Obrázky na stránke
PDF
ePub

schaft also, die beim ersten Anblick so unwichtig scheint, weiss Homer so wichtig zu machen, dass er daraus den Stof zu einem ganzen Heldengedicht bekömmt. Der Zorn des Achilles verschlingt den Knoten darin und die Besänftigung desselben löst ihn.

Da man aber den Grundstof der Iliade nicht ganz genau aus dem Anfange des Gedichts entwikkeln kann, so will ich ihn mit einigen Veränderungen aus Sulzers Theorie hersetzen. *)

»Nachdem die Belagerung der Stadt Troja von »den Griechen, ohne beträchtliche Vortheile der >>letztern, über neun Jahr fortgesetzt ist, entzweien >>sich Agamemnon und Achilles wegen der Briseis >>miteinander, und der letzte wird so aufgebracht, »dass er das Heer mit seiner Mannschaft verlässt. >>Dadurch wei den die Griechen so geschwächt, dass >>sie in Gefahr kommen, die Belagerung aufheben >>zu müssen. Endlich kehrt Achilles zurück, tödtet >>den Hektor, und Troja wird nun nach dem Verlust >>seines besten Helden erobert.»

Die Regel des Aristoteles, dass der Grundstof zu einer Epopee eine wichtige Begebenheit seyn müsse, ist hier beobachtet. Durch den Zorn des Achilles werden Götter und Menschen in Bewegung gesetzt, die griechischen Fürsten gerathen allzumál in Gefahr,

*) Theorie der schönen Künste. T. II. S. 465.

schimpflich von Troja abziehen zu müssen, und ohne Erreichung ihres Zwecks zu fliehen; durch seine Rückkehr aber geht ein damals mächtiger Staat zu Grunde, und die Anführer des griechischen Heeres können siegreich von ihrem Feldzuge heimkehren.

Für die Griechen, die Nachkommen der Belagerer von Troja, hat diese Begebenheit ein Interesse, eine Wichtigkeit, zu der wir entfernteren Theilnehmer uns kaum hinaufdenken können, und Homer hätte keinen glücklicheren Stof zu einem Heldengedicht für die damaligen Zeiten zu finden vermogt.

Nachdem wir den Grundstof des vorzüglichsten griechischen Heldengedichts aufgesucht und seine Grösse geprüft haben, wollen wir zu der einzigen Epopee der Römer, zu der Aeneide Virgils, fortschreiten. Sie fängt so an:

[ocr errors]

Arma, virumque cano,

Trojae qui primus ab oris

Italiam, fato profugus, lavinaque venit

Littora; multum ille et terris jactatus, et alto,

Vi superum,

saevae memorem Junonis ob iram.

Multa quoque et bello passus; dum conderet urbem,
Inferretque Deos Latio: genus unde latinum,

Albanique patres, atque altae moenia Romae.

Aus diesen wenigen Versen kann man mit leichter Mühe den ganzen Inhalt des Heldengedichts, wie schon Lessing bemerkt *), herausfinden. Gleich

*) Lessings vermischte Schriften. Tom. IV. S. 37. seq.

in den ersten beiden Versen wirft der Dichter die ganze Begebenheit von Anfang bis zu Ende hin: Vir, Trojae qui primus ab oris Italiam venit; dann seine Schicksale während dieser Reise: multum ille et terris jactatus et alto; ferner kommen die Ursachen dieser Schicksale: fatum, vis superum, Junonis ira. So weit geht der erste Theil des Gedichts, oder die sechs ersten Bücher. Nun kommt der zweite, seine Kriege gegen den Turnus: Multo quoque et bello passus; die Gründung der Stadt Lavinia: dum conderet urbem; der Character des Helden, der fast immer pius Aeneas genannt wird: inferretque Deos Latio; und endlich der Ursprung des römischen Staats: genus unde latinum, albanique patres, atque altae moenia

Romae.

Man sieht, dass die Elemente der ganzen Aeneide hier gleich anfangs zu finden sind, und der Gegenstand des Gedichts lässt sich mit geringer Mühe im Zusammenhange daraus darstellen. folgender:

Er ist

»Nach der Zerstörung von Troja ging Aeneas, >>Sohn des Anchises und der Venus, mit den Sei»nigen zu Schiffe, und kam, nach, vielen ausge>>standenen Schicksalen zu Wasser und zu Lan»de, in Italien an, wo er Krieg mit dem Turnus >>führte, eine Stadt baute, und den ersten Grund >>zum römischen Staat legte.»>

Die Aeneide ist also nichts, als eine Fortsetzung der Iliade, das Übertragen des Interesse von einem Helden auf den andern, von den Siegern auf die Besiegten. Es wird hierbei recht sichtbar, wie sehr die Dichter das menschliche Herz in ihrer Gewalt haben. Wir, die wir beim Homer mit Achilles und den Griechen über die Trojaner zu siegen trachten, werden durch Virgil ganz in das entgegengesetzte Interesse verflochten, und nehmen den lebhaftesten Antheil an den Trümmern des besiegten Staats, an den Überbleibseln der Trojaner.

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Sie mussten

Aber für die Römer erst hatte der Stoff des Dichters sein volles Interesse. Das Herz neigt sich so gern auf die Seite der Unglücklichen, und diese Unglücklichen waren ihre Vorfahren. Antheil an den kleinsten Begebenheiten ihres ehrwürdigen und rechtschaffenen Ahnherrn nehmen; durch ihn stellt Virgil die gedemüthigten Trojaner wieder in lebhafterem Lichte dar; durch ihn wird die Ehre ihrer Vorfahren gerettet; durch ihn wird der erste Saame zu ihrem nachher weltbeherrschenden Staat ausgestreut. Überdiess konnten sie von ihm die Gottheit ihres angebeteten Kaisers August ableiten; denn August stammte aus dem Geschlecht des Julius Caesar, und Julius Caesar vom Julus, Sohn des Aeneas; Aeneas aber hatte die Venus zur Mutter.

Die Kunst also, womit Homer und Virgil dem Grundstof ihrer Heldengedichte Wichtigkeit und

Grösse gaben, ist nicht zu verkennen. Ja, um vorzügliches Interesse für ihre Nation hervorzubringen, haben sie die Ähnlichkeit, dass sie ihn beide von den Vorfahren derselben und ihrem Ruhme hernehmen.

Homers Odyssee kann in Absicht des Grundstofs hier nicht in Anschlag kommen. Sie hat nur die Reisen eines Mannes zum Hauptgegenstande,

Ανδρα μοι έννεπε μέσα etc.

und wird also billig in diesem Punkt übergangen.

Von den Römern und Griechen gehe ich zu einem spätern Volke über, auf welchem aber der Geist jener grossen Lichter der Vorwelt am meisten ruhet. Zu den Engländern und zu ihrem vornehmsten Heldendichter Milton.

folgenden Worten:

Er beginnt seine Epopee mit

Von der ersten Empörung des Menschen, von dem Genusse
Der verbotenen Frucht, wodurch der Tod und das Elend

In die Welt kam, und Eden verlohren ging, bis uns ein grösserer
Mensch das Erbrecht wieder gewann, und den seligen Wohnsitz,
Singe, himmlische Muse!

Übersetzung von Ramler.

Des Menschen ersten Frevel, den Genuss
verbotner Frucht, durch den in diese Welt
der Tod kam, und für Edens Seligkeit

ein Meer von Elend,
uns wieder herstellt,
aufs neu erobert;

bis ein grössrer Mensch
und den Wonnesitz
sing, o Muse!

Übersetzung von Bürde.

1

« PredošláPokračovať »