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Den lebendigen Ausdruck in diesen Versen wollen wir gern als tadelswerth zugeben; aber folgt daraus, dass er es in allen sey? Hier waren geringfügige und unedle Dinge nachgeahmt; dies ist anstössig, denn die Aufmerksamkeit wird dadurch zu sehr auf Kleinigkeiten gelenkt. Aber sobald etwas Grosses und Würdiges durch den Vers ausgedrückt ist, so kann auch das zarteste Gefühl wohl nicht dadurch beleidigt werden, sondern er erweckt gerade die angenehmsten Empfindungen für dasselbe.

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Es ist offenbar eine ganz andere Sache, den Gang eines Seraphs und den Galopp eines Pferdes, die Melodie eines Gesanges und das Gequak der Frösche, das Rauschen eines Sturms und das Fallen eines Ochsen nachzuahmen. Hieraus können wir eine Regel abstrahiren, und den Grenzstein bestimmen, wie weit der Dichter gehen darf, Wir sahen, dass der lebendige Ausdruck in allen den oben angeführten Rubriken nicht anstössig war, sondern vielmehr eine sehr angenehme Empfindung beim Lesen erwęckte. Er kann also ohne Bedenken sich bemühen, alles Erhabene und Schöne durch den Gang seiner Verse nachzuahmen, nur das Niedrige und Unedle nicht; ein Fehler, worin Klopstok nicht leicht fallen kann, denn seine Gedanken sind meistens, wenn auch nicht immer erhaben, dennoch schön.

Das Geklingel einer Glocke nachzuahmen, ist also tadelnswürdig, das Bezeichnen des Donners im

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Gange des Verses nicht. Alles Grosse und Reizende der Natur darf in jeder Absicht in dem Heldengedicht nachgeahmt werden, also auch durch das Sylbenmaas; und je mehr dies geschieht, um so vollkommner ist es, weil das meiste Vergnügen beim Lesen daraus erwächst.

Ausser dem lebendigen Ausdruck aber hat der deutsche Hexameter noch eine Eigenschaft, wodurch er sich zum Heldengedicht vorzüglich qualificirt. Er ist nemlich gleichsam das Repertorium von allen Wortfüssen; denn ausser dem Dactylus (~~) dem Spondäus (--) und dem Trochäus (-), woraus er zusammengesetzt ist, bilden sich durch Vereinigung dieser Füsse eine grosse Menge anderer, z. B. der Molossus (---, Strom, steh still!), der Jonicus a minore (--, der Posaunhall), der Choriambus (- -, ruft, und das Volk), der Bacchius (--, des Herrn kommt), kurz, alle mögliche Arten von Wortfüissen, ausgenommen den Tribrachys() und alle die, welche drei oder vier kurze Sylben hintereinander haben. Diese aber kann kein Deutscher auch in einem andern Sylbenmaasse anbringen.

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Ich kehre nun zu dem Punkt zurück, von wel chem ich beim Anfange dieser ästhetischen Abhandlung ausging. Ich wollte nemlich die Elemente in 'den vorzüglichsten Heldengedichten untersuchen und prüfen, in welchen sie am vollkommensten wären.

Dies ist geschehen. Ich habe in den vier Hauptepopeen, die seit dem Beginn der Dichtkunst existiren, den Grundstof, die Handlung, die Karaktere, die Sprache, den Schauplatz und das Sylbenmaass geprüft, und durch Belege aus den Gedichten selbst zu erweisen gesucht, dass der Messias in allen diesen einzelnen Stücken die andern Heldengedichte übertreffe. Sind nun alle einzelnen Theile eines Ganzen vorzüglicher, so muss es nothwendig das Ganze selbst seyn. Und nun darf ich wohl endlich die Behauptung aufstellen, auf welche diese ganze Abhandlung hinwies: dass der Messias unter allen Heldengedichten, die in irgend einer Sprache abgefasst sind, das vollkom

menste sey.

Es ist mit der freudigsten Empfindung, dass ich diese Worte, zu denen ich mir so mühsam den Weg bahnte, niederschreibe; es ist mit der Empfindung eines Patrioten, der seinem Vaterlande, das in Absicht der Litteratur und des guten Geschmacks so sehr von seinen Nachbarn verkannt wird, einen Vorzug von dieser Seite erkämpft zu haben glaubt. Denn es ware warlich nichts Geringes, wenn wir sagen dürften: nicht nur Britten und Italiener, sondern auch Griechen und Römer müssen den Deutschen in der Hauptdichtungsart, dem Heldengedicht, nachstehen.

Ich verkenne dabei im mindesten nicht den hohen Rang der übrigen Dichter:

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nur in der Epopee wird schwerlich jemand dem deutschen Barden den Rang streitig machen können.

Aus dem bisher Gesagten wird man sehen, dass wir Deutschen mit Gründen behaupten können, das vollkommenste Gedicht zu besitzen, das je von einem feurigen Geiste, seitdem der königliche Sänger, seitdem Orpheus und Homer sangen, geschrieben worden ist. Könnte indess jemand das Gegentheil beweisen, könnte wohl gar beweisen, dass wir Deutschen noch ein vollkommneres Gedicht besässen, so soll nie jemand mit mehrerer Freude sein Urtheil zurückgenommen haben, als ich. Welch ein Triumph wäre dies für unsere Dichtkunst! Messiade ist jetzt schon das Gedicht, vor welchem selbst Ausländer die tiefste Verbeugung machen *); haben wir noch ein besseres, so wird sich bald keine

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*) Ein Franzose, der Wielands Agathon ins Französische übersetzte, sagt in der Vorrede: Die Messiade ist vielleicht die allergrösste Anstrengung des menschlichen Geistės. * Die Schatten dieses Gedichts sind das Erhabene des Milton.

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Nation mehr in der Poesie mit den Deutschen messen wollen.

Bis jetzt war alles Licht in der Messiade; ist kein Schatten in diesem Gemählde? Hat diese Sonne keine Flecken? Lasst uns zuerst die fremden Zeugen hören, die dawider auftreten. Sie mögen uns ihren Scharfblick und ihr Auge borgen, um diese Flecken recht deutlich wahrzunehmen.

Die Messiade, sagen sie, hat zum Hauptgegenstande ein Dogma, das mit der Vernunft streitet, das der Güte und Weisheit Gottes nicht gemäss ist. Ihre Hauptgeschichte ist ein Unding; alles dreht sich um die Fabel, dass Gott mit dem Menschengeschlecht durch das Blut eines Unschuldigen ausgesöhnt wurde, dass er alle Menschen verdammen musste, wenn dieser Unschuldige nicht ihre verdienten Strafen litt. Gott erscheint als ein Tyrann, der Blut sehen muss, ehe seine Rache befriedigt wird; und dies Blut muss ein Gott in menschlicher Hülle vergiessen! Ein Gott muss leiden: welch ein Widerspruch! Ein Unschuldiger muss für die Schuldigen büssen: welche Ungerechtigkeit! Kein menschlicher Richter könnte einen solchen Vorfall billigen, wie viel weniger ein göttlicher!

Ich hoffe, der Einwurf sey in seiner Stärke vorgetragen. Agedum, pauca accipe contra!

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