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zuheben sind namentlich: Die Kantinterpreten B. Erdmann und Hans Vaihinger 88); ferner die von Hegel zu Kant zurückstrebenden und -weisenden Hegelianer Ed. Zeller und K. Fischer 89), sodann Albrecht Krause 9o), A. Classen 91), J. Volkelt 92), Paulsen 93), Hermann Cohen 94), Natorp 95) und der Jurist Rudolf Stammler 96) 97) 98).

88) S. Ueberweg-Heinze IV S. 215-217.

89) S. insbes. Geschichte der neueren Philosophie, Bd. V (Kant, 2. Teil), S. 585 bis 623.

90) Die Gesetze des menschlichen Herzens, eine formale Logik des reinen Gefühls, 1876.

91) Physiologie des Gesichtssinnes, 1877.

92) Kants Erkenntnistheorie nach ihren Gesichtspunkten analysiert, 1879. Vgl. dazu Ueberweg-Heinze IV S. 215, 221, 225 f. In seinen späteren Schriften, namentlich in dem Werke: Erfahrung und Denken, Kritische Grundlegung der Erkenntnistheorie, Hamburg und Leipzig 1886, nimmt jodoch Volkelt einen selbständigen Standpunkt ein. S. übrigens auch unten Note 97.

93) Einleitung in die Philosophie, Berlin 1892, 10. Aufl. 1903.

94) In Betracht kommen vornehmlich: Kants Theorie der Erfahrung, Berlin 1871, 2. Aufl. 1885; Die systematischen Begriffe in Kants vorkritischen Schriften nach ihrem Verhältnis zum kritischen Idealismus, Berlin 1873; Kants Begründung der Ethik, Berlin 1877; Kants Begründung der Ästhetik, Berlin 1889; System der Philosophie, I. Teil, Logik des reinen Erkennens, Berlin 1902.

95) Einleitung in die Psychologie nach kritischer Methode, Freiburg i. B. 1888. Übersicht seiner Werke und Darstellung seiner Ideen s. bei Ueberweg-Heinze IV S. 221 f., 215; vgl. ferner über Natorp: J. Baumann, Deutsche und außerdeutsche Philosophie der letzten Jahrzehnte S. 99-108. Natorps Sozialpädagogik, Theorie der Willenserziehung auf der Grundlage der Gemeinschaft, Stuttgart 1899, ist 1904 in zweiter Auflage erschienen.

96) Bedeutsamste rechtsphilosophische Werke: Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, eine sozialphilosophische Untersuchung, Leipzig 1896. Die Lehre von dem richtigen Rechte, Berlin 1902. S. dazu UeberwegHeinze IV S. 222.

97) Über Ed. Bernstein und andere sozialistische Neukantianer s. UeberwegHeinze IV S. 223.

98) Unter den Hegelianern bezw. den von Hegel beeinflußten Philosophen sind Ed. Zeller, K. Fischer, J. Volkelt hervorzuheben (s. jedoch oben, Text zu Noten 89 und 92). Neuhegelianer ist der Jurist J. Kohler: „... Der Umstand, daß wir alles in Raum und Zeit denken, hat seinen Grund wesentlich darin, daß wir, stets von Raum und Zeit umgeben, stets räumliche und zeitliche Bilder aufnehmend, in unserer Phantasie auch nur Räumliches und Zeitliches schaffen können. Daß wir uns aber darüber erheben können in unserem Verstande, indem wir von der Zeit absehen und uns etwas Unendliches denken, ist sicher. Dies schließt nicht aus, daß hinter der Welt der Erscheinungen ein raum- und zeitloses Wirkliches ist, welches die Erscheinungen in sich faßt, sodaß diese nichts anderes als Betätigungen seines wirkenden Wesens sind; auf diese Weise wird die Erscheinung stets vom Allwesen durchdrungen, und die ganze Folge der Erscheinungen zeigt eine Entwicklung, die

Berolzheimer, Kritik des Erkenntnisinhaltes.

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dem Streben des Allwesens gemäß ist ... Daß wir die Wirksamkeit des Allwesens nicht als ein blindes Zufallswirken, sondern als ein zweckentsprechendes teleologisches Wirken betrachten, versteht sich hiernach von selbst... Wie Hegel und wie Heraklit nehmen wir einen ständigen Fluß der Dinge an; aber wir vermeiden die besondere Auffassung Hegels, die hier überall die Denkkategorien anwenden will und auf solche Weise die Geschichte vermenschlicht. Die Bewegung des Weltwesens vollzieht sich in anderer Weise, als durch dialektische Gedankenentwicklung; sie zeigt eine ungeheure Mannigfaltigkeit in der Einheit und eine Tiefe, an die die Kategorien des menschlichen Denkens nicht heranreichen." (Rechtsphilosophie und Universalrechtsgeschichte, in v. Holtzendorffs Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, neu herausgegeben von J. Kohler, Leipzig-Berlin 1902, S. 8; s. daselbst auch S. 9, 69.)

Zweites Kapitel.

Die elementaren Orientierungserkenntnisse.
(Zahl, Ort, Zeit, Kausalität.)

§ 7. Chaotische und differenzierende Betrachtungsart.

Als chaotische Betrachtungsart bezeichne ich jene Weltanschauung, welche (bei konsequenter Durchführung) sagt: Es läßt sich in Raum, Zeit und Kausalität bei erkenntniskritischer Betrachtung nur das Unendliche, das All-Eine feststellen, ohne daß Unterscheidungen durchführbar wären. Von dieser Betrachtungsart wird das Gesetz der Differenzierung nicht anerkannt oder jedenfalls in seiner grundlegenden Bedeutung ungenügend gewürdigt; das All erscheint undifferenziert, chaotisch.

Der Chaotismus auf erkenntnistheoretischem Gebiete taucht in zwei Formen auf: Als realistischer und als idealistischer. Der realistische Chaotismus nimmt die Erscheinungswelt (die Welt, wie sie uns - durch sinnliche Wahrnehmung vermittelt erscheint) als Wirklichkeitswelt und gelangt hiebei in der Metaphysik zum reinen Pantheismus (Spinoza). Der idealistische Chaotismus nimmt eine differenzierte Erscheinungswelt an, durch welche uns die Sphäre des Dings an sich" als jene intelligible Welt verhüllt sei, in der das principium individuationis" in Wegfall komme. Diese Konsequenz der Kantschen Erkenntnistheorie hat bekanntlich von Kants Nachfolgern vornehmlich Schopenhauer ausführlicher betont1).

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In den beiden genannten Systemen kommt der Chaotismus auf erkenntnistheoretischem Gebiete, und zwar rein, ungeschmälert, offen zur Herrschaft.

1) Vgl. z. B. Die Welt als Wille und Vorstellung, II. Buch § 23, GrisebachAusgabe Bd. I, S. 166; Preisschrift über die Freiheit des Willens, V., Grisebach-Ausgabe Bd III S. 475.

Die eminente Bedeutung des Chaotismus für die Geschichte philosophischer Irrungen beruht aber hauptsächlich auf dem versteckten und auf dem sporadischen Vorkommen des Chaotismus.

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Der versteckte Chaotismus findet sich in jeder Erkenntnistheorie, welche in den Satz einmündet: лávτa ¿eł. Dieser Satz findet bekanntlich zuerst in der Heraklitschen Philosophie seinen prägnanten Ausdruck. Während hier aber der ewige Fluß der Dinge" sich als einfache Erfahrungstatsache dem philosophischen Beschauer aufdrängt, haben im 19. Jahrhundert einerseits Spencers und Darwins genialer Forschergeist, andererseits (Schellings und) Hegels gewaltige Philosophie dem nun als „Entwickelung" bezeichneten Prinzipe des steten Fließens eine in ihren Wirkungen auf die Geisteswissenschaften geradezu verhängnisvolle Ausbildung gegeben. Der Satz: „Nichts ist beständig als der Wechsel" spricht ausschließlich der Veränderung (biologisch gesprochen: Entwickelung) Realität zu und verneint damit die reale Existenz irgend eines Seienden (Unveränderlichen). Infolgedessen ist diese Erkenntnistheorie nichts anderes als eine besondere Art des Chaotismus, ein versteckter Chaotismus, weil sie als solcher sich nicht ohne weiteres zu erkennen gibt; oder man will — ein zeitlicher (die Zeitrelation betreffender) Chaotismus: Das chaotische Moment tritt vor allem im Mangel zeitlicher Sonderungen (Mangel an Beharrungsmomenten innerhalb der Entwickelung) zu Tage. Es fehlt hier „der feste Punkt". Die chaotische Natur dieser reinen Veränderungslehren oder Entwickelungsphilosophieen zeigt sich auch in ihrer Gestaltung in der Metaphysik; hier gelangt die naturwissenschaftliche oder realistische (sogen. darwinistische) Richtung, soweit sie konsequent bleibt, zum Atheismus, während die philosophische oder idealistische Abspaltung (Hegel, Kohler) zum Pantheismus führt.

wenn

Wollte man den erkenntnistheoretischen Chaotismus konsequent durchführen, so würde man vornehmlich in der Ethik zu Ergebnissen gelangen, deren Richtigkeit schon gefühlsmäßig verneint wird, weil sie auf voluntaristischem Felde zur Aufhebung aller Kulturerrungenschaft, zum Quietismus und Fatalismus führen müßten. Daher wird die radikale Durchführung der chaotischen Grundidee regelmäßig abgelehnt. Den Mut der Konsequenz hatte Spinoza, welcher als Erster die Notwendigkeit des Bösen als von Gott mitgewollt und miterschaffen anerkannt und sich damit in gewissem Sinne „jenseits von Gut und Böse" gestellt hat, was ihm von Seite Leibniz' die Zensur einer „doctrina pessimae notae" eingetragen hat.

Hegel hat es verstanden, konsequent zu bleiben, ohne in Spinozas Fehler zu verfallen. Sein Satz: „was wirklich ist, ist auch vernünftig" 2) will lediglich entwickelungsgeschichtlich oder universalhistorisch dahin aufgefaßt werden, daß das Böse in der Welt notwendig sei als Entwickelungsfaktor 3), wodurch indes die Bedeutung des Bösen als des Verwerflichen und zu Bekämpfenden in keiner Weise aufgehoben werde1).

Werden demnach hier trotz chaotischer philosophischer Basis die Konsequenzen des Chaotismus nicht in voller Schärfe gezogen, so findet sich andererseits wieder die entgegengesetzte Erscheinung, daß nämlich die differenzierende Betrachtungsart gelegentlich gestört, alteriert, aus der Bahn geworfen wird durch sporadischen Chaotismus.

Die Verwirrung, welcher dieser angerichtet hat, findet sich vornehmlich in der Behandlung zweier Probleme: der Kausalität3) und Willensfreiheit).

John Stuart Mill hat bekanntlich den Satz aufgestellt, daß die Ursache im philosophischen Sinne gleich der Gesamtheit der Erfolgsbedingungen sei"). Bei der Festhaltung und Durchführung dieser Ansicht ist aber die Heraushebung eines einzelnen Kausalverlaufs aus dem Gesamt-Weltverlaufe unmöglich und es ergibt sich vielmehr an Stelle einer Welt von Ursachen und Wirkungen das unklärbare Chaos. Diese Millsche Anschauung hat aber nicht nur in den juristischen Kausaluntersuchungen, insbesondere der strafrechtlichen Doktrin, weitgehenden Einfluß erlangt 8), sondern hat auch in der ökonomischen Kausaluntersuchung Anhänger gefunden.

2) Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede S. 17.

3) Vgl. Kohler, Rechtsphilosophie und Universalrechtsgeschichte S. 11; s. auch Kohler, Nachwort zu Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, Würzburg 1884, S. 2, 5.

4) Ähnlich wird auch das Böse teleologisch gerechtfertigt. Vgl. meine Entgeltung im Strafrechte S. 81-86 und die dort angeführte Literatur. S. übrigens auch Shakespeare, König Heinrich V., 4. Aufzug, 1. Szene: „Es ist ein Geist des Guten in dem Übel.“

5) Vgl. unten §§ 22, 22a.

6) Vgl. meine Entgeltung im Strafrechte S. 40-109, 350-352. Mit Geist und Schärfe bekämpft G. Tarde an verschiedenen Stellen seiner La philosophie pénale, VIII. ed., Lyon-Paris 1904, den deterministischen Chaotismus und betont dagegen die Selbständigkeit, die Realität des Individuums.

Über die Grundlagen des Determinismus Spinozas vgl. oben § 2.

7) Vgl. hiezu meine Entgeltung im Strafrechte S. 328-337 und meine Rechtsphilosophischen Studien S. 1 f. und § 22 Note 4 dieser Abhandlung.

8) Vgl. die näheren Darlegungen unten § 22a.

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