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zu verstehen ist, welche wider diejenigen Greuel der Unfeuschheit gerichtet sind, deren Unnatürlichkeit schon die Vernunft erkennt, und die also auch ohne alles ausdrückliche Gesetz schon an sich abscheulich und strafwürdig sind 3). Dieß sind nun besonders diejenigen, welche im Kap. 20. angeführt werden. Man wende nicht ein, daß Kap. XVIII. V. 24. gesagt werde: Ihr sollt euch in dieser keinem verunreinigen, denn in diesem allen haben sich verunreiniget die Heiden, die ich vor euch her will ausstoßen; ja daß es V. 27. nochmals heiße: denn alle solche Greuel haben die Leute dieses Landes gethan, die vor euch waren, und haben das Land verunreiniget. Denn gingen gleich die Juden alle in dem ganzen Kap. XVIII. erwähnten Gebote an, so war doch der Grund ihrer Verbindlichkeit nicht überall derselbe, indem diese Gebote, wie von Niemand geläugnet wird, theils natürliche Sittengesete, theils bürgerliche oder positive Geseze sind. Nur die erstern, welche schon die Vernunft lehrt, und, wie der Apostel Paulus sagt, jedem Menschen ins Herz geschrieben sind, gingen auch die Heiden an, weil sie

8) Man vergleiche hier vorzüglich D. Joh. Phil. Gabler's theolog. Gutachten über die Zulässigkeit der Ehe mit des Vaters Bruders Wittwe. Nürnberg und Altdorf 1797. 8. §. 7. und Jerusalem's angef. Beantwortung der Frage 2c. S. 28 ff. Diese einschränkende Erklärung billigten auch schon vorher SELDEN de iure natur. et gentium iuxta disciplinam Ebraeorum Lib. V. cap. 11. pag. 662. GROTIUS in Annotation, in vet. Test. ad Lev. XVIII. v. 24. und de iure belli et P. Lib. II. Cap. V. §. 14. nr. 1 et 2. und NIEMEIER de coniugiis prohibitis. Diss. IX. §. 34-38.

keiner besonderen Bekanntmachung bedurften. Sie mußten aber den Israeliten hier eben darum zugleich mit den übrigen blos positiven Gesezen vor Augen gestellt werden, weil sie gerade die unter den Aegyptern und Cananitern für erlaubt gehaltenen, öffentlich gebilligten, und auf die Götterlehre und Aberglauben dieser Völker sich gründenden Schandthaten verboten. Diese einschränkende Erklärung lehrt erstens der Text selbst. Ich will mich hier nicht des Grundes bedienen, aus welchem man ge= wöhnlich diese einschränkende Erklärung zu rechtfertigen. sucht, nämlich, daß sich V. 24. und die folgenden auf die nächst vorher V. 20—23. gemeldeten heidnischen Greuel bezogen, wie das zweimal gebrauchte Demonstra= tivum ellach anzeigen foll). Denn schon Michaelis 10) hat gegen dieses Argument sehr gründlich erinnert, daß sich im 20. Kap. unmittelbar nach den V. 11. bis 21. vorkom= menden Ehegesehen V. 22. und 23. die sehr merkwürdigen Worte finden: So haltet nun alle meine Saz u ngen, und alle meine Rechte, und thut darnach, auf daß euch nicht das Land ausspeie, darein ich euch führe, daß ihr darin wohnt. Und wandelt nicht in den Sazungen der Heiden, die ich vor euch her ausstoßen werde. Denn solches alles haben sie gethan, und ich habe einen Greuel an ihnen gehabt. Es ist vielmehr hier von solchen Greueln die Rede, worauf in den Gesezen Mosis

9) S. die angef. Entwickel. der vornehmsten Streitfragen, die Ehen naher Blutsfreunde betreffend. Kap. 2. §. 12. S. 298. und D. Joh. Phil. Gabler's angeführtes Gutachten über die Zulässigkeit der Ehe mit des Vaters Bruders Wittwe. S. 27.

10) Abh. von den Ehegeseßen Mosis. Kap. 3. §. 25. u. 26.

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die Ausrottung aus dem Volke, die Todesstrafe gefeßt ist 11). Der V. 20. Kap. XVIII. sagt ausdrücklich: Denn welche diese Greuel thun, derer Seelen follen ausgerottet werden von ihrem Volk. Nun ist ja aber, wie wir in der Folge sehen werden, nicht auf alle Uebertretungen der mosaischen Eheverbote die Todesstrafe gesetzt. Nein, durch Androhung dieser Strafe hat Moses gerade diejenigen Eheverbote ausgezeichnet, welche sich auf das natürliche Sittengesetz gründen, und daher eine allgemeine und unabänderliche Verbindlichkeit haben, wie Michaelis1) selbst behauptet. Diese sind nun vorzüglich Kap. XX: enthalten, und so konnte denn Moses in Beziehung auf dieselben mit Recht sagén V. 23.: denn solches alles haben sie ge= than, die Heiden. Allein, könnte, man uns einwenden, auch im Kap. XVIII., in welchem doch nicht blos von natürlichen, sondern auch von blos positiven Eheverboten die Rede ist, wird ja ebenfalls V. 27. gesagt, daß alle solche Grenel die Heiden gethan hätten; und vorher B. 24.: in diesem allen haben sich verunreiniget die Heiden. Michaelis 13) macht uns daher besonders auf

11) Ausrotiung aus dem Volke wird nach der im Jüdischen Rect hergebrachten Auslegung gewöhnlich von einer Le bensstrafe verstanden. 2. B. Mos. XXXI. v. 14. 3. B. Mos. XVII. 4. und so auch 3. B. Mos. XVIII. v. 29. vergl. mit Hebräer X. 28. S. Michaelis mosaisches Recht 5. Th. §. 237. Es wird dieses noch mehr dadurch bestärkt, daß Kap. XVIII. 5. demjenigen, welcher die hier vorgeschriebenen Gebote hält, zur Belohnung verheißen wird, daß er dadurch leben werde.

12) Angef. Abhandlung Kap. 3. §. 32. S. 108.
13) Abh. von den Ehegeseßen Mosis §. 25. S. 88.

das hebräische Wort 2, und ne bo, alle oder an diesem allen aufmerksam. Dieser Zweifel löset sich aber, wenn man sich erinnert, wie den Kundigen der hebräischen Sprache hier nicht entgehen wird, daß das Wort, eben so, wie das griechische ãs in der H. Schrift nicht immer in dem sonst gewöhnlichen universellen Sinn genommen wird, sondern sehr oft auch nur viele oder die meisten anzeigt 1). Wir sind aber auch zweitens jene einschränkende Erklärung selbst der Gerechtig= keit Gottes schuldig. Denn wie konnten Völker wegen der Uebertretung solcher Gebote, welche keine reine Naturund Sittengesetze sind, sondern blos in den damaligen Zeitumständen, Sitten und bürgerlichen Verhältnissen der Israeliten ihren Grund haben, (und deren sind mehrere in den mosaischen Eheverboten enthalten, wie in der Folge erscheinen wird) ja die sogar unter den Patriarchen und in ihren Familien ungestraft übertreten worden sind 15), ohne offenbare Ungerechtigkeit mit gänzlicher Vertreibung und Ausrottung aus ihrem Lande bestraft werden, da ihnen diese Gefeße nicht waren bekannt gemacht worden 16)? Es wird jedoch die Frage von der Dispensation gegen

14) Man vergleiche z. B. 2. Samuel XVI. V. 22. und XVII. V. 14. 1. Thessalon. V. 5. S. die angef Entwickelung der vornehmsten Streitfragen 2. S. 298. 15)So hatte Jacob zwei Schwestern zugleich, die Lea und Rahel, zwei Töchter Labans, zur Ehe. 1. B. Mos. XXIX. V. 16-30. und Amram hatte seines Vaters Schwester, die Jochebed, geheirathet, aus wel= cher Ehe Aaron und Moses geboren worden sind. 2. B. Mose VI. V. 20. und 4. B. Mos. XXVI. V. 58. u. 59.

16) S. den 1. Th. dieses Commentars §. 22. S. 151 f.

die mosaischen Eheverbote weiter unten noch genauer erörtert werden.

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Nach diesem allgemeinen Eingange folgen nun 2) vom V. 6 23. die Eheverbote selbst. An der Spize derselben steht ein generelles Verbot, welches nach Luthers Uebersetzung so lautet: Niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin thun, ihre Schaam zu blößen; denn ich bin der Herr. Die in dem hebräischen Text vorkommenden Worte Scheer basar haben zu mancherlei Erklärungen dieser Stelle Anlaß gegeben. Man übersetzt sie gewöhnlich durch caro carnis 17), und glaubt denn darnach die Grenze der mosaischen Eheverbote abmessen zu können. Daher legen einige diesen Worten einen eingeschränkteren, andere einen ausgedehnteren Sinn bei. Baumgarten 18) will den V. 6. nicht für ein generelles Princip aller mosaischen Eheverbote anerkennen, sondern nur solcher, die in dem Natur- und Sittengesetz gegründet sind. Die Worte Scheer basar sollen also solche Grade der Verwandtschaft bezeichnen, in welchen die Ehen schon nach allgemeinen Vernunftgründen unerlaubt find. Er zieht hieraus die Folge, daß alle diejenigen Eheverbote, wo die Personen sich nicht wie caro carnis, sondern nur wie caro carnis carnis, wie mit des Vatersschwester, V. 12. oder gar wie caro carnis carnis carnis, wie mit des Vatersbruders Wittwe, V. 14. verhielten, keine natürlichen, sondern blos bürgerliche Gesege der Juden wären, folglich keine allgemeine Verbindlich

17) Vergl. Christph. Matth. PFAFF Diss. de non appropinquando ad carnem carnis suae.

18) Theolog. Gutachten 2. Samml. S. 164 ff. und in der Vorrede besonders S. 30 ff.

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