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lieben. Der jüngere muss sich vor dem älteren verneigen, wo immer er ihm begegnet und, wenn er sitzt, vor dem älteren, der vorübergeht, sich erheben, ihm seinen Sitz abtreten, wie er sich auch ohne Erlaubnis des älteren nicht setzen darf. In einem gemeinsamen Schlafraume beaufsichtigen die älteren die kleinen Knaben. Keine Frauensperson, kein Laie darf das Kloster betreten, letzterer nur in dringenden Fällen und mit Erlaubnis des Oberdiakons oder des Primicerius. Die Erziehung zur Reinlichkeit erhält ein eigenes Kapitel. Täglich muss Handarbeit verrichtet werden, namentlich wird das Bücherabschreiben angeordnet. Das bei der Arbeit zu beobachtende Schweigen darf nur gebrochen werden, wenn sich die Rede auf jene bezieht. Schläge, Fasten, letzteres so lange, bis der Fehlende Reue zeigt, sind die Zucht- und Strafmittel. Aber stets muss der Grundsatz gelten: Man soll Fehler hassen und den Fehlenden lieben. Die Strafe muss dem Alter, der Schuld und der Person angemessen sein, immer aber sei sie massvoll.

Das wichtigste Kapitel ist jenes, welches sich mit der Erziehung und Bewachung der Knaben beschäftigt. Darin betont Chrodegang, die Leiter der Kirche müssen wachen, dass die ihrer Genossenschaft anvertraute Jugend durch die kirchliche Zucht im Zaume gehalten werde, damit ihr zu Fehltritten so leicht geneigtes Alter keine Gelegenheit finde zu sündigen. Desshalb müsse ein zuverlässiges Mitglied mit der Überwachung der Übrigen betraut werden und sie sehr strenge halten, damit sie, mit kirchlicher Wissenschaft und geistigen Waffen ausgerüstet, geziemend auftreten und einst zu den kirchlichen Würden befördert werden können. Hierauf nimmt Chrodegang Bezug auf den 24. Kanon des vierten Konzils von Toledo, abgehalten i. J. 633 unter Isidor von Sevilla's Vorsitz, eines der wichtigsten Monumente der alten Kirchendisciplin1. In jenem Kanon war der Ansicht Raum gegeben, dass jegliches Alter von Jugend an sich zum Schlechten neige, wesshalb es nötig sei, dass die Knaben und Jünglinge an einem gemeinsamen Orte vereinigt und einem ganz verlässigen Senior überantwortet werden, der ihnen sowohl als Lehrer wie auch als Zeuge ihres Lebenswandels diene. Der Bruder aber, der diese ihm übertragene Pflicht nicht wahrnimmt und etwas Anderes, als recht ist, lehrt, soll unter strengster Strafe

1 Vicente de la Fuente, Hist. de las Universidades, Colegios y demas establecimientos de Enseñanza en España. Madrid 1884. Tom. I, p. 28.

Denk, Gallo-Fränkisches Unterrichts- u. Bildungswesen.

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seines Amtes entsetzt, dieses aber einem Würdigeren übertragen werden 1.

Chrodegang fordert von dem Lehrer ferner, dass Lehre und Beispiel Hand in Hand gehen. Der Lehrer muss sowohl durch sein Wort wie durch sein Leben leuchten, denn eine Lehre ohne Leben macht anmassend, ein Leben ohne Lehre unnütz. Jene ist die wahre Lehre, welche das Leben begleitet, denn nichts ist schändlicher, als wenn Einer das Gute, das er verkündet, nicht selbst übt.

Wie nicht für alle Krankheiten die gleiche Arznei taugt, so muss auch der Lehrer seinen Unterricht nach dem Fassungsvermögen des einzelnen Alters, Geschlechts und Standes anpassen. Der Vortrag des Lehrenden muss sich stets nach der Beschaffenheit des Hörenden richten.

Namentliches Gewicht legte Chrodegang in seinen Satzungen auf die Pflege des Gesangs. Er ermahnt die Sänger, die ihnen verliehene Gabe nicht durch Laster zu beflecken, sondern sich vielmehr durch Demut, Nüchternheit und Keuschheit, sowie durch alle übrigen Tugenden auszuzeichnen. Die Melodieen der Sänger sollen das Volk zur Liebe himmlischer Dinge erheben sowohl durch die Anmut der Worte, als der Töne. Der Sänger aber muss, wie es von den heiligen Vätern überliefert worden ist, durch Stimme und Kunst hervorragen und auch die Buchstabenlaute gut und zierlich aussprechen. Letztere Mahnung dürften sich auch heute noch die meisten Kirchensänger merken, ebenso wie schlechte Sänger folgende Mahnung Chrodegangs beherzigen mögen: Die aber in der Kunst des Gesanges weniger erfahren sind, sollen, bis sie besser unterrichtet sind, schweigen, anstatt durch Singen, wenn sie es nicht können, die Stimmen Anderer misstönig zu machen.

Für die Geistlichen erhebt Chrodegang die religiöse Belehrung des Volkes zur ganz besonderen Pflicht. Eindringlich ermahnt er sie, demselben das Wort Gottes fleissig zu verkünden. Die Priester sollen eifrig die heilige Schrift studieren, sie sollen die zur Ausübung ihres Berufes erforderlichen Bücher besitzen; wer sie nicht hat, soll seines Amtes entsetzt werden, denn die Schrift sagt: Stumme Hunde können nicht bellen.

Chrodegangs äusserst zeitgemässes Institut verbreitete sich rasch in Frankreich, Deutschland und Italien, selbst nach England kam es. Und nicht bloss bei den Kathedralkirchen, sondern auch bei

1 Hartzheim, Concil. Germ. I, p. 110.

den grösseren Pfarrkirchen wurde es eingeführt, so dass es zu Ende des 8. Jahrhunderts schon ziemlich allgemein war1. Im Jahre 816 bekam der Diakon Amalarius von Metz, ein Schüler Alçuins, auf der Aachener Synode von Kaiser Ludwig den Auftrag, die Regel Chrodegangs zu erweitern und entsprechend umzugestalten. In dieser Form, welche grösstenteils auf den Werken des Hieronymus, Augustinus, Gregors, Isidors, Leo's I. und auf den afrikanischen Konzilien fusst2, erhielt sie die kirchliche und staatliche Bestätigung und wurde ihre Einführung allen Bischöfen anbefohlen. Aber schon um die Mitte des 10. Jahrhunderts zerfiel an sehr vielen Orten das kanonische Leben wieder, weil viele Stiftsmitglieder nicht auf persönlichen Güterbesitz verzichteten. Ohne freiwillige Armut aber war an keine Zucht zu denken.

In pädagogischer Hinsicht beruht Chrodegangs Verdienst vorzugsweise darin, eine bestimmt umschriebene Einheit und Gleichmässigkeit in das Wirken der Kathedral- und Klosterschulen gebracht zu haben. Freilich schwebte ihm bei Errichtung seiner Anstalt zuvörderst die Heranbildung junger Geistlichen vor Augen. Dennoch aber hat er wesentlich dazu beigetragen, Wissenschaft und Unterricht dem Leben näher gebracht und namentlich die grossen Städte, wo die nach seiner Regel geleiteten Schulen sich befanden, zum Mittelpunkte des christlichen Lebens wie des Christentums überhaupt gemacht zu haben. Da diese Schulen auch in den Anfangsgründen des Wissens unterrichteten, so kann ihnen der Charakter von Volksschulen nicht abgesprochen werden 3.

Auch sonst hat Chrodegang den erstarrten Puls wissenschaftlichen Lebens erwärmt. Er übte auf die Ausgestaltung der zeitgenössischen Annalistik einen unverkennbaren Einfluss. Seine Metzer Singschule gab auch hierin Anregung 4. Überhaupt darf die von dieser Schule ausstrahlende Wirkung nicht unterschätzt werden, denn sie war es, welche die Hauptkirchen des Reiches mit gebildeten Sängern und Gesanglehrern versah. Wurden doch sogar gewisse kirchliche Melodieen metensis major, metensis minor benannt, und in Deutschland leitete man das Wort >> Mette<, der nächtliche Chorgesang, von Metz ab5.

1 Ritter, Kirchengeschichte I, S. 436.

2 Binterim,Denkwürdigkeiten der christlich. kathol. Kirche, 3. Bd. S. 33. 3 Cramer, a. a. O. S. 31.

4 Wattenbach, a. a. O. I, S. 157. 161. Vgl. Launoi 1. c. p. 47 c. X. 5 Specht, S. 141.

So stiftete Chrodegangs Werk nach verschiedenen Richtungen hin Nutzen. Sicherlich hat dieser rührige Kirchenfürst den gänzlichen Ruin des Geisteslebens so lange aufgehalten, bis eine mächtigere Hand ihn von dem schweren Posten ablöste. Wenn daher ein Zeitgenosse Karls des Grossen behauptet, dass es vor Karl in Gallien kein Studium der freien Künste mehr gegeben habe1, so ist dies tendenziös übertrieben und auch nur bedingungsweise zu verstehen. Allerdings musste das wunderbare Aufblühen der Wissenschaften unter Karl zu einem Vergleiche mit den früheren Zeiten herausfordern, der sich dann auf dem hellen Grunde der neuen, günstigeren Verhältnisse um so schärfer abhob.

Sei dem wie es wolle, ein grosser Morgen brach im Frankenreiche, brach in Europa an. Der Mann mit der Riesenseele, dessen gigantisches Denken und Streben zwei Welten, die antike und die christliche, mit einander zu versöhnen trachtete und auch versöhnte, der nicht nur die politische, sondern auch die geistige Physiognomie des Abendlandes umgestaltete, dieser Mann, »der Leuchtturm Europas<<, war erschienen. Karl der Grosse trat vor seine Zeit hin, neues Leben in die alte Form zaubernd. Er hat Alles das, was die Kirche vom 5. bis zum 8. Jahrhundert unter den Stürmen der Zeit mit Anstrengung gerettet hat, in Sicherheit gebracht und vor dem Untergange geborgen, wie ein Lotse das mit kostbarer Ladung befrachtete Fahrzeug in den schützenden Hafen führend.

1 Pertz, Monum. Germ. SS. I, p. 171.

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Berichtigungen und Nachträge.

S. 23, Zeile 18 v. ob. ist zu lesen viscum statt viscus.

S. 29, Note 3, Zeile 2 v. ob. sommes statt somnes.

S. 38, Zeile 6 v. ob. ist zu den Medizinern der in der folgenden Zeile genannte Menecrates zu rechnen; auch der Massiolite Demosthenes gehört zu ihnen. Sie alle lebten während der Kaiserzeit in Rom.

S. 54 zu Zeile 10 v. ob. Die Tabula Iliaca wurde im Jahre 1683 in den Ruinen des alten Bovillä (heute Marino am Albanersee) entdeckt, wo Kaiser Tiberius der gens Julia ein Heiligtum errichtet hatte. Die Tafel war in Relief aus sogenanntem Palombino, einer weichen, weissen Marmorart, gearbeitet und stammte aus der Zeit des Augustus. Sie wird jetzt, leider nicht mehr vollständig erhalten, in Rom im capitolinischen Museum aufbewahrt. Man hat später noch viele solcher Tafeln entdeckt, die alle dem gleichen Zwecke bestimmt waren, in den Schulen als Anschauungsmittel beim Unterrichte verwendet zu werden. Dieser Anschauungsunterricht hat sich zuerst in den griechisch-alexandrinischen Schulen entwickelt, aus denen er in die römischen überging. Es ist also ganz falsch, wenn die neuere Pädagogik das didaktische Prinzip der sinnlichen Anschauung erst mit Comenius († 1670) und seinem 1657 erschienenen »Orbis pictus« beginnen will. Vgl. hierüber meinen Aufsatz »Amos Comenius u. Luis Vives<< in der Donauwörther Kathol. Schulzeitung No. 15 und 16, 1892, sowie die tüchtige Arbeit Joh. Müller's: Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachlichen Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts (IV. Band der »Gesch. der Methodik« von Kehr, S. 338).

S. 138. Anmerk. Zeile 2 v. ob. ist zu lesen 5., anstatt 12. Jahrhundert.

S. 124, Zeile 18 v. unt. lies für welche statt welche für.

S. 177, Zeile 8 v. ob. ist das Wort » Bischof« vor Salvian zu streichen. S. 201, Zeile 16 v. ob. Pronomen statt Pronomon u. Zeile 18 dass anstatt das.

S. 265 zu Note 3. Erst der berühmte spanische Humanist und Pädagoge Juan Luis Vives, geb. zu Valencia 6. März 1492, † zu Brügge 6. Mai 1540, der als der eigentliche Begründer der modernen Pädagogik und ihrer Induktionsmethode, sowie als einer der Mitbegründer der historisch-kritischen Methode überhaupt anzusehen ist, hat unter den Neueren der wissenschaftlichen Bildung des weiblichen Geschlechts das Wort geredet in seinem vorzüglichen Werke »De Institutione feminae Christianae.<< (Vivis op. omnia ed. Gregor Mayans, Valentiae 1782 bis 1790, 8 Bde., Fol., u. Basel, 1555, 2 Bde., Fol.) Über den grossen Vives vgl. man den einschlägigen Artikel von A. Lange in Schmid's >>Encyklopädie des gesamt. Erziehungs- u. Unterrichtswesens«<, 9. Bd. S. 737 ff., sowie die Schriften von Rudolf Heine (Vives, »Pädagog. Schriften<«<, Leipzig), u. Jak. Wychgram (J. L. Vives, »Ausgewählte Schriften<«<, Wien, 188) und meine bereits erwähnte Artikelreihe in der Kathol. Schulztg.

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