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dieses Thema's können wir uns weit eher als Juvenalisch gefallen lassen. Der derbe übermüthige Landsknechtton ist sehr wohl getroffen, die Darstellung ist präcis und zeigt, dafs der Verfasser mit den militärischen Privilegien und Licenzen aus nächster Anschauung bekannt ist. Natürlich haben wir nur ein Bruchstück vor uns, denn es erschöpft ja das Thema bei Weitem nicht und schnappt auf einmal ab, als ob die Parce hier mit dem Lebensfaden des Dichters auch das Gespinnst seines letzten Werkes abgeschnitten hätte. Dennoch ist wunderbarer Weise gerade die Echtheit dieses Fragments schon in alter Zeit von der Mehrheit der Kenner verworfen worden, wie die Scholien bezeugen und auch die schwankende Stellung in den Handschriften (sie steht in bev vor XV) zu verrathen scheint. Die Gründe dieses Urtheils sind uns freilich sowenig als die Namen seiner Vertreter bekannt, und vielleicht ist es nur der jähe oder vielmehr der fehlende Schlufs gewesen, welcher der Anerkennung des Gedichts schadete.

Jedenfalls dürfen wir Act nehmen von der hierdurch constatirten Thatsache, dafs man den Verdacht fremder Zuthaten zu der echten Juvenalischen Sammlung schon früh hegte. Ferner dürfen wir folgende Alternative stellen. Entweder die sechszehnte Satire ist die letzte von Juvenal im ägyptischen Lager geschriebene: dann beweist sie, dafs er auch damals noch unfähig war, Stümperarbeiten wie die fünf Declamationen zu liefern, welche also zu keiner Zeit von ihm geschrieben sein können. Oder die sechszehnte Satire rührt nicht von Juvenal her: dann haben wir ein sicheres Beispiel des Betruges vor uns und sind um so mehr berechtigt, den übrigen Vorrath scharf auf seinen Ursprung anzusehn. Hier aber kommt nun die Notiz der Biographie hinzu: in exilio ampliavit satiras et pleraque mutavit. Unglaublich! Der alte kranke Mann, 'senio et taedio vitae confectus', sollte sich in der Libyschen Oase unter den Strapazen des Lagerlebens, fern von den Eindrücken der Heimath, die der eigentliche Schauplatz seiner Dichtungen war, mit einer so gründlichen Umarbeitung der Satiren befafst und der geistigen Kraft seiner letzten paar Lebensjahre zugetraut haben, dafs es ihr gelingen würde, Werke, die in ihrer alten Gestalt ihm den vollen Beifall seiner Landsleute eingetragen hatten, unter so durchweg ungünstigen Bedingungen zu noch höherer Vollendung zu bringen?

Dennoch aber ist in jenen thörichten Worten das unschätzbare Zeugnifs enthalten, dafs es in Rom nach dem Tode Juvenals zwei in Umfang und Redaction bedeutend verschiedene Textausgaben seiner Werke gab, eine kürzere, wie sie der Dichter selbst noch in Rom veröffentlicht hatte, und eine beträchtlich erweiterte, die angeblich in seinem ägyptischen Nachlafs gefunden war. Nach den bisherigen Auseinandersetzungen scheint nun Nichts wahrscheinlicher, als dafs ein speculativer Buchhändler und ein hungriger Poet niedrigen Ranges sich zu dem lucrativen Geschäft zusammenthaten, eine solche postume Ausgabe zu veranstalten, die bei der Vorliebe des Publicums für den verstorbenen Satiriker, die durch sein Exil und die Veranlassung dazu natürlich nur noch gesteigert war, auf schnellen gierigen Absatz sichere Aussicht und im schlimmsten Falle Nichts zu befürchten hatte. Es hat der unverfälschten Ueberlieferung der Juvenalischen Satiren keineswegs genutzt, dafs sie auch in den Zeiten der einreifsenden Barbarei zahlreiche und eifrige Leser fanden. Wenn Zeitgenossen des Ammianus Marcellinus (XXVIII 4) im vierten Jahrhundert, selbst solche, die sonst Literatur und Wissenschaft »wie Gift verabscheuten«, den Juvenal allein unter allen Dichtern ihrer Lectüre würdigten, so wird man ihnen die Fähigkeit, Echtes von Unechtem zu unterscheiden, nicht zutrauen wollen; viel wahrscheinlicher ist es, dafs die apokryphe Ausgabe wegen ihres dickeren Volumens an diesen Liebhabern besonders gute Kunden fand. In dieser Zeit erst, und besonders im fünften und sechsten Jahrhundert, scheinen auch die Grammatiker angefangen zu haben, unseren Dichter in den Kreis ihrer Studien zu ziehen: Servius, Macrobius, Priscian und seine Schüler sind die ältesten Zeugen unseres Textes; ihnen reihen sich die Scholiasten des Horaz, Lucan, Persius, Statius an, die ebenso wenig als der alte Erklärer Juvenals selbst Anspruch auf Auctorität in Sachen der höheren Kritik machen können. In welcher Gestalt oder welchen Gestalten also man in den ersten drittehalb hundert Jahren nach dem Tode des Dichters seinen Nachlafs in und aufser Rom gelesen hat, ist uns völlig unbekannt: dafs nach Konstantinopel, wo wir jedenfalls die Quelle unserer Ueberlieferung zu suchen haben, eher eine Abschrift der >> completen«, modernen, als der authentischen alten durch den Buchhandel gekommen sein werde, ist durchaus wahr

scheinlich. Dann aber kam das Mittelalter, dessen mönchischem Gaumen ohne Zweifel die erbaulichen Predigten des "ethicus' ungleich glatter eingingen als jene unverhüllten Sittenschilderungen: hätte sich bis dahin noch ein Exemplar des unverfälschten Textes erhalten, so mufste es jetzt unvermeidlich durch die Fluth der Abschriften der anderen Gattung verdrängt werden.

ZWEITES CAPITEL.

Interpolationen.

Es stände aber freilich schlimm um unsere Hypothese, wenn wir die zehn Satiren des echten Juvenal vollständig so als sein Werk hinnehmen müssten, wie sie uns überliefert sind. Denn alle jene Fehler und Schwächen, um derentwillen wir die fünf Declamationen verworfen haben, finden sich auch in ihnen verstreut, und diese Flicken sind jenen zusammenhängenden Arbeiten so ähnlich, dass, wenn sie dort ihren Platz behaupten könnten, wenn man sich gefallen lassen müfste, dafs der Dichter in einem und demselben Stück zugleich Meister und Stümper, witzig und albern, gediegen und flach, präcis und breit wäre, man sich denn auch nicht wundern dürfte, dafs die Untugenden dieses seltsamen Individuums in fünf dickleibigen Producten zur Alleinherrschaft gelangt wären. Zu einer Anerkennung dieses Prodigiums sind wir aber keineswegs gezwungen. Nicht nur giebt uns die erwähnte Notiz von der nachträglichen »Erweiterung << und durchgreifenden »>Veränderung« der Satiren das unbestreitbare Recht, auch in den echten Stücken Interpolationen zu vermuthen: selbst unsere verhältnifsmässig so junge Ueberlieferung bietet uns in Handschriften und Scholien noch manche weiter unten zu benutzenden Beweise, dafs die ungeschickt freche Hand von Interpolatoren oft die schönsten Stellen nicht verschont hat. Ausserdem haben neuere Kritiker') noch eine stattliche Menge von Versen in Verdacht gezogen,

1) Einverstanden bin ich mit

Dobree zu I [14] VI [323]

Heineke zu III [281]

Heinrich zu IV [78] V [66] VI [335 f.] [444] [460] VII [181] X (XI) [99][161]

ohne freilich zu ahnen oder zuzugestehen, dafs die Fälschung in viel gröfserem Umfange sich eingeschlichen hat.

Was nämlich jene Industrieritter unter » Erweiterung« verstanden, lehrt am anschaulichsten der Eingang der vierten und elften Satire.

Dafs die Erzählung von der Staatsrathssitzung auf dem Albanum (IV 1-11637-154) für sich allein ein vollkommen abgerundetes Ganze bildet, hat noch Niemand geleugnet. Die ihr voraufgehende Strafrede über die Schlemmerei des Crispinus, die selbst Häckermann für einen späteren Zusatz zu halten geneigt ist, als einen wesentlichen Bestandtheil und das Erzeugnifs besonders feiner Composition anzuerkennen, war der neuesten Interpretationskunst vorbehalten. Nägelsbach hat nämlich ermittelt (Philol. III 470 ff.), Juvenal greife zunächst aus der Mitte der Höflinge ein besonders verächtliches Exemplar heraus, ohne indessen von dessen grofsartiger Lasterhaftigkeit mehr als seine frivole Verschwendung ins Auge zu fassen, und zeige dann im Haupttheil, wie es mit solchen Creaturen kaiserliche Majestät treibe. So erscheine der prunkende Schlemmer als das erbärmliche Spielzeug kaiserlicher Laune, und die Schlechtigkeit dieser Creatur stelle wiederum den Werth des Herrschers ins Licht, der sie erhoben. Ausgewählt sei gerade der Fischkauf des Crispinus, weil er dem Vorfall bei Hofe ähnlich sei.

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Recht schön. Wenn aber der Dichter solche Intentionen hatte, warum hat er denn Alles gethan, um sie vor dem Leser zu verstecken? Warum tritt denn Crispinus im Conseil nur so ganz bescheiden mit kaum zwei Zeilen auf (70 f. 108 f.), ohne auch nur einmal das Wort zu ergreifen? Warum spielt er nicht vielmehr als Kenner des Fischmarktes eine Hauptrolle, statt von amomus zu schwitzen? Warum hat der Dichter mit keiner Sylbe an jene Einleitung erinnert und auf den beabsichtigten Zusammenhang hingewiesen? Uebrigens für die Illustration des Satzes »wie der Herr so

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