Obrázky na stránke
PDF
ePub

I

soll, daß einen solchen Glauben, der so vielen (selbst aufrichtig gemeinten) Streitigkeiten unterworfen ist, für die oberste Bedingung eines allgemeinen und allein seligmachenden Glaubens anzunehmen das Widersinnischste ist, was man denken kann. - Nun gibt es aber ein praktisches Erkenntnis, das, ob es gleich lediglich auf Vernunft beruht, und keiner Geschichtslehre bedarf, doch jedem, auch dem einfältigsten Menschen so nahe liegt, als ob es ihm buchstäblich ins Herz geschrieben wäre: ein Gesetz, was man nur nennen darf, um sich über sein Ansehen mit jedem sofort einzuverstehen, und welches in jedermanns Bewußtsein unbedingte Verbindlichkeit bei sich führt, nämlich das der Moralität; und was noch mehr ist, diese Erkenntnis führt entweder schon für sich allein auf den Glauben an Gott, oder bestimmt wenigstens allein seinen Begriff als den eines moralischen Gesetzgebers, mithin leitet es zu einem reinen Religionsglauben, der jedem Menschen nicht allein begreiflich, sondern auch im höchsten Grade ehrwürdig ist; ja er2 führt dahin so natürlich, daß, wenn man den Versuch machen will, man finden wird, daß er jedem Menschen, ohne ihm etwas davon gelehrt zu haben, ganz und gar abgefragt werden kann. Es ist also nicht allein klüglich gehandelt, von diesem anzufangen, und den Geschichtsglauben, der damit harmoniert, || auf ihn folgen zu lassen, sondern es ist auch Pflicht, ihn zur obersten Bedingung zu machen, unter der wir allein hoffen können, des Heils teilhaftig zu werden, was uns ein Geschichtsglaube immer verheißen mag, und zwar dergestalt, daß wir diesen nur nach der Auslegung, welche der reine Religionsglaube ihm gibt, für allgemein verbindlich können, oder dürfen, gelten lassen (weil dieser allgemein gültige Lehre enthält), indessen, daß der Moralischgläubige doch auch für den Geschichtsglauben offen ist, sofern er ihn zur Belebung seiner reinen Religionsgesinnung zuträglich findet, welcher Glaube auf diese Art allein einen reinen moralischen Wert hat, weil er frei und durch keine Bedrohung (wobei er nie aufrichtig sein kann) abgedrungen ist.

I Akad.-Ausg.: » dieses <<.

2 Akad.-Ausg.: »es«.

Sofern nun aber auch der Dienst Gottes in einer Kirche auf die reine moralische Verehrung desselben, nach den der Menschheit überhaupt vorgeschriebenen Gesetzen, vorzüglich gerichtet ist, so kann man doch noch fragen: ob in dieser immer nur Gottseligkeits- oder auch reine Tugendlehre, jede besonders, den Inhalt des Religionsvortrags ausmachen solle. Die erste Benennung, nämlich Gottseligkeitslehre, drückt vielleicht die Bedeutung des Worts religio (wie es jetziger Zeit verstanden wird) im objektiven Sinn am besten aus.

Gottseligkeit enthält zwei Bestimmungen der moralischen Gesinnung im Verhältnisse auf Gott; Furcht Gottes ist diese Gesinnung in Befolgung seiner Gebote aus schuldiger (Untertans-) Pflicht, d. i. aus Achtung fürs Gesetz; Liebe Gottes' aber, aus eigener freier Wahl, und aus Wohlgefallen am Gesetze (aus Kindespflicht). Beide enthalten also, noch über die Moralität, den Begriff von einem mit Eigenschaften, die das durch diese beabsichtigte, aber über unser Vermögen hinausgehende höchste Gut zu vollenden erforderlich sind, versehenen übersinnlichen Wesen, von dessen Natur der Begriff, wenn wir über das moralische Verhältnis der Idee desselben zu uns hinausgehen, immer in Gefahr steht, von uns anthropomorphistisch und dadurch oft unseren sittlichen Grundsätzen gerade zum Nachteil gedacht zu werden, von dem also die Idee in der spekulativen Vernunft für sich selbst nicht bestehen kann, sondern sogar ihren Ursprung, noch mehr aber ihre Kraft gänzlich auf der Beziehung zu unserer auf sich selbst beruhenden Pflichtbestimmung gründet. Was ist nun natürlicher in der ersten Jugendunterweisung und selbst in dem Kanzelvortrage: die Tugendlehre vor der Gottseligkeitslehre, oder diese vor jener (wohl gar ohne derselben zu erwähnen) vorzutragen? Beide stehen offenbar in notwendiger Verbindung mit einander. Dies ist aber nicht anders möglich, als, da sie nicht einerlei sind, eine müßte als Zweck, die andere bloß als Mittel gedacht und vorgetragen werden. Die Tugendlehre aber besteht durch sich selbst 1 Zusatz von B.

(selbst ohne den Begriff von Gott), die Gottseligkeitslehre enhält den Begriff von einem Gegenstande, den wir uns in Beziehung auf unsere Moralität, als ergänzende Ursache unseres Unvermögens in Ansehung des moralischen Endzwecks vorstellen. Die Gottseligkeitslehre kann also nicht für sich den Endzweck der sittlichen Bestrebung ausmachen, sondern nur zum Mittel dienen, das, was an sich einen besseren Menschen ausmacht, die Tugendgesinnung, zu stärken; dadurch, daß sie ihr (als einer Bestrebung zum Guten, selbst zur Heiligkeit) die Erwartung des Endzwecks, dazu jene unvermögend ist, verheißt und sichert. Der Tugendbegriff ist dagegen aus der Seele des Menschen genommen. Er hat ihn schon ganz, obzwar unentwickelt, in sich, und darf nicht, wie der Religionsbegriff, durch Schlüsse herausvernünftelt werden. In seiner Reinigkeit, in der Erweckung des Bewußtseins eines sonst von uns nie gemutmaßten Vermögens, über die größten Hindernisse in uns Meister werden zu können, in der Würde der Menschheit, die der Mensch an seiner eignen Person und ihrer Bestimmung verehren muß, nach der er strebt, um sie zu erreichen, liegt etwas so Seelenerhebendes, und zur Gottheit selbst, die nur durch ihre Heiligkeit und als Gesetzgeber für die Tugend anbetungswürdig ist, Hinleitendes, daß der Mensch, selbst wenn er noch weit davon entfernt ist, diesem Begriffe die Kraft des Einflusses auf seine Maximen zu geben, den||noch nicht ungern damit unterhalten wird, weil er sich selbst durch diese Idee schon in gewissem Grade veredelt fühlt, indessen daß der Begriff von einem, diese Pflicht zum Gebote für uns machenden Weltherrscher noch in großer Ferne von ihm liegt, und, wenn er davon anfinge, seinen Mut (der das Wesen der Tugend mit ausmacht) niederschlagen, die Gottseligkeit aber in schmeichelnde, knechtische Unterwerfung unter eine despotisch gebietende Macht zu verwandeln in Gefahr bringen würde. Dieser Mut, auf eigenen Füßen zu stehen, wird nun selbst durch die darauf folgende Versöhnungslehre gestärkt, indem sie, was nicht zu ändern ist, als abgetan vorstellt, und nun den Pfad zu einem neuen Lebenswandel für uns eröffnet, anstatt daß, wenn diese

Lehre den Anfang macht, die leere Bestrebung, das Geschehene ungeschehen zu machen (die Expiation), die Furcht wegen der Zueignung derselben, die Vorstellung unseres gänzlichen Unvermögens zum Guten und die Ängstlichkeit wegen des Rückfalls ins Böse dem Menschen den Mut benehmen,* und ihn in ei||nen ächzenden moralischpassiven

* Die verschiedenen Glaubensarten der Völker geben ihnen nach und nach auch wohl einen, im bürgerlichen Verhältnis äußerlich auszeichnenden, Charakter, der ihnen nachher, gleich als ob er Temperamentseigenschaft im ganzen wäre, beigelegt wird. So zog sich der Judaism, seiner ersten Einrichtung nach, da ein Volk sich, durch alle erdenkliche, zum Teil peinliche Observanzen, von allen an||dern Völkern absondern, und aller Vermischung mit ihnen vorbeugen sollte, den Vorwurf des Menschenhasses zu. Der Mohammedanism unterscheidet sich durch Stolz, weil er, statt der Wunder, an den Siegen und der Unterjochung vieler Völker die Bestätigung seines Glaubens findet, und seine Andachtsgebräuche alle von der mutigen Art sind.† Der hinduische1 Glaube gibt seinen Anhängern den Charakter der Kleinmütigkeit aus Ursachen, die denen des nächst vorhergehenden gerade entgegengesetzt sind. - Nun liegt es gewiß nicht an der innern Beschaffenheit des christlichen Glaubens, sondern an der Art, wie er an die Gemüter gebracht wird, wenn ihm an denen, die es am herzlichsten mit ihm meinen, aber vom menschlichen Verderben anhebend, und an aller Tugend verzweifelnd, ihr Religionsprinzip allein in der Frömmigkeit (worunter der Grundsatz des leidenden Verhaltens in Ansehung der durch eine Kraft von oben zu erwartenden Gottseligkeit verstanden wird) setzen, ein jenem ähnlicher Vorwurf gemacht werden kann; weil sie nie ein Zutrauen in sich selbst setzen, in beständiger Ängstlichkeit sich nach einem übernatürlichen Beistande umsehen, und selbst in dieser Selbstverachtung2 (die nicht Demut ist) ein Gunst erwerbendes Mittel zu besitzen vermeinen, wovon der äußere Ausdruck (im Pietismus oder der Frömmelei) eine knechtische 3 Gemütsart ankündigt.

† Diese merkwürdige Erscheinung (des Stolzes eines unwissenden, obgleich verständigen Volks auf seinen Glauben) kann auch von Einbildung des Stifters herrühren, als habe er den Begriff der Einheit Gottes und dessen übersinnlicher Natur allein in der Welt wiederum erneuert, der freilich eine Veredlung seines Volks durch Befreiung vom Bilderdienst und der Anarchie der Vielgötterei sein würde, wenn jener sich | dieses Verdienst mit Recht zuschreiben könnte. - Was das Charakteristische der dritten Klasse von Religionsgenossen betrifft, welcher übel verstandene Demut zum Grunde hat, so soll die Herabsetzung des Eigendünkels in der Schätzung seines moralischen Werts, durch die Vorhaltung der Heiligkeit IA: »heidnische«. 2 A: »l .: »Kleinmütigkeit«. 3 A: »Ausdruck (ein Pietismus) knechtische «. - 4 Akad.-Ausg.: » welche «.

Zustand, der nichts Großes und Gutes unternimmt, sondern alles vom Wünschen erwartet, versetzen muß. – Es kommt in dem, was die moralische Gesinnung betrifft, alles auf den obersten Begriff an, dem man seine Pflichten unterordnet. Wenn die Verehrung Gottes das erste ist, der man also die Tugend unterordnet, so ist dieser Gegenstand ein Idol, d. i. er wird als ein Wesen gedacht, dem wir nicht durch sittliches Wohlverhalten in der Welt, sondern durch Anbetung und Einschmeichelung zu gefallen hoffen dürften; die Religion aber ist alsdann Idololatrie. Gottseligkeit ist also nicht ein Surrogat der Tugend, um sie zu entbehren, sondern die Vollendung derselben, um mit der Hoffnung der endlichen Gelingung aller unserer guten Zwecke bekrönt werden zu können.

§ 4. VOM LEITFADEN DES GEWISSENS IN GLAUBENSSACHEN Es ist hier nicht die Frage: wie das Gewissen geleitet werden solle? (denn das will keinen Leiter; es ist genug, eines zu haben), sondern wie dieses selbst zum Leitfaden in den bedenklichsten moralischen Entschließungen dienen könne.

Das Gewissen ist ein Bewußtsein, das für sich selbst Pflicht ist. Wie ist es aber möglich, sich ein solches zu denken, da das Bewußtsein aller unserer Vorstellungen nur in logischer Absicht, mithin bloß bedingter Weise, wenn wir unsere Vorstellung klar machen wollen, notwendig zu sein scheint, mithin nicht unbedingt Pflicht sein kann? des Gesetzes nicht Verachtung seiner selbst, sondern vielmehr Entschlossenheit bewirken, dieser edlen Anlage in uns gemäß, uns der Angemessenheit zu jener immer mehr zu nähern: statt dessen Tugend, die eigentlich im Mute dazu besteht, als ein des Eigendünkels schon verdächtiger Name, ins Heidentum verwiesen und kriechende Gunstbewerbung dagegen angepriesen wird. - Andächtelei (bigotterie, devotio spuria) ist die Gewohnheit, statt Gott wohlgefälliger Handlungen (in Erfüllung aller Menschenpflichten), in der unmittelbaren Beschäftigung mit Gott durch Ehrfurchtsbezeigungen, die Übung der Frömmigkeit zu setzen; welche Übung alsdann zum Frondienst (opus operatum) gezählt werden muß, nur daß sie zu dem Aberglauben noch den schwärmerischen Wahn vermeinter übersinnlichen (himmlischer) Gefühle hinzu tut.1

I Zusatz von B.

« PredošláPokračovať »