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Holze heizt er beim Herannahen der frostigen Nacht den ehernen Kessel 36), aber er nennt alles sein Eigenthum bis an die zur 170 festen Bezeichnung der Gränze gepflanzte Pappel 37), die dem nachbarlichen Zwist entgeht; gleich als ob irgend etwas ein bleibendes Eigenthum sein könnte, das im Verlauf einer' flüch= tigen Stunde bald durch Bitten oder durch Kauf oder Gewalt, bald durch den am Ende eintretenden Tod den Besizer vertauscht und in das Recht eines Andern übergeht. Weil nun deßhalb keinem ein immerwährender Nußbrauch vergönnt ist, 175 und ein neuer Erbe den Erben des Vormanns verdrängt, wie eine Welle die andre, was nüßen Wohnhäuser und Kornmagazine? Was nüßt's, Lucanische Triften mit Calabrischen 38) zu vereinen, wenn der Tod Großes und Kleines niedermäht, und durch Gold sich nicht bestechen läßt? Gemmen, Kunst- 180 ` werke aus Marmor, Elfenbein, Silber, tyrrhenische Erzbilder 39), Gemälde, Gewebe in gätulischem Purpur 40) dergleichen Dinge werden wohl Manche nicht besigen, aber Mancher strebt auch gar nicht nach ihrem Besiz. — Warum aber der eine von zwei Brüdern ein Leben in Unthätigkeit, scherzender Lust, im Wohlgeruch duftender Salben dem Besitze der einträglichen Palmenpflanzungen des Herodes 41) vorzieht, und der andre troß seines Reichthums in rauhem Ungestümm vom Beginne des Tags bis 185 zur Dunkelheit sich abmüht einen mit Gestrüppe bewachsenen Boden urbar zu machen mittelst Flammen und Eisengeräth, dies weiß der Genius 42), der als unser Begleiter die Sterne unfrer Geburtsstunde lenkt, göttlich waltend über der Menschennatur, sterblich hinschwindend mit jedem Haupte, ungleich in seiner Miene, heiter und düster. Ich will Gebrauch von meiner Habe machen 190 und aus dem nicht übergroßen Vorrath nehmen soviel das Bedürfniß verlangt, ohne ängstlich besorgt zu sein, was der Erbe von mir denke, weil er nicht mehr findet als ich ihm zurücklasse. Doch werde ich dabei auch zu erkennen streben, wie weit

Discrepet et quantum discordet parcus avaro.

195 Distat enim spargas tua prodigus an neque sumtum Invitus facias, neque plura parare labores,

Ac potius, puer ut festis quinquatribus olim,
Exiguo gratoque fruaris tempore raptim.

Pauperies immunda domus procul absit: ego utrum
200 Nave ferar magna an parva, ferar unus et idem.
Non agimur tumidis velis aquilone secundo,
Non tamen adversis aetatem ducimus austris;
Viribus, ingenio, specie, virtute, loco, re
Extremi primorum, extremis usque priores.

205 Non es avarus: abi; quid? cetera iam simul isto
Cum vitio fugere? caret tibi pectus inani
Ambitione? caret mortis formidine et ira?
Somnia, terrores magicos, miracula, sagas,
Nocturnos lemures portentaque Thessala rides?
210 Natales grate numeras? ignoscis amicis?
Lenior et melior fis accedente senecta?

Quid te exemta levat spinis de pluribus una?
Vivere si recte nescis, decede peritis.

Lusisti satis, edisti satis atque bibisti.

215 Tempus abire tibi est, ne potum largius aequo Rideat et pulset lasciva decentius aetas.

verschieden der in einfacher Lebensweise heitre Mann von dem Schlemmer ist, und der Sparsame von dem Geizigen. Denn es ist gar nicht einerlei, ob du leichthin das Deine vergeudest, 195 oder ob du weder mit Widerstreben den nöthigen Aufwand machst, noch stets um größeren Besit dich abmühst, sondern vielmehr, wie in der Kindheit ehmals am Feste der Quinquatrien 43), die kurzbemessne dankenswerthe Zeit in raschem Thun genießest. Nur die der äußern Anständigkeit entbehrende Armuth bleibe fern von meinem Hause; mag ich dann auf großem Fahrzeuge segeln oder auf kleinem, so werd' ich immer ein und 200 derselbe sein. Meine Lebensfahrt bewegt sich zwar nicht mit schwellenden Segeln unter günstigem Wehen des Nordwindes; doch schleppe ich meine Tage auch nicht in widrigem Sturme hin; an körperlicher und geistiger Kraft, an äußerem Glanz und wahrem Verdienst, an Rang und Vergnügen gehöre ich zu den letzten unter den ersten, doch immer bin ich noch den letzten voran. Du bist also nicht geizig! Nun gut! Doch wie? 205 Sind mit diesem Fehler zugleich auch schon die andern von dir gewichen? Ist deine Brust frei von eitler Ehrsucht? frei von Todesfurcht und zorniger Aufwallung? Vermagst du über Träume, Geisterbeschwörungen, Wunder, Heren, Nachtgespenster, theffalische Schreckenserscheinungen 44) zu lachen? Pflegst du mit dankbarem Sinne deine Geburtstage zu zählen ?45) Nach- 210 sicht mit deinen Freunden zu üben? Wirst du auch milder und besser beim Herannahen des Alters? Was frommt es dir, nur einen Dorn von vielen ausgezogen zu haben? Wenn du nicht gelernt hast recht zu leben, so mache denen Platz, die es gelernt haben. Du hast genug gekost, genug gegessen und ge= trunken; es ist für dich Zeit abzutreten 46), damit du nicht, 215 wenn du im Trinken dich übernommen, verlacht und verstoßzen wirst von der Jugend, der ausgelaffne Genüsse besser ziemen“.

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Feldbausch, Episteln des Horaz. II.

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Zweites Buch. Dritte Epistel.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Epistel an die Pisonen, oder wie sie sonst auch heißt, de arte poetica liber, das letzte Werk des Horaz ist. Diese Ansicht erhält schon dadurch eine Stüße, daß in den alten Handschriften die Epistel einen nicht nur unsichern Plaß einnimmt, indem sie theils vor den Epoden, theils vor den Satiren eingereiht ist; sondern auch einen ganz unpassenden, da sie von den Episteln gänzlich gesondert erscheint. Es möchte deßhalb anzunehmen sein, die Episteln des zweiten Buchs seien bereits von Horaz mit den übrigen Dichtungen veröffentlicht gewesen, ehe die letzte Arbeit ans Licht trat. Und weil man diese für eine selbständige didaktische Dichtung (de arte poetica) hinnahm, so dachte man nicht daran, sie als Epistel den übrigen Episteln anzufügen. Erst Henricus Stephanus hat in seiner Ausgabe des Horaz (1577) dies gethan, und seitdem hat die Epistel ihren Plaß hinter den Episteln des zweiten Buchs behauptet. Neuere Herausgeber haben sie auch als dritte Epistel des zweiten Buchs bezeichnet, was Voß bereits in seiner Uebersetzung (1806) gethan hatte.

Nach der Schlacht bei Philippi hatte Horaz seit seiner Rückkehr nach Rom in freundlichem Verkehr mit den aufstrebenden poetischen Geistern jener Tage - mit Virgil, Varius u. A. zusammengelebt. Während diese jungen Dichter übereinstimmend darnach strebten, ihren poetischen Arbeiten klassisch vollendete Form zu geben, und jenen

Vorwurf des Mangels kunstgerechter Vollendung abzuwenden, der nach ihrer Ueberzeugung die früheren römischen Dichter traf; so waren sie anderseits in ihren Bestrebungen dadurch sehr gefördert, daß sie gegenseitig ihre Arbeiten sich mitzutheilen pflegten, und durch diese wechselseitige Mittheilung und den Austausch der Ansichten ihre eignen theoretischen und ästhetischen Grundsäge läuterten und vervollkommneten. Dergleichen Beschäftigungen hatten vorzugsweise das Leben des Horatius ausgefüllt, wobei aber zugleich, neben der Schärfung und Berichtigung seines Urtheils an den Arbeiten seiner Freunde und seinen eigenen Versuchen in der Verwirklichung poetischer Theorien, auch das stete Lesen und wiederholte Eindringen in das Verständniß griechischer Muster nicht minder wesentlich und wirksam für die Gestaltung seiner geistigen Anschauung waren. Daraus ergab sich die natürliche Folge, daß nicht nur in den Versen des Horaz der. Hauch des echt attischen Geistes uns überall anweht, sondern daß er auch in seinem Urtheile über poetische Kunst eine feltene Sicherheit erlangte, die einem fein organisierten Geiste aus solchen Verhältnissen erwachsen mußte. Und wie die reife Frucht ganz leicht vom Baume fällt, so entsproßte aus jener Sicherheit und vollkommenen Reife des Urtheils mit aller Leichtigkeit die Epistel über die Dichtkunst.

Die sorglose Leichtigkeit, womit die Gedanken über Poesie und poetische Theorie hingegossen sind, gewinnt einen besondern Reiz durch den Reichthum wohlbegründeter Erfahrungen, welche daraus hervorleuchten. Allein durch das leichte Sich-gehen-lassen, das der Dichter im Briefstyle sich erlaubte, der kein wissenschaftliches System darzulegen beabsichtigte, hat er die Erklärer vielfach auf verschiedene Wege auseinander geführt, oder das genaue und klare Durchschauen seines Weges erschwert.

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