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Es ist also eine notwendige Folge der physischen und zugleich der moralischen Anlage in uns, welche letztere die Grundlage und zugleich Auslegerin aller Religion ist, daß diese endlich von allen empirischen Bestimmungsgründen, von allen Statuten, welche auf Geschichte beruhen, und die vermittelst eines Kirchenglaubens provisorisch die Menschen zur Beförderung des Guten vereinigen, allmählich losgemacht werde1, und so reine Vernunftreligion zuletzt über alle herrsche, »da mit Gott sei alles in allem «. – Die Hüllen, unter welchen der Embryo sich zuerst zum Menschen bildete, müssen abgelegt werden, wenn er nun an das Tageslicht treten soll. Das Leitband der heiligen Überlieferung, mit seinen Anhängseln, den Statuten und Observanzen, welches zu seiner Zeit gute Dienste tat, wird nach und nach entbehrlich, ja endlich zur Fessel, wenn er in das Jünglingsalter eintritt. So lange er (die Menschengattung) » ein Kind war, war er klug als ein Kind «< und wußte mit Satzungen, die ihm ohne sein Zutun auferlegt worden, auch wohl Gelehrsamkeit, ja sogar eine der Kirche dienstbare Philosophie zu verbinden; »nun er aber ein Mann wird, legt er ab, was kindisch ist «. Der erniedrigende Unterschied zwischen Laien und Klerikern hört auf, und Gleichheit entspringt aus der wahren | Freiheit, jedoch ohne Anarchie, weil ein jeder zwar dem (nicht statutarischen) Gesetz gehorcht, das er sich selbst vorschreibt, das er aber auch zugleich als den ihm durch die Vernunft geoffenbarten Willen des Weltherrschers ansehen muß, der alle unter einer gemeinschaftlichen Regierung unsichtbarer Weise in einem Staate verbindet, so wenig auch, was aus ihm werden könne. Hierüber müssen wir also das Urteil dem Allsehenden überlassen, welches hier so ausgedruckt wird, als ob, ehe sie geboren wurden, sein Ratschluß, über sie ausgesprochen, einem jeden seine Rolle vorgezeichnet habe, die er einst spielen sollte. Das Vorhersehen ist in der Ordnung der Erscheinungen für den Welturheber, wenn er hiebei selbst anthropopathisch gedacht wird, zugleich ein Vorherbeschließen. In der übersinnlichen Ordnung der Dinge aber nach Freiheitsgesetzen, wo die Zeit wegfällt, ist es bloß ein allsehendes Wissen, ohne, warum der eine Mensch so, der andere nach entgegengesetzten Grundsätzen verfährt, erklären, und doch auch zugleich mit der Freiheit des Willens vereinigen zu können. 1 Zusatz von B. - 2 A: »anthropomorphistisch«.

welcher durch die sichtbare Kirche vorher dürftig vorgestellt und vorbereitet war. - Das alles ist nicht von einer äußeren' Revolution zu erwarten, die stürmisch und gewaltsam ihre von Glücksumständen sehr abhängige Wirkung tut, in welcher, was bei der Gründung einer neuen Verfassung einmal versehen worden, Jahrhunderte | hindurch mit Bedauern beibehalten wird, weil es nicht mehr, wenigstens nicht anders, als durch eine neue (jederzeit gefährliche) Revolution abzuändern ist. In dem Prinzip der reinen Vernunftreligion, als einer an alle Menschen beständig geschehenen1 göttlichen (ob zwar nicht empirischen) Offenbarung, muß der Grund zu jenem Überschritt zu jener neuen Ordnung der Dinge liegen, welcher, einmal aus reifer Überlegung gefaßt, durch allmählich fortgehende Reform zur Ausführung gebracht wird, so fern sie ein menschliches Werk sein soll; denn was Revolutionen betrifft, die diesen Fortschritt abkürzen können, so bleiben sie der Vorsehung überlassen, und lassen sich nicht planmäßig, der Freiheit unbeschadet, einleiten.

Man kann aber mit Grunde sagen: » daß das Reich Gottes zu uns gekommen sei«<, wenn auch nur das Prinzip des allmählichen Überganges des Kirchenglaubens zur allgemeinen Vernunftreligion, und so zu einem (göttlichen) ethischen Staat auf Erden, allgemein, und irgendwo auch öffentlich Wurzel gefaßt hat: obgleich die wirkliche Errichtung desselben noch in unendlicher Weite von uns entfernt liegt. Denn, weil dieses Prinzip den Grund einer kontinuierlichen Annäherung zu dieser Vollkommenheit enthält, so liegt in ihm als in einem sich entwickelnden, und in der Folge wiederum besamenden Keime das Ganze (unsichtbarer Weise), welches dereinst die Welt erleuchten und beherrschen soll. Das Wahre und Gute aber, wozu in der Naturanlage jedes Menschen der Grund, sowohl der Einsicht als des Herzensanteils liegt, ermangelt nicht, wenn es einmal öffentlich geworden, vermöge der natürlichen Affinität, in der3 es mit der moralischen Anlage vernünftiger Wesen überhaupt steht, sich durchgängig mitzuteilen. Die Hemmung durch politische bürgerliche Ursachen, die seiner I Zusatz von B. 2 A: »geschehenden «. - 3 A: »darin «. - 4 Akad.Ausg.: »Hemmungen «<.

Ausbreitung von Zeit zu Zeit zustoßen mögen, dienen eher dazu, die Vereinigung der Gemüter zum Guten (was, nachdem sie es einmal ins Auge gefaßt haben, ihre Gedanken nie verläßt) noch desto inniglicher zu machen.*

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* Dem Kirchenglauben kann, ohne daß man ihm weder den Dienst aufsagt, noch ihn befehdet, sein nützlicher Einfluß | als eines Vehikels erhalten, und ihm gleichwohl als einem Wahne von gottesdienstlicher Pflicht aller Einfluß auf den Begriff der eigentlichen (nämlich moralischen) Religion abgenommen werden, und so, bei Verschiedenheit statutarischer Glaubensarten, Verträglichkeit der Anhänger derselben unter einander durch die Grundsätze der einigen Vernunftreligion, wohin die Lehrer alle jene Satzungen und Observanzen auszulegen haben, gestiftet werden; bis man mit der Zeit, vermöge der überhandgenommenen wahren Aufklärung (einer Gesetzlichkeit, die aus der moralischen Freiheit hervorgeht) mit jedermanns Einstimmung die Form eines erniedrigenden Zwangsmittels2 gegen eine kirchliche Form, die der Würde einer moralischen Religion angemessen ist, nämlich die eines freien Glaubens vertauschen | kann. - Die kirchliche Glaubenseinheit mit der Freiheit in Glaubenssachen zu vereinigen, ist ein Problem, zu dessen Auflösung die Idee der objektiven Einheit der Vernunftreligion durch das moralische Interesse, welches wir an ihr nehmen, kontinuierlich antreibt, welches aber in einer sichtbaren Kirche zu Stande zu bringen, wenn wir hierüber die menschliche Natur befragen, wenig Hoffnung vorhanden ist. Es ist eine Idee der Vernunft, deren Darstellung in einer ihr angemessenen Anschauung uns unmöglich ist, die aber doch als praktisches regulatives Prinzip objektive Realität hat, um auf diesen Zweck, der Einheit der reinen Vernunftreligion3, hinzuwirken. Es geht hiermit, wie mit der politischen Idee eines Staatsrechts, so fern es zugleich auf ein allgemeines und machthabendes Völkerrecht bezogen werden soll. Die Erfahrung spricht uns hierzu alle Hoffnung ab. Es scheint ein Hang in das menschliche Geschlecht (vielleicht absichtlich) gelegt zu sein, daß ein jeder einzelne Staat, wenn es ihm nach Wunsch geht, sich jeden andern zu unterwerfen, und eine Universalmonarchie zu errichten, strebe; wenn er aber eine gewisse Größe erreicht hat, sich doch von selbst in kleinere Staaten zersplitterte 4. So hegt eine jede Kirche den stolzen Anspruch, eine allgemeine zu werden; so wie sie sich aber ausgebreitet hat, und herrschend wird, zeigt sich bald ein Prinzip der Auflösung und Trennung in verschiedene Sekten.†

† Das zu frühe und dadurch (daß es eher kommt, als die Menschen moralisch besser geworden sind) schädliche Zusammenschmelzen der Staaten wird – wenn es uns erlaubt ist, hierin eine Absicht der Vorsehung anzunehmen - vornehmlich durch zwei mächtig wirkende Ursachen, nämlich Verschiedenheit der Sprachen und Verschiedenheit der Religionen, verhindert.1 I Zusatz von B. - 2 A: »Zwangsglaubens «. 3 A: »Vernunftreligion gemäß«. - 4 A: »zersplittere«.

|| Das ist also die, menschlichen Augen unbemerkte, aber beständig fortgehende Bearbeitung des guten Prinzips, sich im menschlichen Geschlecht, als einem gemeinen Wesen nach Tugendgesetzen, eine Macht und ein Reich zu errichten, welches den Sieg über das | Böse behauptet, und unter seiner Herrschaft der Welt einen ewigen Frieden zusichert.

ZWEITE ABTEILUNG

HISTORISCHE VORSTELLUNG

DER ALLMÄHLICHEN GRÜNDUNG DER HERRSCHAFT
DES GUTEN PRINZIPS AUF ERDEN

Von der Religion auf Erden (in der engsten Bedeutung des Worts) kann man keine Universalhistorie des menschlichen Geschlechts verlangen; denn die ist, als auf dem reinen moralischen Glauben gegründet, kein öffentlicher Zustand, sondern jeder kann sich der Fortschritte, die er in demselben gemacht hat, nur für sich selbst bewußt sein. Der Kirchenglaube ist es daher allein, von dem man eine allgemeine historische Darstellung erwarten kann; indem man ihn, nach seiner verschiedenen und veränderlichen Form, mit dem alleinigen, unveränderlichen, reinen Religionsglauben vergleicht. Von da an, wo der erstere seine Abhängigkeit von den einschränkenden Bedingungen des letztern, und der Notwendigkeit der Zusammenstimmung mit ihm ' öffentlich anerkennt, fängt die allgemeine Kirche an, sich zu einem ethischen Staat Gottes zu bilden, und nach einem feststehenden Prinzip, welches für alle Menschen und Zeiten ein und dasselbe ist, zur | Vollendung desselben fortzuschreiten.Man kann voraussehen, daß diese Geschichte nichts, als die Erzählung von dem beständigen Kampf zwischen dem gottesdienstlichen und dem moralischen Religionsglauben sein werde, deren ersteren, als Geschichtsglauben, der Mensch beständig geneigt ist oben anzusetzen, anstatt daß der letztere seinen Anspruch auf den Vorzug, der ihm als allein seelenbessernden Glauben zukommt, nie aufgegeben hat, und ihn endlich gewiß behaupten wird.

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Diese Geschichte kann aber nur Einheit haben, wenn sie bloß auf denjenigen Teil des menschlichen Geschlechts eingeschränkt wird, bei welchem jetzt die Anlage zur Einheit der allgemeinen Kirche schon ihrer Entwickelung nahe gebracht ist, indem durch sie wenigstens die Frage, wegen des Unterschieds des Vernunft- und Geschichtglaubens schon öffentlich aufgestellt, und ihre Entscheidung zur größten moralischen Angelegenheit gemacht ist; denn die Geschichte verschiedner' Völker, deren Glaube in keiner Verbindung unter einander steht, gewährt sonst keine Einheit der Kirche. Zu dieser Einheit aber kann nicht gerechnet werden: daß in einem und demselben Volk ein gewisser neuer Glaube einmal entsprungen ist, der sich von dem vorher herrschenden namhaft unterschied; wenn gleich dieser die veranlassenden Ursachen zu des neuen Erzeugung bei sich führte. Denn es muß Einheit des | Prinzips sein, wenn man die Folge verschiedner Glaubensarten nacheinander zu den Modifikationen einer und derselben Kirche rechnen soll, und die Geschichte der letztern ist es eigentlich, womit wir uns jetzt beschäftigen.

Wir können also in dieser Absicht nur die Geschichte derjenigen Kirche, die von ihrem ersten Anfange an den Keim und die Prinzipien zur objektiven Einheit des wahren und allgemeinen Religionsglaubens bei sich führte, dem sie allmählich näher gebracht wird, abhandeln. – Da zeigt sich nun zuerst : daß der jüdische Glaube mit diesem Kirchenglauben, dessen Geschichte wir betrachten wollen, in ganz und gar keiner wesentlichen Verbindung, d. i. in keiner Einheit nach Begriffen steht, ob zwar jener unmittelbar vorhergegangen, und zur Gründung dieser (der christlichen) Kirche die physische Veranlassung gab.

Der jüdische Glaube ist, seiner ursprünglichen Einrichtung nach, ein Inbegriff bloß statutarischer Gesetze, auf welchem eine Staatsverfassung gegründet war; denn welche moralische Zusätze entweder damals schon, oder auch in der Folge ihm angehängt worden sind, die sind schlechterdings nicht zum Judentum, als einem solchen, gehörig. Das 1 Akad.-Ausg.: » Geschichte der Satzungen verschiedner «.

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