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teuerste war, bereits eine tief einschneidende Wende im Ringkampfe gallischer Intelligenz. >> Mit hohen Geistesgaben ausgestattet,<< schreibt ihm sein Freund Sidonius, hast du dir das schöne Weib, das sich freilich nach dem Deuteronomium verhüllte, beigelegt; du hattest sie jung im Lager des Feindes erblickt, hattest sie in den Reihen der Gegner liebgewonnen und sie allem Kampfe der Streitenden zum Trotze mit dem siegenden Arme der Liebe geraubt, die Philosophie nämlich, welche, gewaltsam aus der Zahl der heiligen Künste herausgeholt, nachdem ihr das Haar überflüssiger Religion und die Braue weltlicher Weisheit abgeschoren ward, und die Falten ihres alten Gewandes, die das Unsittliche und Falsche verhüllenden dialektischen Wendungen, gestutzt worden sind, mit dir ihren Leib, durch mystische Umarmungen aufgeklärt, in Liebe vermählt hat. Dir folgte sie in deiner frühen Jugend auf dem Fusse nach; eine unzertrennliche Lebensgefährtin, mochtest du dich in den Ringschulen des feineren Lebens üben oder dich in weltabgeschiedener Zelle abmagern. Sie war deine Genossin im Athenäum, deine Genossin im Kloster; mit dir entsagt sie der Welt, mit dir predigt sie Himmelsweisheit 1.«

Die Morgenröte eines neuen Tages begann emporzuflammen; eine lange Nacht wich widerstrebend vor der sieghaften Lohe zurück, welche das Antlitz der Erde mit verjüngender Glut übergoss. Aber wenn auch die Schatten des Heidentums langsam, Schritt um Schritt, aus den Herzen schwanden, in den Köpfen klammerten sie sich um so verzweifelter fest. Der heidnische Geist tränkte fast die ganze Litteratur, denn deren Pfleger waren an der Brust der heidnischen Rhetorenschulen gelegen. Dass christliche Schriftsteller den Schwulst der Schule beibehielten, fällt weit minder ins Gewicht als die Erscheinung, dass man bei ihnen hundertmal auf den Heiden stösst. Es ist hier der angezeigte Ort, einer Thatsache näher ins Angesicht zu leuchten, welche unwiderleglich darthut, dass es dem Christentume im 4. und 5. Jahrhundert, trotz seiner höheren Kraft und göttlichen Abkunft, trotz der demutsvollen und eiferwilligen Aufopferung der Väter und obersten Bischöfe für die alterschwache Majestät der Caesaren, trotz seiner Geistesriesen und seiner Heiligen nicht gelang, die alte Gesellschaft zu verjüngen und umzubilden 2. Diese Gesellschaft musste absterben, erst ihr Nachwuchs reifte zu einer besseren Erkenntnis heran.

1 IX, 9.

2 Montalembert, Die Mönche des Abendlandes, übers. von Brandes (1880) I. S. 27.

Woran lag wohl die Ursache, dass diese alte Gesellschaft sterben musste, ohne vom Hauche des Christentums gebessert und umgewandelt worden zu sein? Aus welchem Boden zogen die Wurzeln dieser Gesellschaft Nahrung zum Widerstande gegen den Geist einer neuen Lehre? Die Antwort ergibt sich fast von selbst: aus dem Wesen der heidnischen Schule und der mit ihr wie Ursache und Wirkung verbundenen Litteratur.

Erörtern wir hier, um bei gallischen Verhältnissen zu bleiben, zunächst die Stellung eines Mannes zum Christentume, der wie Ausonius in die litterarische Entwicklung Galliens so bestimmend eingriff1. Die Frage, ob er Christ oder Heide gewesen, hat die forschenden Köpfe viel beschäftigt und in zwei scharf getrennte Parteien geschieden. Wie verhält sich nun hiezu der Inhalt seiner Schriften?

Es ist wahr, Ausonius bekennt sich zum christlichen Glauben 2, er betet zum allmächtigen Gotte, der ohne Anfang und Ende, den der Verstand nicht fassen, die Zunge nicht aussprechen kann, er fleht um Beistand gegen die Nachstellungen der Schlange, welche einst Adam und Eva verdarb, damit er, wenn die Fesseln des Körpers gelöst, zu der Höhe gelange, wohin Helias mit feurigem Viergespann und Enoch im Körper aufstiegen (solido cum corpore praevius Enoch 3), er betet zu Christus, den Erlöser, Herrn und Gott, den Geist, Ruhm und das Wort, den wahren Sohn, das Licht vom Lichte, erzeugt vom ewigen Vater und herrschend in Ewigkeit, er besingt die Dreifaltigkeit, freilich, indem er sie mit dem. mystischen Gesetze der Dreizahl in Zusammenhang bringt, welches er an der Dreizahl der Göttinnen: Vesta, Ceres und Juno, wie an dem Dreigesetze alles Seienden: Gott, Welt, die gegebene Form (data forma) und an vielen anderen in der Dreiheit sich darbietenden mystischen Erscheinungen darstellt. Aber derselbe Ausonius, der in seinem wunderlichen, dem Symmachus gewidmeten Gedichte Gryphon, worin er alle mythologischen Triaden aufzählt, ganz am Ende noch, gewissermassen um sein Vergessen wett zu machen, sich in aller Eile der Trinität erinnert, widmet ihr nicht einen Vers oder einen halben, sondern gerade drei Worte: »Trink dreimal! Die Zahl drei ist alles, drei ist ein Gott 5.«

1 Bernays, Die Chronik des Sulpic. Severus S. 3.

2 Auson. Epist. XXIII. ad. Paulin.

3 Aus. Ephemeris (oratio).

4 Aus. Gryph. XI.

»Das

5 Ter bibe. Tres numerus super omnia, tres Deus unus (V. 88).

ist nicht der lebendige Christenglaube, sondern der Spott eines betrunkenen Rhetors, der inmitten des Weindunstes und des Übermutes seiner poetischen Laune sich lachend auf sein conventionelles Christentum besinnt und dem vornehmen Meister der Rede, Symmachus, da er ihm nicht durch poetischen Wert gefallen kann und seinem Heidentume, wenigstens mit einem höhnischen Seitenhiebe auf das christliche Dogma Freude zu bereiten sucht1.«< Ja, derselbe Ausonius, der zum allmächtigen Gott betet: >>Nichts Schändliches will ich, nicht sei ich die Ursache der Scham2, << schlägt jeder Sittlichkeit lachend ins Antlitz mit seinem unzüchtigen >>Cento nuptialis,<< den er selbst ein »frivoles Werkchen« nennt, das er mit den Worten zu entschuldigen sucht: >>Lasciv ist unsere Schrift, doch rein das Leben 3«; der noch soeben sein Gebet mit >> Amen<< geschlossen, beginnt gleich das nächste Gedicht seines Cyclus mit den Worten: »Jetzt haben wir genug zu Gott gebetet.<< (Satis precum datum Deo). Was endlich ist bezeichnender für das Scheinchristentum des Ausonius als sein vor Gratian i. J. 379 zu Trier gehaltener Panegyrikus? Dieser Kaiser führte damals noch den heidnischen Titel eines Pontifex maximus und mit diesem redete ihn der Burdigalenser Rhetor auch an, was ein wirklich christlicher Redner niemals gethan hätte. Wenn Ausonius Christ war, dann muss man sein Christentum eben nach dem Wortlaute des Codex Theodosianus abschätzen, welcher das Heidentum bei Todesstrafe verbietet 4. Ausonius war also nur ein Pseudochrist, ein Christ aus Berechnung, im Interesse seines Ehrgeizes und seiner Eitelkeit. Grammatiker, Dichter und Rhetor von Beruf war er Heide wie alle damaligen Schulmeister. Wenn er am Ende seiner Lobrede zum Gotte der Christen ruft, so geschieht das nur, um ihm zu danken, wie er Jupiter gedankt hätte, wäre er Gratians Gott gewesen, und um sich bei seinem einzig wahren Gotte, dem Kaiser, der ihn liebte, verehrte und bewunderte, in Gnaden zu erhalten. Weder St. Ambrosius, noch St. Augustin oder Hierony

1 Corpet, II. p. 394. 305.

2 Ephem. Orat. 60–61. Níl turpe velim. Nec causa pudoris sim mihi.

3 Edyll. XIII. Bekannt ist das Urteil des alten Scaliger, der >>Cento<< und einige schlüpfrige Epigramme des Ausonius seien weder der Feder eines Dichters, noch auch der Leser würdig, sondern des Verbrennens wert.

4 Cod. Theod. XVI, 10, 49.

»

mus kennen den Christen Ausonius und doch ist es nicht anzu nehmen, dass sie einen Glaubensgenossen von solchem Ruhme und solcher gesellschaftlichen Stellung unbeachtet gelassen, »denn diese Häupter der heiligen Miliz zählten all ihre Soldaten und haben weniger berühmte und bedeutende, als er war, beachtet 1.« >> Dem Ausonius ist das Christentum ein Bedürfnis geworden, es dient ihm als Firnis, um den nicht mehr ganz hoffähigen Heiden zuzudecken, der aber in unbewachten Augenblicken dennoch durchbricht. Ihm ist die Religion ein Wissen, ein Fürwahrhalten, nicht ein Leben; sein Hoffen und Harren, sein Wünschen und Fürchten bleiben davon unberührt. Gott ist ihm die eine grosse Kraft, von der alles kommt, die alles regiert, zu der alles zurückkehrt; aber das ist sie den gebildeten Heiden jener Tage auch, denen aus dem Bankerott des alten Glaubens und der philosophischen Systeme nichts geblieben war, als dies leere Wort. Von der vertrauenden Liebe der wahren Christen, die in Gott den liebenden Vater sieht, weiss Ausonius nichts, sein Gebet ist nur eine Formalität, gleichsam eine Steuer, die bezahlt werden muss2.<<

Ausonius war der gefeiertste Schulmann und Pädagoge seiner Zeit; er war Diktator der Litteratur, seine Schüler zählten nach Tausenden und sein Einfluss als Mann der Wissenschaften reichte durch das ganze gebildete Gallien, ja über dessen Marken hinaus. Musste ein solcher Mann nicht wie eine Säule des Heidentums betrachtet werden, musste er nicht zur Kräftigung und Verherrlichung desselben in und ausser der Schule wirken? Gewiss. Und im gleichen Sinne arbeiteten seine Kollegen, arbeiteten seine Schüler, denen das Wort eines solchen Meisters heilig war, wirkte endlich die ganze rhetorische Bildung, auf welche die heidnische Cultur Galliens im 3. und 4. Jahrhundert 3 und fügen wir hinzu auch die des 5. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Ohne die dem Paganismus geheim und öffentlich huldigenden Sophisten und Rhetoren, die noch durch die heidnischen Priester verstärkt wurden, hätte er keinen solchen Halt finden können. Wenn daher Kaiser Valens gerade die Angehörigen der genannten Berufsklassen heftig und als Hochverräter verfolgte 4, so wusste er, der Arianer, wo er den Baum unheilbar treffen konnte.

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1 Corpet, 1. c. II. p. 452.

2 Kaufmann. Rhetorenschulen S. 10. 11.

3 Ampère, Hist. litt. de la France avant le XIIe sièlce I. p. 192. 4 Alzog-Kraus, Kirchengesch. I. S. 312.

Die Rhetorenschulen mit ihrem ausgesprochen heidnischen Charakter hielten die Ausbreitung des Christentums auf, wenn sie es auch nicht unterdrücken konnten. Alles spricht für diese Behauptung die Litteratur, zum grossen Teil das Erzeugnis der fast durchwegs schriftstellernden Rhetoren, die Gegenstände, welche man in den Schulen behandelte und wobei die mythologischen in den Vorträgen der Rhetoren, welche entweder frei oder nach geschriebenen Heften docierten, einen breiten Raum einnahmen 1, und endlich die Thatsache, dass während des 4., 5. und auch 6. Jahrhunderts die heidnischen Klassiker den Knaben gleich mit dem Beginne ihrer wissenschaftlichen Erziehung, mit dem Beginne ihrer eigentlichen Studien in die Hand gegeben wurden 2. Diese Studien aber waren genau jenen ähnlich, von denen Seneca einmal sagt, es sei an ihnen nichts Gutes, denn sie brächten der Tugend keinen Nutzen 3. Der Unterricht gestaltete sich zudem zu einer Art Kleinigkeitskrämerei, man vergeudete die geistige Kraft an Untersuchungen, welche die Mühen der Anstrengungen nicht lohnten. Die ganze Didaktik sass fest auf der Sandbank der Schablone, und wenige Lehrer mögen es gewesen sein, die sich anstrengten, das Fahrzeug flott zu machen, um ihm eine neue, bessere Richtung zu geben. Die Schüler wurden, wie im 1. Jahrhunderte, so auch im 5. noch damit gequält, Silben abzumessen, Regeln auswendig zu lernen, an Sprachpartikeln herumzunörgeln und ihr Gehirn mit Fragen zu foltern wie: ob Anacreon mehr dem Bacchus oder der Venus gehuldigt habe. Ein Barbarismus oder Soloecismus konnte die heidnischen Schulpedanten in Wut versetzen, ein Construktionsschnitzer, ein Verstoss gegen die Lautlehre, ein omo statt ein homo zu sprechen war ihnen ein Gräuel, aber die Sünden und Laster in tadelloser, schöner Form und rednerischer Kraft zu schildern, der Gipfelpunkt ihres Strebens und der Gegenstand ihrer Lobeserhebung 5. Wer darf sich wundern, wenn es selbst den edelsten Geistern schwer wurde, den Schmutz von sich zu streifen, der sich ihnen in der Schule des heidnischen Grammatikers und Rhetors an die Füsse klebte? Magnus Felix Ennodius, geboren 473 wahrscheinlich zu Arles, gestorben als Bischof von Pavia 521, schrieb, nachdem ihn seine durch und

1 Ampère, 1. c. p. 192.

2 C. Daniel, Classische Studien in der christl. Gesellsch. Aus d. Französ. Freiburg 1855. S. 54.

3 Seneca, ep. 88. S. oben S. 60.
5 Aug. Confess. I. c. 16-18.

4 Ampère, 1. c.

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