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nach Britannien und Irland, Germanien, Skandinavien und Island, dieser an die Küste Afrikas, über den Äquator hinausdringend; und ob auch Strabo gegen letzteren den Vorwurf der Lüge erhebt, so sind doch die Angaben desselben ein zuverlässiger Probestein für die Genauigkeit seiner Beobachtungen. Von anderen gelehrten Massilioten seien hier angeführt: Krinas und Karmides als Mediziner, Charmoleus, Zenotus und Menecrates als Gesetzkundige, Tolon, Gyateus, Sydanus und Eratosthenes, die wegen ihrer mathematischen Kenntnisse geschätzt wurden.

Massalia sicherte sich seinen Rang als Bildungsherd auch dann noch, als es durch römische Macht aus seiner Selbständigkeit verdrängt und von Caesar, gegen den es zur Zeit seines Ringens mit Pompejus gekämpft, zu einer Provinzialstadt der weltbeherrschenden Roma herabgedrückt worden war. Ihre Bedeutung als Vermittlerin geistiger Cultur wurde deswegen nicht beeinträchtigt, sie konnte sich vielmehr unter dem Schutze der Herrin um so eifriger der Pflege der Wissenschaften hingeben und das ganze Land mit Unterrichtskräften höherer und niedrer Ordnung ausstatten. Und noch lange fuhr Massilia fort, als Bildungsstätte in die Ferne zu wirken. Zu jener Zeit, in welcher, wie Tatian in seiner Rede an die Griechen klagt, die hellenische Sprache durch Herübernahme vieler barbarischen Ausdrücke ihres edlen, vornehmen Charakters entkleidet und zu einem wahren Mischmasch verunstaltet wurde und infolge des Zusammenflusses vieler Jünglinge aus Thrakien, dem Pontus und anderen Ländern ein solcher Verfall der griechischen Sprache einriss, dass die Schüler in Athen die Aussprache ihrer Lehrer verdarben, ja desswegen manchem gebildeten Griechen ein baldiges Aussterben des heimathlichen Idioms bevorzustehen schien1, zu jener Zeit erklangen die hellenischen Laute sogar reiner in Massilia als in der Eulenstadt, eine Erscheinung, welche viele junge Griechen nach dem gallischen Süden zog.

Überhaupt vermochte sich in Gallien die griechische Sprache, namentlich seit griechische Lehrer dahin das Christentum getragen, noch bis ins 6. Jahrhundert vorzugsweise im gallischen Teile der alten Narbonensis, ebenso auch im Lyonergebiete zu erhalten, und dies nicht nur unter den Gebildeten, sondern ebenso sehr im Volke selbst bei den Frauen. In letzterer Hinsicht sei hier nur an die in griechischer Sprache geschriebenen und insbesondere an weibliche Leser gerichteten Briefe des heil. Irenäus erinnert; auch die Martyrerakten

1 Gräfenhan, Gesch. der kl. Philologie, III. Bd S. 20. 21.

der Kirche von Lyon sind griechisch geschrieben. Der hl. Pothinus, ein Schüler Polykarps und gemartert zu Lyon (177 n. Chr.) predigte griechisch. Mit welcher Zähigkeit sich das griechische Idiom in Südgallien festhielt, beweist die Thatsache, dass im 3. Jahrhunderte Testamente sowohl in lateinischer wie in griechischer Sprache abgefasst werden konnten 2; dass der Vater des Schulmannes und Dichters Ausonius, einer der berühmtesten aquitanischen Ärzte seiner Zeit und von seinen Mitbürgern den sieben Weisen Griechenlands gleichgestellt, der lateinischen Sprache nicht, wohl aber der griechischen mächtig war 3; dass endlich im 5. Jahrhunderte ein Teil der Einwohner von Arles griechisch sprach, als St. Caesarius sein bischöfliches Amt unter ihnen antrat1. Man findet es daher erklärlich, wenn im frühen Mittelalter in Massilia noch griechische Werke abgeschrieben wurden 5.

Es ist fast überflüssig zu bemerken, dass die griechische Sprache unter den bewegenden, vielfachen Einwirkungen der Jahrhunderte zuletzt auch in Massilia wie in den übrigen Teilen Südgalliens von ihrer früheren Reinheit beträchtlich abfallen musste und zwar um so mehr als selbst die ehernen Laute der lateinischen Zunge dem Roste nicht widerstehen konnten, der sich in ihr Gewebe hineinfrass und sie im mähligen Fortgange der Zeit zu ganz anderen Organismen umschuf.

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1 Epist. I, 13, 7. Hist. litt. t. I, 1, p. 59. 137. 228. Der Einfluss, welcher vom sprachlichen Leben Massilias ausstrahlte, gibt sich noch heute im Wortschatze der französischen Sprache kund. So kommt chef von κεφαλή (nicht von caput), prêtre von πρεσβύτερος, bourse von βύρσα, zèle von ¿ños, lauter griechischen Wörtern her. Vgl. Ideler, Gesch. der altfranzösisch. Nationallitteratur. Berl. 1842. S. 18. 19.

2 Fideicommissa quocunque sermone relinqui possunt, non solum latina vel graeca sed etiam punica vel gallicana vel alteriusque cujusque gentis. Ulpian lib. II. Fideicommiss. Dig. 1. XXXII, 11.

3 Ausonii, Idyll. II:

Sermone improptu Latino verum Attica lingua
Suffecit culti vocibus eloquii.

4 Mabill. Acta SS. Bened. I, n. 11, p. 662.

5 Budinszky, Ausbreitung der lateinisch. Sprache, S. 104.

Zweites Kapitel.

Römisches Bildungswesen in der Kaiserzeit im

allgemeinen.

Von allen Ländern, welche sich vor der Macht Roms beugen mussten, hat sich keines rascher, verhältnismässig leichter und tiefer in römisches Wesen versenkt als Gallien, nirgends traf der lateinische Geist auf eine durch die Natur mehr unterstützte Verwandtschaft als bei den gallischen Kelten und kein Volk wurde in Sitte und Sprache so römisch wie eben dieses. Die Eigenart namentlich der reich beanlagten südgallischen Stämme kam den uniformierenden Bestrebungen Roms mehr als zur Hälfte entgegen. So wurde das meridionale Gallien schnell in den Bildungskreis gezogen, welcher von der Tiberstadt ausging, und diese, man möchte sagen, unbedingte Hingabe des Barbarenlandes an römische Civilisation hatte zur Folge, dass der Lateiner sich beim Betreten südgallischen Bodens wie auf heimatliche Erde versetzt wähnte1. Anderseits riss dieser vorwärts drängende Eifer, welcher bewirkte, dass bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. eine Garnison von nur 1200 Mann zur Aufrechthaltung der Ruhe im ganzen gallischen Lande genügte 2, das gallische Element sogar über die Grenze des von den Umständen wirklich Zulässigen hinaus. Im ungestümen Verlangen nach römischen Bildungsformen griff man unterschiedlos nach allem, was der Römer brachte, mochte es nun aus dessen Ursprünglichkeit hervorgegangen sein oder nur, wie gewisse exotische Cultusübungen, erst römischen Anstrich und römische Gestalt gewonnen haben; so erklärt sich, dass man bei der gallischen Landbevölkerung noch im 4. Jahrhunderte auf Spuren ägyptischen Cultuslebens stösst3. Caesar hatte in den Jahren 58-51 v. Chr. Gallien von den Ufern des Rheins bis zum Weltmeer dem Riesenleibe der römischen

1 Plin. Hist. nat. lib. III, 4.
2 Budinzsky, a. a. O. S. 102.

Strabo, IV, 1, 12.

3 Ampère, L'empire Romain et Rome, II, p. 309.

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Weltherrschaft eingefügt; doch war es ihm vom Schicksal nicht mehr verstattet, den Ausbau seines Werkes zu vollenden und das eroberte Land mit dem ihm in der Provinzialverwaltung gebührenden Range zu bekleiden. Letzteres zu bewerkstelligen fiel als politisches Erbe dem gewandten Augustus zu, für welchen der Standpunkt in dieser Arbeit durch das politisch vollkommen richtige Bewusstsein vorgezeichnet war, dass der Schwerpunkt des Reiches nur im Westen liegen könne und zwar in den Ländern, auf die der Hellenismus noch keinen Halt gewonnen und welche daher dem römischen Wesen um so nachhaltiger erworben werden konnten 1. Und Augustus traf das Richtige. Der Westen des Reiches erwies sich viel gelehriger als der Osten; jener wurde von derselben Hand, die ihn bezwungen, auch gebildet. Die Sprache Virgils und Ciceros wurde, wenn auch mit unvermeidlicher Verderbtheit, so allgemein in Gallien, Britannien, Spanien, Pannonien und Afrika angenommen, dass sich die schwachen Reste des keltisch-punischen Elements nur in den Hochländern und unter dem Landvolk noch erhielten. Erziehung und Schulbildung impften den Eingebornen die Anschauungen der Römer ein und Italien gab seinen lateinischen Provinzen ebenso gut Sitten wie Gesetze 2.

Seit 27 v. Chr. zerfiel das transalpinische Gallien in vier Teile :

1) Gallia Narbonensis von Tolosa bis Vienna, Geneva und die Rhonequellen einschliessend, 2) Aquitania vom Liger (Loire) bis zu den Pyrenäen, 3) Lugdunensis (Lyoner Gebiet) zwischen dem Liger und der Sequana (Seine), 4) Gallia Belgica vom Rhein und dem lugdunensischen Gebiet begrenzt. In ethnographischer Hinsicht gehörte das Gebiet zwischen Seine und Rhein den Belgern, das Land zwischen den Pyrenäen, dem Ozean und den Sevennen den iberischen Aquitanern und jenes zwischen Garonna, der narbonesischen Provinz und dem Oberrhein etwa bis nach Mühlhausen dem Keltenvolke 3. Die berühmtesten der Aquitaner waren die Ausker, die der Kelten die Aeduer, die der Belger die Trevirer 4. Ursprünglich zählte Gallien an 300-400 Völkerschaften, aber

105.

1 Herm. Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit, 1. Bd. 1. Teil, S. 205. 2 Gibbon, Decline and fall of the Roman empire. II, p. 49. 3 Strabo, IV, 1. 1; IV, 2, 1; IV, 3, 1.

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Plinius, Nat. hist. IV,

Augustus verschmolz sie im Jahre 9 in 64 Gaue1, so das 14 keltische Stämme aufhörten unter eigenem Namen fortzubestehen?.

Augustus besass nicht nur selbst hervorragendes politisches Geschick, ihm eignete auch die glückliche Gabe, die tüchtigsten Männer ausfindig zu machen, wie sie von den Umständen begehrt wurden. Für Gallien wurde Agrippina mit seiner verwaltenden Thätigkeit zum grossen Segen. Er legte ein vortreffliches Strassennetz an, das von Lugdunum (Lyon) aus, als dem Knotenpunkte, sich nach den vier Weltgegenden über das ganze Land erstreckte. Lugdunum selbst trat besonders dadurch in Vordergrund, dass es sich zum religiös - politischen Centralpunkte Galliens gestaltete und den Gedanken eines gemeinsamen, gallischen Vaterlandes schuf, den Partikularismus der Sondergaue zurückdrängend3. Rom, Meisterin in der Kunst die Völker zu unterjochen, war unerschöpflich in der Auffindung diesbezüglicher Mittel. Ein neuer, in Rom ausgeheckter Cultus, die Kaiservergötterung, wurde von Lugdunum aus, dem Sitze des Oberpriesters in Gallien, den nicht widerstrebenden Galliern zugeschoben, um den noch vorhandenen traditionellen Einfluss des alten druidischen Gottesdienstes lahm zu legen und zu beseitigen; der Gedanke einer Reichsreligion, welcher so vorzüglich in den Rahmen des Centralismus der römischen Republik passte, rang sich auf den von Drusus gestellten Antrag zur monumentalen Gestaltung durch, indem an sechzig gallische Völkerschaften dem Kaiser Augustus auf gemeinsame Kosten ein prachtvolles Denkmal nebst geweihtem Altar zu Lugdunum errichteten, und wenn alljährlich am 1. August die Abgeordneten von Gallia comata zur Beratung der provinziellen Angelegenheiten nach Lugdunum kamen, so brachten sie hier in dem neuen Tempel, in welchem fortan die »augustalische Vorsehung als Gottheit verehrt wurde, in Gegenwart einer grossen Menschenmenge ihre Opfer dar 4.

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Aber es gab auch noch andere Mittel, womit Rom den gallischen Geist nationaler Selbständigkeit zu betäuben verstand. Die durch ihre Knappheit wie diplomatische Meisterschaft gleich ausgezeichnete Darstellung, welche Tacitus von der Romanisierung Britanniens entwirft, gilt im nämlichen Umfange von Gallien.

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1 Desjardins, La Gaule romaine II, p. 357. 501. Notitia provinc. et civitat. Galliae in Rhein. Museum Bd. XXIII (S. 262-302). 2 Strabo, IV, 1, 1; IV, 3—4.

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Pomp. Mela, III, c. 2.

3 Duruy-Hertzberg, Gesch. des röm. Kaiserreichs, Bd 1, S. 162.

4 Ibid. I, p. 140. 156.

5 Tacit. Agricol. 21.

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