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schränkung, als in den Decretalen der Päbste ausgesprochen wird, in den Aussprüchen der Kirchenväter, und den Canonen der Concilien zu finden vermeint haben, sind, wie Gratian, durch Mißverstand irregeleitet worden. Zwar könnte es scheinen, schon Augustinus, ein kirchlicher Schriftsteller des fünften Jahrhunderts, habe gesagt, das von ihrem Manne verstoßene Weib könne nach desselben Tode eine gültige Ehe mit dem selbst schließen, mit welchem sie vorher Ehebruch begieng. Wie verfüherisch sind nicht die Worte dieses Kirchenvaters bei Gratian can. 2. C. XXXI. Qu. 1.

Denique mortuo viro, cum quò verum connubium fuit, fieri potest coniugium, cum quo praecessit adulterium?

Nun haben freilich wohl die römischen Correctoren dabei bemerkt, in den Ausgaben der Werke des August i= nus, und in einer vatikanischen Handschrift, auch in einem Exemplar von Gratian's Decrete heiße es: fieri verum connubium non potest; und hiermit wäre denn, falls diese Leseart richtig wäre, alle Schwierigkeit gehoben®). Allein dieselben römischen Correctoren fügen ja hinzu, in zwei neuern vatikanischen Handschriften fehle die Nega= tion. Sie scheinen es also in Ungewißheit gelassen zu haben, welcher Leseart sie den Vorzug geben. Soviel ist gewiß, daß Gratian's Handschrift so las, wie der can. 2. enthält. Dies beweist Gratians Bemerkung

2) Der negativen Leseart geben auch wirklich CUJACIUS Commentar. in Tit. 7. libri IV. Decretal. ad Cap. 1. de eo, qui duxit in matrim. ALTESERRA Innocentius III. ad cap. 6. et 7. X. de eo, qui duxit in matrim. quam polluit per adult. pag. 514. und van ESFEN iur, eccles. univ. P. II. Sect. I. Tit, XIII, Cap. 8. §. 2. den Vorzug.

bei diesem Texte, und auch die Benedictiner, welche gewiß bei ihrer Ausgabe der Werke des Augustinus mit kritischer Genauigkeit alles prüften, melden uns, daß in den besten Handschriften die Negationspartikel nicht befindlich sei. Vergleicht man aber die von Gratian excerpirte Stelle des afrikanischen Bischofs in ihrem Zusammenhange, aus welchem sie gerissen ist, so wird es klar werden, daß sie unser Eheverbot gar nicht betreffe. Die Stelle selbst ist aus des AUGUSTINI libris de nuptiis et concupiscentia ad VALERIUM, Comitem publicis negotiis praefectum, und zwar Lib. 1 cap. 10. genommen, und lautet im Zusammenhange folgendermaßen: Hoc custoditur in Christo et Ecclesia, ut vivens cum vivente nullo divortio in aeternum separetur. Quod si quisquam fecerit, non lege huius saeculi, ubi, interveniente repudio, sine crimine conceditur cum aliis alia copulare connubia, quod etiam sanctum Moysem Dominus propter duritiam cordis illorum Israelitis permisisse testatur, lege Evangelii reus est adulterii, sicut etiam illa, si alteri nupserit. Usque adeo manent inter viventes semel inita iura nuptiarum, ut potius sint inter se coniuges, qui ab alterutro separati sunt, quam cum his, quibus aliis adhaeserunt*). Cum aliis quippe adulteri non essent, nisi ad alterutrum coniuges coniuges permanerent. Denique mortuo viro, cum quo verum connubium fuit, fieri verum connubium potest, cum quo prius adulterium fuit.

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3) In der Ausgabe der Benedictiner Vol. X.

sed

4) Diese Worte kommen' auch im Decrete vor can. 28. Caus. XXXII. Qu. 7.

Ita manet

manet inter viventes quiddam coniugale"), quod nec separatio, nec cum altero copulatio possit auferre; manet autem ad noxam criminis, non ad vinculum foederis, sicut apostata anima velut de coniugio Christi recedens, etiam fide perdita sacramentum fidei non amittit, quod lavacro regenerationis accepit. Aus diesem Zusammenhange der Worte ergiebt sich, daß Augustin hier gar nicht von dem Falle spricht, da der Ehebrecher die Ehebrecherin heirathet; denn zwischen diesen kann auch nach dem Tode des unschuldigen Ehegatten keine rechtmäßige Ehe bestehen, wie oben aus den römischen Gesetzen erwiesen worden ist, von denen Augustin keineswegs abweichen wollte. Es ist vielmehr von dem Falle die Rede, da eine Ehe beim Leben der Ehegatten durch ein Divortium ist aufgehoben worden, welches zwar die weltlichen Geseze für gültig erklären, aber das Gesez Christi mißgebilliget. Jene erlauben auch dem geschiedenen Ehegatten die zweite Ehe; allein nach dem Gesez des Evangeliums bleiben sie, der Scheidung ungeachtet, noch immer Ehegatten; sie begehen also einen Ehebruch, wenn sie zur andern Ehe schreiten. Anders verhält sich's, wenn der Mann todt ist, mit welchem die geschiedene Frau in rechtmäßiger The lebte. Hier kann sich die Frau wieder verheirathen, und die Ehe, die früher (prius) d. h. beim Leben des Mannes ein Ehebruch war, ist jetzt eine rechtmäßige Ehe. So hat auch Berardi) die Stelle des Augustinus

5) In dem angeführten can. 28. heißt es: quoddam vinculum coniugale.

6) Gratiani canones genuini ab apocryphis discreti etc. P. III. Cap. XIX. pag. 310. und BERARDUS Commen

ganz richtig erklärt, und anders versteht sie auch Gratian nicht, wenn er bei diesem Canon bemerkt, Augustin rede von einer uxore repudiata, quam dum vivente viro, suo quicunque ducit in coniugium, committit adulterium.

Gleiche Bewandniß hat es mit dem Concilium Meldense, welches zur Zeit Carls des Kahlen zu Meaux im Jahre 845. gehalten worden ist. Dieses soll cap. 59. erlaubt haben, daß, nach beendigter öffentlicher Buße, wenn Jugend und Unenthaltsamkeit es forderte, Ehebrecher und Ehebrecherin sich heirathen dürften, falls fie nur nicht den unschuldigen Ehegatten ermordet hätten, oder zu nahe Verwandtschaft, oder irgend eine actio criminalis im Wege stünde. Gratian hat diesen Canon unrichtig dem Concilium zu Tribur vom J. 895. zuge= eignet). Es ist can. 5. Caus. XXXI. Qu. 1., dessen Worte bei Gratian folgendermaßen lauten:

Si quis, vivente marito, coniugem illius ad ulterasse accusatur, et eo in proximo defuncto, eandem sumsisse dignoscitur, omnimodis publicae poenitentiae subiiciatur. De quo etiam post

tar. in ius eccles. univ. Tom. III. Diss. IV. Cap. V. §. Naturalibus. pag. 122. sq.

7) Burchard und Jvo, denen sonst Gratian zu folgen pflegt, citiren zwar beide diesen Canon richtig ex Concilio Meldensi, wie auch die römischen Correctoren bemerkt haben. Allein in Jvo's Decrete P. VIII. Cap. 201. find auf dem Rande die Worte beigefügt: Ex Concilio Triburiensi Cap. 51. Gratian hielt dieses für eine verbesserte Leseart, was nur als Parallelstelle angemerkt war, und täuschte sich.

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poenitentiam praefata, si expedierit, servabitur regula: nisi forte vir, (oder wie es in dem Concilium richtiger heißt, idem) aut mulier virum, qui mortuus fuerit, occidisse notentur, aut propinquitas, vel alia quaelibet actio criminalis impediat. Quod si probatum fuerit, sine ulla spe coniugii maneant perpetuo cum poenitentia.

Soviel der Worte bei Gratian. Weggelaffen, und nothwendig zu ergänzen sind folgende:

Si autem negaverit, se eandem foeminam, vivente marito, nequaquam adulterasse, et praefati homicidii nemo eorum reus extiterit, et probatis testibus neuter eorum convinci potuerit, purgent legaliter famam suae opinionis, et sumto utantur coniugio, si alia, ut duximus, non praepedit ratio R).

Die oben durch die verschiedene Schrift ausgezeichneten Worte: nisi forte vir—occidisse notentur, find es, welche die Meinung veranlaßt haben, als ob das Concilium zu Meaux die Ehe zwischen dem Ehebrecher und der Ehebrecherin nur in dem Falle verboten habe, wenn sie den unschuldigen Ehegatten ermordet hätten. Allein daß es den Vätern dieses Conciliums nicht eingefallen ist, die Ehe zwischen dem Ehebrecher und der Ehebrecherin in irgend einem Falle zu erlauben, wird sofort einleuchten, wenn dieser Canon im Zusammenhange mit den vorhergehenden betrachtet wird, welches hier um so nothwendiger

8) SIRMOND Concil. Galliae Tom. III. pag. 19. sq. HarDUIN Concil Tom. IV. pag. 1478. MANSI Concil. Tom. XIV. pag. 835.

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