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DRITTER ABSCHNITT

ÜBERGANG

VON DER METAPHYSIK DER SITTEN

ZUR KRITIK DER REINEN PRAKTISCHEN VERNUNFT

DER BEGRIFF DER FREIHEIT

IST DER SCHLÜSSEL ZUR ERKLÄRUNG

DER AUTONOMIE DES WILLENS

Der Wille ist eine Art von Kausalität lebender Wesen, so fern sie vernünftig sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser Kausalität sein, da sie unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann; so wie Naturnotwendigkeit die Eigenschaft der Kausalität aller vernunftlosen Wesen, durch den Einfluß fremder Ursachen zur Tätigkeit bestimmt zu werden.

Die angeführte Erklärung der Freiheit ist negativ, und daher, um ihr Wesen einzusehen, unfruchtbar; allein es fließt aus ihr ein positiver Begriff derselben, der desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. Da der Begriff einer Kausalität den von Gesetzen bei sich führt, nach welchen durch etwas, was wir Ursache nennen, etwas || anderes, nämlich die Folge, gesetzt werden muß: so ist die Freiheit, ob sie zwar nicht eine Eigenschaft des Willens nach Naturgesetzen ist, darum doch nicht gar gesetzlos, sondern muß vielmehr eine Kausalität nach unwandelbaren Gesetzen, aber von besonderer Art, sein; denn sonst wäre ein freier Wille ein Unding. Die Naturnotwendigkeit war eine Heteronomie der wirkenden Ursachen; denn jede Wirkung war nur nach dem Gesetze möglich, daß etwas anderes die wirkende Ursache zur Kausalität bestimmte; was kann denn wohl die Freiheit des Willens sonst sein, als Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein? Der Satz aber: der Wille ist in allen Handlungen sich selbst ein Gesetz, bezeichnet nur das Prinzip, nach keiner anderen Maxime zu handeln, als die sich selbst auch als ein allgemeines Gesetz zum Gegenstande haben kann. Dies ist aber gerade die Formel des kategorischen Imperativs und das Prinzip der Sitt

lichkeit: also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei.

Wenn also Freiheit des Willens vorausgesetzt wird, so folgt die Sittlichkeit samt ihrem Prinzip daraus, durch bloße Zergliederung ihres Begriffs. Indessen ist das letztere doch immer ein synthetischer Satz: ein schlechterdings guter Wille ist derjenige, dessen Maxime jederzeit sich selbst, als allgemeines Gesetz betrachtet, in sich || enthalten kann; denn durch Zergliederung des Begriffs von einem schlechthin guten Willen kann jene Eigenschaft der Maxime nicht gefunden werden. Solche synthetische Sätze sind aber nur dadurch möglich1, daß beide Erkenntnisse durch die Verknüpfung mit einem dritten, darin sie beiderseits anzutreffen sind, unter einander verbunden werden. Der positive Begriff der Freiheit schafft dieses dritte, welches nicht, wie bei den physischen Ursachen, die Natur der Sinnenwelt sein kann (in deren Begriff die Begriffe von etwas als Ursache, in Verhältnis auf etwas anderes als Wirkung, zusammenkommen). Was dieses dritte sei, worauf uns die Freiheit weiset, und von dem wir a priori eine Idee haben, läßt sich hier sofort noch nicht anzeigen, und die Deduktion des Begriffs der Freiheit aus der reinen praktischen Vernunft, mit ihr auch die Möglichkeit eines kategorischen Imperativs, begreiflich machen, sondern bedarf noch einiger Vorbereitung.

FREIHEIT MUSS ALS EIGENSCHAFT

DES WILLENS ALLER VERNÜNFTIGEN WESEN

VORAUSGESETZT WERDEN

Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen vernünftigen Wesen bei||zulegen hinreichenden Grund haben. Denn da Sittlichkeit für uns bloß als für vernünftige Wesen zum Gesetze dient, so muß sie auch für alle vernünftige Wesen gelten, und da sie lediglich aus der Eigenschaft der Freiheit abgeleitet werden muß, so muß auch Freiheit als Eigenschaft des Willens aller verI A: »möglich, dadurch«. 2 Zusatz von B.

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nünftigen Wesen bewiesen werden, und es ist nicht genug, sie aus gewissen vermeintlichen Erfahrungen von der menschlichen Natur darzutun (wiewohl dieses auch schlechterdings unmöglich ist und lediglich a priori dargetan werden kann), sondern man muß sie als zur Tätigkeit vernünftiger und mit einem Willen begabter Wesen überhaupt' beweisen. Ich sage nun: Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Rücksicht, wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, eben so, als ob sein Wille auch an sich selbst, und in der theoretischen Philosophie gültig, für frei erklärt würde. * Nun behaupte ich: daß wir jedem || vernünftigen Wesen, das einen Willen hat, notwendig auch die Idee der Freiheit leihen müssen, unter der es allein handle. Denn in einem solchen Wesen denken wir uns eine Vernunft, die praktisch ist, d. i. Kausalität in Ansehung ihrer Objekte hat. Nun kann man sich unmöglich eine Vernunft denken, die mit ihrem eigenen Bewußtsein in Ansehung ihrer Urteile anderwärts her eine Lenkung empfinge, denn alsdenn würde das Subjekt nicht seiner Vernunft, sondern einem Antriebe, die Bestimmung der Urteilskraft zuschreiben. Sie muß sich selbst als Urheberin ihrer Prinzipien ansehen, unabhängig von fremden Einflüssen, folglich muß sie als praktische Vernunft, oder als Wille eines vernünftigen Wesens, von ihr selbst als frei angesehen werden; d. i. der Wille desselben kann nur unter der Idee der Freiheit ein eigener Wille sein, und muß also in praktischer Absicht allen vernünftigen Wesen beigelegt werden.

* Diesen Weg, die Freiheit nur, als von vernünftigen Wesen bei ihren Handlungen bloß in der Idee zum Grunde gelegt, zu unserer Absicht hinreichend anzunehmen, schlage ich deswegen ein, damit ich mich nicht verbindlich machen dürfte, die Freiheit auch in ihrer theoretischen Absicht zu beweisen. Denn wenn dieses letztere auch unausgemacht gelassen wird, so gelten doch dieselben Gesetze für ein Wesen, das nicht anders als unter der Idee seiner eigenen Freiheit handeln kann, die ein Wesen, das wirklich frei wäre, verbinden würden. Wir können uns hier also von der Last befreien, die die Theorie drückt.

I

Akad.-Ausg.: » überhaupt gehörig«. – 2 A: »ihn«.

VON DEM INTERESSE,

WELCHES DEN IDEEN DER SITTLICHKEIT ANHÄNGT

Wir haben den bestimmten Begriff der Sittlichkeit auf die Idee der Freiheit zuletzt zurückgeführt; diese aber konnten wir, als etwas Wirkliches, nicht einmal in uns selbst und in der menschlichen Natur beweisen; wir sahen nur, daß wir sie voraussetzen müssen, wenn wir || uns ein Wesen als vernünftig und mit Bewußtsein seiner Kausalität in Ansehung der Handlungen, d. i. mit einem Willen begabt, uns denken wollen, und so finden wir, daß wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft und Willen begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freiheit zum Handeln zu bestimmen, beilegen müssen.

Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewußtsein eines Gesetzes zu handeln : daß die subjektiven Grundsätze der Handlungen, d. i. Maximen, jederzeit so genommen werden müssen, daß sie auch objektiv, d. i. allgemein als Grundsätze, gelten, mithin zu unserer eigenen allgemeinen Gesetzgebung dienen können. Warum aber soll ich mich denn diesem Prinzip unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt, mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen? Ich will einräumen, daß mich hiezu kein Interesse treibt, denn das würde keinen kategorischen Imperativ geben; aber ich muß doch hieran notwendig ein Interesse nehmen, und einsehen, wie das zugeht; denn dieses Sollen ist eigentlich ein Wollen, das unter der Bedingung für jedes vernünftige Wesen gilt, wenn die Vernunft bei ihm ohne Hindernisse praktisch wäre; für Wesen, die, wie wir, noch durch Sinnlichkeit, als Triebfedern anderer Art, affiziert werden, bei denen es nicht immer geschieht, was die Vernunft für sich allein tun || würde, heißt jene Notwendigkeit der Handlung nur ein Sollen, und die subjektive Notwendigkeit wird von der objektiven unterschieden.

Es scheint also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das moralische Gesetz, nämlich das Prinzip der Autonomie des Willens selbst, nur voraus, und könnten

seine Realität und objektive Notwendigkeit nicht für sich beweisen, und da hätten wir zwar noch immer etwas ganz Beträchtliches dadurch gewonnen, daß wir wenigstens das echte Prinzip genauer, als wohl sonst geschehen, bestimmt hätten, in Ansehung seiner Gültigkeit aber, und der praktischen Notwendigkeit, sich ihm zu unterwerfen, wären wir um nichts weiter gekommen; denn wir könnten dem, der uns fragte, warum denn die Allgemeingültigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes, die einschränkende Bedingung unserer Handlungen sein müsse, und worauf wir den Wert gründen, den wir dieser Art zu handeln beilegen, der so groß sein soll, daß es überall kein höheres Interesse geben kann, und wie es zugehe, daß der Mensch dadurch allein seinen persönlichen Wert zu fühlen glaubt, gegen den der, eines angenehmen oder unangenehmen Zustandes, für nichts zu halten sei, keine genugtuende Antwort geben.

Zwar finden wir wohl, daß wir an einer persönlichen Beschaffenheit ein Interesse nehmen können, die gar || kein Interesse des Zustandes bei sich führt, wenn jene uns nur fähig macht, des letzteren teilhaftig zu werden, im Falle die Vernunft die Austeilung desselben bewirken sollte, d. i. daß die bloße Würdigkeit, glücklich zu sein, auch ohne den Bewegungsgrund, dieser Glückseligkeit teilhaftig zu werden, für sich interessieren könne: aber dieses Urteil ist in der Tat nur die Wirkung von der schon vorausgesetzten Wichtigkeit moralischer Gesetze (wenn wir uns durch die Idee der Freiheit von allem empirischen Interesse trennen), aber, daß wir uns von diesem trennen, d. i. uns als frei im Handeln betrachten, und so uns dennoch für gewissen Gesetzen unterworfen halten sollen, um einen Wert bloß in unserer Person zu finden, der uns allen Verlust dessen, was unserem Zustande einen Wert verschafft, vergüten könne, und wie dieses möglich sei, mithin woher das moralische Gesetz verbinde, können wir auf solche Art noch nicht einsehen. Es zeigt sich hier, man muß es1 frei gestehen, eine Art von Zirkel, aus dem, wie es scheint, nicht heraus zu kommen ist. Wir nehmen uns in der Ordnung der wirkenden Ur1 Zusatz von B.

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