Dischinger, biblische Begründung des christl. Ehegeseßes. 25 Maße erfolgt. Denn wollte man etwa an Schleierma cher und Daub als Theologen, die zugleich Philosophen waren, erinnern, so ist zu bemerken, daß, wie hoch man auch ihre wissenschaftliche Kraft anschlagen mag, doch die Richtung des leßtern im Wesentlichen die Schelling-Hegel'sche ist, die des erstern aber von Hinneigung zum Pantheismus sich nicht freisprechen läßt, und daher eine wahre Schußwehr nicht bieten kann. Biblische Begründung des christlichen Ehegeseßes. Daß die Ehe unter Christen, einmal gültig eingegans gen, sowohl die gleichzeitige Polygamie, als auch die Lösung des Bandes durch irgend eine menschliche Macht und Willkühr ausschließe, ist constante Lehre der Kirche. Auch die Schrift spricht in mehren Stellen *) sehr klar die abso lute Unauflösbarkeit der Ehe aus, während zwei Stellen, nämlich Matth. 5, 32. und 19, 9. eine Ausnahme von jes nem Gesetze dem Wortlaute nach zu enthalten scheinen. Das her die verschiedenartigsten Versuche, die Exceptionsform: παρεκτὸς λόγου πορνείας, in ber erften, unb jene εἰ μὴ ἐπὶ zogveia, in der zweiten Stelle in Harmonie mit der kirchlichen Lehre und Praris zu bringen. In dieser Beziehung gehen diese Erklärungen sehr weit auseinander. Die Einen behaupten **), Christus trage nicht sein Ehegeseß vor, son *) Mark. 10, 2-13.; Lut. 16, 18.; Röm. 7, 10-12. und 7, 39. **) Nach Cornel. a. Lapide comment. in Matth. 19, 9. war Paulus Burgenfis der Erste, welcher dieser Ansicht huldigte. Ihm folgte Ribera und in der legten Zeit Hug, dissertatio de coniugii christiani vinculo indissolubili, Friburgi 1816. dern interpretire nur das mosaische; die Anderen *) ersehen in der Apposition ein vorhergehendes Ehehinderniß, während eine dritte Klasse entweder eine vollkommene oder zeitweis lige und beschränkte Trennung darin erblickt **). Eine neueste Interpretation ***) nimmt nogveia für Unglauben und hält diese Stelle bei Matth. mit 1 Cor. 7, 12-16. für identisch. Da die Akten noch keineswegs geschlossen sind und noch kein befriedigendes Resultat erzielt wurde, so sei es erlaubt, die divergirenden Erklärungen zu prüfen und die mit so vies len Schwierigkeiten umgebenen Stellen allseitig zu bespre= chen und wissenschaftlich zu bestimmen. Nicht nur die Klarheit, sondern auch die wissenschaftliche Entwickelung scheint es zu erfordern, daß zuerst der Inhalt, sodann das Philologische und endlich ihre Einheit erörtert werde. I. Inhaltliche Erklärung. Um nachzuweisen, daß die angeführten Stellen das *) So Graz im Comment. zu Matthäus, Dr. Paulus und Brenner, Dogm. III. Thl., welche unter nogvɛía die vor der Ehe verübte Geschlechtssünde verstehen. **) Der ersten huldigen die Griechen und Protestanten, welche die Ehe wegen des Ehebruches vollkommen auflösen; der zweiten katholische Fregeten. ***) Dr. Werner, Professor der Theologie zu St. Pölten, eregetischer Versuch über Matth. 19, 9. und 5, 32–34. in der Zeitschrift von Dr. Seit für Kirchenrechts und Pastoralwissenschaft, II. Bd. G. 135-205 eine durch Gelehrsamkeit ausgezeichnete Untersuchung. Dagegen schrieb: Dr. Schleyer, Professor der Theologie in Frei: burg, über die Neutestamentliche Lehre von der unauflöslichkeit der Ehe. Mit Rücksicht auf die neuesten Bearbeitungen dieses Gegenstandes von Hrn. Prof. Werner in St Pölten, und Hrn. Geheimen Kirchenrath Paulus in Heidelberg. Freiburg, 1844. Darauf ant: wortete Dr. Werner in einem offenen Sendschreiben: ueber den neutestamentlichen Ehetrennungsgrund bei Matth. 5, 32. u. 19, 9. und bei Paulus 1 Cor. 7, 12-16. Regensburg 1845. christliche Ehegeseß enthalten, muß aus der Betrachtung des Inhaltes sich ergeben, daß Christus nicht das mosaische Ges ses interpretirte, sondern sein eigenes Geseß gab, sodann, bag bie appofition: παρεκτὸς λόγου πορνείας, ober: εἰ un ini nooveia, weder ein vorhergehendes, noch ein nachfol gendes Ehehinderniß ausspricht. Nach Matth. 19, 3-10., der vollständigsten Stelle, treten die Pharisåer zu Jesus, um ihn zu versuchen, und legen ihm die damals oft aufgeworfene Frage vor: Ist es dem Manne erlaubt, seine Frau um jeglicher Ursache willen zu entlassen? Worin diese Versuchung bestanden, erhellet aus der Sittengeschichte jener Zeit. Wie im römischen Reis che der Lurus das Familienleben zerrüttet, und zur åußersten Zuchtlosigkeit geführt hatte, so war auch gerade um die Zeit, als der Erlöser seine irdische Wanderschaft antrat, im jus dischen Lande Ehescheidung und Wiedervermählung ganz ge wöhnlich geworden, und der fleischliche Sinn hatte seinen Höhepunkt erreicht. Selbst der leßte der Propheten, Johan nes der Läufer, erlitt den Tod eines Martyrers wegen eines geschiedenen Weibes. Der zuchtlose Sinn suchte nun auch eine Rechtfertis gung im Gesetze, welches zwar eine vollkommene Ehetrens nung zuließ und unter gewissen Bedingungen für erlaubt ers flårte, aber nimmermehr für jede Ehescheidung diese Erlaubts heit aussprach, obwohl die nachfolgende Ehe gültig war. Die Pharisaer wollten also jede Entlassung durch das mos saische Gesetz rechtfertigen, so daß sie nicht nur nicht ungültig, was sie in keinem Falle war, sondern sogar erlaubt war. Daher fragten sie, ob die Entlassung erlaubt sei. Dabei mußten sie zugleich eine Stelle im Auge haben, die wenigs stens dem Scheine und dem Worte nach eine Erlaubtheit und Ungestraftheit für alle Fälle der Entlassung enthielt, und abermal mußte diese Stelle zweifelhafter Natur sein und die eine Interpretation einer andern entgegenstehen. Hier fommt uns die Geschichte entgegen, wonach sich zwei Schus len, die Schammaianer und Hilleliten, die Alt- und Neus gläubigen bildeten, und wovon die ersteren nur wegen Ehes bruches, die leßteren aber wegen jeder Ursache *) die Ehes trennung für erlaubt hielten. Welches wird nun die Stelle sein, worauf beide Schulen ihre Lehren gründeten? Es findet sich keine andere, als die, worauf sich der Herr (Matth. 5, 31.) und die Pharisåer, welche er fragte (Matth. 19, 7.), beriefen, nämlich Deuter. 24, 1-4., welche Stelle nach dem Urterte lautet: Wenn ein Mann eine Frau nimmt, und sie besißt, und wenn es geschieht, daß sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er an ihr eine schändliche Sache (127 m) findet, und er ihr den Scheidebrief schreibt, und ihn in ihre Hand gibt, und sie aus seinem Hause entläßt, 2. und sie aus seinem Hause tritt, und hingehet, und einen andern Mann heirathet, 3. und sie der zweite Mann haßt und ihr den Scheidebrief schreibt, und ihn in ihre Hand gibt, und sie aus seinem Hause entläßt, oder wenn der zweite Mann stirbt, der sie zum Weibe genommen: 4. so kann ihr erster Mann, der sie entlassen, sie nicht wiederum nehmen u. s. w. Die LXX. und Vulgata haben eine ans dere Abtheilung, indem sie den Nachsaß schon mit den Worten: Und er ihr den Scheidebrief schreibt, beginnen. Nach dieser Uebertragung wäre das mosaische Gesetz klar ausgesprochen, während es nach dem Urterte nur historisch und indirect angeführt wird, indem der Hauptnachdruck darauf ruht, daß keine abermalige Verbindung, wenn eine Heirath dazwischen trat, vorgenommen werden dürfe. Die Gesetzes= lehrer trugen dieses Geseß so vor, daß sie die einzelnen Bes stimmungen aus dem ganzen Zusammenhange herauslasen und daher erklärten: Moses habe dem Weibe den Scheides brief einzuhändigen befohlen. Obwohl sich die Schulen nur auf diese Stelle bezogen haben konnten, so ist es doch nicht hinlänglich klar, wie darin die Hilleliten die Erlaubtheit aus jeglicher Ursache * Ioseph. Antt. IV. 8, 23. xa' as dynosour allas. finden konnten, da nur 27 erwähnt und als Apposition zu dem Saße: wenn sie keine Gnade findet, gefügt wird. Hier gehen die Interpretationen auseinander. Nach Klee*) trennten die Hilleliten 1979 von 27 und lehrten, wegen Unzucht und sonst einer Ursache könne eine Entlassung Statt finden. Diese Variante kommt indessen nirgends vor, und gibt, selbst wenn sie angenommen wird, für sich allein nicht den Sinn: Wegen Unzucht und sonst einer Ursache. Eine andere Erklärung besteht darin, daß man 27 eine weitere Ausdehnung gab, und unter der schändlichen Sache (йoynuov ngãyua) alles dem Manne Mißliebige verstand. Jedoch ist nicht zu glauben, daß die Schammaianer und Hilleliten über eine Wortbedeutung stritten, und beide keinen bestimmten Sinn damit verbanden. „Schändliche Sache" ist nicht mit: jegliche Ursache, z. B. Zornmüthigkeit, Haß und Wahnsinn, gleichbedeutend. Wohl konnten sich die Schammaianer darauf berufen und darunter den Ehebruch verstehen; aber nimmermehr die Hilleliten. Eine dritte Ins terpretation besteht darin, daß sie den Vordersaß: Und wenn sie nicht Gnade findet, von dem Nachsaße: Weil er an ihr etwas Schändliches findet, trennten, für ein 7 = oder sezten **). Allein es läßt sich nicht denken, einer Leseart, die höchst unwahrscheinlich ist, tige Sache ableitete; denn der erste Sat: wenn sie nicht Gnade findet, ist so allgemein, daß der weitere Zusaß: oder wenn er an ihr etwas Schändliches findet, widersinnig wird, während die entgegengesetzte Abfolge: wenn er an ihr ets was Schändliches findet, oder wenn sie nicht Gnade findet, ganz richtig wäre. daß man von eine so wichs Neben dieser nicht vollkommen begründeten Ansicht läßt sich eine vierte rechtfertigen, daß sie nåmlich den dritten Vers: Und wenn sie der zweite Mann haßt (8) und schreibt ihr den Scheidebrief, wo gar kein Grund erwähnt wird, zu *) Dogmatik, III. B. S. 352. Anm. III. Aufl. **) Werner, Zeitschrift von Seiß, II. B. S. 137. |