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§. 22.

Anhang.

Ist Dolus ein Ehehinderniss?

Aus der Lehre vom Ehehindernisse des Irrthums erhellet, dass es unerheblich ist, ob derselbe betrüglicherweise, dolo, von dem andern Ehegatten hervorgerufen worden sei, ob also s. g. dolus causam dans vorliege, oder nicht. Der dolus kann den Consens nicht aufheben, weil es nicht auf das Motiv ankommt, welches den Consens hervorgerufen hat, sondern nur einzig und allein auf das Vorhandensein desselben. Es wird der Betrug meistens schon um deshalb auch mit dem Irrthume zusammenfallen, weil letzterer gewöhnlich durch ersteren hervorgerufen wird. Daher handeln die Kanonisten den dolus meist nur bei Gelegenheit des Irrthums ab, oder übergehen denselben mit Stillschweigen, welch Letzteres sich aus dem Gesagten rechtfertigt.*)

II. Ehehindernisse, welche den Consens nur für bestimmte Personen unmöglich machen.

§. 23.

A. Wegen eines zwischen den Contrahenten bestehenden die Ehe ausschliessenden Verhältnisses.

1. Ehehinderniss der Verwandtschaft. Impedimentum consanguinitatis.1)

Tief in des Menschen Natur liegt der Abscheu gegen Ehen unter nahen Verwandten, und obgleich manche Gesetzgebungen der Neuzeit das Ehehinderniss derselben bis auf die Personen zurückdrängen, mit denen eine Ehe dem Gemüthe als Greuel erscheinen würde, sträubt sich doch der sittliche Sinn des Volkes

*) S. c. 18 (Urban. III.) x. de spons. et matr.; c. 6. x. de his quae vi metusve c. f. (I. 40). Gloss. ad cap. 6 cit. Barbosa ad Lib. IV. Tit. IX. cap. 2 n. 7. Sanchez 1. c. Lib. VII. disp. XVIII. bes. n. 18. Richter a. a. O. Knopp I. S. 37, durch dessen Rüge veranlasst Permaneder §. 386 n. 3 die abweichende Ansicht der früheren Ausgabe stillschweigend aufgegeben hat. Pachmann II. §. 301.

1) Spöndlin. Ueb. d. Eheverboth wegen Verwandtschaft. Zürich 1844. Schlegel, kritische u. syst. Darstellung der verbot. Grade der Verwandtsch. u. Schwägersch. Hannover 1802.

gegen solche Verbindungen, mit dem wahren Sprichworte: „Sterben, Verderben oder keine Erben" deren Folgen bezeichnend. Worin liegt der Grund dieses Verbotes? Das ist die vielfach gestellte, auf die verschiedenste Weise beantwortete Frage. Ich glaube, es ist unmöglich, ein richtigeres Princip aufzustellen, als der grösste Denker des Christenthums, der h. Augustinus in den Worten thut:) „Cum igitur genus humanum post primam copulam viri facti ex pulvere et conjugis ejus ex viri latere, marium feminarumque conjunctione opus haberet, ut gignendo multiplicaretur; nec essent ulli homines, nisi qui ex illis duobus nati fuissent: viri sorores suas conjuges acceperunt; quod profecto, quanto est antiquius compellente necessitate, tanto postea factum est damnabilius. religione prohibente. Habita est enim ratio rectissima caritatis, ut homines, quibus esset utilis atque honesta concordia, diversarum necessitudinum vinculis necterentur, nec unus in uno multas haberet, sed singulae spargerentur in singulos; ac sic ad socialem vitam diligentius colligandam plurimae plurimos obtinerent." Es ist also dieses Verbot im Plane der Schöpfung gelegen, weil die Wahrheiten, Gaben und Wohlthaten nicht einer Familie, einem Stamme, Volke mit Ausschluss aller übrigen zukommen sollen; weil es Gottes Wille ist, dass nicht blos Einzelne untereinander, sondern Jeder Alle mit Liebe umfasse. Die Ehe soll jenes Band sein, wodurch die Menschen zusammengekettet, einander genähert werden und gleichsam in den vielfältigsten neuen Gliedern dieser Kette eine Familie bilden sollen. Wäre die Ehe zwischen Verwandten nicht verboten und sogar die Regel, so würde bei einer Familie Gutes und Schlechtes sich fortpflanzen; die allgemeine Liebe würde bei den Meisten zur blossen Verwandtenliebe, zum Egoismus, dessen natürliche Feindin die Nächstenliebe ist. Spöndlin glaubt das augustinische Princip noch höher aufgefasst zu haben, indem er meint3), das Verbot sei gegeben, ... damit durch immer

2) de civitate Dei Lib. XV. 16. S. andere Widerlegungen bei v. Moy S. 80, Anm. 108, der übrigens, ohne denselben zu nennen, ganz aus den Gründen Augustin's deducirt. Unrichtig ist es aber, wie Moy S. 89 zu meinen scheint, anzunehmen, Aug. habe nur hiermit die christl. Eheverbote begründen wollen. Er wollte den Grund zeigen, der im Schöpfungsplane liegt; dieser Grund ist im Heidenthume derselbe, als im Christenthume, nur dass letzteres, weil alle Verhältnisse, so natürlich auch die vorliegende Frage höher auffasst. Selbst im Alterthume erhoben sich Einzelne dazu, die Ehen unter Verwandten als etwas Unerlaubtes und Barbarisches anzusehen, z. B. Euripides Andr. 173.

3) a. a. O. S. 18 sqq., bes. S. 52 sqq.

frische Verbindungen die Individualitäten rein erhalten werden (so weit es dem sündl. Geschlechte möglich ist), und nicht unglückliche Organisationen sich so sehr verhärten und verknöchern, dass die Willensfreiheit des Einzelnen dadurch zu sehr beschränkt oder gar aufgehoben würde" ù. s. w. Aber dieses ist nur eine Folge, oder vielmehr eine Strafe der Verletzung jenes Gebotes, wie er im Folgenden indirect selbst zugibt, nicht aber dessen Princip, weil es nur eine aus Thatsachen abstrahirte, äussere Erscheinung ist. Auch liesse sich auf diese Art keine Strafe des Incesses begründen. Dass eine üble Folge eintritt, macht allein eine Handlung nicht zur schlechten. Ebensowenig widerstrebt die Ehe unter nahen Verwandten dem natürlichen Verbande, wohl aber dem höhern, sittlichen Zwecke der Welt. Das augustinische Princip hat unbedingte Wahrheit. Ob eine oder tausende solcher Ehen vorkommen ist insofern gleichgültig, als eine jede für sich gleich stark der Weltordnung widerstreitet. Dass jene Folge immer mehr hervortritt, ist natürlich, weil jede Missethat auf Generationen fortwirkt und das einmal begonnene Elend durch jede spätere Verbindung vergrössert wird. Es thut dem Principe keinen Eintrag, dass die wenigsten Menschen sich dessen bewusst sind. Denn unbewusst schlummert schon in eines jeden unverdorbenen Menschen Brust dieser natürliche Abscheu.

Andere haben das Princip im s. g. respectus parentelae finden wollen1), welches schon an sich nur auf bestimmte Ehen passen würde und zu sehr die normale Verschiedenheit der Jahre voraussetzt. Ebenso ist die Ansicht zu verwerfen, als sei die Unvereinbarkeit der Verwandtenliebe mit der Geschlechtsliebe) Ursache des Verbotes. Zweck der Ehe ist nicht die blosse Geschlechtsliebe oder deren Befriedigung, sondern Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Diesem aber widerstreitet die Verwandtenliebe keineswegs so unbedingt. Noch unbedeutender ist es, zu behaupten, das Verbot sei gegeben, weil man anders der Unzucht in den Familien nicht vorbeugen könne, welche wegen des nahen und vertrauten Zusammenlebens zu befürchten sei. Ein solches blosses Verbot würde wenig gegen die Sinnlichkeit helfen, hätte für Verwandte, die nicht zusammenleben, keinen Grund, und wäre endlich eben so gut bei fremden Menschen angebracht, sobald

4) S. dagegen v. Moy a. a. O. Spöndlin a. a. O. S. 23 sqq.

5) Z. B. bei Nitzsch Neuer Vers. üb. die Ungült. des mos. Ges. u. den Rechtsgr. der Eheverb., 1800 Wittenb. u. A.

dieselben in unmittelbarer Nähe zusammenlebten; kurz es fehlt demselben alle absolute Wahrheit.

Die Wahrheit des augustinischen Princips muss sich durch die Geschichte bewähren. Das Judenthum hatte die geoffenbarte Religion als Besitzthum seines Stammes rein zu bewahren, somit in nationaler Abgeschlossenheit zu verharren, um dem Messias eine Stätte zu bereiten. Sein Charakter ist daher StammesEgoismus. Hier konnten Ehen nur insoweit verboten sein, als dies unbedingt und unerlässlich nothwendig war. Wie hier der religiöse, so war es bei den occidentalischen Völkern des Alterthums der politische Charakter, welcher die nationale Abgeschlossenheit bedingte. Verschwand letzterer mehr und mehr, so musste auch eine Erweiterung der Liebesbande stattfinden, und daher sehen wir die Verwandtschaft im römischen Rechte sich der Ehe dann mehr entgegenstellen, als dies aufhörte, ein rein nationales zu sein. Mit dem Christenthume und seiner Lehre von der Nächstenliebe mussten Familien-Stammes-Volksrücksichten schwinden, damit das Ideal einer grossen Familie sich verwirkliche. Die Engherzigkeit der Verwandtenliebe musste also gebrochen werden durch Aufnahme stets neuer Glieder in den Kreis der Familie. Je mehr das Christenthum vordrang, desto weiter musste es den Kreis der Verbote ziehen. War aber einmal der Geist desselben der herrschende, regierte die christliche Liebe, so konnte in gewissem Grade wieder der Verwandtenliebe in der Ehe Raum gegeben werden, weil es jetzt der Herrschaft des Gesetzes nicht so sehr zu bedürfen schien. Auf ihrem höchsten Gipfel der Macht angelangt hob denn auch wirklich die Kirche das Eheverbot in den fernern Graden auf.

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Nach dem mosaischen Rechte, welches, ohne bestimmte Grade zu kennen, als Princip festhält: „Omnis homo ad proximam sanguinis sui non accedat, ut revelet turpitudinem ejus,"") ist die Ehe in der Blutsverwandschaft verboten mit den Eltern Frau des Vaters der Schwester von Vater oder Mutter Tochter des Sohnes oder der Enkelin von der Tochter Schwester, voll- oder halbbürtigen der Schwester des Vaters, der Mutter dem Bruder des Vaters.

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6) III. Mos. c. XVIII. v. 6. Das Folg. das. bis v. 16; cf. eod c. XX. v. 17 sqq. V. Mos. c. XXVII. v. 23. v. Moy S. 87 meint, trotz des vers. 14 Lev. XVIII.: „Turpitudinem patrui tui non revelabis ...,“ das mosaische Recht verbiete die Ehe mit des Vaters Bruder nicht. Richter §. 257 zählt die Verbote des mos. Rechts gleichfalls ungenügend her.

Im römischen Rechte ist allgemein ausgesprochen: „Nuptiae consistere non possunt inter eas personas, quae in numero parentum liberorumve sunt, sive proximi sive ulterioris gradus sint, usque ad infinitum."") Ausserdem verbietet dasselbe die Ehen zwischen Personen, welche der s. g. respectus parentelae verbindet, d. h., die einen gemeinschaftlichen Stammvater haben, von welchem der eine Theil durch unmittelbare Zeugung, der andre durch mehre absteht.) Diese Verbote wurden festgehalten. Zwischen Geschwisterkindern war die Ehe sowohl zur Zeit der Republik,") als in der Kaiserzeit gestattet.10) Verboten wurde dieselbe aber von Theodosius") und für den Orient wiederum erlaubt durch ein Edict von Arkadius, Honorius und Theodosius vom Jahre 405 n. Ch.,12) wobei es dann im römischen Rechte überhaupt verblieb. Noch findet sich die Ausnahme, dass durch Claudius die Ehe mit des Bruders Tochter gestattet wurde.13) Diese aber verbot zuerst Constantius, hernach ebenfalls Constans im Jahre 339 bei Todesstrafe.") Arkadius bestätigte, unter Abänderung der Strafe dieses Verbot; ein Gleiches that Anastasius und dann Zeno, so dass also die Ehe zuletzt in den Fällen des s. g. respectus parentelae nicht gestattet war.15) Es ergibt sich durch eine einfache Vergleichung, dass das römische Recht über das mosaische hinausging.

7) Cajus in 1. 53 D. de ritu nupt. (XXIII. 2). Hierbei kommt es nur auf die natürliche Zeugung an. L. 54 eod.: „Et nihil interest, ex justis nuptiis cognatio descendat, an vero non; nam et vulgo quaesitam sororem quis vetatur uxorem ducere. Cf. c. 17 C. J. de nupt. (V. 4), §. 1 J. de nupt. (I. 10). Ob die Verwandtschaft halbe oder volle war, blieb sich gleich: §. 2 J. eod.

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8) L. 39 D. 1. c.: Sororis proneptem non possum ducere uxorem, quoniam parentis loco ei sum." §. 3, 5. J. 1. c.

9) Sie soll durch ein Sct. in Folge eines einzelnen Falles erlaubt sein: Plut. Quaest. rom. c. 6. Dirksen Civilist. Abhandl. Bd. I. S. 310. Cf. Liv.

XLII. c. 34.

10) §. 4 J. 1. c: „Duorum autem fratrum vel sororum liberi, vel fratris et sororis jungi possunt."

11) C. Theod. de inc. nupt. (III. 12) c. 1 und 3; c. 2 si nupt. ex reser. pet. (III. 10).

12) c. 19 C. J. de nupt. V. 4; cf. §. 4 J. cit. v. Moy S. 207.

13) Gajus I. §. 2. Tacit. Annal. XII. 5, 7. Suet. Claud. c. 26.

14) C. Theod. de inc. nupt. (III. 12) c. 1.

15) Cf. c. 3 C. Theod. 1. c. c. 9 C. J. de inc. nupt. (V. 5) und c. 2 C. J. si nupt. ex resor. pet. (V. 8). §. 3 J. l. c. Die von Brouwer 1. c. L. II. c. 9 n. 6 (s. auch v. Moy S. 84, bes. Anm. 114) gemachte Bemerkung, dass die Römer mehr auf das jus sanguinis und den hieraus hervorfliessenden pudor gesehen hätten, ist richtig, besonders wenn man 1. 14 u. 15 D. de ritu nupt. betrachtet.

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