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nicht durch dies Leben begrenzt, sondern haben ebenfalls die Ewigkeit zum Maass.

Von dieser Seite betrachtet, sind also die Haupthandlungen in beiden Gedichten von gleicher Grösse, und es lässt sich nicht leicht ein Vorzug des einen vor dem andern daraus ableiten. Es gibt aber noch meh.. rere Seiten, von denen man eine Handlung ansehen, und ihren Werth oder Unwerth daraus entwickeln kann, und zu diesem müssen wir uns jetzt wenden, um bei der Gleichheit der obigen beiden Punkte Entscheidungsgründe für die vorzüglichere Grösse des einen oder des andern Grundstofs zu finden.

Wenn wir die Moralität der Hauptbegebenheiten in beiden Heldengedichten untersuchen, so finden wir, dass die eine davon eine vorzügliche Grösse darin hat, die andere gar keine, oder vielmehr das Gegentheil derselben. Die That des Messias, sich für die Menschen aufzuopfern, um ihrentwillen die schrecklichsten Leiden und einen schmählichen Tod zu erdulden, ist nach den Grundsätzen der Moral eine heroische Handlung, die alle gemeineren Tugenden weit hinter sich lässt, und auf dem höchsten Gipfel der Moralität steht. Die That der ersten Menschen hingegen gehört nicht nur zu den gleichgültigen Handlungen, sondern sie steht noch viele Stufen unter ihnen und ist böse; sie hat also eine negative Moralität, d. h. es findet sich bei ihr nicht nur Mangel an Gutem, sondern wirkliches Daseyn des Bösen.

aus

Die That des Messias entspringt aus Tugenden: aus
Liebe, aus Erbarmen, aus wahrem Heldenmuth; die
That des ersten Menschenpaares aus Lastern:
Ungehorsam, aus Stolz, aus Leichtsinn. Jene ist
gut, diese böse.
Da nun durch die Güte einer
Handlung die moralische Grösse derselben bestimmt
wird, so ist offenbar, dass die Hauptbegebenheit im
Messias mehr Grösse in diesem Punkt hat, als der
Grundstof im verlohrnen Paradiese.

Wenn wir ferner auf die Beschaffenheit der Folgen von beiden besungenen Gegenständen Rücksicht nehmen, so finden wir wieder, dass sie auf der einen Seite verderblich, auf der andern wohlthätig sind. Durch den Fall der ersten Menschen kömmt Elend, Tod, Verlust des Paradieses und eine ewige Strafe über das ganze Menschengeschlecht; durch die Versöhnung Christi werden diese Folgen für die Ewigkeit verwischt, und der Grund zur ewigen Seligkeit der Menschen gelegt. Das Wiederaufbauen irgend eines vortreflichen Werkes aber ist ohnstreitig besser und grösser, als das Niederreissen desselben; die Handlung des Erbauers der Peterskirche ist vollkommner, als dessen, der sie zerstören wollte; Herostrats Ruhm, der den Tempel zu Ephesus verbrannte, wird nie so gross seyn, als der Ruhm des Sesostris, der die grösste Pyramide errichtete. nun immer die Wiederherstellung irgend eines guten Werks grösser und vollkommner ist, als die Vernichtung desselben, so folgt ganz natürlich daraus,

Da

dass die Handlung, welche die ewige Glückseligkeit wiederherstellt, grösser sey, als die, welche sie zerstört. Und so wäre dann bewiesen, dass der Grundstof im Messias auch in Rücksicht auf die Beschaffenheit seiner Folgen mehr Grösse habe, als der im verlohrnen Paradiese.

Um aber auf beiden Seiten Partheilichkeit zu vermeiden, so darf hier die Bemerkung nicht übergangen werden, dass die Hauptbegebenheit Miltons, was den Umfang ihrer Folgen für dies Leben betrift, grösser sey, als die Haupthandlung Klopstoks. Durch den Sündenfall wird die physikalische und moralische Natur des Menschen verdorben; es kommen dadurch alle Übel in die Welt: Sünde, Tod und Elend, und verbreiten sich über das ganze menschliche Geschlecht. Durch die Versöhnung aber werden diese Folgen nicht gehoben, die Sünde, der Tod und das Elend bleibt, und die übrigen heilsamen Würkungen derselben: grössere Erkenntniss, Beruhigung über unsern künftigen Zustand u. s. w. betreffen nur einen Theil des Menschengeschlechts, nur die Christen, und haben daher keine Allgemeinheit. Für dies Leben also haben die Folgen von Miltons Grundstof unwiderleglich den grössten Umfang.

Können wir nun nicht beweisen, dass Klopstoks Grundstof in andern Rücksichten mehr Umfang hat, als der Miltonsche, so würde natürlich

daraus folgen, dass der letzte, von dieser Seite betrachtet, den ersten überträfe. Aber dieser Beweis ist möglich, denn es lässt sich darthun, dass die Folgen der Versöhnung in jener Welt grösser sind, als die Folgen des Sündenfalls in dieser, wenn die letzten gleich jetzt stärker hervorspringen..

Nach theologischen Grundsätzen darf freilich der Beweis nicht geführt werden, denn nach ihnen werden ohngefähr eben so viel Menschen selig, als verdammt, (wenn der letztern nicht noch mehr sind) und die Folgen der Erlösung und des Sündenfalls hätten also gleichen Umfang. Aber hier haben wir es bloss mit den Glaubenssätzen des Dichters zu thun, und dieser nimmt an, dass durch die Versöhnung am Ende alle Menschen selig werden. Sagt er dies auch gleich nicht ganz deutlich, so giebt er doch solche Winke davon, die für den, der den Dichter versteht, befriedigend sind.

Die Stelle, woraus sich das Daseyn dieses dichterischen Glaubenssatzes am leichtesten beweisen lässt, ist der Anfang des neunzehnten Gesanges, wo Klopstok selbst einen Auftritt vom Weltgericht erzählt, den Adam verschweigt:

Einen Anblick des ernsten Gerichts verhüllte der Menschen Vater durch Schweigen. Er sah, in der Mitte des grossen, gedrängten,

Unabsehlichen Heers der auferstandenen Todten,

Eva auf einem Hügel stehen und mit fliegenden Haaren,'

5. Ausgebreiteten Armen, mit glühender Wange, mit vollen, Innigen Tönen der Mutterstimme, wie nie noch ein Mensch sie Oder ein Engel vernahm, um Gnade! sie lächelte weinend, Flehen für ihre Kinder um Gnade! zum Richter um Gnade! Aber auf einmal verschwand ihm der Schaueranblick; er hörte 10. Einigemale nur noch sanft Lispeln der himmlischen Harfen, Mitleid daucht' ilm bald, bald daucht es ihm Freude; doch jetzo

Hatt' auch dies sich verlohren. Er sahe wieder Gesichte.

So stark auch hier das Helldunkle aufgetragen, so mystisch auch der Ton ist, so sieht man doch die Wahrheit deutlich daraus hervorschimmern.

ten.

Eva flehet um Gnade zum Richter; für wen? Für die Seligen kann es nicht seyn, denn diese hatten schon Gnade empfangen; also für die VerdammNun kömmt es darauf an, ob der Dichter ihr Gebet erhört werden lässt. Und er thut es offenbar, denn Adam hört nachher Stimmen des Mit-. leids und der Freude. Die ersten können von dem sich erbarmenden Schöpfer herrühren, die letzten von den begnadigten Verdammten. Wäre ihr Gebet nicht erhört worden, so hätte Adam nothwendig Stimmen der Verwerfung und des Winselns hö

ren müssen.

- Man sieht also deutlich, der Dichter nimmt an, dass die Versöhnung am Ende noch alle Menschen glücklich macht, und es mag seyn zu einer Zeit, zu welcher es wolle, so bleibt den geretteten Sündern: noch immer eine Ewigkeit a parte post übrig. Hat

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