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wo der Pontifex Maximus (und so denn auch Julius Cäsar) nebst den Vestalinnen wohnte, stiefs unmittelbar daran. In dem Tempel brannte nicht nur das „ewige Feuer“, sondern befanden sich auch allerlei geheime Heiligtümer, die immer für magische Unterpfänder des öffentlichen Wohles galten, z. B. das troische Palladium und die troischen Penaten. In der Regia wurden die Ancilia (zu III 5, 10) aufbewahrt, deren Obhut Numa einer eigens zu diesem Zwecke bestellten Priesterschaft, den Saliern, übergab, weil von ihrer Erhaltung bekanntlich nichts Geringeres als der Bestand des römischen Staates abhing. Iliae: Ilia ist in der gräcisierenden Sage der Name der Mutter des Romulus und Remus, welche in der echt heimischen Überlieferung Rea Silvia heifst. Den ältern römischen Dichtern Nävius und Ennius (die zur Zeit des H. von den zahlreichen Liebhabern und Kennern der altrepublikanischen Litteratur immer noch mit Begeisterung gelesen wurden) galt sie als die Tochter des Äneas (also Schwester des Julus), indem ihnen die chronologische Vorsicht der späteren Dichter, welche durch Einschiebung der ganzen Reihe der albanischen Könige einen beruhigenden Zusammenhang der Zeitrechnung herzustellen bemüht waren, völlig fremd war. Bei Ennius findet sich auch die berühmte Erzählung, wie die Mutter der Marssöhne auf Befehl des Tyrannen Amulius in den Tiber gestürzt wird, vor dem Sturz aber die göttliche Mutter ihres Vaters, Venus, anruft, die erscheint und durch Weissagungen über das Schicksal der Kinder die Unglückliche in milden Worten beruhigt, so dafs sie sich mit heroischem Mut den Wellen des heiligen Flufsgottes Tiberinus, dem sie zur Gemahlin bestimmt ist, überläfst. dum: zugleich begründend. nimium: zu iactat. querenti: über die Ermordung ihres grofsen Nachkommen Jul. Cäs. ripa: Ablat. der Linie: über das U.". non prob.: da er ja den Untergang Roms nicht wollen konnte. uxorius: „als gehorsamer Ehemann". Der Scherz wird unterstützt durch die Wortbrechung, welche wirkt, wie unser Gedankenstrich vor einem überraschenden Worte. (Nebenbei sei bemerkt, dals,,Uxorius“ uns als Titel eines Poems Ciceros, anscheinend eines Spottgedichts oder einer Komödie, aufbewahrt ist.)

21-24. civis: Bürger als solche, nicht als milites, die gegen den äusseren Feind geführt wurden. Persae: H. nennt die Parther oft Perser oder auch Meder (so V. 51), weil ihre Könige ihren Ursprung vom Achämenidenhause ableiteten, zu II 2, 17. Wie verhafst sie den Römern waren, zeigt eine Menge von Stellen in den Horazischen Schriften. Dieser Nationalhafs war eine Frucht der empfindlichen Niederlagen, welche die Römer unter Crassus und Antonius von den Parthern erlitten hatten. pugnas: civium. vitio par.: zu rara. rara iuventus: Denn zwei Generationen hatten sich in den Bürgerkriegen aufgerieben (ep. 16, 1): die Verödung Italiens begann mit der schrecklichen Schlacht am kollinischen Thore (82), in der 40 000 Feinde Sullas die Walstatt bedeckten. Nicht minder blutig waren die Kämpfe zwischen Cäsar und Pompejus; so fielen bei Pharsalus 15 000, bei Thapsus 50 000, bei Munda 30 000 Pompejaner. Dazu kamen die verheerenden Proskriptionen, bei denen Kinder ihre Eltern, Frauen ihre Männer, Diener ihre Herren verrieten. Von den 300 patrizischen Geschlechtern waren beim Ausgange der Republik nur noch 14 mit etwa 30 Familien übrig.

25-30. vocet: „anrufen“, Körner: „Vater, ich rufe dich“. divum: acc. sing. oder gen. plur.? ruentis: concidentis, wofern Oktavian, bei dem kundgegebenen Entschlusse beharrend, ihm seine Stütze entzieht. qua: ist durch Umstellung an eine Tonstelle getreten. sanctae: weshalb ihr Gebet von besonderer Kraft und Wirkung sein mufste; denn nach Cic. (off. II 3) deos placatos pietas efficit et sanctitas, welche letztere von ihm (n. d. I 41) erklärt wird als scientia colendorum deorum (nach dem Vorgange

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der Stoiker, welche sagten: εἶναι τὴν εὐσέβειαν ἐπιστήμην θεῶν θερα лelas). Die Lehrzeit der Vestalinnen aber dauerte volle zehn Jahre. minus audientem: wegen der frevelhaften Ermordung ihres Pontifex Jul. Cas. Der Pontifex Maximus war gewissermafsen der geistliche Vater der Vestalinnen und führte über den gesamten Dienst der Vesta die Oberaufsicht. carmina: precationes „Gebetsformeln". Für die feierlichen öffentlichen Gebete hatte man seit Numa bestimmte Formeln, an denen nichts geändert werden durfte; die einen wurden gesprochen (oder vielmehr in festem Takt und gebundenem Wortlaut gesangmäfsig vorgetragen, daher ,,carmina"), wenn man göttliche Zeichen zu haben wünschte, die andern, wenn ein Übel abgewendet werden sollte, wieder andere, wenn den Göttern ein Wunsch vorgetragen wurde. Da man, wie dem Gebete überhaupt, so vor allem dem der virgines sanctae eine aufserordentliche Kraft zuschrieb, so mufsten diese tagtäglich, besonders aber in Zeiten der Not und auf Veranlassung von Prodigien, im T. der Vesta für das Wohl des gesamten Volkes beten; vgl. auch zu III 30, 9. dabit partis: ist ein vom Theater entlehnter Ausdruck, für den Cicero auch personam imponere sagt. scelus: Appian (Arлavós schrieb in der ersten Hälfte des zweiten Jahrh. n. Chr. eine Pouaïzn iorogia in 24 Büchern) fährt, nachdem er die Vorzüge des Brutus und Cassius gepriesen, fort:,,Alien diesen Vorzügen hält das Verbrechen an Cäsar das Gegengewicht; denn es war ein unnatürliches, weil an einem Freunde verübt, ein Undank gegen den Wohlthäter, der sie als Kriegsgefangene verschont hatte, ein Frevel an dem Imperator, an dem Rathause, an dem Oberpriester, an dem heiligen Gewande, das er trug, an dem Manne, der zwar als Herrscher auftrat, wie noch kein anderer, dessen Verdienste um das Vaterland und die Oberherrschaft aber auch alle anderen weit übertrafen". expiandi: Über den Begriff der expiatio zu I 28, 31 piacula.

30-40. nube amictus: Iliad. V 186 vepέn einvμévos uovs. Wenn die Götter unverhüllt oder unverwandelt erscheinen, sind sie immer nur für einzelne sichtbar: οὐ γάρ πω πάντεσσι θεοὶ φαίνονται Evagyεis (Odyss. XVI 161). augur Apollo: Der Prophet Apollo vereinigt mit der Kunst der Weiss agung die der Heilung von körperlichen Gebrechen und der Reinigung von sittlicher Befleckung, namentlich der Blut schuld (Orestes!); denn wie sein eigenes Wesen Glanz und Klarheit ist, so überstrahlt er auch mit seinem milden Lichte alles Düstere und Böse und duldet es nicht, sondern findet die Mittel zur Heilung und zur Versöhnung: daher,,xaάpoios". In Rom wurde er seit dem 2. pun. Kriege in dem ganzen Umfange seines Wesens verehrt; einen besondern Aufschwung aber nahm sein Dienst unter Augustus, dessen Vorliebe für diesen Gott zum Teil auf älteren Gewohnheiten der julischen Familie beruhen mochte, aber ihm auch durch die persönlichen Erfahrungen seines Lebens nahe gelegt wurde: hatte doch der unter den Augen des Aktischen Apollo gewonnene Seesieg (31) seine Alleinherrschaft entschieden! Wenn daher seine Anhänger vielfach sogar behaupteten, Apollo sei der wahre Vater des Augustus, so ging dieser bereitwillig auf solche Schmeicheleien ein, indem er sich in Apollinischer Haltung und mit Apollinischen Attributen darstellen liefs (Caesar in bibliotheca sibi statuam posuerat habitu ac statu Apollinis, berichtet ein alter Erklärer des H.). Hiernach ist es begreiflich, dafs H. sich mit seinem tandem venias in erster Linie an diesen Gott wendet. Vgl. die Schlufsstr. von I 21. sive tu mavis: vel tu (tandem venias), si mavis. Erycina: Jul. Cäsar pochte gern auf seine Abstammung von Venus, und Augustus erhob sogar im Interesse der Dynastie der Julier Mars und Venus, die Stammgötter dieses Geschlechts, zu Stammgöttern des römischen Volkes. H. benennt die Göttin nach ihrem Heiligtum auf dem sicilischen Berge Eryx wegen der bekannten sich daran knüpfenden Überlieferungen von der Wanderung des Äneas.

ridens: piloμusións Apoodity (oft bei Hom. und Hes.). Jocus Cupido: Gemälde in Pompeii und Herculanum zeigen vielfach neben Venus ein Heer von Eroten und Psychen, deren heiteres Spiel auch in der römischen Dekorationsmalerei sehr beliebt war; vgl. die Begleitung der Venus I 30, 5-8 und zu I 19, 1. sive respicis: wie V. 33 sive mavis. neglectum: a te. genus et nep.: Ev dià svoĩv. respicis: Gegensatz zu neglectum. Dasselbe Verbum benutzt auch die biblische Sprache der Vulgata i. S. von „mit Wohlgefallen hinblicken auf, einer Pers. oder S. gnädig sich zuwenden", vgl. aequum videre C. S. 65. auctor: generis. satiate: Nach Hom. ist Ares άτος (= ακόρεστος) πολέμοιο. ludo: χάρμη. clamor: avtý, voлý, oμados. leves: vgl. II 7, 21 levia ciboria (i. e. pocula). Mauri: Die Mauren führten trotz ihres trefflichen Ackerbodens zum gröfsten Teil ein Nomadenleben oder trieben sich mit ihren Frauen auf ihren Rossen umher, wozu die Beschaffenheit ihrer Bergwälder und Ebenen, in denen sich die schönsten Weideplätze unter dem Himmel befanden", sowie ihre Liebe zur Unabhängigkeit einlud. Durch diese altherkömmliche Lebensart wurden sie abgehärtet zu Jagd und Krieg und geschickt, hier Elefanten in raschem Lauf zu verfolgen und den Löwen in seiner Höhle zu bekämpfen und zu bändigen mit ihrem sicher treffenden Wurfspiefs aus Taxusholz oder Schilfrohr (I 22, 2), dort in häufiger Fehde unter einander oder gegen Fremde sich zu versuchen oder als Söldner entweder zu Fufs mit ihren Schilden aus Elefantenhaut und ihren Überwürfen aus Löwen-, Panther- oder Bärenfell, oder als Bogenschützen, am liebsten aber als Reiter auf kleinen, behenden, ungesattelten Pferden in den Heeren der Karthager, ihrer heimischen Könige oder auch der Römer zu dienen. peditis: bezeichnet, wie sat. II 1, 14 labentis equo volnera Parthi, den wehrlos gemachten Feind. cruentum: blutig, weil aus den Wunden, die er den Mauren versetzt, „ein Blutstrahl hoch aufspritzt". hostem: militem Romanum.

41-52. sive: Hier ist nicht mehr tandem venias zu ergänzen, da Merkur schon auf Erden weilend gedacht wird, sondern zu konstr.: vel (tu) si imitaris, serus redeas. iuvenem : Oktavian war geboren am 23. Sept. Cicerone consule. Zu iuvenem ist mutata fig. (abl. qual.) Attribut: denn 1. dies lehrt schon die Wortst., 2. da Merk. schon als Gott in der Gestalt eines (blühenden und durch die Ausübung der edlen Gymnastik gestählten) Jünglings gedacht wurde, so konnte er nicht einen Jüngling schlechthin imitari, sondern nur einen J. von anderer Gestalt. ales: zu filius. Letzteres aber ist Appos. zum Subj. (tu): „wenn du, der Sohn . .". Wenn H. den Merkur in Oktavian inkarniert sein läfst, so stellt er sich damit auf den Boden des Volksglaubens, der in der That anfangs in dem jugendlichen, den lange entbehrten Frieden und die Sicherheit von Leben und Eigentum, Handel und Wandel wiederherstellenden Cäsar den „,segenspendenden Götterboten" (EoLovvios Equñs) erblickte und verehrte. Ist es ja auch Hermes, der von allen Göttern am liebsten mit und unter den Menschen verkehrt und alle geschickten und gewandten Männer gern begünstigt: ooì yáo te μάλιστά γε φίλτατόν ἐστιν ἀνδρὶ ἑταιρίσσαι (Iliad. XXIV 334). Näheres über den Gott zu I 10, einem Preisgesange auf denselben, welcher gipfelt in den Schlufsworten: superis deorum gratus et imis. almae Maiae: Die gräcisierende Mythologie dieser Zeit dachte sich die Atlantide Mała als Mutter des Merk. Maia (zusammenhängend mit magis, maior, dem Monatsnamen Maius) war aber auch eine italische, das Wachstum „fördernde" Flur- und Frühlingsgöttin, auch Bona Dea genannt und als solche weithin und hoch verehrt; daher denn auch das Attribut almae (von alere), das sich auf die Atlantide um so leichter übertrug, da das griech. μała („lieb Mütterchen") als Appellativ von Frauen gesagt wurde, die Wärterinnen oder Nährerinnen der Kinder gewesen waren. Hiernach

Horati carmina.

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begreifst du nun auch, weshalb der Dichter hier (anders I 10, 1) den Merk. nach seiner mütterlichen Abstammung bezeichnet. Caesaris: natürlich des Caius Julius; wo sonst in den Oden der Name erscheint, meint er immer den Augustus, wie schon V. 52. Caesaris ultor: Als nach Beendigung des Mutinensischen Krieges (27. Apr. 43) Oktav. nach Rom kam, setzte er ein aufserordentliches Gericht ein über die Mörder Cäsars und die Mitwisser an dem Morde (lex Pedia). Bei der Begründung des Triumvirats (Nov. 43) wurde unter den Zwecken desselben auch die Rache an Cäsars Feinden aufgeführt und eine lange Proskriptionsliste abgefafst. Als durch den Vertrag mit Sext. Pompejus zu Misenum (39) alle Verbannte die Erlaubnis zur Rückkehr nach Rom erhielten, wurden die Mörder Cäsars ausgenommen, die Oktav. so lange verfolgte, bis der letzte derselben im J. 30 hingerichtet war. Kurz: wie die Gegner ,Freiheit und Republik" als Losungswort auf ihre Fahnen schrieben, so war der Wahrspruch der Triumvirn, zumal Oktavians: „Rache für Cäsar!" Zum Andenken an die göttliche Strafe, welche die Mörder getroffen hatte, gelobte Oktav. im Kriege gegen Brutus und Kassius (42) dem Mars einen Tempel,,pro ultione paterna" (daher der Name „Mars Ultor"), der aber erst im J. 2 vollendet und eingeweiht werden konnte. populo Quirini: Romuli (zu III 3, 15), vgl. Romula (= Romulea) gens IV 5, 1. Romulus, ein Julier wie Cäsar und Oktav., war für diese Zeit das ideale Bild und der Garant der Monarchie. Oktav. wünschte sogar seinen Namen anzunehmen, wenn nicht statt dessen das Ehrenprädikat ,,Augustus" beliebt worden wäre. So liegt also auch in dieser Bezeichnung des populus Romanus eine Huldigung für den Kaiser. nostris: d. h. hominum, der sündigen Menschheit. iniquum: „ungnädig", der Gegensatz aequus I 12, 57. magnos triumphos: wie sie grofsen Siegen nach schweren Kämpfen entsprechen. Vor anderthalb Jahren (13.-15. Aug. 29) hatte der als alleiniger Machthaber aus dem Oriente zurückkehrende Cäsar in der That magni triumphi gefeiert: Vestalinnen, Senat, Volk geleiteten den Sieger in die Stadt; ein dreifacher Triumph wurde bewilligt, ein Triumph über die Dalmater, Japyden, Pannonier, ein Triumph über die Feinde des Staates, welche bei Aktium erlagen, ein Triumph über Ägypten; den letzteren eröffneten die gefangenen Kinder der Kleopatra, während die Königin selbst in treuer Abbildung aufgefahren wurde. Den Schlufs dieser Festlichkeiten bildeten glänzende Schauspiele und Wettkämpfe, welche der Monarch dem Volke zum besten gab. ames: mit zwei Objekten, einem substantivischen und einem verbalen. pater atque princeps: Jenen Titel (pater patriae) erhielt Augustus offiziell erst im J. 2, diesen (princeps senatus) schon im J. 28. Der Titel princeps (ohne den Beisatz senatus) wurde allmählich gleichbedeutend mit „Fürst, Herrscher, Kaiser“. neu: fügt an das Allgemeine (ames triumphos) das (namentlich hervorzuhebende) Besondere: die Rache an den Parthern soll nach dem Wunsche des römischen Volkes, dessen Hasse gegen diesen Erbfeind schon oben Ausdruck verliehen wurde, den Schlufsstein und die Krönung des von Cäsar errichteten Riesenwerkes bilden. equitare: In Asien bis an den Jaxartes und darüber hinaus, ebenso im Norden des Kaspischen und Schwarzen Meeres bis zum europäischen Tanais und Borysthenes wohnten Völker (Parther, Massageten, Sarmaten, Scythen u. a., mit gemeinsamem Namen Saken genannt), welche auf und mit ihren Rossen lebten und als innotoğóta reitend ihre Pfeile versandten. Über die Parther sagt Justinus (Geschichtschreiber des 2. Jahrh. n. Chr., der aus einem historischen Werke der Augusteischen Zeit einen Auszug veranstaltete): equis omni tempore vectantur; illis bella, illis convivia, illis publica ac privata officia obeunt, super illos ire, consistere, mercari, colloqui: hoc denique discrimen inter servos

liberosque est, quod servi pedibus, liberi non nisi equis incedunt. equitare sagt also H. charakteristisch und lebendig st. „vivere, esse".

3. Ode.

Der Dichter beginnt mit dem herzinnigen Wunsche an das Schiff, das den Freund Vergil nach Griechenland hinüberzutragen im Begriffe ist, die,, Hälfte seiner Seele" sicher an Attikas Gestaden auszusetzen (1-8). Ein Lieder" dichter hätte diesen Wunsch mit inniger und sinniger Wärme ausgesprochen und die ganze Glut der Freundschaft in seine Verse gehaucht; der reflektierende Lyriker aber springt alsbald zu andern, kühneren Bildern ab. Er sieht das Schiff, das den Freund trägt, im Kampfe mit Sturm und Wogendrang und dies einzelne Bild wird ihm zum Bilde der ganzen kühnen, ringenden Menschheit, welche den Gefahren der Meeresfluten, der Brandungen Adrias, den schwimmenden Ungeheuern der Tiefe trotzt und über die von den Göttern gesetzte Scheidung des Oceans auf frevelndem Flofs hinausschifft (9-24). Er schaut im Geiste den ganzen Trotz der Menschen gegen die Götter: den Übermut des Prometheus, der ihnen das Feuer raubt, des Dädalus, der sich auf künstlichen Flügeln in den Äther wagt, des Herkules, der durch den Acheron dringt (25-40). Aus einem der Freundschaft geweihten „Liede“ ist eine gedankenvolle „Ode" (auch im heutigen Sinne) geworden über die „Grenzen der Menschheit".

1-8. sic: „so - denn“: da nämlich der scheidende Freund durch die Vorstellungen des besorgten Dichters sich nicht zurückhalten lassen will. Mit der Versetzung in medias res vgl. I 24, 5 ergo, ep. 5, 1 at und den Liedesanfang bei Schiller: „So willst du ewig von mir scheiden" bei Goethe: „Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich aus junger Welt" te, navis: So H., der sich an den Strand versetzt denkt, an das belebt gedachte Schiff. diva: substant. = dea, mit altertümlicher Färbung; das Maskul. dazu steht I 2, 25. potens Cypri: Dafs die Götter als Beherrscher ihrer Kultusstätten gedacht wurden, ist dir aus Homer bekannt, z. B. Iliad. I 37 ös Τενέδοιο ἶφι ανάσσεις. Über die Verehrung der Venus auf Cypern zu I 30, 2. Diese Göttin durchdrang mit ihrer Macht das All: sie war nicht blofs eine Göttin des Himmels (Urania), sondern auch der im Anhauche des Frühlings befruchteten Erde (zu I 4, 5) und, wie hier, der beruhigten Flut (daher Taλnvain, Eunoia). Lucretius (lebte 98-55):

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te, dea, te fugiunt venti, te nubila caeli

adventumque tuum, tibi suavis daedala tellus
submittit flores, tibi rident aequora ponti
placatumque nitet diffuso lumine caelum.

Zu Paphos auf Cypern wurde daher das Orakel der Venus auch über die Schicksale einer beabsichtigten Schiffahrt befragt. fratres Helenae: Die beiden Heldenjünglinge Kastor und Pollux, welche seit jenem Vorgange in der Schlacht am See Regillus in Rom so sehr geschätzt, vom Ritterstande aber als ideales Vorbild verehrt wurden (Näheres über sie zu I 22, 25 Ledae), galten (seit der Argonautenfahrt) auch für Götter einer günstigen Seereise. Wenn nämlich auf den Spitzen der Mastbäume oder Segelstangen sich zwei Flämmchen jener elektrischen Lichterscheinung zeigten, die St. Elmsfeuer heifst, so nannten die alten Schiffer dieselben „Kastor und Pollux" und hielten sie für glückbringend, während sie in einer einzelnen Flamme die böse Schwester der Dioskuren, Helena, sahen. Der letztere Umstand dürfte H. zu der Umschreibung fratres Helenae veranlasst haben. sidera: Die beiden Flämmchen bezeichnete

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