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B. DIE AUGUSTEISCHE ZEIT.

J. 43 v. Chr. 14 n. Chr.

219. Mit der Schlacht bei Actium und dem Tode des M. Antonius war das Jahrhundert der Bürgerkriege geschlossen: Octavian war unbestrittener Alleinherrscher. Aber klug und vorsichtig die Klippe meidend, an der sein großer Vorgänger gescheitert war, brach Octavian nicht offen mit der republikanischen Vergangenheit; er ließ ihre Einrichtungen äußerlich fortbestehen, wußte sie aber allmählich alle zu Werkzeugen seiner Herrschaft umzubilden. So hat die augusteische Zeit eine Doppelstellung: sie umschließt die Zersetzung des Alten und die Bildung eines Neuen, das Absterben der Republik und das Werden der Monarchie. In den bedeutendsten Männern des Zeitalters tritt diese Doppelstellung klar zutage: Asinius Pollio, Messalla, Horaz haben unter der Republik gekämpft und eine Rolle gespielt. Im ganzen aber erleichterte das Schicksal dem Octavian seine Aufgabe wesentlich. Furchtbar hatte der Tod unter seinen Gegnern aufgeräumt, und die noch lebten, waren kraftlos, entmutigt, ohne Rückhalt im Volke, welches der ewigen Kämpfe satt war und die Wiederkehr des Friedens mit tiefer Dankbarkeit empfand. Andere führte Kleopatras unwürdige Herrschaft über M. Antonius in das Lager Octavians; z. B. den M. Messalla, Cn. Domitius Ahenobarbus (Cos. 32 v. Chr.), L. Sempronius Atratinus (Cos. 34 v. Chr.).1) Die übrigen ließen sich allmählich durch die Erkenntnis bekehren, daß Augustus dem durch die Bürgerkriege schwer zerrütteten Reiche den Frieden wiedergegeben hatte.) So machte denn einer um den anderen seinen Frieden mit der neuen Gestaltung der Dinge.3) Am ungefügigsten zeigten

1) Hierdurch vermittelte sich auch Horaz die politische Schwenkung, welche tatsächlich durch sein Verhältnis zu Maecenas bedingt war; vgl. ep. 9, c. 1, 37. Ebenso kehren Vergil (Aen. 8, 688) und die anderen augusteischen Dichter mit Vorliebe diesen nationalen Gesichtspunkt hervor; vgl. OVID. met. 15, 826. PROP. 3, 11, 29. 41. MANIL. 1, 914. 2) Über diese Stimmung WENDLAND, Die hellenistisch-römische Kultur 88. Mon. Ancyr. 2, 42 Ianum Quirinum... cum priusquam nascerer a condita urbe bis omnino clausum fuisse prodatur memoriae, ter me principe senatus claudendum esse censuit. 3) SEN. de clem. 1, 10, 1 von August: Sallustium et Cocceios et Deillios et totam cohortem primae admissionis ex adversariorum castris conscripsit. iam Domitios, Messalas, Asinios, Cicerones, et quidquid floris in civitate erat, clementiae suae debebat.

Teuffel, röm. Literaturgesch. Neub. 6. Aufl.

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sich die Juristen Cascellius und Labeo: sie schadeten wenig, und so ließ man sie gewähren, begünstigte aber statt ihrer den geschmeidigen Ateius Capito. Asinius Pollio verschmerzte vielleicht niemals die Bedeutungslosigkeit, zu der ihn die Monarchie verdammt hatte, äußerte aber seinen Unmut nur in literarischen Urteilen. Auch Horaz blieb lange in scheuer Entfernung von dem Herrscher; aber er versöhnte sich allmählich aufrichtig. Von Anfang an dem Erben Caesars zugeneigt waren Trebatius Testa, L. Varius und infolge persönlicher Beziehungen Vergil. Vor dem Erfolg beugte sich alsbald Munatius Plancus. Je länger die Alleinherrschaft bestand, desto mehr gewöhnte man sich an sie und vergaß den republikanischen Männerstolz.4) Charaktere wie Labeo und Labienus galten bald für Sonderlinge, die man nicht begriff oder gar belachte. Die offizielle Heuchelei, die alten Formen und Namen fortbestehen zu lassen, auch nachdem der Inhalt ein anderer geworden, verbreitete einen Geist der Unwahrheit über die höheren Stände und die Literatur. Eine andere Wirkung jener offiziellen Heuchelei war, daß der tatsächliche Herrscher gegen deren Aufdeckung um so empfindlicher wurde und alle Mittel anspannte, um das Alte vergessen zu machen, das Neue zu befestigen. Die Literatur wird dadurch teils eingeengt, teils zum instrumentum regni herabgewürdigt, da Augustus ihre Vertreter geschickt für seine Zwecke zu benutzen verstand.5)

Am meisten leidet unter diesen Verhältnissen die Beredsamkeit. Hatte sie schon unter Caesar Hemmungen erfahren, so werden diese jetzt dauernd und immer stärker. Das öffentliche Leben erlischt, die politische Arbeit geht in die Hände des Herrschers über, die Volksversammlungen werden immer seltener und bedeutungsloser, die Gerichte immer mehr abhängig und auf ihre eigentliche Aufgabe beschränkt. Für die ehrgeizigen Redner bleiben zuletzt nur die Verhandlungen im Senat und die Zivilprozesse vor dem Zentumviralgericht, und jene sind durch die Anwesenheit des Herrschers und die Loyalität der großen Mehrheit der Mitglieder in Schranken gehalten, oft auch kurzweg durch Erlasse und mündliche Bescheide des Fürsten abgeschnitten, während der engbegrenzte Geschäftskreis des Zentumviralgerichts durch die

4) TAC. ann. 1, 2 von August: ubi militem donis, populum annona, cunctos dulcedine otii pellexit, insurgere paulatim, munia senatus, magistratuum, legum in se trahere, nullo adversante, cum ferocissimi per acies aut proscriptione cecidissent, ceteri nobilium, quanto quis servitio promptior, opibus et honoribus extollerentur ac novis ex rebus aucti tuta et praesentia quam vetera et periculosa mallent. Vgl. HOR. c. I, 2, 41 und VERG. g. I, 24 ff. HPETER, gesch. Lit. 1, 276.

5) HPETER, gesch. Lit. 1, 455.

wachsende Macht des praefectus urbi Einbuße erleidet. So schwindet den noch aus der Republik herüberragenden Rednern Asinius Pollio und M. Messalla immer mehr der Boden; wer nicht verstummen will, muß sich der neuen Art fügen, dem kunstvollen Reden ohne ernsten Zweck und Inhalt, der Deklamation.")

Weniger hatte die Geschichtschreibung, die in die Ereignisse nicht unmittelbar eingriff, unter den veränderten Umständen zu leiden.") Messalla und Volumnius durften ungescheut als Verteidiger des M. Brutus auftreten; Asinius Pollio konnte es wagen, die Geschichte der Bürgerkriege mindestens bis zur Schlacht bei Philippi herabzuführen, Livius seiner Parteilichkeit für Pompejus und Cato offen Ausdruck zu geben. Das Interesse des Kaisers für die Vergangenheit, deren einfache Sitten er wieder einzuführen versuchte, veranlaßte die Historiker und Antiquare zu Forschungen auf diesem Gebiet; so sind die Geschichtswerke des Livius und Dionysios von Halikarnaß entstanden, so Hyginus und Messalla zu ihren Forschungen über die alten Familien geführt worden; auch an Fenestella, Sinnius Capito, Verrius Flaccus fand Varro verständnisvolle Fortsetzer seiner auf Aufhellung des römischen Altertums gerichteten Bestrebungen.8)

Die Rechtswissenschaft wußte Augustus an den Thron zu ketten, indem er das Erteilen von Gutachten, das bisher einzig auf dem Vertrauen der Befrager beruht hatte, von der Genehmigung des Fürsten abhängig machte 9) und zugleich diesen Bescheiden eine Bedeutung verlieh, die ihnen die Natur einer neuen Rechtsquelle neben den älteren verschaffte.10) So bevorrechtet vertieften sich die Juristen um so mehr in die Ausbildung ihrer Wissenschaft, und schon jetzt legte der persönliche

6) Vgl. § 45 mit A 1. 7) Vgl. § 39, 1. SEN. vol. 3, p. 437 Haase ab initio bellorum civilium, unde primum veritas retro abiit. SUET. Claud. 41 historiam in adulescentia hortante T. Livio... scribere adgressus est... coepitque a pace civili, cum sentiret neque libere neque vere sibi de superioribus tradendi potestatem relictam, correptus saepe et a matre (Antonia) et ab avia (Livia). Über das Verbot, die acta senatus zu publizieren, vgl. § 216, 1. Doch vgl. SEN. contr. 2, 4, 13 tanta sub divo Augusto libertas fuit ut praepotenti tunc M. Agrippae non defuerint qui ignobilitatem exprobrarent. 8) Vgl. NORDEN, Neue Jahrb. VII (1901) 260. 9) POMPON. dig. 1, 2, 2, 47 (49) ante tempora Augusti publice respondendi ius non a principibus dabatur, sed qui fiduciam studiorum suorum habebant consulentibus respondebant primus divus Augustus,

ut maior iuris auctoritas haberetur, constituit ut ex auctoritate eius responderent. HELSSIG, Die Rechtswiss. im Zeitalter des Aug. bei GARDTHAUSEN, Aug. 1, 1318. 10) GAIUS inst. 1, 7 responsa prudentium sunt sententiae et opiniones eorum quibus permissum est iura condere. quorum omnium si in unum sententiae concurrant, id quod ita sentiunt legis vicem optinet. SEN. ep. 94, 27 iurisconsultorum valent responsa, etiam si ratio non redditur.

Gegensatz zwischen Labeo und Capito den Grund zu den beiden Schulen, der Sabinianer, die von Capito ausgingen, und der Proculianer, der Anhänger des Antistius Labeo.

Noch förderlicher war der Rückgang des öffentlichen Lebens für die Kunstdichtung und für die Gelehrsamkeit. Hatte früher der Römer literarische Tätigkeit nur als Nebenbeschäftigung, zur Ausfüllung des otium, zulässig gefunden, so wurde sie jetzt, da die früheren negotia so starke Minderung erfahren hatten, bei vielen zur Lebensaufgabe. Siegreich drang die Hochschätzung des continòs Bios durch, wie sie bei den Griechen üblich war, auf deren otium man früher mit Verachtung herabgesehen hatte. Dazu trug nicht wenig das starke Zusammenströmen griechischer Gelehrter in Rom bei; denn wenn Rom schon lange die eigentliche Hauptstadt der Welt gewesen war, so konnte seit der Niederwerfung Ägyptens niemand mehr diese Weltstellung bestreiten; daher kamen alle Schriftsteller, denen an der Verbreitung ihres Ruhmes gelegen war, teils dauernd, teils für längere oder kürzere Zeit nach Rom und wirkten befruchtend auf die literarische Tätigkeit der Römer.11) Insbesondere die Dichtung wurde als eine Kunst mit ganzem Ernste betrieben 12) und Streben nach hellenischer Formvollendung zum Gesetze gemacht. Die Form wird um so wichtiger, je mehr man sich in den Stoffen beschränkt, weil es an der zur Erschließung neuer Gebiete nötigen Frische fehlt. In Silbenmessung und Versbau bewahrte man die Grundsätze, welche die neue Dichterschule der ciceronischen Zeit eingeführt hatte, ja man überbot die läßliche Strenge der griechischen Vorbilder öfters durch schulmeisterliche Zucht, welche alles nach der Schnur regelt. Auch Vokalverschleifung und Hiatus wurden immer sorgfältiger, ja peinlicher behandelt.13) Indessen was an Kunst gewonnen wurde, ging an volkstümlicher Wirkung verloren: man dichtete besonders für einen erlesenen Kreis von Kennern und Freunden und für die Nachwelt und

11) Genannt seien die Historiker Diodoros und Timagenes; die Rhetoren Dionysios und Caecilius von Kale Akte, beide Führer der attizistischen Bewegung, und der einflußreiche Theoretiker Apollodoros von Pergamon, die Stoiker Areios Didymos und Athenodoros, der Epigrammdichter Krinagoras von Mitylene, der die kleinen Ereignisse des Hoflebens zum Gegenstand seiner Gedichte machte. Vgl. HILLSCHER, Hom. literatorum graec. ante Tib. mortem in urbe R. commoratorum hist. JJ. Suppl. 18. Von dem schwergelehrten Grammatiker Didymos steht es nicht fest, ob er je in Rom gewesen ist. 12) Das Versemachen wurde in den Grammatikerschulen förmlich gelernt; s. § 200, 1. MART. 4, 61, 3 in schola poetarum dum fabulamur. Das zeigt sich in der Metrik z. B. des Catull (§ 214) und Horaz (§ 238, 3). 13) LMÜLLER, de re metr. p. 74 u. 281. CORSSEN, Vocalismus 2, 199. Besonders streng sind in dieser Hinsicht Ovid, der Verf. des Culex, Grattius und Manilius. Vgl. auch HAUPT, op. 1, 88.359.

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