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wohl hätte erwarten können, sind noch unaufgelöst; noch hat man der merkwürdigen Epopee keinen Platz angewiesen, auf welchem sie sich behaupten kann, und man darf mit Recht sagen, dass die Deutschen einen Schatz besitzen, ohne den Werth desselben genau zu kennen.

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Die Kritiker, welche in der Mitte dieses Jahrhunderts, nach Erscheinung der ersten Gesänge, darüber schrieben, haben alle die gerechte und vollwichtige Entschuldigung, dass man über das Ganze eines Werks nicht eher urtheilen kann, als bis es vollendet sey, und lassen sich also bloss auf Zergliederung der einzelnen Theile ein. Lessing sagt: »Ich >>sah es ein, und wer sieht es nicht ein? dass das »Gedicht fertig seyn müsste, wenn man von der »Oeconomie desselben urtheilen wollte. Noch ist >>der Dichter mitten im Labyrinthe. Man muss es >>erwarten, wie er sich herausfindet, ehe man von »der Handlung, von ihrer Einheit, von ihrer Voll»ständigkeit, von ihrer Dauer, von der Verwikke>>lung und Entwikkelung, von den Episoden, von >>den Sitten, von den Maschinen und von zwanzig >>andern Dingen etwas sagen kann.»>

Die spätern Beurtheilungen in öffentlichen Journalen, nachdem das Werk ganz erschienen war, überhüpfen diesen Punkt durchaus, und nehmen bloss einen Gesang nach dem andern vor. Cramern, von dem man mit Recht eine Übersicht hätte erwarten

können, mag man ebenfalls selbst reden hören. In einer Note bei dem Anfange des Messias sagt er:

»Der Leser wird vielleicht, da ich nun zu den >>Erklärungen und Bemerkungen über den Messias >>komme, vermuthen seyn, dass ich nach Art ande>>rer Ausleger eine lange ästhetische Abhandlung >>vorausschicke u. s. w. Er irrt sich. Seit ich den>>ken kann, habe ich vor solchen Abhandlungen ei»nen Abscheu gehabt. Und das deswegen, weil ich »>unter Allem, was ich von dieser Gattung gelesen, >>(die Besten aber habe ich gewiss gelesen) nichts »fand, was mir Bestimmtheit und Wahrheit genug >>enthalten, und hauptsächlich, was seinen Gegen»stand erschöpft hätte.»

So machen sich die Schriftsteller mit und ohne Grund von einer Abhandlung über das Ganze los, und bis jetzt ist noch keine generelle Würdigung des merkwürdigen Gedichts vorhanden.

Dies ist wohl die Ursache, warum Deutschland jetzt eine Schaamröthe abgejagt wird, indem die Amsterdammer Gesellschaft zur Beförderung der Dichtkunst und schönen Wissensckaften einen Preis auf die beste ästhetische Beurtheilung des Messias von Klopstok gesetzt hat."

Da also der Beurtheiler noch keinen Vorgänger hat, so kann er sich nur mit Schüchternheit auf die unbetretene Bahn wagen, und die Unvollkommen..

heiten seines Versuchs dürfen billig auf einige Nachsicht rechnen.

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Bis jetzt haben wir noch keine grössern Kunstrichter über das Heldengedicht, als den Aristoteles und den Horaz; ich werde also den Messias nach ihren Regeln prüfen und ihn vorzüglich von den Seiten betrachten, nach welchen Aristoteles die Grundlagen der Epopee ansieht. Er bestimmt gewisse Eigenschaften, die das Wesen derselben ausmachen, und durch deren Untersuchung und Würdigung ihr Gehalt am besten ans Licht gebracht wird. Eigenschaften oder Elemente des Heldengedichts sind: die Fabel, die Handlung, die Charactere, die Sprache; und es sey mir erlaubt, noch hinzuzusetzen: der Schauplatz und das Sylbenmaass.

Diese

Ehe ich zur Untersuchung dieser einzelnen Stücke in der Messiade fortschreite, muss ich, um einen festen Punkt zu haben, von dem ich in der Beurtheilung derselben ausgehen kann, einen Satz aufstellen, der diesem Gedicht einen Rang unter den vorhandenen Epopeen anweist. Ist dies geschehen, so lässt es sich nachher um so leichter prüfen, ob es sich auf dem angewiesenen Platz halten kann.

Dieser Satz wird den Bewunderern der Alten höchst kühn scheinen, aber keiner fühlt seine Kühnheit vielleicht lebhafter, als ich selbst, der ihn aufstellt und beweisen soll. Er heisst so: der Messias ist unter allen Heldengedichten, die von Ho

mer an bis auf unsere Zeiten erschienen, das vortreflichste.

Der Beweis dieses Satzes, der so weit greift und eine so abstracte Materie zum Gegenstande hat, scheint am leichtesten möglich zu seyn, wenn man die aristotelischen Elemente des Heldengedichts in den besten Epopeen, die wir haben, einzeln miteinander vergleicht und zu entwickeln sucht, in welcher davon diese einzelnen Stücke die grösste Vollkommenheit besitzen. Hat man dies herausgebracht, so kann man nach logischen Gesetzen von der Vollkommenheit der einzelnen Theile auf die Vollkommenheit des Ganzen schliessen. Könnte man also beweisen, dass die Fabel, die Handlung, die handelnden Personen, die Diction, der Schauplatz, das Sylbenmaas u. s. w. im Messias grösser, vollkommner sey, als in andern Heldengedichten, so würde offenbar daraus hervorgehen, dass auch das Ganze mehr Vollkommenheit habe.

Wir wollen sehen, ob sich dies beweisen lasse, und ich wende mich also zum ersten dieser Hauptpunkte.

Die Fabel ist derjenige Grundstoff, diejenige Begebenheit aus der Erfindung des Dichters, oder aus der wirklichen Geschichte, durch deren weitere Ausführung das Ganze des Heldengedichts, die Verwickelung und Entwickelung desselben entsteht. Sie ist das Skelet, das durch die Zusätze des

Dichters zu einem vollen lebenden Körper wird, der durch die Handlung warmes Fleisch und Ründung der einzelnen Theile erhält. Da aber bei den wenigsten Heldengedichten eine blosse Fabel zum Grunde liegt, so ist dieser Ausdruck nicht ganz schicklich, und die Wörter: Grundstof, Plan, Begebenheit, Inhalt würden passender dafür seyn. Es sey mir also erlaubt, mich künftig des Ausdrucks: Grundstof, statt Fabel zu bedienen.

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Dieser Grundstof lässt sich am leichtesten aus dem Anfang der Heldengedichte heraussuchen, wo die Dichter ihn gewöhnlich mit wenigen Worten berühren, theils um den Leser auf den Standpunkt zu versetzen, aus welchem er das Folgende betrachten muss, theils um ihm eine kurze Übersicht vom Ganzen zu geben, und ihm zum voraus bekannt zu machen, was er zu erwarten hat. ́·

Homer fängt seine Iliade mit folgenden Wor

ten an:

Μηνιν αείδε, Θεα, πηληϊάδεω Αχιληος
Ουλομένην etc.

Und dieser Zorn des Achilles ist es wirklich, aus welchem der Dichter die Handlung seines ganzen Gedichtes hervorspinnt. Das Entstehen desselben bringt den Krieg zwischen den Griechen und Trojanern seiner Krisis nahe, und seine endliche Stillung giebt den Ausschlag, welches von beiden Völkern den Sieg davon trägt.

Die Folgen dieser Leiden

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