Obrázky na stránke
PDF
ePub
[ocr errors]

Erkenntnistheorie. Mit dieser Bezeichnung Form des menschlichen Erkennens" wird aber (nach meiner Erkenntnistheorie) die Kausalidee weder ganz richtig, noch auch erschöpfend bezeichnet. Nicht ganz richtig, denn die Kausalidee ist nicht Form, sondern wesentliches Mittel menschlicher Erkenntnis, und eben deshalb ideologische Notwendigkeit. Mit der Bezeichnung Form des menschlichen Erkennens ist aber weiter die Idee der Kausalität nicht erschöpfend bezeichnet; denn neben dieser bloßen Mittelzumzweckbedeutung ist sie noch etwas für sich Seiendes als Emanation der Unendlichkeit, wie z. B. die Idee der Schönheit oder die Idee Gottes oder irgend welche andere Idee.

§ 22a. Anhang. Der Inhalt der Kausalurteile.

1) Die einfachste Beobachtung und Reflexion zeitigt das Ergebnis, daß alle Verursachung auf Veränderung beruht, auf ein Tun oder Geschehen (also stets auf ein Werden, nie auf ein Sein) zurückführt 2). Dem entgegen lehrt uns die Sprache, causa sei stets

1) Dieser Paragraph gehört (ebenso wie der vorhergehende) nach seiner systematischen Bedeutung in das II. Kapitel. Die von mir akzeptierte Kausaltheorie findet aber ihre wesentliche Rechtfertigung in dem erst in § 19 der Abhandlung entwickelten erkenntniskritischen Ursatze der qualitativen Bedeutung quantitativer Unterschiede. Daher wurde sie in diesem Kapitel als Nachtrag zu § 22 angegliedert.

---

Eine eingehende Würdigung der juristischen Kausalliteratur des Straf- und Civilrechts findet sich neuestens bei M. Rümelin, Die Verwendung der Kausalbegriffe in Straf- und Civilrecht, Archiv für die civilistische Praxis Bd. 90, 1900, S. 171 ff. Vgl. auch die in meiner Entgeltung im Strafrechte S. 328-361 angeführte und in Bezug genommene Literatur und die Literaturangaben bei v. Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 12/.13. Aufl., Berlin 1903, S. 127.

2) Daraus erwächst die Frage: Wie ist Veränderung denkbar? „Beobachtet wird nur ein Übergang eines Dinges aus einem Zustande in einen anderen, oder allgemeiner zu reden, aus einer Bestimmungsweise in eine andere, ohne daß dabei ein Sprung wahrgenommen wird. Bei der Ergänzung der Wahrnehmungen kann man nun entweder annehmen, daß der Übergang durch eine sehr große aber endliche Anzahl für unsere Sinne unmerklicher Sprünge geschieht, oder daß das Ding durch alle Zwischenstufen aus dem einen Zustand in den andern übergeht. Der stärkste Grund für die letztere Auffassung liegt in der Forderung, den schon bewährten Begriff des für sich Bestehens der Dinge so weit als möglich aufrecht zu erhalten. Freilich ist es nicht möglich, sich einen Übergang durch alle Zwischenstufen wirklich vorzustellen, was aber, wie bemerkt, genau genommen von allen Begriffen gilt." (Bernhard Riemanns gesammelte mathematische Werke, herausgegeben von H. Weber, Leipzig 1876. Fragmente philosophischen Inhalts S. 490.)

Man wird wohl anders argumentieren müssen, als Riemann. Das „Sein“ und die Veränderung" sind dualistisch als zwei gesonderte Wesensbegriffe schlechthin undenkbar. Da wir die Veränderung aber in unserem Denken nicht zurückweisen

[ocr errors]

ein Ding, das Subjekt, von dem die Veränderung ihren Anstoß erfährt (causa causam dans). Die Sprache bezeichnet dieses Kausalsubjekt ganz generell (und insbesondere ohne Rücksicht darauf, ob es ein sachliches oder persönliches, menschliches ist) als „Ursache*; ferner speziell als „Urheber" dann, wenn ein Mensch das Kausalsubjekt bildet (Urheber eines hergestellten Werkes; aber auch irgend eines Erfolgs); endlich als „Ursprung" beim Fluß, wobei allerdings dieser Ausdruck rein die Provenienz angibt; Ursprung Quelle, aus

der der Fluß hervorgeht.

=

Diese sprachliche Rückbeziehung des Kausalsubjektes aus der unmittelbaren kausierenden Veränderung auf das Veränderungssubjekt findet eine sachliche Bestätigung in unserem praktischen Urteilen. Nicht die Dolchbewegung hat Cäsar getötet, vielmehr fiel er von der Mörderhand der Verschworenen; nicht die Denk- und Schreibtätigkeit erscheint unserem Urteile als causa des Buches, sondern der Verfasser ist der Urheber etc. etc.

Wir bezeichnen bei Untersuchung von Verantwortungsverhältnissen als Ursache nicht den Veränderungsmotor, nicht die unmittelbare, die nächste, die letzte Bedingung, nicht die echte causa, vielmehr greifen wir in der Reihe der kausierenden Momente so weit zurück, bis wir ein menschliches Subjekt der Verursachung antreffen 3). Führt aber die Kausalkette nicht auf ein menschliches Kausalsubjekt zurück: Blitz- und Hagelschlag als Ursache von Schäden; Schiffbruch infolge Cyklons; unabwendbare Naturereignisse gleich viel welcher Art, dann sprechen wir von force majeure als jener species des Zufalls, welche sich menschlicher Einwirkung entzieht.

können, müssen wir das „Sein" auf Veränderung reduzieren. Was wir „Sein“ nennen, ist nichts anderes als Veränderung mit unendlich kleinem, daher praktisch nicht wahrnehmbarem Änderungskoeffizienten. Nur das Werden ist real. (Während Riemann in mathematischer Weise die Veränderung auf unendlich viele Stabilitäten, unendlich viele Sein-Zustände reduzieren will.) Vgl. oben § 19 der Abhandlung in fine, S. 220 f.

3) In der Schopenhauerschen Kausaluntersuchung bleibt dieses so überaus wichtige Moment für die kausale Beurteilung vollständig außer Betracht. Ihm ist causa = Ursache im engeren Sinn, Reiz, Motiv, je nachdem die Kausierung mechanisch, physiologisch oder psychologisch erfolgt. Stets aber kommt für ihn als Ursache nur die letzte, die der Wirkung unmittelbar vorhergehende Motion in Betracht. (Vgl. Schopenhauer, Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, namentlich 4. Kap. § 20. Wir erfahren von Schopenhauer hier überhaupt nichts Neues, sondern nur eine wiederholte Betonung, daß für die Kausalfrage Ursache = causa efficiens, Bewirkungsgrund (von Veränderungen) ist, und daß die causa die drei Formen der mechanischen Ursache, des Reizes und des Motives aufweist.)

Würden wir, statt die juristische (oder auch die ethische) Verantwortung zu prüfen, das Kausalverhältnis als Chemiker oder Physiker untersuchen, dann würden wir andere kausierende Momente als die wesentlichen herausgreifen, also die Elektrizität beim Blitz, das Arsenik bei der Vergiftung als die Ursache bezeichnen4)5).

Unsere praktischen Kausalurteile stehen also regelmäßig unter einer doppelten Ungenauigkeit: sie greifen über die kausierende Veränderung zurück auf das Veränderungssubjekt; sie greifen aus dem Bedingungskomplexe jene Gruppe heraus, welche für die jeweilige Kausaluntersuchung die geeigneten (geeignet erscheinenden) Kausalsubjekte aufzufinden ermöglicht 6).

Mithin ist es wohl berechtigt zu sagen, die praktische Kausaluntersuchung bezieht sich gar nicht auf das echte Kausalverhältnis, vielmehr stets nur auf ein ideelles; nicht generell auf die Verursachung, sondern auf die Verursachung sub specie, sei es der juristischen Verantwortung, oder der chemischen Reaktion (bei Fixierung chemischer Formeln) oder des physiologischen Prozesses (Untersuchung physiologischer Reize) oder der Krankheitsaetiologie (Feststellung der Infektionserreger) etc.

Bestimmend für die Wahl des zur Ursache erhobenen Bedingungskomplexes ist stets die Untersuchungsmethode. Untersucht werden. aber jeweils nicht Verursachungen schlechthin, sondern Kausalketten, welche gewisse Beziehungen aufweisen. Objekt der praktischen Kausaluntersuchung ist daher gar nicht die Ursache", sondern nur ein ideeller Bestandteil der Ursache 7).

[ocr errors]

4) Es ist ein bedeutsames Verdienst v. Bar's, Die Lehre vom Kausalzusammenhang im Rechte, besonders im Strafrechte, Leipzig 1871, S. 8 f., zuerst darauf hingewiesen zu haben, daß wir in unserem Kausalurteile je nach Art („dem Zweck“) der Kausaluntersuchung verschieden geartete Kausalmomente aus dem Gesamtkomplexe der kausierenden Bedingungen herausgreifen und diese als causa benennen.

5) Bei der juristischen und ethischen Kausaluntersuchung greifen wir stets auf eine persona causam dans (der Brandstifter steckt das Haus in Brand; der Mörder tötet), bei der naturwissenschaftlichen auf eine res causam dans (die Sonne verbrennnt das Gras; das Gift tötet) zurück. Streng genommen ist weder das eine noch das andere richtig, sondern (unmittelbare, echte) Ursache ist stets die kausierende Veränderung (Bewegung).

6) Vgl. die Ausführungen unten S. 244-249.

7) Vgl. meine Rechtsphilosophischen Studien S. 1: Nicht die konkrete Mordtat als individuell charakterisiertes, historisches Faktum wird (scil. vom Juristen) auf ihre passive Kausalität (scil. ihr Verursachtsein) geprüft, vielmehr bildet das Kausalobjekt für den Kriminalisten eine von einem zurechnungsfähigen Menschen vorsätzlich und rechtswidrig, mit Überlegung ausgeführte Zerstörung fremden Menschen

=

Berolzheimer, Kritik des Erkenntnisinhaltes.

16

Das Bedeutsamste und Wesentliche aber ist, daß diese Kausalbetrachtungen stets ideologische sind, abweichend von der chaotischen Betrachtungsart und dieser entgegengesetzt.

Die zuerst von Binding für das Strafrecht aufgestellte Theorie der Einheitsursache, welche der überwiegenden ), der Hauptbedingung (sei es einer einzigen, sei es einem Komplexe, wie bei der Mittäterschaft) die Ursachenqualität zuerkennt, während die übrigen, die Nebenbedingungen als bloße Bedingungen scharf von der „Ursache gesondert werden, hat es nicht vermocht, in der Strafrechtswissenschaft die Herrschaft zu erlangen (und wird auch von der civilistischen Wissenschaft überwiegend zurückgewiesen). Es möchte dies umso erstaunlicher erscheinen, als ja die Theorie der Einheitsursache von uns im praktischen Leben jederzeit mit der größten Unbefangenheit ich möchte sagen Selbstverständlichkeit

angewendet wird; wir erheben ja doch jederzeit die Hauptbedingung (oder was uns als solche erscheint) zur Ursache unter Ignorierung der kausalen Wirksamkeit der Nebenbedingungen, welche für unser praktisches Urteil zu bloßen Nebenumständen" herabsinken. Wenn gleichwohl gerade die Wissenschaft dieser Theorie großenteils ablehnend gegenübersteht, hat dies den doppelten Grund, daß man einerseits namentlich im Strafrechte zu sehr im Banne der Millschen chaotischen Ursachentheorie stand, andrerseits aber sich wohl sagte: die Hervorhebung einer einzelnen Bedingung als „Ursache" ist ein Akt der Willkür, hat keine andere Begründung als das argumentum ad hominem, daß man eben zur praktischen Handhabung der Isolierung einer Bedingung als der Ursache bedarf, ist aber wissenschaftlich nicht gerechtfertigt und nicht begründbar.

Die Theorie der Einheitsursache kann in der Tat m. E. nur durch eine Begründung auch wissenschaftlich festgelegt werden: lebens; nur insoweit die konkrete, zur Untersuchung stehende Tat die Kriterien des § 211 RStGB. an sich trägt, kommt sie für den Juristen in Betracht: nur ihr genereller Charakter, nicht ihr individueller."

[ocr errors]

Siehe auch meine Entgeltung im Strafrechte S. 331: Der Jurist oder Chemiker oder Arzt (will) nicht die Ursache für das ganze Faktum, sondern nur für die ihn von Berufs wegen interessierenden ideellen Bestandteile des verursachten Ereignisses in Erfahrung bringen"; und S. 350 f.: „Wir strafen aber niemanden wegen des (Gesamt-)Erfolges, sondern nur wegen eines (abstrahierten) generellen Momentes im Erfolge, welches sich mithin im Verhältnisse zum Erfolge selbst als (abstrahierter) Erfolgsbestandteil darstellt."

8) Die Normen und ihre Übertretung, 1. Bd., 2. Aufl., Leipzig 1890, S. 113 ff., 116; II. Bd., Leipzig 1877, S. 224 ff.

durch das Gesetz der qualitativen Bedeutung quantitativer Unterschiede.

Indem die Hauptbedingung sich durch ihr Gewicht, durch ihre Wirksamkeit von den bloßen Nebenbedingungen scheidet, ist zunächst nur ein rein quantitativer Unterschied begründet. Der quantitative Unterschied erlangt aber, sobald er gewisse Grenzen übersteigt, qualitative Bedeutung in unserer Beurteilung: sobald das Rosa erheblich gedunkelt wird, ist es eben nicht mehr Rosa, sondern Rot; ebenso hört die Bedingung, welche wennschon rein quantitativ

wesentlich die übrigen Bedingungen überragt, auf, bloße Bedingung zu sein und wandelt sich in die Ursache: der quantitative Unterschied schließt die qualitative Änderung in sich). Wann jeweils diese Grenze erreicht wird, kann nicht generell festgelegt werden, ist quaestio facti 10).

Die Theorie der Einheitsursache ergibt zugleich eine höchst bedeutsame Bestätigung meiner erkenntniskritischen Grundansicht, daß alle unsere Erkenntniswerte nur Annäherungswerte darstellen. Wir begnügen uns, in unserem Denken, Schließen, Urteilen für die praktische Handhabung ausreichende Grenzwerte aufzustellen und festzulegen und lassen die ungelöst verbleibenden Reste als belanglos

9) Ein wesentliches Argument, welches gegen die Bindingsche Theorie geltend gemacht worden ist, geht dahin, daß eine Abwägung verschiedener Bedingungen und Hervorhebung der einen oder anderen als einer höherwertigen nicht möglich sei. So neuestens von M. Rümelin, Die Verwendung der Kausalbegriffe in Straf- und Civilrecht, Archiv für die civilistische Praxis Bd. 90, welcher zwar (S. 192) sagt: „Es gibt unzweifelhaft Standpunkte, von denen qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Arten der Bedingungen gemacht werden können und tatsächlich gemacht werden; aber (S. 211) die „Unmöglichkeit der exakten Durchführung einer quantitativen Wertbestimmung in Bezug auf die bedingenden Momente in allen in Betracht kommenden Fällen" hervorhebt.

Aber die Erfahrung widerlegt diesen Einwand. Wir operieren mit der genannten Kausaltheorie im praktischen Leben jederzeit ohne nennenswerte Schwierigkeit. 10) Daß im positiven Rechte aller Kulturvölker die Hauptbedingung als Ursache behandelt und betrachtet wird, erhellt daraus, daß sich allenthalben gewisse Bestimmungen finden, welche sich nur bei Zugrundelegung dieses Kausalbegriffes rechtsphilosophisch deuten lassen. Hierher gehören: Die straf- und civilrechtliche Unzurechenbarkeit der Tat des Trunkenen und Geisteskranken, sowie des Gezwungenen (bei psychologischem Zwang). Hier hat eben nicht der Mensch gehandelt, vielmehr waren der Alkohl, der kranke Geist, die Wirksamkeit des Zwingenden, Hauptbedingung oder Ursache. Das erzwungene Rechtsgeschäft ist nichtig, weil für den Willensakt des Gezwungenen nicht vom Gezwungenen selbst, sondern von dritter Seite die Hauptbedingung gesetzt worden ist, mithin der Willensakt des Gezwungenen nicht von diesem, sondern extrinsecus erzeugt, verursacht worden ist.

« PredošláPokračovať »