sind: die Sinne sind keine unwahren Beobachter, sondern nur ungenaue; sie gaukeln nicht Illusionen oder Halluzinationen vor, vielmehr lassen sie uns die Welt mit den Augen des Myopischen sehen, die Grenzlinien sind getrübt, verschwommen. Zum zweiten, daß alle Vernunfterkenntnis durch sinnliche Wahrnehmungen genetisch bedingt ist, so daß die absolute Unzuverlässigkeit sensorischer Erkenntnis zugleich den Rationalismus als erkenntnistheoretische Irrlehre erweisen würde: Wenn die Wahrnehmung der Sinne absolut trügerisch wäre, dann wären auch die Vernunfterkenntnisse absolut unzuverlässig. Daher hat der Rationalismus unrecht. Wir finden vielmehr in all unserer Erkenntnis sinnliche Bestandteile den rationalistischen beigemischt und es besteht kein Grund, die Richtigkeit unserer Erkenntnisse über das Maß hinaus zu bezweifeln, in welchem Erfahrung und kritisches Denken unsere Erkenntnis als irrig oder unzuverlässig erweisen. Aber auch der Sensualismus hat unrecht. Die Vernunfterkennntnisse lassen sich nicht restlos auf sinnliche Daten zurückführen. Und alles, was wir Erkenntnis nennen, zeigt sich als bloßer Annäherungswert, als nur relativ richtig, mithin als absolut betrachtet nicht richtig. Es ist daher nicht nur nicht zweifelhaft, ob und inwieweit die wahre, reale Welt unserer Vorstellungs- und Ideenwelt entsprechen möge; es ist vielmehr ganz gewiß, daß die reale Welt unserer Vorstellungswelt inkongruent ist, genau so wie etwa das aus einem Kreise mit dem Kreisinhalte geformte Quadrat jenem Kreise inkongruent ist. Zugleich hat uns die Erkenntniskritik gezeigt, wo der Ungenauigkeitsfaktor in unserer Erkenntnis steckt, der sie eben als nicht der Wirklichkeit entsprechend erweist. Dieser Faktor liegt darin, daß wir stets mit endlichen Größen operieren, welche Infinitesimalwerte darstellen; wir arbeiten stets mit Endlichkeitsbegriffen, von denen wir aber zugleich wissen, daß sie ungenau sind und daß sie um deswillen nicht exakt stimmen, weil sie Annäherungen an Unendlichkeitswerte darstellen, daß sie Vermittler sind, welche uns die Unendlichkeit zugänglich machen, unserem Verständnis, unserem wissenschaftlichen und praktischen Denk- und Lebensgebrauche erschließen. Das Reale ist daher stets das Unendliche und unsere Erkenntnis ist nicht real, weil sie nicht das Unendliche selbst, und soweit sie nicht das Unendliche selbst (unmittelbar) uns zugänglich macht. Wir können mithin die reale Welt gar nicht anders begreifen, denn als das absolut Unendliche, dessen Manifestationen (dessen Realisierung in der unserer Erkenntnis zugänglichen Art) die Welt, wie sie sich uns erschließt, bildet. Die Welt ist real als Realisierung des Unendlichen oder der absoluten Idee: realidealistische Erkenntnisphilosophie. Man kann diese philosophische Ansicht als Neuplatonismus bezeichnen, indem Plato schon darauf verwiesen hat, daß wir nicht die Dinge selbst erkennen, daß vielmehr nur ihr Spiegelbild uns zugänglich wird und daß die wahre Welt die ideologische ist. Meine Erkenntnistheorie ist ungeachtet aller Verschiedenheit in der Begründung und Ausgestaltung nichts anderes, als die genauere Fixierung, Präzisierung jenes von Plato ausgesprochenen erkenntniskritischen Ursatzes (unter Beeinflussung durch Spinoza, Hume und Schelling). Zugleich aber erscheint die realidealistische Erkenntnistheorie im Ergebnisse als der philosophische Extrakt der in der jüdischchristlichen Religion gegebenen Erkenntnislehre. Wohl in keinem Punkte zeigt sich die enge Verwandtschaft zwischen jeder Religion und jeder wahren, idealistischen Philosophie so evident, wie bei der Erkenntniskritik: Religion und idealistische Philosophie verknüpfen, jene den gläubigen, diese den erkennenden Menschen als geistig-sittliches Wesen (als Kultursubjekt und Kulturträger) mit der Ewigkeit, während die Naturwissenschaft und jede ausschließlich auf ihr aufgebaute Naturphilosophie den Menschen nur als materiell-körperliches Wesen mit der Unendlichkeit in Verbindung setzen. Wenn wir Gott und Welt und Menschenweisheit in den großen monotheistischen Religionen philosophisch ins Auge fassen (unter Abstreifung der religiösen Einkleidung), so erscheint Gott als die persönlich gefaßte absolute Unendlichkeit, die Welt als ihr Substrat und der Mensch als jenes erkennende Wesen in dieser Welt, dessen Erkenntnis Wissen ist, aber nur relative Wahrheit. Die Skepsis ist falsch und der Materialismus irrt. Das Wesen menschlicher Erkenntnis ist in dem Worte gezeichnet: Unser Wissen ist Stückwerk. Benfey 151, 288 f. Binding 242, 243. Bismarck 147. Bodemeyer 147. Bolin, Wilhelm 24. v. Brünneck 247. C. Cantor 143 f., 145, 148, 149, Carriere 71. Cartesius, s. Descartes. Curtius 198. Cyon, E. v. 163 f. D. Dahn VII, 65. Dargun VII. Darwin 113, 128, 132, 188, Daumer 263. Demokrit von Abdera 4 f., Descartes 12, 15-22, 24, Dietherr 147, 174, 253. Dorner 313. Du Bois-Reymond 171, 225. Düntzer 193. E. Eisenlohr 153, 162. Berolzheimer, Kritik des Erkenntnisinhaltes. 47 f., 49 f., 51 f., 53, 65, 71, 89, 98, 105, 109, 115, 119, 120, 128, 201, 221, Eucken 9, 65, 187, 215, 251. F. Falckenberg 8, 10, 12, 15, Fechner, Gustav Theodor Feuerbach, Paul Johann An- Fichte, Immanuel Hermann Fichte, Johann Gottlieb V, 43, 71-89, 91, 93, 98, Fischer, E. L. 9, 33, 53, Fischer, Kuno 12, 15, 23, 24, 25, 27, 40, 52, 65, 71, 111. Frankl 232. Graf 147, 174, 253. Grimm, Ed. 12, 14, 19, 23, Grotius, Hugo 255. Haebler, Konrad 156. Hegel, Karl 98. Heußler, Hans 12, 212. Heyder, C. 89. Krünitz 305. Külpe 53, 115, 120. Kuntze, J. E. 119. L. Laistner 63. Land, J. P. N. 23, 25, 26. Lang, F. Heinrich 134. Heyne 149, 153, 154, 156, Lao-Tsè 4. 166. Hobbes 12, 13-15, 220. Homer 165. Horaz 213. Hübner, Rudolf 146, 147. I (J). Jakobi 103. Lassalle 134. Lasson V. Laßwitz 53, 119. Lazarus 143, 147. Leibniz 4, 10, 40-52, 132, 188, 221, 230, 309, 312. Leukippus 4 f. Leuschner 134. Liebmann 163. Lindner 224. v. Jhering VII, 63, 150, 292, Lipps 118, 201, 206, 212, Kaindl, Ludmilla 151. 213, 218. v. Liszt VII, 239, 247, 252. Lotze 53, 71, 89, 99, 115, M. Mach 164, 230. Mattiesen 30, 33, 35. Meumann 183, 193, 224, 300. 134, 135, 237 f., 252, 269. 223, 253, 292, 293, 296, N. Natorp 15, 19, 21, 129. 0. Oertzen, v. 134. P. Palágyi 66, 163. Paulsen 53, 104, 129. Pfleiderer 40, 209, 312. Philaretus 22. S. Saenger 123. Schiller 196, 202, 316. Schrader, O. 137, 155, 167, Plato 6, 8-10, 45, 117, 128, Schrank, Joseph 304. 187, 262, 320. Plitt, G. L. 89. Post, Herm. VII, 134, 272. Schubert, Friedr. Wilh. 52. Preyer 144, 145, 224, 288. Smith, Adam 230. Prichard 268. Protagoras 6. R. Ranke, Joh. 156, 165. Reinhold 71. Sohm 146. Sokrates 6-8. Solon 217. Ueberweg 1, 2, 4, 5, 6, 8, V. Vetter, B. 124, 125, 198, Vloten, J. van 23, 25, 26. Voigt, Moriz 255. Volkelt 24, 40, 53, 129, 179, W. Waitz 191. Weigand, Wilhelm 111. 140, 144, 146, 148, 149, |