziplin), die der Mensch an sich selbst verübt, kann daher nur durch den Frohsinn, der sie begleitet, verdienstlich und exemplarisch werden.

1 Übersetzung des Herausgebers: »Dieser soll eine eherne Mauer sein“.

BESCHLUSS

DIE RELIGIONSLEHRE ALS LEHRE DER PFLICHTEN
GEGEN GOTT LIEGT AUSSERHALB DEN GRENZEN

DER REINEN MORALPHILOSOPHIE

Protagoras von Abdera fing sein Buch mit den Worten an: »Ob Götter sind, oder nicht sind, davon weiß ich nichts zu sagen«*. Er wurde deshalb von den Atheniensern aus der Stadt und von seinem Landbesitz verjagt und seine Bücher vor der öffentlichen Versammlung verbrannt (Quinctiliani Inst. Orat. lib. 3. cap. 1.). – Hierin taten ihm die Richter von Athen, als Menschen, zwar sehr unrecht; aber, als Staatsbeamte und Richter, verfuhren sie ganz rechtlich und konsequent; denn, wie hätte man einen Eid schwören können, wenn es nicht öffentlich und gesetzlich, von hoher Obrigkeit wegen (de par le Sénat), befohlen wäre: daß es Götter gebe.**

Diesen Glauben aber zugestanden und, daß Religionslehre ein integrierender Teil der allgemeinen Pflichtenlehre sei, eingeräumet, ist jetzt nun die Frage von der Grenzbestimmung der Wissenschaft, zu der sie gehört:

* »De diis, neque ut sint, neque ut non sint, habeo dicere.<<

** Zwar hat später hin ein großer moralisch gesetzgebender Weise das Schwören als ungereimt, und zugleich beinahe an Blasphemie grenzend, ganz und gar verboten; allein in politischer Rücksicht glaubt man noch immer dieses mechanischen, zur Verwaltung der | öffentlichen Gerechtigkeit dienlichen, Mittels schlechterdings nicht entbehren zu können und hat milde Auslegungen ausgedacht, um jenem Verbot auszuweichen. – Da es eine Ungereimtheit wäre, im Ernst zu schwören, daß ein Gott sei (weil man diesen schon postuliert haben muß, um überhaupt nur schwören zu können), so bleibt noch die Frage: ob nicht ein Eid möglich und geltend sei, da man nur auf den Fall daß ein Gott sei (ohne, wie Protagoras, darüber etwas auszumachen) schwöre. In der Tat mögen wohl alle redlich und zugleich mit Besonnenheit abgelegten Eide in keinem anderen Sinne getan worden sein. - Denn, daß einer sich erböte, schlechthin zu beschwören, daß ein Gott sei, scheint zwar kein bedenkliches Anerbieten zu sein, er mag ihn glauben oder nicht. Ist einer (wird der Betrüger sagen), so habe ich's getroffen; ist keiner, so zieht mich auch keiner zur Verantwortung, und ich bringe mich durch solchen Eid in keine Gefahr. - Ist denn aber keine Gefahr dabei, wenn ein solcher ist, auf einer vorsätzlichen und, selbst um Gott zu täuschen, angelegten Lüge betroffen zu werden?

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