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Erstes Kapitel.

Geschichte des Erkenntnis-Problems in Grundzügen.

§ 1. Antike (bis Aristoteles).

In der Philosophie ist die Entwickelung in der Stellung eines Problems meist bedeutsamer, als die Geschichte der Lösungsversuche. So ruht denn auch der Schwerpunkt des Erkenntnisproblems mehr in der Aufrollung und Präzision der Frage selbst, als in den jeweiligen Antworten. Die ersten Anklänge an eine Erkenntnistheorie finden sich in mythologischem Gewande bereits bei den alten Indern.

Im Rigveda und in den indischen Veden überhaupt 1) 2) besteht zwar noch der Glaube an Naturgottheiten, Verehrung und Opferdienst an diese, wobei Indra, Varuna nnd Agni als die obersten Götter 3) verehrt werden. Aber späterhin erscheinen als oberste Gott

1) Vgl. hiezu und zu dem folgenden: Ueberweg, Grundriß der Philosophie, I. Teil, Das Altertum, bearbeitet und herausgegeben vou Heinze, 8. Aufl., Berlin 1894, S. 20 und die dort S. 17 f. angeführte Literatur; 9. Aufl., Berlin 1903, S. 18-25 und die Literaturangaben S. 19-23.

Über die vier Schichten der vedischen Literatur vgl. (F.) Max Müller, Vorlesungen über den Ursprung und die Entwicklung der Religion, mit besonderer Rücksicht auf die Religionen des alten Indiens. Straßburg 1880, S. 167-176. Siehe ferner Max Müller, Essays, I. Bd., Beiträge zur vergleichenden Religionswissenschaft, übersetzt, Leipzig 1869.

2) Veda bedeutet ursprünglich Wissen, Weisheit, Wissenschaft. Der Rigveda ist der bedeutendste unter den Veden. Rigveda bedeutet den Veda der Lobgesänge, von Rik preisen.

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Die Dichter des Veda lebten etwa 3000 bis 4000 Jahre vor Sâyana Âkârya (dieser um 1400 nach Christi Geburt), welcher den alten Kommentar zum Rigveda sammelte und zusammenstellte.

Vgl. Max Müller, Essays Bd. I, Vorlesung über den Veda, S. 6-8; das AitareyaBrahmana S. 103.

3) An diese drei sind die meisten Lieder gerichtet; ihnen vornehmlich werden Opfer gespendet. Mehrfach wenden sich die Lieder auch „An alle Götter", die zahlreichsten aber an Indra. Vgl. Rig-Veda, übersetzt und mit kritischen und erläutern

Berolzheimer, Kritik des Erkenntnisinhaltes.

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heiten Brahma1), der Urgrund der Welt, die ein durch die täuschende Maja bedingtes Spiegelbild in seinem Geiste ist, Vischnu 5), der Erhalter und Regierer, Siva der Zerstörer und Erzeuger 6).

den Anmerkungen herausgegeben von Hermann Graßmann, I. Teil, Die Familienbücher des Rig-Veda, Leipzig 1876; II. Teil, Sammelbücher des Rig-Veda, Leipzig 1877. S. ferner Rig-Veda oder die heiligen Lieder der Brahmanen, herausgegeben von Max Müller, I. Teil, Leipzig 1856. (Englische Ausgabe: Rig-Veda-Sanhita. The sacred hymns of the brahmans. Translated and explainted by F. Max Müller, Vol. I, London 1869.) Rig-Veda-Sanhita, The sacred hymns of the brahmans; together with the commentary of saya-nacharya. Edited by Max Müller, Vol. I-VI, London 1849 bis 1874.

Max Müller gibt der vedischen Religionsanschauung die Bezeichnung, Kathenotheismus“, d. h. Mittelreligion zwischen Mono- und Polytheismus, in welcher die verschiedenen Götter nur verschiedene Namen eines einzigen Gottes darstellen (Max Müller, Essays Bd. I, Vorlesungen über den Veda S. 25).

Siehe auch Lucian Scherman, Philosophische Hymnen aus der Rig- und Atharva Veda-Sanhitâ verglichen mit den Philosophemen der älteren Upanishad's, StraßburgLondon 1887. Hegel, Geschichte der Philosophie, I., W. W. Bd. 13, S. 145-168.

4) bráhman bedeutet ursprünglich Kraft, Wille, Wunsch, und die fortdrängende Schöpfungskraft, letzte Ursache aller Dinge.

Vgl. Max Müller, Essays Bd. I, der Veda und Zendavesta S. 67; s. auch dort S. 331 f.

„Der Vedanta-Philosoph glaubt, daß der Mensch frei ist, sobald er die Erkenntnis gewonnen, daß außer Brahman nichts existiert, daß sämtliche Phänomene bloß das Resultat der Ungewißheit seien, daß, sobald diese Ungewißheit und ihre Wirkung vernichtet ist, alles sich wieder in Brahman, dem wahren Quell des Daseins und des Glücks auflöst" (Müller, ebenda S. 201).

5) Lieder an Vischnu finden sich aber auch schon im Rig-Veda. Vgl. Graßmann a. a. O. II S. 20, 154–156, I S. 376 f. Das bei Graßmann II S. 154 f. (Rig-Veda I 154) angeführte Lied findet sich auch bei Geldner und Kaegi, Siebenzig Lieder des Rigveda übersetzt, Tübingen 1875, S. 53.

6) Vgl. Ueberweg-Heinze I (8. Aufl., S. 20), 9. Aufl., S. 23. Die indische Philosophie beruht auf sechs Sammlungen kurzer Lehrsätze. Die drei Hauptschulen der indischen Philosophie sind die Vedanta-, Nyâya- und Sânkhya-Systeme. Die drei Hauptansichten der indischen Philosophie sind im Prasthânabheda, d. h. „Die Verschiedenheit der Wege, die zum Ziele führen", verfaßt von Madhusudana-Sarasvati, dargestellt. Im Nyâya-System ist von Gotama eine Logik in fünf Abschnitten verfaßt worden, welche die Erkenntnis der Hauptfragen der Logik zum Zweck der hieraus resultierenden Befreiung von Übel erstrebt.

Die drei Hauptansichten, welche in den sechs indischen Systemen über das Göttliche und Irdische und ihre gegenseitige Beziehung aufgestellt sind, werden von Madhusudana folgendermaßen präzisiert. Faßt man alles zusammen, sagt er, so gibt es doch nur drei verschiedene Wege zum Ziele! Der erste ist die Annahme eines Anfangs; der zweite die Annahme einer Entwicklung; der dritte die Annahme einer Täuschung. Die erste Annahme gehört den Logikern und den Mîmânsakas.

Hier wird also bereits jene erkenntnistheoretische Urwahrheit ganz deutlich ausgesprochen: der Mensch erkennt nicht die Welt, wie sie ist, sondern gleichsam durch einen Schleier getrübt.

Ueber Raum und Zeit lehrt die indische Philosophie: „Zeit ist (scil. nach Kaņâdas Vaiçeshika-Lehre) die Ursache von dem, was wir vergangen, gegenwärtig und zukünftig nennen. Als dravya (Gegenstand) ist die Zeit (wie das Âkâça) ewig, eins, und alldurchdringend. Der Raum ist die Ursache von dem, was wir östlich, westlich u. s. w. nennen. Als Gegenstand ist er ewig, eins und alldurchdringend. Wenn Zeit und Raum hier als Gegenstände bezeichnet werden, so muß man sich erinnern, daß (dravya) Gegenstand nichts weiter bedeutet, als was Eigenschaft oder Bewegung besitzt, und der innige, unmittelbare Grund der Erscheinung ist. Wären Zeit und Raum Eigenschaften (guna), so müßten sie an den Gegenständen sein, was der Vaiçeshika leugnet 7)". Eine besondere Klasse von Gegenständen ist die, welche, als Atome, oder vielmehr in ihrer absoluten Form, nicht unendlich klein (paramânu), sondern unendlich groß (vibhu) sind. Zu dieser Klasse gehören Äther, Raum, Zeit und Selbst. Allen gemeinschaftlich sind die Prädikate vibhu (unendlich) und nitya (ewig)8)“.

Die erste Formulierung einer Erkenntniskritik wird dem chinesichen Weisen Confucius (551-479 v. Chr.) in den Mund gelegt. Er soll zu seinen Schülern gesagt haben 9) (in der französischen ÜberNach ihnen beginnen die vierfachen elementarischen Atome, vom Doppelatom an bis zum Brahma-Ei hinauf; die Welt und das (als Ursache, kârana) Nichtseiende wird wirklich (kârya) durch die Tätigkeit eines Schöpfers. Die zweite ist die Ansicht der Sânkhya- und Yoga-pâtanjala-Systeme. Nach ihnen entwickelt sich der Urgrund, der in sich die drei Eigenschaften von Licht, Dunkel und Finsternis trägt, in bestimmter Reihenfolge zur weltlichen Existenz. Das Wirkliche ist bereits zuvor in feinerer Form; aber es wird offenbar erst durch die Tätigkeit seiner eigenen Ursache. Die dritte Ansicht ist die der Brahma-Wissenden. Nach ihnen stellt sich das Brahma, vermöge seiner eigenen Mâyâ getäuscht, in Weltgestalt vor." (Max Müller, Beiträge zur Kenntnis der indischen Philosophie. In der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Bd. VI, 1852, S. 7 f.; siehe ferner Müller daselbst S. 1-34, 219-242 und Bd. VII, 1853, S. 287-313. Vgl. insbes. Bd. VI S. 4, 15, 227, 229, 236; Bd. VII S. 299).

7) Max Müller, Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Bd. VI, 1852, S. 24.

8) Max Müller, ebenda S. 26.

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9) Lén-Yù, cap. XII v. 17; entnommen aus: Paul Perny, Grammaire de la langue chinoise orale et écrite, Paris, T. II, 1876, p. 243 Note 1. Max Müller, Essays, Bd. I, die Werke des Confucius, S. 270, übersetzt: Der Meister sagte: „Soll ich Euch lehren, was Kenntnis ist? Wenn Ihr etwas wißt, zu behaupten, daß Ihr

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