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thätige Schwärmerei, die uns auf das hinlenkt, was das Erhabenste für die Sterblichen ist!

Man sieht, dass die bishergemachten Einwürfe gegen die Messiade sich von einer Seite betrachten lassen, von welcher sie ihr mehr zum Ruhm als zum Tadel gereichen. Aber hat sie würklich keine wesentliche Fehler in ihrer Einrichtung? Möchte man doch hierauf auch nein! antworten können! Aber dies erlaubt die Unpartheilichkeit nicht. Sie hat deren grössere und kleinere, die aber bei einer Übersicht des Ganzen nicht in die Augen fallen, sondern sich nur bei einer nähern Untersuchung des Einzelnen entdecken lassen. Jetzt führe ich nur einen einzigen Hauptfehler an: es ist nemlich des Singens, des Betens und des Redens bei weitem zu viel darin, und der Handlung, die doch die Hauptschönheit eines Heldengedichts ausmacht, in mehreren Gesängen zu wenig. Klopstok verliehrt sich zu sehr in seine Empfindungen, er verweilt bei manchem Nebenumstande zu lange und entfernt sich oft auf Abwege, anstatt bei dem Faden der Erzählung zu bleiben. Man könnte freilich sagen: auf der geraden Heerstrasse sind nicht immer die Schönheiten einer Gegend; um die Reize der Natur recht zu geniessen, muss man oft neben dem Wege einen blumigten Hügel besteigen, sich in ein anmuthiges Gehölz verliehren, oder an einem frischen Bache ausruhn. Die Messiade gleicht einem Spaziergange, auf dem man nicht bloss die Schönheiten des eigentlichen Pfades, sondern alles Anmuthige, das ringsumher liegt, mitnimmt; man reist darin, wie

Rousseau mit seinem Emil *), und findet nicht selten auf Abwegen grössere Reize, als auf dem Pfade selbst. Man muss also bei Lesung derselben keinem Boten gleichen, der nur das Ende der Reise zum Zweck hat, sondern einem Lustwandler, dem das Lustwandeln selbst schon Zweck ist.

Alles dies könnte man sagen, aber man würde dadurch nie das unangenehme Gefühl unterdrücken, das beim Lesen entsteht, wenn man auf einem Abwege zu lange aufgehalten wird. Dies ist um so unangenehmer, wenn der Hauptpfad Schönheiten an sich genug hat, und man dennoch bei Nebenumständen verweilen muss, die nicht den Reiz des eigentlichen Weges für uns haben. Und dass dies an mehreren Orten in der Messiade der Fall sey, kann selbst der eifrigste Vertheidiger derselben nicht läugnen. Es macht einen ihrer Hauptfehler aus, der nur dadurch gehoben würde, wenn sie im Ganzen um einige tausend Hexameter kürzer wäre.

In der bis jetzt angestellten Prüfung des Plans oder des Ganzen der Messiade sind vorzüglich nur ihre Schönheiten ins Licht gesetzt worden; bei einer nähern Beurtheilung der einzelnen Gesänge müssen auch ihre Mängel entwickelt werden. Erscheinen

*) On observe tout les pays; on se detourne à droite, à gauche
on examine tout ce, qui nous flatte; on s'arrête à tous les
points de vue. Apperçois-je une riviere? je la cotoye; un
bois touffu? je vais sous son ombre; une grotte? je la visite;
une carriere? j'examine les mineraux. Partout, ou je me plais,
j'y reste.
Emile liv. V.

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davon, vorzüglich in den späteren Gesängen, mehrere, so ist dies weiter nichts, ein Beweis, wie unvollkommen selbst das Vollkommenste in dieser sublunarischen Welt sey.

Am Ende dieser mühvollen Arbeit kann der Verfasser den Wunsch nicht unterdrücken, Beurtheiler zu finden, die sich noch für keine Parthei entschieden, weder für die Werke der Alten, noch der Neueren, Ihnen wird die Wahrheit, sie mag zum Vortheil dieser oder jener ausfallen, gleich willkommen seyn, und sie werden es dem Verfasser am willigsten vergeben, dass er das, was er nach sorgfältiger Prüfung als Wahrheit erkannte, mit allen aufgebotenen Gründen als solche zu erweisen suchte.

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