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Dies gilt auch im Gebiete der Philosophie und der Kunst. Die genialsten spekulativen Konstruktionen wie auch die vornehmsten Schöpfungen des begnadeten Künstlers sind in letzter Linie nichts. anderes als Ergebnisse der Perspektiven-Änderung: sie beruhen auf einer veränderten Art des (ideologischen) Sehens und Erkennens. Die fundamentale Bedeutung der christlichen Ethik wurzelt - erkenntniskritisch betrachtet nicht zum mindesten darin, das sie die radikalste perspektivische Wandlung gegenüber jeder früheren Philosophie vollzogen hat, woraus ihre unvergängliche Geltung in der Anerkennung des Menschen, in der Findung und Wertung der Menschheit" hervorgegangen ist 4). Kulturträger und Kulturförderer waren schon die alten Babylonier, Ägypter, Juden, Griechen. Aber die Grundidee der Kulturmenschheit, die Prägung der Kulturidee xar' ¿§ozýv blieb Christus vorbehalten, weil sein in das Unendliche erweiterter Blick erstmals die ganze Menschheit in ihrer Gesamtheit erfaßt und als ideologische Einheit fixiert hat.

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Vielleicht zu keiner Zeit hat sich das geschichtsphilosophische Grundgesetz so deutlich offenbart, als gegenwärtig in jenem Komplexe von Erscheinungen auf allen Gebieten des geistigen, des gefühlsmäßigen und des Wirtschaftslebens, welches wir zusammenfassend als die Keimansätze der Neorenaissance" bezeichnen können.

Wenn wir diesen Umschwung, welcher zum Teil schon eingetreten ist, zum Teil noch im Werden begriffen steht, von Grund aus erkennen wollen, müssen wir die reifende Gesamtentwicklung ins Auge fassen. Wie sich im juristisch-ökonomischen Felde neue Erscheinungen aus dem Dunkel in immer helleres Licht drängen, so vollzieht sich ein gewaltiger Gärungsprozeß auf allen anderen. Gebieten menschlicher Lebens-, Wissens-, Glaubens-Betätigung. In der Physiologie kann die Zellentheorie ihre universale Bedeutung nicht mehr voll behaupten, vielmehr tritt die Bedeutsamkeit des Blutes für die Ernährung, Heilung, Regeneration durch die Serumtherapie wieder mehr in den Vordergrund. In der Chemie häufen sich stets zunehmende Zweifel an der Richtigkeit der Atomentheorie

der hiegegen einsetzende Kritizismus findet seine Wurzeln in den epochemachenden neuesten Entdeckungen der Physik über Strahlen, deren wundersame Wirkungsart sich in die bisherigen physikalischchemischen Grundanschauungen nicht recht einfügen lassen will, und

4) Vgl. meine Rechtsphilosophischen Studien S. 73–79.

in den Hinweisen auf die unübersehbare Kompliziertheit der bisher als letzte, unteilbare Einheiten betrachteten Atome. Zugleich hat sich eine wesentliche Umkehrung in den metaphysischen Anschauungen vollzogen. Der Materialismus, welcher in der atomistischen Naturlehre und in der Überschätzung der Ergebnisse der Deszendenztheorie die stärksten Daseinswurzeln fand, ist im Weichen begriffen und findet Ersatz durch idealistische Weltanschauungen, welche teils in der Rückkehr zur geoffenbarten Religion, teils in mystischen, teils in philosophischen Ansichten gründen. Zugleich wächst das philosophische und religiöse Sektierertum und steigt die Betonung des Konfessionalismus. Auch auf allen Gebieten der Kunst und Literatur, zeigt sich die Abkehr vom Materialismus (reinem Naturalismus) und das Neuerwachen neuromanischer und neuromantischer Bildungen.5)

Nicht minder markant ist der juristisch-ökonomische Umschwung, welcher mit der Abkehr vom Individualismus, vom manchesterlichen Smithianismus, vom Waltenlassen des freien Spiels der Kräfte, von der Idee des laisser faire et laisser passer, von der Festhaltung eines absoluten, an sich und für sich Geltung heischenden, starren Freiheitsbegriffes eingesetzt hat.

Sucht man in den Kern dieser universalen geistigen Umschwungsbewegung Einblick zu gewinnen, so drängt sich dem Beschauer ein überraschender Parallelismus mit der geistigen Welt des Mittelalters auf.

Die Bedeutsamkeit des Blutes für die Physiologie, die kürzlich noch verlachten Ideen der Alchymisten, der Idealismus im Glauben,

5) Vgl. dazu Ludwig Stein, Der Sinn des Daseins, Tübingen und Leipzig 1904, S. 152 über die Neo-Romantiker unserer Zeit: Brunetière, Tolstoi, Nietzsche und Schopenhauer.

Auch in den philosophischen Disziplinen ist ein Neoidealismus erwacht und tritt ein Zurückgreifen vorerst in die vorkantische Zeit mehr oder minder deutlich in die Erscheinung. Ludwig Stein äußert sich darüber (a. a. O. S. 85) wie folgt: Die Entwicklungslehre in allen ihren philosophischen Auszweigungen, insbesondere die zur Energetik neigende Naturphilosophie Ostwaldscher Prägung, hat uns in der Metaphysik Leibniz, in der Erkenntnistheorie Hume wieder zu lebendigem Bewußtsein gebracht, sodaß man sich des Eindrucks kaum erwehren kann, das nächste Jahrzehnt werde zwei Richtungen in den Vordergrund stellen: Die eine, heute schon vernehmlich durchklingende, mit der Devise: Zurück auf Hume', und die andere, vorerst nur schüchtern und verstohlen sich hervorwagende: Zurück auf Leibniz'. Die Erkenntnistheoretiker des Empiriokritizismus (Avenarius, Mach, Cornelius, Petzoldt) lenken ebenso zu Hume zurück, wie die Naturphilosophen vielfach auf Leibniz zurückgreifen."

ist zu

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in der Philosophie und in der Kunst, die Ketzerrichtung und konfessionelle Befehdung, das Mittelalter mit seinen starken Lichtund seinen grellen Schattenseiten, das wir längst abgetan wähnten, neuem Leben erwacht. Man mag diese Neo-Renaissance (Secundo-Renaissance) mit Freuden oder mit Trauer begrüßen: Sie ist eingetreten, oder vielmehr sie steht auf der ersten Stufe ihrer Entwickelung, und sie wird ihren Weg ungehemmt, unhemmbar fortsetzen, bis auch sie zur Reife und nachmals zur Ueberreife und zum Schwinden gelangt sein wird.

Aber ein bedeutsamer Irrtum muß im vorneherein fernegehalten werden: Die Zeiten gleichen sich, aber sie wiederholen sich nicht. Die von Nietzsche aufgenommene alte Lehre von der ewigen Wiederkehr alles Gewesenen ist ebenso sicher irrig in ihrer Totalität, als durchsetzt von einem Stückchen absoluter Wahrheit. Nicht Identität früherer und späterer Zeiten ist möglich dies wäre schon ein begrifflicher Widersinn, sondern bloße Ähnlichkeit und Wesensverwandtschaft; nicht Wiederkehr, vielmehr nur Parallelismus.

Dieser Parallelismus tritt vielleicht im Augenblicke in der Kunst, im Glauben und in der juristischen Ökonomie am evidentesten in die Erscheinung.

Das Verständnis für die feinen Schöpfungen der alten Meister der Kölner Schule, der Niederländer und der Deutschen, namentlich Dürers, das liebevolle Eingehen auf die naive Seite in ihrer Auffassungskraft, die Begeisterung für die blutleeren, fleischarmen, spiritualisierten und zugleich lieblich verklärten Gestalten Botticellis, wie nicht minder der neu erwachte Sinn für Farbe gestatten den Schluß, daß unsere künstlerische Denk- und vor allem unsere ästhetische Empfindungsweise auf ein dem Ausgange des Mittelalters und der beginnenden Renaissance paralleles Niveau eingestellt sind.

Die religiösen und metaphysischen Parallelerscheinungen drängen sich dem Beobachter von selbst auf.

Das dritte höchst bedeutsame Gebiet der Neo-Renaissance, des Parallelismus zum endenden Mittelalter, ist das juristisch-ökonomische.

Und zwar dies sowohl in ideologisch-theoretischer, wie auch in praktischer Hinsicht.

In theoretischer Beziehung durch den wohl im Wiedererwachen begriffenen Sinn für die rechtsphilosophische Bedeutung der Entgeltung, des Äquivalents. Auch hier wird nicht eine Wiederkehr, eine

bedingungslose, unveränderte Aufnahme des Früheren erfolgen, sondern eine Wiederkehr in höherer Aufstieglinie, eine Neubelebung der Idee, welche zugleich eine Reformgestaltung bedeutet.

In praktischer Hinsicht durch das Neuaufleben der mittelalterlichen wirtschaftlichen Gebundenheit, eine Neubelebung, deren wesentlichster Reformkern darin ruht, daß an Stelle des mittelalterlichen Bandes, des gesetzlichen Zwanges, das moderne Band freier vertraglicher Einung tritt.

Diese Erscheinung, welche für das Handwerk in der reformierten Neubelebung der Zwangszünfte durch die freien Innungen schon früher sichtbar geworden ist, hat sich in der Industrie und im Handel bemerkbar gemacht als vertragliche Produktiveinung in Form der Kartelle 6). Auch die Ausdehnung rechtlich garantierter Standespflichten auf Gewerbetreibende durch die Gesetzesbestimmungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs"), auf Börsenbesucher durch das Börsengesetz 3), auf Ärzte durch Standesordnungen, offenbart die Tendenz der Zeit zur Neubegründung nicht nur sozial, sondern auch rechtlich anerkannter Berufsstände. Dieselbe Richtung weisen die Gewerbegerichte, die kaufmännischen Schiedsgerichte, die Arbeiterversicherungsgesetze auf.

So augenfällig aber auch der Parallelismus zwischen zwei Zeitepochen sein mag, so innige Vorwandtschaft zwischen zwei Perioden in die Erscheinung treten mag, es besteht immer nur Ähnlichkeit, Gleichartigkeit, niemals Identität bedeutende Gleichheit.

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Mittelalter und den sich neu anbahnenden Parallelerscheinungen beruht darin, daß inzwischen die Individualfreiheit des Einzelnen in Wirtschaft und Recht zur Anerkennung gelangt ist").

Eine Neorenaissance bricht an, aber sie ist nicht eine einfache Wiederholung der früheren Zeit, sondern eine bloße Parallelerscheinung.

6) Vgl. meine Abhandlung Zur Kartellfrage, Legislativpolitische Betrachtungen mit einem Anhange: Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kartellierungen" (Juristische Vierteljahresschrift, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Juristenvereines in Prag von Frankl und Finger, 35. Bd., Der neuen Folge 19. Bd., III. und IV. Heft, Wien 1903, S. 97-149.)

Die gegenwärtige Darlegung ist jener Abhandlung zum Teil wörtlich entnommen, zum Teile erweitert.

7) Vgl. meine Entgeltung im Strafrechte S. 213–217.

8) S. § 10 des deutschen Börsengesetzes vom 22. Juni 1896.

9) Vgl. meine Rechtsphilosophischen Studien §§ 9--12, namentlich § 12.

§ 22. Die Kausalität als ideologische Notwendigkeit.

Die Kausalität als Idee ergibt das Kausalitätsgesetz. Es ist von großer Wichtigkeit, sich über die Tatsache der Duplizität der Kausalität (als Vorstellungsurteil und als Idee) und über den Inhalt der (konkreten) kausalen Vorstellungsurteile einer-, der kausalen Idee andrerseits bündig und klar Rechenschaft zu geben. Denn hierin ruht wesentlich die Möglichkeit, die vielen Irrungen und Wirrungen, welche bis heute in der Theorie der Kausalität bestehen, fernzuhalten.

Das kausale Vorstellungsurteil sagt: „Auf A folgt notwendig (unausbleiblich) B, (wenn A eingetreten ist, tritt B ein)." Die kausale Idee sagt; „Alles was geschieht, hat eine Ursache". Es besteht also hier genau die analoge Relation, wie bei anderen Vorstellungen gegenüber den entsprechenden Ideen, wie also z. B. bei der Zeit oder beim Raume: Die einzelne Vorstellung umfaßt hier wie dort lediglich ein konkretes Verhältnis A-B; die Idee erweist sich generell, als Unendlichkeitsskala, welche alle überhaupt möglichen konkreten Relationen ideell in sich begreift, selbst aber nicht mit diesen Relationen (auch nicht mit ihrer unendlichen Zahl) identisch ist.

Hiebei zeigt die Kausalvorstellung eine Kompliziertheit des Vorstellungsurteils gegenüber dem bloß zeitlichen Vorstellungsurteile, entsprechend der Kompliziertheit des zeitlichen Vorstellungsurteils gegenüber der bloß örtlichen Vorstellung. Diese Kompliziertheit hat ihren Ausgangspunkt in der Ausbildung des Gedächtnisses des urteilenden Subjektes. Wir erinnern uns daran, daß die zeitlichen Vorstellungen in der tierisch-menschlichen Entwicklungsgeschichte erst später zur Entstehung gelangen konnten, als die räumlichen, weil jene ein gewisses Maß von Gedächtnis voraussetzen (das [Vorstellungs-]Urteil des Nichtmehrsoseins hat die Erinnerung an den vorhergehenden Status zur Bedingung). Das kausale Vorstellungsurteil hat ein entwickelteres Gedächtnis zur wesentlichen Voraussetzung. Genügt zur Bildung der zeitlichen Vorstellung das Vorhandensein eines ganz primitiven Gedächtnisstoffes, die memoriale Festhaltung eines unmittelbar zuvor anders gewesenen Momentes, so muß hingegen für die Bildung einer kausalen Vorstellung eine Mehrheit zeitlicher Vorstellungsurteile gebildet und verglichen, unter sich in Parallele gestellt worden sein und zugleich kritisch, verstandesmäßig geprüft werden. Hier wird also einmal ein quantitativ größerer memorialer Stoff als gegeben vorausgesetzt, anderer

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