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der kleine Attius empfindlich, erhob Strafklage bei P. Scaevola, und Scaevola verurtheilte den Angreifer. Ueber die Details der Klage nicht instruirt, dürfen wir uns wohl eine Kritik dieses Urtheils nicht erlauben.36)

Die damalige Stufenleiter der Aemter hinansteigend, wurde Scaevola Consul im Jahre 621 neben L. Calp. Piso Frugi. Unter dieses Consulat fällt die Revolution des Ti. Gracchus. Gracchus war Volkstribun und brachte in dieser Stellung wiederholt einen Gesetzesvorschlag vor das Volk, nach welchem, wie schon in früheren Gesetzen, der grosse Grundbesitz beschränkt werden sollte. Ein anderer Volkstribun intercedirte gegen diesen Vorschlag. Da liess Gracchus ihn, seine staatlich garantirte Unverletzlichkeit missachtend, mit Gewalt aus der Volksversammlung wegbringen, und nun nahm das Volk mit Jubel den Gesetzesvorschlag an. Die senatorische Partei sah sich durch das Gesetz in ihren Sonderinteressen bedroht und gerieth über jenes und über das Gebaren des Gracchus überhaupt in Wuth. Gracchus machte dem Volke die weitest gehenden Versprechungen und sagte, so oft man es hören wollte:,,Nieder mit dem Senat, Alles durch das Volk!" Man kam beiderseitig so weit, dass Gracchus nur noch im Geleite von Tausenden in der Oeffentlichkeit erschien. Da berief Scaevola den Senat in den Tempel der Fides Publica. Vor der Sitzung gab es einen Auflauf; im Tumulte deutete Gracchus auf seine Stirne, um zu sagen, dass sein Leben bedroht sei; diese Geberde wurde ihm aber, wohl böswillig, so ausgelegt, als verlangte er vom Volke das königliche Diadem. Man drang im Senate von allen Seiten in Scaevola, dass er die Bürger zum Kampfe rufe; allein er erklärte, zuerst das Gesetz und nicht die Gewalt in Anwendung bringen zu wollen. Da trat Scipio Nasica vor und sagte:,,Wenn denn der Consul

sich an seine Gesetzesparagraphen halten will bis der römische Staat zu Grunde geht, so schreite ich, der einfache Bürger, voran!" Er warf mit der Linken die Toga über und rief mit hoch erhobener Rechten:,,Wer den Staat retten will, der folge mir!" Alle stürmten hinaus, der Kampf begann, und Gracchus wurde getödtet. 37) Cicero und Aurelius Victor tadeln den Scaevola, er habe sich lässig und schläfrig gezeigt; Mommsen dagegen findet, der gemässigte, der Reform an sich keineswegs abgeneigte Mann habe Recht gehabt, und mir scheint auch in der That, dass Scaevola als Consul kaum anders handeln durfte; später hat er auch selbst im Senat das Vorgehen Scipio's gebilligt. 38)

Ungefähr zwei Jahre später, im Anfang des Jahres 624, starb der Bruder Scaevola's, der pontifex maximus P. Licinius Crassus Mucianus,39) und Scaevola wurde an seine Stelle gewählt. Das war der Höhepunkt seiner juristischen Thätigkeit. Cicero nennt ihn und seinen Vorgänger die hoch berühmten und weisen Brüder;40) aber Scaevola war nicht wie sein Bruder ein grosser Redner, seine Rede war mehr klug und scharf als schwungvoll, und Crassus soll ihm oft gesagt haben, er, Scaevola, könne auch der Kunst des Civilrechts nicht Genüge thun, wenn er nicht auch die Gabe der Rede zu erlangen suche. 41) Immerhin berichtet Cicero, dass P. Scaevola klug und scharf gesprochen habe, noch schärfer und doch etwas ausgiebiger als Manilius. 42) Dagegen wird P. Scaevola neben Aelius und Manilius als der eigentliche Juris consultus bezeichnet, 43) und Pomponius nennt ihn neben Manilius und Brutus Gründer des Civilrechts. Scaevola pflegte zu sagen, dass einer nicht ein guter pontifex maximus sein könne, wenn er nicht auch das Civilrecht kenne, und Cicero stimmt dem vollkommen bei.44) Ganz besonders gross aber war seine Autorität

war.

im Pontificalrecht, und er wird hier seinen bedeutendsten Vorgängern Coruncanius und P. Scipio an die Seite gestellt. 45) So war er es, der zuerst eine genaue und zweckmässige Klasseneintheilung für den Uebergang der religiösen Pflichten eines Verstorbenen auf die Ueberlebenden aufstellte. 46) Aber wir sehen aus verschiedenen Entscheidungen, dass er gar nicht etwa ein bornirter Dogmenmensch Es war pontificales Recht, dass ein Leichnam erst dann als bestattet und geweiht galt, wenn er mit Erde bedeckt war, dass also bei denjenigen Geschlechtern, welche ihre Leichen verbrannten, nicht der Ort der Verbrennung geweiht war, sondern erst der Ort der Beisetzung der Asche, und erst an diese Beisetzung die religiösen Folgen der Bestattung geknüpft waren. Wie nun aber, wenn Jemand auf hoher See starb? Scaevola erklärte, es liege jenen Bestimmungen der Gedanke zu Grunde, dass kein Todter über der Erde unbestattet liegen gelassen werde; das sei bei den auf den Schiffen Gestorbenen und dann in's Meer Versenkten nicht der Fall, und daher mit dieser Versenkung den religiösen Vorschriften volles Genüge geschehen. Wenn der Tod gewaltsam herbeigeführt worden sei, so werden die Hinterbliebenen nach Darbringung eines Sühnopfers rein und gerechtfertigt; wenn Jemand sonst auf dem Meere umgekommen sei, so sei auch das Sühnopfer nicht von Nöthen. 47)

Ein ander Mal hatte eine sehr vornehme Vestalin auf Reichsboden ein Tempelchen errichtet und einer Gottheit geweiht, ohne die Gemeinde darüber zu fragen. ,,Gilt Nichts," erklärte unser Pontifex;,,was ohne Willen des Volkes auf Reichsboden geweiht wird, wird kein Heiligthum !"48)

Wie Brutus und Manilius, so schrieb auch Scaevola ein juristisches Werk, und zwar schon vor dem Jahre 624,

also vor seinem Pontificat; denn sein Vorgänger Mucianus berief sich darauf.49) Es umfasste 10 Abschnitte. Noch im 2. Jahrhundert nach Christo stand es in grossem Ansehen; aber auf die Redactoren des corpus iuris und uns ist es nicht gekommen.

Von den im corpus iuris aus zweiter Hand berichteten Aussprüchen des P. Scaevola hebe ich hier nur zwei hervor. Der eine wirft ein interessantes Licht auf die strenge Consequenz des Juristen.50) Es war nämlich eine alte Streitfrage gewesen, wie es in folgendem Falle zu halten sei: Eine römische Dame hat eine Sclavin zu Eigenthum, an welcher einer andern Dame der Niessbrauch zusteht. Nun gebirt die Sclavin ein Kind; wem gehört dasselbe, der Eigenthümerin der Sclavin oder der Nutzniesserin, die ja sonst alle Früchte der im Niessbrauch befindlichen Sachen, auch die Jungen der Thiere erhält ? Die Stelle sagt, die Meinung des Brutus habe obgesiegt, die nämlich, dass das Kind der Eigenthümerin der Sclavin gehöre, und später zur Zeit des Gajus und Paulus war das ganz ausgemacht. 51) Denn, heisst es, ein Mensch könne doch nicht als von einem Menschen zu gewinnende Frucht angesehen werden; allerdings wenn in einem Testamente ausdrücklich gesagt sei, dass Jemandem als Fruchtgenuss auch das von einer Sclavin des Nachlasses zu gebärende Kind vermacht sei, würde es sich anders verhalten; hier müsste das Kind dem Vermächtnissnehmer gegeben werden. Ueber den Stand der Frage zu Scaevola's Zeit berichtet dagegen Cicero: „Ob das Kind einer Sclavin unter die Früchte zu rechnen sei, wird discutirt unter den bedeutendsten Männern der Stadt, P. Scaevola, M'. Manilius, und auf der andern Seite Brutus, und das ist sehr interessant zu lesen." Wenn also die Entscheidung der

Digesten diejenige des Brutus ist, so muss wohl Scaevola der andern unterlegenen Ansicht gewesen sein, dass nämlich das Kind dem Niessbraucher zukomme. Und es scheint mir in der That, dass diese Meinung das juristisch Consequente wäre. Der Grund des Brutus und der Digesten ist ein blosser Scheingrund. Denn nachdem man einmal zugegeben hat, dass der Mensch im Eigenthum des Menschen stehen kann wie ein Thier als eine Sache, war es nur consequent zu sagen, dass er auch wie ein Thier im Niessbrauch stehen könne und dann seine Frucht dem Niessbraucher zukomme. Aber wir werden uns doch freuen, dass Brutus und nicht Scaevola gesiegt hat, denn mit ihm hat der Mensch über den Juristen gesiegt. Gehörte das Kind der Sclavin von selbst, von Rechtswegen, dem Niessbraucher, so hatte die Mutter keine Hoffnung, es wieder zu sehen; denn mit dem Tode des Niessbrauchers fiel es nicht wie sie selbst an ihren Eigenthümer zurück, sondern kam an die Erben des Niessbrauchers; und schon bei Lebzeiten konnte Dieser es verkaufen, wohin er wollte, während er über das Eigenthum an der Mutter nicht verfügen durfte. Wir sehen also, dass es nur eine menschliche Regung ist, wenn das Recht sagt: absolut hindern können wir diesen Ausgang nicht; aber er muss jedenfalls vom Testator ausdrücklich bestimmt sein, sonst trennen wir das Schicksal des Kindes nicht von demjenigen der Mutter. Und der Grund kann nur die Betrachtung sein: Auch die Sclavin hat ein Mutterherz.52)

Von noch grösserer allgemeiner Bedeutung ist folgender Rechtsfall: 53)

Die Gattin des C. Gracchus, Namens Licinia, Tochter des Mucianus, also Nichte Scaevola's, hatte ihrem Manne ein Heiratsgut, namentlich Hausrath, in die Ehe gebracht.

Schneider, Drei Scaevola.

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