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Wie die Metamorphosen Ovid's schon im Mittelalter und später noch viele Leser besonders deßhalb fanden, weil man darin ein Compendium der griechischen und römischen Mythologie sah; so war auch schon in den frühsten Zeiten diese Epistel des Horatius viel gelesen und vielfach commentiert worden, weil man darin ein Lehrgedicht der Dichtkunst erblickte. Hievon ist man zwar in neuerer Zeit ganz abgekommen, allein man steht noch weit davon entfernt, in einer Ansicht über das Werk übereinzustimmen. Während die Einen, statt eine Anleitung zur Dichtkunst anzunehmen, sich zu der Meinung hinneigten, daß dem Ganzen die Absicht zu Grunde liege, den jungen Piso von der Ausübung der Dichtkunst abzuschrecken *); so wenden Andre diesen Gedanken allgemein dahin: der Zweck des Briefes sei, auf die Schwierigkeiten der Dichtkunst aufmerksam zu machen. Statt dessen soll nach Andern der Hauptgedanke in Vers 372 flg. liegen: daß Mittelmäßigkeit bei Dichtern etwas ganz Unzulässiges sei. Noch Andre sehen in diesem Werke satirisch didaktische Züchtigung der Dichterlinge jener Zeit, wogegen wieder Andre den Hauptgedanken darin finden wollen: „Die Römer sind kein poetisches Volk**), was sie in der Poesie leisten können, kann nur durch emsiges Studium der griechischen

*) Dabei ist übersehen, daß Horaz in der Epistel selbst V. 391 flg. der Dichtkunst hohes Lob zollt, indem er die Dichter als die ersten Bildner des Menschengeschlechtes und als Träger der Volkscultur darstellt, und hieran den aufmunternden Gedanken knüpft, daß Niemand der Dichtkunst sich schämen solle, die er unter der Gunft der Musen und des Apollo übe.

**) Dagegen spricht, daß Horaz V. 286 flg. selbst sagt, daß römische Dichter nicht geringen Ruhm sich verdienten, und daß die römischen Dichtungen nicht hinter dem Waffenruhme des Römervolkes zurückgeblieben wären, wenn die römischen Dichter auf die Vollendung der Form mehr Mühe und Zeit verwendet hätten..

Werke, verständige Nachahmung und unablässige Feile erreicht werden". In ähnlichem Sinne wird von Andern als Grundgedanke angenommen: „Die Empfehlung der Griechen, die Zurückweisung der allzu hoch geachteten alten römischen Dichter, das beständige Hindrängen auf Studium und Sorgfalt in der Bearbeitung, gestützt durch eine strenge unnachsichtige Kritik, Regelung des natürlichen Talents durch die Kunst". Eben so weichen die Ansichten der Erklärer sehr von einander ab in Beziehung auf den Zusammenhang des Inhalts im Einzelnen unter sich. Diese glauben streng logischen Zusammenhang zu erkennen, jene nur abrupte Säße und fragmentarische Behandlung einzelner Punkte der Theorie der Dichtkunst, welche Horaz zeitenweise in den Unterhaltungen mit den Pisonen früher mündlich besprochen habe. Dabei ergeben sich nach Einigen zweiunddreißig praecepta für die Dichtkunst, nach Andern dreißig, und wieder bei Andern fällt die Zahl der praecepta auf neunundzwanzig, fünfundzwanzig und zweiundzwanzig. — Wieland sagt in der vierten Note zu seiner Ueberseßung: „Um in das Ganze Zusammenhang zu bringen, müßte man ein neues Werk daraus machen“; und Döderlein gesteht am Ende der Anmerkungen zu dieser Epistel, daß ihm alle Versuche mißlungen seien, sich selbst genug zu thun in der Darlegung des bis in's Einzelne streng gegliederten Organismus des ganzen Gedichts. — Nach allem diesem kann es nicht befremden, daß Goethe (WW. 31 S. 263) von der Ars Poetica sagt: „Dieses problematische Werk wird dem einen anders vorkommen als dem andern; und jedem alle zehn Jahre auch wieder anders".

Mag man nun den Zusammenhang aller einzelnen Theile *)

*) Zu den von Döderlein II, S. 143 angeführten Monographien dürfte auch noch die von B. Büchsenfchüß erwähnt werden, welche im Philologus XII, 1. S. 150 flg. sich befindet.

auf dem oder jenem Wege verfolgen, so scheint das Ganze sich in drei Hauptabschnitte zerlegen zu lassen in folgender Weise:

1. Von der Form der poetischen Darstellung überhaupt V. 1-252.

2. Von der Darstellung eines dramatischen Gedichts V. 153-294.

3. Mahnungen an einen jungen Dichter V. 295 bis 476.

Aus dem dritten Abschnitt ist ein Epilogus oder Schluß V. 453-476 abzusondern, der eine satirische Schilderung eines bis zum Wahnsinn verirrten Dichterlings enthält; und ebenso hat auch der erste Abschnitt eine allgemeine Einleitung V. 1-37, die für jede poetische Schöpfung die Forderung aufstellt, daß sie ein einheitliches Ganze bilden müsse, und hieran den Rath anknüpft, daß der Dichter nur einen seinen Kräften entsprechenden Stoff wählen dürfe.

Um etwas näher zur Begründung eines Urtheils über den Zweck oder das Ziel des Ganzen hinzugelangen, scheint es passend, zunächst in Betracht zu ziehen, an wen die Epistel gerichtet ist. Aus Vers 24 geht hervor, daß sie für drei Leser, den Vater Piso und seine zwei Söhne, vom Dichter zunächst bestimmt ist, wobei vorzugsweise der ältere Sohn (V. 366) berücksichtigt scheint. Ueber den Vater Piso geben uns die Scholien einen kurzen Bericht: et ipse Piso poeta fuit, et studiorum liberalium antistes. Diesen Be- • richt umschreibt Wieland folgendermaßen: „Piso hatte, wie damals in Rom jedermann Verse machte, sich bei Gelegenheit auch einige ganz artige Sachen in dieser Art entrinnen lassen; und er war überhaupt ein Freund der Literatur und ein allgemeiner Gönner und Beschüßer der Gelehrten, wie ungefähr es Mäcenas vor ihm gewesen war". — Sehr

ehrenvoll ist der Bericht, welchen Tacitus in den Annalen (6, 10) aus dem Jahre 785 n. E. R. über ihn erstattet: „Er war trotz des höchst argwöhnischen Charakters des Tiberius fern von niedrig knechtischer Unterwürfigkeit, stellte nie einen knechtischen Antrag, wußte mit weiser Mäßigung dem Herrscher gegenüber das Unvermeidliche auszuführen, und in seiner hohen Stellung als Stadtpräfect den Bürgern gegenüber eine solche Haltung zu bewahren, daß ihm allgemeine Bewunderung und rühmliche Anerkennung zu Theil ward. Durch einen Sieg in Thracien hatte er (im Jahre 743) die Ehre des Triumphs sich verdient. Mit all diesen Ehren vereinigte er auch die Stelle eines obersten Pontifex, und starb - was nach des Tacitus Bemerkung bei so hoher Stellung etwas Seltenes war dennoch eines natürlichen Codes". Je höher die Hofgunst, desto schnöder der Fall, zumal bei einem Tiberius. Und daß Piso's Gunst sehr hoch stund, erhellet aus Sueton (Tib. 42), da in dem Codicill, worin Tiber den Piso zum Stadtpräfecten erhob, er ihn zugleich jucundissimum et omnium horarum amicum Seneca, der die ehmaligen Größen aus der Umgebung römischer Herrscher gerne einer verkleinernden Censur unterwarf, unterläßt nicht auch von Piso zu berichten, er habe die Nächte zu vertrinken und bis zum Mittage zu schlafen pflegen. Indessen sagt auch Sueton (a. a. D.), wo er von der Weinliebe des Tiberius redet, Piso habe mit Tiber noctem continuumque biduum epulando potandoque zugebracht. - Mit all diesen Berichten stimmt ganz gut zusammen, was der dem Tiberius schmeichelnde Vellejus Paterculus (2, 98) in der Zeit, als Piso Stadtpräfect war, von ihm meldet:,, es herrsche in seinen Sitten eine bewundrungswürdige Mischung von Stärke und Lindigkeit, und man werde nicht leicht jemanden finden, der die Muße

nannte.

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des Privatlebens mehr liebe, und gleichwohl jedem ihm aufgetragenen Geschäfte besser gewachsen sei, und indem er Alles aufs beste besorge, weniger Geräusch dabei mache und sich weniger die Miene eines Mannes von großen Geschäften gebe“. — Piso hatte schon unter August's Regierung, vor Horazens Tod, das Consulat (739) bekleidet, als Tiberius und Drusus den Krieg gegen die Vindelicier führten. Nach seinem Consulate war ihm die Statthalterschaft von Pamphylien übertragen worden, und als ein Priester des Bacchus in Thracien einen Aufruhr veranlaßte, wurde er mit der Bekämpfung desselben betraut, worauf der von Tacitus erwähnte Triumph erfolgte (Dio Cass. 54, 34). Wenn wir die Abfassungszeit der Epistel mit Kirchner in das Jahr 745 oder 746 verlegen, so konnte damals der älteste der beiden Söhne des Piso zwanzig Jahre oder etwas darüber alt sein.

Fragen wir nun zu welchem Zweck oder in welcher Absicht Horaz die Epistel an die Pisonen abfaßte, so ist die gewöhnlich nahe liegende Anwort: um insbesondre den beiden jüngern Pisonen die richtigen Ansichten über die Dichtkunst beizubringen; oder: um vorzugsweise über das Drama und dabei auch insbesondre noch über das Satyrdrama den älteren Sohn zu unterrichten, da er gerade in diesen Dichtungen sich versucht habe. Es sind dies Vermuthungen, denen wir, so nahe sie liegen mögen, doch wohl auch eine anderweite an die Seite stellen dürfen, wornach der Zweck der Belehrung etwas in den Hintergrund gedrängt wird. — Wenn Horatius veranlaßt war, einem Manne eine Dichtung zu widmen, dessen persönliche Verhältnisse nicht einen besondern oder ihm ganz geeignet scheinenden Stoff zu einer Dichtung darboten, so pflegte er bekanntlich diesen Stoff entweder aus einem Gemeinplaß der griechischen Lyrik oder der gnomischen Dichter zu wählen, wie dies z. B. bei den Oden an Pom

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