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DRITTES CAPITEL.

Umstellungen und Lücken.

Unter den Gestalten, die dem Dichter in den Strafsen Roms begegnen, wird in der ersten Satire 62 (63) ff. der Testamentsfälscher (signator falso'), dann 72-75 (69-72) die vornehme Matrone vorgeführt, die ihren Mann vergiftet und die übrigen Weiber der Familie in derselben Kunst unterweist. Hierauf folgt 68-71 (73-76) eine sarkastische Empfehlung von Criminalverbrechen für Männer, die zu Stand und Reichthum kommen wollen:

aude aliquid brevibus Gyaris et carcere dignum,

si vis esse aliquid etc.,

und dann kehrt der Text 76 (77) f. wieder zu den Greueln der Familie zurück:

quem patitur dormire nurus corruptor avarae etc. Warum sollte der Dichter nicht vorgezogen haben, jenen Rath unmittelbar an die Erscheinung des verbrecherischen Emporkömmlings anzuknüpfen und die Reihe häuslicher Unthaten, Vergiftungen und Verführungen, dann ununterbrochen fortzuführen? Wenn der Abschreiber nach 67 (68) die nächsten vier Verse aus Versehen überschlug, so mochte er die einmal begonnene Periode (72-75 = 69-72) zu Ende führen und dann erst die übersprungenen Zeilen (68—71 = 73–76) nachholen.

Das Capitel von den Orgien der Männer in der zweiten Satire wird nach der Ueberlieferung in folgender Ordnung behandelt: (a) bald wirst du, der du jetzt in durchsichtigem Gewande auf der Rednerbühne erscheinst, in die Gesellschaft der Männer aufgenommen werden, welche, als Weiber verkleidet, die bona dea feiern und wie diese das andere Geschlecht aus ihrem Kreise verbannen: (82-90) ite, profanae,

clamatur, nullo gemit hic tibicina cornu.

(b) Solche Orgien feierten die Bapten zu Ehren der Cotytto (96 f. 91 f.). (c) Jener färbt die Augenbrauen, jener trinkt aus einem gläsernen Priapus und füllt ein goldenes Netz mit seinen Haaren, ein Dritter hält einen Spiegel (100-11293-107). (d) Hier kennen die Worte keine Schaam, der Tisch keine Rücksicht; hier herrscht die Freiheit der Cybele, und Oberpriester ist ein silberhaariger Greis (91-95 110-114). (e) Aber warum warten die Leute, da es längst Zeit ist, sich mit phrygischem Messer zu entmannen (98 f. = 115 f.)? Dann folgt (f) die Hochzeit des Gracchus mit dem Hornbläser (113 ff. = 117 ff.). Versuchen wir, ob diese zerbröckelte Darstellung in ein etwas festeres Gefüge zu bringen ist. Zunächst tritt der Satz (b)

=

talia secreta coluerunt orgia taeda etc.

zu früh ein: er verlangt eine vollständigere Schilderung der Orgien als in (a) enthalten ist. Vervollständigt wird dieselbe durch (d), das sogar äufserlich den unverkennbarsten Anschluss an (a) bietet:

nullo gemit hic tibicina cornu:

hic nullus verbis pudor aut reverentia mensae,

hic turpis Cybeles et fracta voce loquendi

libertas etc.

Der 'senex fanaticus' als 'sacrorum antistes' (93 f. 112 f.) steht in offenbarem Gegensatz zu der Frau des Consuls oder Prätors, welche sonst das Opfer darzubringen pflegt, passt also vortrefflich hierher, wo es gilt, den Satz (87 ff.)

sed more sinistro

exagitata procul non intrat femina limen,
solis ara deae maribus patet

zu bestätigen. Hier war auch am passendsten an die wilde Frechheit der Cybelefeier zu erinnern. Nun darf aber (e) nicht zu weit von (d) getrennt werden, wegen der Beziehung der phrygischen Sitte (98=115) auf den Dienst der Cybele (92=111). Am natürlichsten hängt es zusammen mit den weibischen Toilettenscenen, die in (c) ausgeführt sind: es kann ihnen ebensogut vorausgehen als nachfolgen, und auch der Anschlufs von (f) an (c) macht nicht die geringste Schwierigkeit '). Ueber eine Spur dieser Unordnungen,

1) Der Zusammenhang, den Jahn nach 105 (98) durch eine Lücke zerrissen glaubt, ist von mir durch einfache Aenderung von 'et' in 'en' und Interpunction hergestellt worden.

welche das Scholion zu 90 verräth, ist de sat. sexta p. 28 ge

handelt.

Sehr richtig hat Jahn in der dritten Satire 17-20 vor 12-16 gestellt: denn die Rendezvous des Numa mit seiner Nymphe haben. nicht an der porta Capena (11), sondern im Thal der Egeria stattgefunden. Auch wird dasselbe unzweifelhaft beschrieben

hic, ubi nocturnae Numa constituebat amicae,

nunc sacri fontis nemus et delubra locantur
Iudaeis etc.

ehe Umbricius mit dem Freunde dort angekommen ist. Darum ist die von Ruperti vorgeschlagene Verbindung 'hinc, ubi in vallem Egeriae descendimus' unmöglich. Dagegen empfiehlt sich die Wiederholung 'hic, ubi hic tunc Umbricius' auf das Entschiedenste. Offenbar hat der gleiche Versanfang ('hic') 16 = 12 und 21 den Abschreiber verleitet, 16-20 12-16 auszulassen. Es wurde am Rande nachgeholt und dann an falscher Stelle in den Text gesetzt. Damit war aber eine andere Verderbnifs, wie häufig, verbunden. Das Zusammenstofsen von 11 mit 1217 ist entschieden hart. »>Während der ganze Hausrath auf einen Wagen gepackt ward, blieb er am capenischen Thore stehen. Wir (ohne Betonung dieses Subjects) stiegen in das Thal der Egeria hinab.« Hier fehlt ein Uebergang, der den Spaziergang vorbereitet und erklärt: » aber da der Wagen auf sich warten liefs oder dergleichen. Also wenigstens ein Vers wird nach 11 ausgefallen sein.

Sehr arg hat die zweite Partie der fünften Satire durch Umstellungen und Lücken gelitten. Ganz klar und geordnet werden nach den Worten 24 'qualis cena tamen?' die einzelnen Bestandtheile derselben der Reihe nach durchgenommen; zuerst die Getränke: der Wein (24-33=24 f. 30-37) und die Becher (33-44-37-48), das Wasser (45—48 = 49–52) und die kredenzenden Sclaven (48-6152-65); ferner das Brod (62-74-67-80); Fische und Oel (75-100 80-106); die Braten und der structor (101-111 114-124). Dafs hier 112-115 (166-169) einzusetzen sind, ist bereits oben (S. 109 f.) bemerkt worden. Nun bleibt von den Gängen der Mahlzeit nur noch das Desert übrig, Pilze und Obst (116-125 = 146–155). Dieser Abschnitt hängt weder am Anfang noch am Schlufs mit der Umgebung des überlieferten Textes zusammen, und kein Grund ist abzusehen, warum die durchweg

beobachtete Gegenüberstellung dessen, was dem Herrn und was dem Gast vorgesetzt wird, die auch hier wieder durchgeführt ist, von den übrigen Partieen derselben Anlage und so verwandten Inhaltes getrennt sein sollte durch Ausführungen, welche von der materiellen Mahlzeit absehend vielmehr das persönliche Verhältnifs zwischen Patron und Client ins Auge fassen (130-149=125–145). Ist nun hier von der Missachtung, welche der Herr bei der Tischunterhaltung seinen freigeborenen (132=125) Gast fühlen läfst, die Rede, so berühren die Verse 126-129 (26-29) das Verhalten der übermüthigen Freigelassenen (libertorum cohors' 128=28) zu dem Parasiten. Unter den weinerhitzten Köpfen kommt es zum Streit, erst fliegen grobe Worte, dann die Becher hin und her, und das Blut des Eindringlings fliefst. Da übrigens der Verwundete schwerlich zugleich der Angreifer sein wird, so empfiehlt es sich zu schreiben 126 (26):

statt torques.

sed mox et pocula torquet (oder torquent), saucius et rubra deterges vulnera mappa

Diese vier Verse nun folgen in den Handschriften auf die kurze Beschreibung des Weines, den der Client trinken mufs (24 f.): vinum, quod sucida nolit

lana pati de conviva Corybanta videbis;

worauf der edeln Sorten gedacht wird, an denen sich der Herr labt. Der des Gastes ist sogenannter Strumpfwein'), der zusammenzieht und dem Trinker Bauchgrimmen macht, dafs er sich windet und die Glieder wie in Korybantischer Verzückung verdreht. Dafs gerade saurer Wein besonders streitsüchtig mache, ist mir unbekannt, und es wäre eine seltsame Oekonomie des Dichters, das Gefecht mit den trunkenen Freigelassenen gerade an den Anfang der Mahlzeit zu rücken. Auch fehlt jeder Uebergang von der Qualität des Getränkes auf seine Wirkungen, während ohne diese vier Zeilen der Zusammenhang von 24 an ganz glatt und vollständig befriedigend ist. Geworfene Becher und blutige Köpfe gehören in dieselbe Bilderreihe, in der wir den vorlauten Gast, der es wagt, den Mund aufzuthun, » als habe er drei Namen ", an der Ferse hinausgezogen und vor die

1) Varro de re r. II 11 ‘recens lana tonsa sucida appellata est. Sie wurde mit Wein und Oel gewaschen. Die zusammenziehende Kraft sauren Weines mag sich nach dem Scherz des Satirikers an den krausen Locken der Schafwolle bewähren.

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Thüre gesetzt sehen (130 f. 125 f.). Aber freilich schwebt die Streitscene mit den Freigelassenen auch so in der Luft. Voraus musste, nachdem die Beschreibung der eigentlichen Mahlzeit beendigt war, etwa Folgendes gehn: »nicht genug, dafs Speise und Trank nur zu deiner Demüthigung dienen, dafs die Dienerschaft dich ihre Verachtung fühlen läfst. Auch die übrige Behandlung bei Tische von Seiten des Hausherrn wie seiner Freunde ist schmachvoll.<< Hier konnte sich 126–129 (26–29) und 130 (125) ff. anschliefsen. Auch der Abschnitt 116-125 (146-155), welcher die substantiellen Theile der Mahlzeit beschliefst, lässt sich nicht ohne Weiteres an 115 (169) anknüpfen. Nach den Worten

inde parato

intactoque omnes et stricto pane tacetis

musste jedenfalls noch gesagt werden, dafs diese Erwartung bitter enttäuscht werde, dafs die fetten Bissen ungenossen an ihnen vorübergehen, und mit welchem mageren sie selbst abgespeist werden. Denn diese Vergleichung zwischen Herrn und Clienten fehlt sonst nirgends. Vgl. 24 f. und 26 (30) 'ipse' etc.; 35 (39) und 42 (46) 'Virro — tibi—tu'; 45 (49)'domini' und 48 (52) ̊vos'; 48 (52) 'tibi' und 52 (56) 'ipsum'; 62 (67) und 65 (70); 76 (81) 'domino' und 79 (84) 'tibi'; 81 (86) 'ipse' und 82 (87) 'tibi'; 86 (92) 'domini', 93 (99) 'Virroni' und 97 (103) 'vos''); 116 (146) 'domino' und 'amicis'; 119 (149) 'Virro' und 123 (153) 'tu'. So verlangt denn auch die Gänseleber vor dem Herrn ('anseris ante ipsum magni iecur' 101114) nebst den übrigen Leckerbissen ihr Gegenstück, das 112 (166) mit den Worten 'spes bene cenandi vos decipit' nur eingeleitet, aber nicht zu Ende geführt ist.

Erwägen wir nun, dafs die sechste Satire (über die in der angehängten 'diss. de Iuv. sat. sexta' gehandelt ist) in der gröfsten Verwirrung überliefert ist, so geht aus den obigen Betrachtungen hervor, dafs der Urcodex des Juvenal bereits hier, von 111 (124) an in Confusion gerathen sein mufs, die sich in diesem Umfange nicht über die sechste Satire hinaus erstreckt.

1) So streng in der Durchführung dieser Gegensätze wird man wohl nicht sein dürfen, um zu dem 'mullus domini' (86=92) noch irgend einen besonderen Fisch für den Gast zu verlangen: die 'anguilla' (97 = 103) wird den 'mullus' sowohl als die 'muraena' (93=99) ersetzen.

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