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Die deutsche Philosophie und die protestantische

Theologie.

I.

Die Quellen liegen in der Natur allemal höher als die Bäche und Flüsse, welche aus ihnen hervorgehen. Nicht selten entziehen sie sich dem Blicke, und sind schwer zu entdecken, aber wer den Lauf der Bäche und Ströme in der entgegengeseßten Richtung standhaft verfolgt, dem wird es zulest gelingen, zu ihrem versteckten und verborgenen Ursprung vorzubringen.

In dem geistigen Leben ist es nicht viel anders, als in der Natur selbst. Die Quellen des Guten und Bösen sind in der Regel in den höhern Schichten der Gesellschaft gelegen. Wer die Quelle des herrschenden Unglaubens entdecken will, der darf sie nicht in den tiefern Schichten der Gesells schaft suchen, sondern er muß von unten herauf den Strom verfolgen, und dann wird er die Quelle in den höchsten Spißen der Gesellschaft entdecken. Die Unsittlichkeit ist

die Tochter des allezeit fruchtbaren Unglaubens; wer die Quelle des Unglaubens entdeckt hat, der hat zugleich die Quelle der Unsittlichkeit gefunden. Es gab eine Revolution von oben, ehe es eine Revolution von unten gab, und so lange die Quelle der Revolution von oben nicht verschlossen ist, so lange die zerseßenden Wasser der Revolution in ihren obern Lagen nicht abgegraben sind, so lange werden sie sich mit Naturnothwendigkeit nach unten ergießen, und in den niederen Regionen die Ueberschwemmungen anrichten, welche mit steigender Gewalt alles Bestehende mit sich forts reißen oder überfluthen. Wer die Quellen aufspüren will, aus welchen die Veränderungen in der neuern protestantiZeitschr. f. Øhilos. u. lathol. Theol. R. F. XII. 16 Heft.

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schen Theologie in Deutschland hervorgegangen, der muß über das Gebiet dieser Theologie hinausgehen; er muß ihren Lauf weiter verfolgen und wird ihren Ursprung in den Sys stemen der deutschen Philosophie, welche aufeinander gefolgt. sind und einander verdrångt haben, aufsuchen müssen. Nie, mals ist eine neue Philosophie aufgekommen, welche nicht mit der bestehenden Religion in Beziehung getreten wåre, bald in feindliche, bald in befreundete und beschüßende. Aber unter allen Philosophieen, welche seit dem Entstehen des Christenthums aufgekommen, hat dasselbe keine so entschiedene Gegnerin gefunden, als in den Systemen der Choriphåen der deut, schen Philosophie. Andere sind mit mehr Leidenschaft, mit gróBerer Maaßlosigkeit, gegen das Christenthum in die Schranken getreten, aber mit so großem Aufwande von Scharfsinn, mit so viel Anstande, mit so viel anscheinender Unpartheilichkeit, mit solchem Enthusiasmus, hat kein philosophisches System der Vorzeit den langen Hebel seiner Kraft unter das Chris stenthum geschoben, um dasselbe mit allen seinen Wurzeln auszuheben und über den Haufen zu werfen, als dieses von den bezeichneten Systemen geschehen ist.

Wir haben es versucht in den nachfolgenden Erórterungen die bezeichneten Quellen offen zu legen, und die Aufmerksamkeit unserer Leser auf die Keime hinzulenken, aus welchen so manche Frucht der Gegenwart entsprossen und aufgegangen ist. Wir sind selbst am weitesten davon entfernt, den fragmentarischen Charakter dieser Erörterungen zu verkennen, wir haben von einem Stoffe, welcher, wenn er seiner Bedeutung entsprechend behandelt würde, ein måßiges Buch füllen würde, nur die summa capita hier mittheis len wollen, wie es sich für die engern Schranken einer Zeitschrift, wie die vorliegende, paßt.

Wir wollen nun zur Sache übergehen, und die Systeme von Kant, Fichte, Schelling und Hegel in der Folge, wie sie der Zeit nach entstanden sind, in ihrem Verhältnisse zu dem positiven christlichen Glauben, als göttlicher Offenbarungslehre vorlegen.

Bisher hat man angenommen, sagt Kant, daß alle unsere Erkenntniß sich nach den Gegenständen zu richten habe: allein unter dieser Vorausseßung war die Metaphysik unvermögend ihre Aufgaben zu lösen. Man nehme einmal das Umgekehrte an, daß die Gegenstände sich nach unserer Erkenntniß richten müssen, und sehe zu, ob alsdann mit der Lösung der metaphysischen Aufgaben nicht besser fortzukoms men sei. Der Versuch gelingt, wie Kant wenigstens versichert und ausführlich zu beweisen sucht..

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Er unterscheidet in der Erkenntniß zwei Elemente, Anschauung und Begriff. Durch beide zusammen wird erst die eigentliche Erkenntniß constituirt. Anschauungen ohne Bes griffe (Verstandeskategorien) sind blind, Begriffe ohne Ans schauungen sind leer. Aber wie kommt eine Erkenntniß zu Stande, die für Jedermann gültig ist, d. h. eine solche, die Nothwendigkeit und Allgemeinheit mit sich führt? und wie weit reicht dieselbe? Aus der bloßen Erfahrung, insofern diese in der Bedeutung des Aposteriorischen genoms men wird, kann sie nicht entspringen; sie muß vielmehr, wenn sie möglich und wirklich sein soll, apriorische Mos mente in sich haben, die daher zu suchen sind. Einen apriorischen Bestandtheil enthält schon die sinnliche Ans schauung, Zwar ist die Materie derselben ein a posteriori Gegebenes, und für sich genommen ein ungeordnetes Mans nigfaltiges: aber wir können dieses Material, oder das, was unserer Empfindung durch den åußern, und dann auch durch den innern Sinn correspondirt, nicht anders als in Raum und Zeit anschauen. Was sind Raum und Zeit? Für sich allein vorgestellt sind sie reine Anschauungen a priori. Bezogen auf das, was unserer sinnlichen Empfindung ents spricht, sind sie ebenfalls ein Apriorisches, d. h. die rein apriorischen Formen, in welche die Materie gefaßt wird, aber auch bloße, subjektive Formen, von denen sich nicht erweisen läßt, daß sie außer dem anschauenden Subjekt eine reale Bedeutung haben. Wir erkenneu also durch die sinnliche Anschauung nicht Dinge an sich,

sondern nur Erscheinungen, die aber so, wie sie anges schaut werden, eine rein subjektive Zuthat haben, und nach Kant's eigenem Ausdruck „nicht an sich selbst, sondern nur in uns existiren können“, oder "bloße Vorstellungen sind." Eben so wenig kann der Verstand bis zur Erkenntniß der Dinge an sich oder des Wesens vorbringen. Denn obgleich a priori in ihm gewisse Begriffe liegen, die Stammbegriffe oder die reinen Kategorieen (zu denen nach Kant auch Substanz, Ursache u. dgl. gehören); so sind dieselben doch bloße Formen des Verstandes, die für sich allein nur Gedanken, aber keine Erkenntniß geben, und nur da eine Erkenntniß vermitteln, wo Erscheinungen in Raum und Zeit unter sie gefaßt, durch sie gedacht, bestimmt und geordnet werden. Wir kommen dadurch den Dingen an sich nicht im Geringsten näher. Die Grundsäße der Erkenntniß, die aus den Verstandeskategorieen in Verbindung mit den reinen Ans schauungsformen sich ableiten lassen, haben zwar Allgemeinheit und Nothwendigkeit, insofern auch Gültigkeit für Jes dermann; aber sie sind nur Grundsäße zum Behuf einer möglichen Erfahrung, und diese selbst, in ihrer wahren Bedeutung, ist als Erkenntniß genetisch bedingt durch aprioris sche Formen, während ihr Inhalt mit dem Ansich der Dinge gar nichts zu thun hat. Die reinen Verstandesbegriffe „dienen gleichsam nur, die Erscheinungen (d. i. unsere eiges nen sinnlichen Vorstellungen) zu buchstabiren, um sie als Ers fahrung lesen zu können." Endlich gibt es auch für die theoretische Vernunft keinen Weg, zum Wissen des Uebers sinnlichen zu gelangen. Ihr Geschäft besteht eigentlich nur darin, die Verstandeserkenntnisse (die Erfahrung) zu ordnen und zur möglichst vollständigen Einheit zu bringen. Innerhalb dieser Sphäre hat die Vernunftidee des Unbedingten als der Lotalität der Bedingungen zwar einen regulativen (formellen), aber keinen constitutiven (realen) Gebrauch. Das Unbedingte wird ja nicht angeschaut als ein übersinnliches Objekt, so daß wir die reinen Verstandesbegriffe darauf anwenden und so eine Erkenntniß gewinnen könnten. Ein Gebrauch der

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