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Rundschreiben.

des Herrn Bischofs von Chartres

an den Klerus seiner Diözese, in welchem Bemerkungen über das lezte Rundschreiben des Herrn Erzbischofs von Paris enthalten find.

Ich habe mir eine Aufgabe gestellt, die sich schwer mit meinen Gefühlen vereinigen läßt. Ich bin von dem Herrn Erzbischofe von Paris mit Beweisen des Vertrauens und der Freund, schaft überhäuft worden, und schulde ihm eine eben so unverleg liche als wahre Anhänglichkeit. Ungeachtet dieser Gesinnung fühle ich mich dennoch verpflichtet einige Mängel, die ich in seinem Rundschreiben vom 15. Januar bemerkt habe, zu bezeichnen.

Als ich mich dieser Arbeit unterzog, habe ich den tiefen Schmerz gefühlt, den die Kämpfe des Herzens mit dem Gewissen hervorrufen, aber die Pflicht hat laut, sehr laut, gesprochen. Ich werde sie daher ohne Schwäche und Umschweise erfüllen. Die Zeiten, in denen wir leben, sind so außerordentlich, daß man mir dieses Verhalten, welches es ebenfalls ist, verzeihen wird. Wenn mir übrigens dieses Unternehmen einigen Tadel zuzieht, so sind die Güte und die Tugenden des erlauchten Erzbischofes selbst im Voraus eine Vertheidigung, die mich stärkt, ein Schild, der mich schüßt.

Die reinsten und achtungswerthesten Eigenschaften haben Gränzen; der Eifer, die Liebe zu den Menschen und der Wunsch, fie glücklich zu sehen, sind große und schöne Gefühle, die aber zu gefährlichen Uebertreibungen führen können. Der Mensch muß demnach die stürmische, aber manchmal ungemessene Neigung zum Guten mäßigen, und die Nüchternheit selbst in der Weisheit, die uns der h. Paulus_anempfiehlt *), muß sich auf alle Bewegungen unseres Herzens und auf alle Handlungen uns seres Lebens erstrecken.

Wir wollen diesen Grundsaß hier befolgen. Das Rundschreiben, von dem ich nur mit ehrfurchtsvoller Vorsicht spre

*) Non plus sapere quam oportet sapere, sed

brietatem. Rom. 12, 13.

sapere ad so

che, scheint die vier oder fünf Parteien, die Frankreich theilen, auf dieselbe Linie zu stellen: man muß den Werth ihrer respekti ven Ansprüche nicht untersuchen, man muß diese Klaffen von Bürgern, welche mehr oder weniger gegen einander entbrannt sind, alle mit gleichem Maßstabe messen. Das ist ein System, wel ches scheinbar Manches für sich hat; aber wie kann man überschen, daß es den schrecklichsten Mißdeutungen unterworfen ist? Was wird dieses System, in einer Zeit, die so fruchtbar an Res volutionen ist, für Früchte bringen? Was wird geschehen? Eine Macht ist eingeseßt, sie regiert, beherrscht ein großes Volk. Eine andere Partei erhebt sich; ihre Maßregeln sind mit unendlicher Schlauheit getroffen, die Gewalt ist auf ihrer Seite, denn die Veränderlichkeit der menschlichen Angelegenheiten überträgt von einer Klasse auf die andere Alles, was diesen physischen unwiderstehbaren Vorzug ausmacht. Diese Partei, die im Stillen groß geworden, deren ehrgeizige Absichten im Schatten gereift sind, diese Verschwörung, die ungestraft ausbrechen und sich der Gewalt bemächtigen kann, zerbricht alle Hindernisse, greift an und stürzt eine Regierung, die durch die Ausübung ihrer Macht und die unglaublichen Verlegenheiten, die sich von allen Seiten erheben, geschwächt ist. Die bis dahin triumphirende Partei fällt in den Staub zurück, und eine andere erhebt sich auf den Trüm. mern aller niedergeworfenen Oppofitionen und genießt die Freu den der Herrschaft und Regierung. So wäre es vollbracht, we. nigstens für den Augenblick. Aber sehen wir weiter: morgen, d. h. in einer kurzen Zeit, werden sich andere Neuerer auf den Kampfplaz stürzen, denen die Umwälzung der Dinge oder der Beistand, den Natur und andere Vorfälle dem Ehrgeiz leisten, die Gewalt überliefert hat. Die volle Hiße der Leidenschaft brennt in ihren Adern und die Stimme ihres Gewissens hat keine Vor würfe, welche nicht durch das eben auseinandergeseßte System be schwichtigt würden. Sie erringen den Sieg über ihre Neben buhler, die sie verdrängen wollen. Dieser Umsturz kann nicht ohne Mord, Verheerung und Raub zu Stande kommen. Doch das thut Nichts, ihre Wünsche sind erfüllt, ihre Leidenschaften befriedigt, und sie halten ihren Fuß auf dem Volke, welches sie ihren ehrgeizigen Absichten unterwerfen wollten. Nun wartet einen dritten Angriff ab; er wird nicht auf sich warten lassen und Ihr werdet Zeugen einer neuen blutigen Katastrophe sein. Ich stehe still eine unendliche Folge von Gewaltthätigkeiten und ähnlichen Umwälzungen wird die Folge dieser neuen Lehre sein. Die Gesellschaft wird nach und nach zerstört werden, früh oder spät wird es auf der Erde nur blutige Trümmer der Menschheit

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geben, und diese wird man nur in den entlegensten Höhlen und einsamsten Wäldern finden.

Ja, wenn solche Ansichten das Menschengeschlecht von seinem Ursprunge an geleitet hätten, so würde die Gesellschaft längst vernichtet sein, man würde feine Nation mehr auf der Welt sehen, die verkannte Vorsehung würde sich nicht mehr um den Menschen bekümmert haben, sie würde ihn in den elendesten Zu stand haben versinken laffen, um seinen unsinnigen Stolz zu rächen. Dieses ist es, was die Schrift sagt: Ich werde euch nicht mehr weiden, spricht der Herr; wer stirbt, möge sterben, wer erwürgt wird, möge erwürgt werden, und die übrig bleiben, mögen sich gegens seitig aufzehren *). Das sind die Folgen, dieser Lehre, welche die Gesellschaft dem Zufall, oder vielmehr den unzähligen Launen und der ewig wandelbaren Wuth der menschlichen Leidens schaften überliefert.

Ehedem gab es ein sicheres Mittel gegen dieses radikale und unheilbare Uebel. Welches war dieses Mittel und dieses Präservativ? Suchet in der Geschichte. Es ist gewiß, daß wäh rend fünfzehnhundert Jahren Frankreich ruhig und blühend war. Wir finden keine von den grausamen und zerstörenden Revolu tionen, die unser schönes Land seit sechzig Jahren verheeren und verwüsten. Es waren also andere Grundsäge, welche damals verbreitet und den Gemüthern eingeprägt waren. Diese Wahrheit glänzt vor Euren Augen, wie die Sonne; sie reicht hin zur Widerlegung Eurer anarchischen Thorheiten, die Euch dahin gebracht haben, daß Ihr Nichts thut, Nichts hofft und Alles fürchtet.

Wie soll man aber, sagt man, diese geheimnißvolle Un gleichheit erklären, die sich immer zwischen Armen und Reichen gefunden hat, und an der man heut zu Tage so großes Aergerniß nimmt? Warum läßt man nicht zum Wenigsten auf die Armen einige Strahlen dieser Sonne fallen, die Allen Bequemlichkeit und Wohlbehagen gibt? - Das ist eine gefünftelte und heuchlerische Rede, die unter schmeichlerischen Worten finstere und ver abscheuungswürdige Anschläge verbirgt, Anschläge, die geeignet find, Alles zu verwirren, Alles zu verderben, was sage ich? die die Uebel vermehren, die den Stolz gegen die Vorsehung auf. wiegeln. Seit Anfang der Welt, haben Männer, welche ver ständiger und aufgeklärter waren, als Ihr es seid, die Ihr eine falsche Menschenliebe zur Schau tragt, dieses Mißverhältniß eingesehen, und nicht ändern können. Warum? Weil es unmöglich

1. *) Bach. 11, 9.

ift. Ja, dieser Zustand der Dinge ist ein Werk der ewigen Weisheit; man muß fie rechtfertigen.

Die Leidenschaften sind die Urheber des Unglücks auf diefer Welt; alle Klaffen haben gleichen Antheil daran. Nun sehen wir, welche Wirkungen sie durch ihre Niederlage und Unterdrückung, oder durch ihren Sieg hervorbringen. Die ausgeübte Tugend unterdrückt sie, die verachtete Tugend vermehrt fie und bereitet ihren Sieg. Untersuchen wir zuerst, was die Befriedigung der Leidenschaften bei den Reichen zur Folge hat. Sie sind im Ueberfluffe; sie athmen nur Vergnügen ein, sie schei nen alle Süßigkeiten, die raffinirtesten Genüffe, alle Ausschweifungen erschöpft zu haben; und diese Vergnügungen erzeugen in ihrer Seele nur andere ungezügelte Wünsche, die nie sagen: Es ift genug. Daher kommt eine Unruhe, welche sie quält, ein Feuer, welches sie verzehrt, ein thörichter, zuweilen monstruöser Ehrgeiz, von welchem sie beseffen werden. Sie geben sich der Unmäßigkeit hin, und werden eine Beute der Krankheiten, welche dieselbe erzeugt. Sie ruhen auf Betten, welche die Weichlichkeit erbaut hat, um einen sanften Schlummer auf ihre Augen herabzulocken, und dennoch schlafen sie nicht ein. Sie trachten nach Allem, und Alles, wonach fie ringen, flieht sie; am Ende werden ihre Gelüste und sie selbst sich zur Last. Das sind die wahren Unglücklichen. Laßt sie tugendhaft werden, und sie sind glücklich, nicht durch den Reichthum, der, wie man sieht, ihre Qual ausmacht, sondern durch die Tugend, die ihnen die Ruhe und alle Güter gibt, deren Quelle sie ist.

Der Arme hat viel weniger ungeregelte Neigungen. Diese sind nicht seine Feinde. Er hat keine anderen als die Entbehrungen, die nicht ohne Trost und Abhülfe sind. Er lebt von seiner Arbeit, die Alles Eitle und Trügerische zurückstößt. Sein Körper ist gesund, seine Seele ist ruhig, er ist dem Neide nicht ausgefeßt. Die Arbeit seiner Hände verschafft ihm das, was für den Menschen durchaus unentbehrlich ist, mehr verlangt er nicht. Sein Vermögen ist sehr bescheiden, aber es ist seinen Wünschen angemessen. Diese Mäßigung macht sein Glück aus, denn man wünscht Nichts, wenn man das Gewünschte besigt. Wenn ihn plöglich ein Unglück trifft, so sendet Gott die chriftliche Liebe, die ihn tröstet, und die dem Tugendhaften nie fehlt. Nie sah ich den Gerechten verlassen, sagt die h. Schrift, noch seinen Samen Brod suchen*).

Was den Armen anbetrifft, deffen Leidenschaften Nichts

*) Pfalm. 37, 25.

Beitscr. f. Philos. u. kathol. Theol. N. F. XII. 16 Heft.

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mäßigt oder einhält, so ist ein solcher, ich gebe es zu, der Unglücklichste unter den Sterblichen, aber er hat nicht das Recht, irgend Jemanden deshalb anzuklagen.

Wollet Ihr Beweise von dem, was ich gesagt, wollt Ihr Euch überzeugen, daß Reichthum und Ueberfluß nicht das Glück ausmachen? Unser Jahrhundert bedurfte zu diesem Zwecke einer auffallenden, unwiderlegbaren Demonstration: sie ist ihm geworden. Der Selbstmord, dieses abscheuliche Verbrechen, ist unserer Zeit eigen, und es ist eine notorische Thatsache, daß diese schauderhafte blutige Verzweiflung, eine Frucht des Lebensüberdruffes, eben so viel und verhältnißmäßig mehr Reiche als Arme durch eigene Hand den Tod finden läßt.

Ich füge eine andere Bemerkung hinzu, die den Sophisten schlechthin keine Ausflucht läßt. Die Gesellschaft ist eine wunderbare Maschine von einer unbekannten Hand eingerichtet, ich nehme es für einen Augenblick an. Ihr regelmäßiger Gang und ihr ewiges Spiel gründen sich auf gegenseitige und verschiedene Dienstleistungen, die allen Bedürfnissen des Menschen entsprechen, der zu Grunde gehen würde, wenn ihm dieser Beistand verweis gert würde. Daher kommt diese ungleiche Vertheilung, die dich stolzer und blinder Mensch verlegt! Aber rühre nur an diese Ungleichheit, und die Maschine zerbricht in demselben Augenblicke unter Deinen Händen und Du, der Du Reichthümer und eine eingebildete Größe zu finden hofftest, findest Nichts als Elend, Schande und Tod.

Gehen wir zu einem andern Artikel des Rundschrei bens über. Der Herr Erzbischof wendet sich an die Geistlichen and brückt sich folgendermaßen aus: Die Kirche achtet alle Regierungen, die sie eingefeßt findet, auch diejenigen, die aus Revolutionen hervorgehen, ohne nach dem Ursprung und dem Rechte zu fragen, wenn sie nur ihre Pflichten erfüllen." Prüfen wir diese Stelle. Es ist offenbar, daß die Regierungen, die plöglich und wie man die Hand wendet, auftauchen, zu denen gehören, die fich nur durch Gewalt erheben. Nun ist die Gewalt nicht das Recht. Alle durch Gewalt erzeugten Handlungen stehen daher nothwendiger Weise in Verbindung mit dieser gewaltsamen, unvorhergesehenen Veränderung; Verlegung des Eigenthumes, Mord und Alles Andere dieser Art ist größtentheils Hülfe und Mittel dazu gewesen.

Der Gesandte Gottes ift entweder Nichts, oder er ist es feinem geistlichen Amte schuldig, das Geständniß solcher ungeregelten Handlungen zu verlangen. Die politischen Verbrechen haben eine größere Ausdehnung als Privat-Vergehen, und schlagen der

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