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ins Unendliche verlaufen; jeder Körper ist daher nichts anderes als eine relative Unendlichkeit.) Und die neuesten Forschungen der Physik führen zu einer Bestätigung dieser philosophischen Ansicht und verringern zugleich den wissenschaftlichen Annäherungskoëffizienten, indem sie an die Hypothese einer in die Billionen reichenden Zusammensetzung der Atome herantreten.

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Ebenso lehrt uns die Bakteriologie, daß kleinste Mikroorganismen Träger der Infektionen sind. Nehmen wir an, die Bakteriologie und Mikroskopie würden derart verbessert werden können, daß der heute unter dem besten Mikroskop als Stäbchen erscheinende Bazillus als umfangreicher Körper erscheinen würde, so wären wir in der Lage, einen minimalsten Bruchteil dieses Kleinwesens so zu beobachten, wie heute das nur mikroskopisch wahrnehmbare Kleinwesen selbst. Dieser Vervollkommnungsprozeß könnte aber entsprechend gute Beobachtungsmittel vorausgesetzt ein zweites, drittes, viertes etc. Mal fortgesetzt werden, ohne daß eine wirkliche, restlose Lösung möglich wäre. Der fortgesetzte Verkleinerungsprozeß mündet notwendig ins Unendliche ein, da wir uns eine Grenze, die nicht nur das Ende unseres Beobachtungsvermögens, sondern in Wahrheit ein Ende" bedeuten würde, nicht denken können. Die chaotische Betrachtungsart kennt kein Ende. Und sie scheint recht zu haben, denn ein wirkliches Ende", ein echter Abschluß, auf den das Nichts folgen würde, ist etwas, das wir uns unmöglich vorzustellen vermögen, sodaß unsere Vorstellungswelt auf die Endlosigkeit verwiesen wäre. Aber auch die Endlosigkeit können wir uns nur per analogiam, als das unendlich Große ausdenken; das Unendliche ist für unser Denken das, was noch so groß sein mag und doch kein Ende hat. Ein echtes Ende vermögen wir nicht zu denken; 4) Vgl. meine Rechtsphilosophischen Studien S. 165 f.

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Man kann auch von mikrokosmischer Unendlichkeit sprechen im Gegensatze zur makroskomischen Unendlichkeit des unendlich Großen.

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Materiae divisibilitatem in infinitum qui non agnoscit, vera Philosophiae principia constituere non potest." Leibniz, Brief an Bierling vom 7. Juli 1711, GerhardtAusgabe, Bd. 7, S. 498. il y a une infinité de Creatures dans la moindre parcelle de la matière, à cause de la division actuelle du Continuum à l'infini." Leibniz, Essais de Théodicée, § 195; Gerhardt-Ausgabe, Bd. 6, S. 232. chaque portion de la matière n'est pas seulement divisible à l'infini, comme les anciens ont reconnu, mais encore sous-divisée actuellement sans fin chaque partie en parties..." Leibniz, Monadologie § 65; Erdmann-Ausgabe p. 710.

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Auch die zeitlichen Begrenzungen (durch Zeitpunkte) haben nur Annährungswert; es sind Grenzpunkte, die dem praktischen Bedürfnisse genügen; absolut richtige zeitliche Begrenzungen vermögen wir nicht zu geben.

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also bleibt nur

möchte man meinen anschauung als die allein wahre.

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die chaotische Welt

Aus diesem schier unlösbaren erkenntniskritischen Labyrinth können wir nur durch den von mir postulierten, erkenntnistheoretischen Leitsatz einen Ausweg finden: All unser Erkennen besteht nur aus Annäherungswerten.

Von einem Ende sprechen wir mit Recht überall da, wo sich ein Abschluß, eine Differenzierung als Sinneswirkung bemerkbar macht. Wo eine Spitze, eine Ecke, ein Punkt hervortritt, da besteht für unsere Vorstellung und für unser Urteil ein „Ende" 5). Die Annahme eines solchen Endes ist strenge genommen falsch; denn unter dem Mikroskop würde sich die vermeintliche Spitze als ganz großer Körper darstellen, und wären unsere Instrumente fein genug, um uns zu gestatten, einen (scheinbaren) Punkt dieses nur unter dem Mikroskope als Körper wahrgenommenen Objekts aufs neue zu mikroskopieren, so würde dieser mikroskopische Punkt zweitmikroskopiert wieder als Körper erscheinen und so fort ins Unendliche. Wenn Chemie und Physik gleichwohl kleinste Körperteilchen als unteilbare Einheiten betrachten und behandeln, ist dies aus dem Gesichtspunkte der praktisch-wissenschaftlichen Notwendigkeit heraus notwendig und berechtigt ebenso wie wenn wir im praktischrealen Leben den scheinbaren Punkt als Punkt und das scheinbare Ende als Ende behandeln. Aber erkenntniskritisch ergibt sich aus all dem, daß wir stets nur mit Annäherungswerten unsere Vorstellungen und die darauf aufgebauten Denkoperationeu ausführen.

Die philosophische Betrachtung hingegen verweist uns immer auf Unendlichkeitsrelationen und erlaubt uns nicht, etwas anderes als "real" zu erachten, als eben das Unendliche selbst und das Endliche, insoweit es sich als Manifestation des Unendlichen darstellt, als Realisierung der absoluten Idee, als Realidee. Die philosophische, die erkenntniskritische Betrachtung, kann daher nur realidealistisch (in dem entwickelten Sinne) sein.

§ 27. Das Fürwahrhalten gefühlsmässiger Erkenntnisse. Aus der Natur des menschlichen Erkenntnisvermögens ergibt sich die Unbeweisbarkeit aller Grund-, Wahrheiten" und die nur relative Beweisbarkeit aller wissenschaftlichen Erkenntniswerte. Die

5) Darauf führt auch die Etymologie des Wortes, Ende“ zurück. Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. III, S. 447-457; 447 f.

Vorstellungen haben ihre Stütze lediglich in der Erfahrung; sie sind Orientierungsmittel, deren Wert und Richtigkeit sich nur dadurch erweist, daß sie uns den richtigen Weg führen. Die auf Induktion beruhenden Erkenntnisse sind daher bloße Wegweiser, deren Zuverlässigkeit und Genauigkeit man nur dadurch erproben kann, daß man den Weg zurücklegt, auf den sie deuten. Gelangt man zum verheißenen Ziele, dann war der Wegweiser richtig, andernfalls falsch. Weit entfernt davon, richtig oder bewiesen zu sein, unterliegen vielmehr die „durch exakte Forschung" gefundenen Erkenntnisse einer fortgesetzten Berichtigung durch präzisere Beobachtung und durch die auf Deduktion beruhende Wissenschaft. Jene sind lediglich der notwendige reale Ausgangspunkt für alle übrige Erkenntnis. Die Grundbegriffe, wie auch die Ideen, sind unbeweisbare Axiome; sie sind Vernunftprodukte, deren wir als Aufbaufundamente für Weltanschauung und Wissenschaft bedürfen, welche aber ebenfalls einer fortgesetzten Kontrolle und Richtigstellung unterliegen. Die Gottesidee der ersten Kulturmenschen hat bis auf den heutigen Tag eine fortgesetzte Reinigung, Läuterung, Klärung erfahren; dieser Kulturaufstieg ist durch die Ausbildung der Einzelwissenschaften und durch die Entwickelung der Gesamtkultur wesentlich bedingt gewesen. Die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften endlich sind zwar Beweisen zugänglich und der Beweise bedürftig, aber das Beweismaterial hat nur relativen Wert: Vorstellungen und Ideen dienen als Beweismittel und diese Beweisstützen selbst sind unbewiesen, unbeweisbar. Die wissenschaftlichen Beweise endigen spätestens mit der logisch einwandsfreien Rückführung wissenschaftlicher Sätze auf Vorstellungsurteile oder auf Grundbegriffe oder auf Ideen.

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Die Grundbegriffe und Ideen selbst sind aber Beweisen" nicht zugänglich. Es ist ebenso verfehlt, wenn die Scholastik das Dasein Gottes beweisen" will, als wenn ein Teil der Naturwissenschaft den Atheismus als bewiesen" behauptet. Hier gibt es ebensowenig „Beweise", wie etwa für die Idee der Kunst oder der Gerechtigkeit oder für irgendeine andere Idee. Gleichwohl hängen Existenz, Inhalt und Richtigkeit der Ideen nicht in der Luft. Wir unterscheiden ganz klar die reale Idee von der bloßen Phantasie, wir sind keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß der Monotheismus eine reinere Religion bedeutet, als etwa der griechische Götterkult, wir scheiden das echte Kunstwerk von der virtuosen Mache, wir fällen ein präzises Urteil über Recht und Unrecht. Die Kriterien für unsere

ideologischen Einzelurteile lassen sich freilich vernünftig", logisch

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umschreiben und gliedern. Aber in ihrem innersten Kerne wurzeln alle diese ideologischen Urteile im Gefühle des Kulturmenschen. Nachdem das Christentum die Idee der Menschheit geweckt hatte, konnte auch die Vernunft feststellen, daß die polygamische Ehe oder die Versklavungen jeder Art der Menschheitsidee widersprechen und deshalb sittlich zu verurteilen und rechtlich zu verneinen sind.1) Aber daß die Idee selbst bei den einzelnen Menschen Anklang fand, daß sie anerkannt wurde, war nur dadurch möglich, daß sie „im menschlichen Herzen" einen Widerhall erweckte. Jede ideologische Kulturerrungenschaft findet nur dann Zustimmung und Anerkennung bei der reifenden Menschheit, wenn ihr Gefühlsleben den geeigneten Resonanzboden zur Aufnahme der Idee enthält.

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Die so gewonnenen, gefühlsmäßigen Erkenntnisse glaubt" die Menschheit, hält die Gesamtheit, die überwiegende Menge für wahr, und die Geschichte lehrt uns, daß nirgends und zu keiner Zeit so erbitterte Kämpfe zum Austrag gelangt sind, als wenn Weltanschauungen" jäh aufeinandergeprallt sind, wenn Religions- und soziale Befehdungen im verschieden gearteten Glauben (religiöser oder anderweit ideologischer Art) zum Austrag kamen.

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Offenbar bildet daher für die gefühlsmäßigen Erkenntnisse eben das Gefühl den Ersatz für den Beweis. Man hält das gefühlsmäßig Erkannte für unbedingt richtig und für ungleich festerstehend und sicherer erwiesen als alles wissenschaftlich Bewiesene. 2) 3)

Für die Erkenntniskritik ergibt sich aus dieser Tatsache die bedeutsame Frage: Ist diese umfassende, bergeversetzende Macht des Glaubens nichts Anderes als eine unermeßliche Selbsttäuschung 1) Vgl. meine Rechtsphilosophischen Studien, III. Kapitel: „Die Freiheit als ethisches Moment im Rechte", S. 55-85.

2) Hier gilt mit Bezug auf alle Menschen der Satz, den Leibniz in Ansehung früherer Philosophen und deren Lehren ausspricht: „Video . . . ita involvisse tenebris, ut divinare magis appareat, quam demonstrare." De prima philosophiae emendatione, Erdmann-Ausgabe XXXIV, p. 122.

3) Das Dasein Gottes zu beweisen, wären die Philosophen nicht so ernstlich bemüht, wenn sie nicht zuvor an Gott glaubten, Gott fühlten ..." Günther Thiele, Die Philosophie des Selbstbewußtseins, Berlin 1895, S. 463.

Vgl. auch J. Fr. Fries, Neue Kritik der Vernunft, Bd. I., § 21.

Hierin liegt der berechtigte Kern des Kantschen kategorischen Imperativs,

und auch des Friesschen Psychologismus.

Vgl. ferner Pfleiderer, Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage, 3. Aufl.,

2. Bd., Genetisch-spekulative Religionsphilosophie, S. 649:

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Was nun aber dem

der Kulturmenschheit oder besteht hiefür ein mehr oder minder berechtigter Kern und guter Grund?

Es ist naheliegend, einzuwenden: Die gefühlsmäßigen Erkenntnisse haben sich von je als trügerische erwiesen; die Entwicklungsstufen der menschlichen Glaubensbekenntnisse über Gott und Unsterblichkeit zeigen vom primitivsten Gottesglauben des Fetischanbeters und von den Anfängen des Seelenkultes bis zur reinsten Glaubensgestaltung im jüdisch-christlich-mohammedanischen Monotheismus und Seelenglauben eine vielfach verzweigte Abstufung von Glaubensbekenntnissen; und jeder Bekenner, gleichviel welchen Glaubens oder Unglaubens, lächelt über die Irrtümlichkeit der den seinigen disparaten Vorstellungskomplexe und Ideenkreise. Allein die noch so heterogene Gestaltung der verschiedenen Glaubensbekenntnisse vermag kein Argument gegen ihre relative Richtigkeit abzugeben. Jedes Volk, jede Zeit, jeder Mensch hat die der jeweiligen psychischen Gesamtdisposition entsprechenden Vorstellungskomplexe, und man kann hierauf die Kriterien des Richtigen und Falschen nicht weiter ausdehnen, als etwa im Gebiete der Sprache; der Deutsche kaun ein mangelhaftes Deutsch oder Französisch sprechen; der Katholik kann die Lehren seines oder eines fremden Glaubens mißdeuten; aber so wenig die deutsche Sprache oder die französische oder die der Indianer richtig" oder „falsch" sind, so wenig ist der eine Glaube "richtig" oder der andere „falsch". Ein Glaube kann inadäquat sein, ebenso wie eine Sprache, dann kommt es zur Revolution oder zur Reform: wie das Christentum die heidnische Welt revolutionierte, wie Luther die germanisch empfindende Welt reformierte. Aber die Vielheit der Religionen ist genau so eine kulturhistorische und völkerpsychologische Wesensnotwendigkeit, wie die Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit der Sprachen. Wesentlich ist und bleibt nur das Eine: dem Kulturmenschen bedeutet die Gottesidee eine ideologische Wesensnotwendigkeit, genau so wie die Kausalidee oder die Idee der Zeit, des Raumes und andere. Die ideologische Weltbetrachtung ist das Charakteristikum, der Grundwesenszug des Kulturmenschen, und die Verneinung der Gottesidee schlechthin bedeutet

stets nur relativen und approximativen theoretischen Wissen zur absoluten Gewißheit fehlt, das wird zur vollen Überzeugung von praktischer Seite her ergänzt.“ Siehe auch Dorner, Grundprobleme der Religionsphilosophie, Berlin 1903, S. 33-52: Das Wesen der Religion". Dorner führt die Entstehung der Religion auf den Einheitstrieb der Menschen zurück.

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