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man doch am ehesten verlangen darf, dass sie mit der Geographie derjenigen Länder, deren Geschichte sie schreiben, wohlbekannt seien; so hiesse es doch wahrlich, an die Gelehrsamkeit Juvenals, oder wenn er selbst, was immer sehr wahrscheinlich bleibt, in Aegypten gewesen sein sollte, an das Gedächtniss eines achtzigjährigen Dichters gar zu übertriebene Anforderungen machen, wenn man verlangen wollte, er habe die Lage von Ombi und Tentyra genau wissen, oder sich derselben mit der grössten Bestimmtheit erinnern sollen (1). Denn einerseits giebt, wie K. F. Hermann bei dieser Gelegenheit (Rec. S. 76.) sagt, selbst das grösste Dichtertalent keinen Freibrief gegen Ortsverwechselungen und Gedächtnissfehler, andererseits aber hat Juvenal, was zur Entschuldi

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(2) In einem Blatte des Londoner Athenaeum vom September des Jahres 1845 wird eine kurze Anzeige von Dr. Meinicke's wohlbekanntem Buche die Südseevölker und das Christen thum» mit folgender Bemerkung geschlossen: «Besonders werden die Mittheilungen, die Dr. Meinicke of Brentzlau über die Fortschritte des Missionswesens in der Südsee, so wie über die Streitigkeiten der Missionäre macht, wenn sie auch für Engländer nichts Neues enthalten, für die guten Schlesier von Interesse sein. Der gelehrte Engländer hat hier die in der Uckermark liegende Stadt Prenzlau nicht nur in Brentzlau verwandelt, sondern auch noch für identisch mit Breslau, der Hauptstadt Schlesiens gehalten. Wenn nun heutzutage, wo man sich über die Topographie der entferntesten und unbesuchtesten Länder so leicht, ohne sie mit eigenen Augen gesehen zu haben, aus Büchern und Karten Belehrung schaffen kann, ein, wie es doch scheinen muss, gelehrter Engländer in dem Namen und der Lage einer gar nicht unbedeutenden deutschen Stadt auf so handgreifliche Weise irren konnte, darf es dann wohl noch befremden, dass der Römische Dichter Juvenal, dem beiweitem nicht eben so leicht zu erlangende und eben so gute Hülfsmittel zu Gebote standen, um sich in zweifelhaften Fällen der Art belehren zu können, nicht genau gewusst habe und, wie es scheint, auch wenig darum besorgt gewesen sei, es herauszubringen, wie weit Ombi von Tentyra entfernt war? Es genüge dieses eine Beispiel eines groben, in der neuesten Zeit und bei einem der gebildetsten Völker der Welt begangenen Irrthums der Art; aber wie viele Beispiele nicht minder auffallender, im übrigen Europa heute noch selbst von Gelehrten gegen die Topographie Russlands begangener Verstüsse liessen sich nicht mit leichter Mühe hier aufführen!

gung seines topographischen Irrthums schon von Teuffel a. a. O. S. 120. erwähnt worden ist, gewiss keine Entdeckungsreise nach Aegypten gemacht und ist nicht in der Absicht dahin gereist, ein geographisches Handbuch zu schreiben, ja vielleicht nicht einmal sehr tief in das Innere Aegyptens eingedrungen. Vielleicht konnte wohl gar ein in Rom lebender Dichter zwei in dem fernen Oberägypten nur 26 deutsche Meilen weit auseinander liegende Städte urbes finitimas et vicinas nennen, ohne damit etwas so unerträglich Falsches zu sagen, wenn man nämlich annimmt, dass er damit nur habe andeuten wollen, wie nahe im Vergleich mit ihrer grossen Entfernung von Rom jene beiden Städte an einander gelegen haben. So dürfte wohl ein in Paris oder in London Lebender die über 150 Werst oder etwa 22 deutsche Meilen auseinander liegenden Städte Kiew und Tschernigow Nachbarstädte nennen, ohne deshalb mit Recht grosser Unwissenheit in der Topographie Russlands bezüchtigt werden zu können, da ja diese beiden Städte im Vergleich mit ihrer Entfernung von Paris oder London wirklich einander benachbart sind. Ja es ist am Ende nicht einmal ganz ungereimt, zu glauben, Juvenal habe, auch wenn die Grösse der Entfernung zwischen Ombi und Tentyra genau wusste, noch andere gute Gründe gehabt, diese Städte finitimas urbes zu nennen. Zieht man nämlich in Erwägung, dass ein Kampf zwischen zwei Parteien um so gehässiger erscheint, je mehr zu erwarten stand, dass sie in gutem Vernehmen mit einander leben würden, und darf man von Völkerschaften desselben Landes und derselben Sprache mit einigem Rechte voraussetzen, dass sie in Eintracht mit einander leben; so übertrieb der Dichter hier vielleicht absichtlich, um dadurch den ganzen Vorfall in ein gehässigeres Licht zu stellen, und rückte jene beiden, 26 Meilen weit von einander wohnenden ägyptischen Völkerschaften zu Nachbaren zusammen. Die Absicht Juvenals, den ganzen Vorfall so gehässig als möglich erscheinen zu lassen,

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blickt in der That sowohl aus einzelnen Stellen, als auch besonders aus der Anlage und Einkleidung der ganzen Satire hervor (22), kann also auch hier eine

(*) Unter Andrem kann man dieses auch daraus sehen, dass der Dichter V. 93-131., wo er von der Strafbarkeit der Tentyriten spricht und darauf aufmerksam macht, dass ihre That durch Nichts entschuldigt werden könne, einige nicht unwichtige Umstände, welche die Tentyriten allerdings einigermassen entschuldigen konnten, ganz unberücksichtigt lässt. Wenn nämlich Entweihung und Misshandlung des göttlich verehrten Gegenstandes und Verhöhnung des Glaubens, mag sie aus gehen, von wem sie wolle, und zu jeder Zeit selbst völlig Nüchterne in Wuth versetzen kann; wie sehr muss diese Wuth erst dann gesteigert werden, wenn alte Glaubensfeinde ihre Widersacher auf solche Weise zu reizen suchen, wenn sie es gerade zu einer Zeit thun, wo diese mit der Feier eines Religionsfestes beschäftigt sind, und wenn Trunkene sich dafür rächen wollen! Nun, nach Juvenals Erzählung wurden die ein Religionsfest feiernden und grösstentheils trunkenen Tentyriten von den Ombiten, ihren Todfeinden, in ihrer Festfreude auf höchst empfindliche Weise gestört; mithin konnten bei der Beurtheilung ihrer unmenschlichen That alle jene Entschuldigungsgründe sehr wohl in Betracht gezogen werden. Allein der Dichter scheint dieses hier absichtlich unterlassen zu haben, obgleich eine Anführung jener Gründe die Grausamkeit und Rohheit der Tentyriten wahrscheinlicher, also auch die ganze Erzählung glaubhafter gemacht haben würde. Hier scheint nämlich die Hauptabsicht des Dichters bei Abfassung dieser Satire, Abscheu gegen den Thierdienst der Aegypter und gegen die traurigen Folgen eines so thörichten Aberglauhens zu erregen, seine Nebenabsicht, dem von ihm erzählten Vorfalle Glauben zu verschaffen, wie billig, überwogen zu haben, um so mehr, da er hoffen durfte, dass letzteres auf andrem Wege, namentlich durch strenge Beobachtung der Wahrheit beim Erzählen der Thatsache, bereits hinlänglich erreicht sei. Dadurch, dass der Berichterstatter ein das gewünschte Zutrauen noch mehr befestigendes Moment aus den Augen lässt, kann die Erzählung einer wirklichen Begebenheit eigentlich nichts an ihrer Glaubhaftigkeit verlieren, wenn nur sonst der Hergang der Sache streng nach der Wahrheit berichtet und jede einzelne Handlung gehörig motivirt worden ist; der Erzähler hat dagegen den triftigsten Grund, ein solches Moment zu übergehen, wenn durch dessen Rücksichtsnahme die beabsichtigte Hauptwirkung seiner ganzen Erzählung nur irgend geschwächt wird. Hier nun hätte die Hinweisung auf die erwähnten Entschuldigungsgründe allerdings viel zur Beglaubigung der fast unglaublichen Rohheit der Tentyriten beigetragen, allein der Dichter würde damit zugleich die Wirkung seiner Erzählung zum Theil aufgehoben und seinen Lesern keinen so grossen Abscheu gegen Alles, was ägyptisch

kleine Uebertreibung, zumal in einer Sache veranlasst haben, welche in dieser Erzählung von gar keiner Wichtigkeit war; und ist es sonst wohl Dichtern erlaubt, den Mund ein wenig voll zu nehmen, warum sollen denn hier (V. 33 und V. 36) die Ausdrücke finitimi und vicini so haarscharf genommen werden? Hätte Juvenal es sich denken können, dass einzig und allein dieser Ausdrücke wegen einmal der erste der beiden in V. 35. genannten Namen für falsch gehalten werden würde, so würde er in der Wahl derselben vielleicht vorsichtiger und genauer gewesen sein. Es ist ihm aber wohl nie in den Sinn gekommen, dass seine Satiren einmal Leser haben könnten, welche von ihm auch in topographischen Angaben pedantische Genauigkeit verlangen würden. So halte ich denn finitimos-Ombos et Tentyra für die allein richtige Lesart, die schon vom Scholiasten angegebene Construction der Stelle für nothwendig, und den hier von Juvenal gemachten Verstoss gegen die Topographie Aegyptens selbst dann für verzeihlich und leicht zu erklären, wenn Juvenal irgend einmal in seinem langen Leben Aegypten bereist und sogar die hier genannten Städte mit eigenen Augen gesehen haben sollte. Wer diese Ansicht theilt, hat damit auch zugegeben, was übrigens schon von C. O. Müller (Götting. gel. Anzeig. 1822. Stück 86. S. 856.) angedeutet und von Pinzger (S. 21.) mit Beistimmung Orelli's (S. 251) und Teuffel's (a. a. O. S. 120) klar dargethan worden ist, dass man wegen des Fellers, der dem Dichter in der vorliegenden Stelle gegen die Topographie Aegyptens

war, eingeflüsst haben, als er wohl gewünscht und beabsichtigt haben niag. Und vielleicht war Juvenal da, wo er seiner Erzählung durch genaue Angabe aller näheren Umstände Glauben verschaffen wollte, nur aus dem Grunde etwas breit und ausführlich, um desto unbesorgter nachher ein wirksames Mittel zur Beglaubigung seiner Erzählung, welches aber, hätte er sich desselben bedient, seiner Hauptabsicht in den Weg getreten wäre, unbenutzt lassen zu können.

entschlüpft ist, nicht gleich mit Francke (Ex. Crit. S. 112 fgg.) den aus V. 45. dieser Satire unzweifelhaft hervorgehenden Aufenthalt Juvenals in Aegypten, mag dieser nun ein erzwungener oder ein freiwilliger gewesen sein, in Abrede zu stellen,

braucht.

SAT. XV. V. 35 fgg.

Summus utrinque

Inde furor vulgo, quod numina vicinorum
Odit uterque locus; quum solos credat habendos
Esse deos, quos ipse colit. Sed tempore festo etc.

Diese Verse hielt Francke für unecht, was Heinrich billigte, indem er II, S. 505. sagt: «Die Stelle Summus utrinque-ipse colit. Sed betrachtete mein Schüler und Freund, Jo. Val. Francke, als ein Einschiebsel, das nicht vom Verfasser der Satire herrühre; und allerdings erhält so die Rede besseren Zusammenhang.» Mit Recht bezeichnet W. E. Weber Rec. S. 150. dies Verfahren Francke's als einen Missbrauch seines sonst unleugbaren kritischen Talents, dessen Verwegenheit nun erst, da Heinrich selbst Francke seinen Schüler nennt, auf ihre Quelle, d. h. auf Heinrich selbst zurückgeführt. sei. Es ist nämlich nicht schwer zu zeigen, dass diese Verse mit der Anlage der ganzen Satire eng verbunden sind und der Absicht, in welcher Juvenal die 32 Verse lange Einleitung zu derselben schrieb, trefflich entsprechen, indem sie dazu dienen, seine Erzählung glaubhafter zu machen. Denn in ihnen ist die Ursache angegeben, weshalb eine so unversöhnliche Feind-. schaft zwischen den Ombiten und Tentyriten bestanden habe, und somit enthalten sie die Erklärung der im unmittelbar vorhergehenden Satze Inter finitimos- Ombos et Tentyra an die Spitze der

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