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die Würde des Senates; Vellejus schreibt, dass Rutilius, der beste Mann nicht nur seiner sondern aller Zeiten, unter den Seufzern der Roma verurtheilt worden sei. 109)

Die Art, wie Rutilius selbst den ungerechten Richterspruch ertrug, erregte die Bewunderung seiner Mit- und Nachwelt. Er ging nach Mitylene, einer Stadt in demselben Asien, wo er seine Erpressungen verübt haben sollte. Der Empfang, welcher ihm dort bereitet wurde, glich mehr dem eines Siegers als eines Verbannten. 110) Der Ort wurde im mithradatischen Kriege von dem pontischen König hart bedrängt, und die Grausamkeit des Mithradates wüthete gegen Alles was die römische Toga trug. Da zog Rutilius griechische Schuhe an, warf den weiten griechischen Mantel um, und es gelang ihm, nach Smyrna durchzukommen. 111) Dort blieb er bis an sein Ende, zurückgezogen, seinen wissenschaftlichen Studien lebend. In dieser Mussezeit wohl schrieb er seine römische Geschichte in griechischer Sprache, das Leben Scipio's und seine Selbstbiographie. 112) Der Grammatiker Opilius war dem Verbannten in's Exil gefolgt und brachte seine alten Tage mit ihm in Smyrna zu. 113) Scaevola theilte sein Vermögen mit ihm; die asiatischen Städte und Könige brachten ihm ihre Gaben; die stolze Smyrna schenkte ihm ihr Bürgerrecht. 114) Seneca nennt seinen Aufenthalt in der Abgeschiedenheit Asiens den schönen Lohn seiner Unschuld. Eine Mutter, die für ihren Sohn das Exil fürchtet, tröstet er mit den Worten:,,Das Exil? Dein Sohn war nicht unschuldiger als Rutilius!"115) Es suchte Jemand den Verbannten mit der Hoffnung zu trösten, dass bald ein Theil der Bürger mit den Waffen in der Hand die Zurückberufung der Exilirten erzwingen werde; da antwortete er:,,Was habe ich Dir Schlimmes gethan, dass Du mir eine Rück

Schneider, Drei Scaevola.

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kehr wünschen kannst, welche schlimmer ist, als der Auszug war? Viel lieber soll das Vaterland über mein Exil erröthen als bei meiner Rückkehr trauern!" 116)

Als die sullanische Partei an's Ruder kam, hätte Rutilius ohne alle Gefahr nach Rom zurückkehren können; ja er soll von Sulla eine förmliche Einladung zur Rückkehr erhalten haben. Er lehnte aber ab, weil er nicht gegen den Richterspruch handeln wolle. 117)

Ovid sang von ihm:

,,Sieh den Rutilius, wie mit bewunderungswürdiger Stärke

Er den geöffneten Weg hin zu der Heimath verschmäht Und ihn Smyrna behält . . . ."118)

Gerne sprach Rutilius da mit den jungen Leuten von seiner Jugendzeit und den Angelegenheiten der Heimath. Auch der junge Cicero besuchte ihn in Smyrna auf seiner asiatischen Reise vom Jahre 676 und hörte die Erzählungen von dem Prozesse des Serv. Galba und von der Vertheidigung der Harzbrenner im Silawalde, bei welcher Rutilius als Jüngling zugegen gewesen war, von dem 80 jährigen Manne an. Er führt uns auch ein fictives Gespräch des jungen P. Rutilius mit erfahrenen Männern in seiner Schrift de re publica vor. 119)

Das Todesjahr des grossen Verbannten ist uns unbekannt; wir wissen nur, dass er zwischen 676 und 679, in welche Zeit Cicero's Schrift de natura deorum fällt, noch am Leben war. 120)

Kehren wir zu Q. Scaevola zurück. Wie sein Vater und sein Oheim wurde auch er pontifex maximus, und diese Stellung gab ihm erst die rechte Gelegenheit, seine gründlichen juristischen Kenntnisse zur Anwendung zu bringen. Und zu diesen, die freilich immer in erster Linie bei ihm standen, fügte er auch eine grosse Beredtsamkeit, 121)

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Es traf sich, dass er und L. Crassus, die beiden. Consularen, welche die Aemterfolge mit einander durchgemacht hatten, in dem Rechtshandel, welcher unter dem Namen causa Curiana berühmt geworden ist, sich vor dem Centumviralgericht gegenüberstanden. Es war dies eine Erbschaftsklage eines M'. Curius gegen einen M. Coponius. Der Fall war folgender: Jemand machte ein Testament, da er sein Ende nahe fühlte. Er hatte keine Kinder, dagegen eine Gattin, welche auf ein solches hoffen liess. Das erwartete Kind sollte sein Erbe werden. Für den Fall aber, dass dasselbe vor seiner Mündigkeit (12.-14. Altersjahre) sterben sollte, setzte er den Kläger Curius zu dessen Erben ein. Bald darauf starb er. Nun aber kam das gehoffte Kind gar nicht zur Welt, sei es dass die Frau sich getäuscht, oder dass ein Abortus stattgefunden hatte. Curius verlangte daher den Nachlass gemäss dem Testament heraus. Ihm widersetzte sich Coponius, welcher, wenn das Testament dahinfiel, der nächste Erbe des Verstorbenen war. Er behauptete, die Erbeinsetzung des Curius sei dahingefallen, da deren Bedingung ja nicht eingetreten sei; denn einer, der gar nicht geboren worden, sei auch nicht vor seinem 14. Altersjahre gestorben,122) Im Prozesse vertrat Crassus den Kläger, Scaevola den Beklagten. Jener sprach, wie Cicero erzählt, mit Redeschmuck und Fülle, als weitaus der bedeutendste aller Redner; Scaevola wird bezeichnet als äusserst scharfsinnig, und von seiner Rede wird gesagt: 123)

,,Wer konnte etwas Feineres und Eleganteres, über,,haupt etwas Besseres auch nur für möglich halten? ,,Was sagte er nicht vom Testamentsrechte, von den ,,alten Formeln, wie man hätte schreiben müssen, um ,,das zu sagen, was Crassus behauptete? wie gefährlich ,,es für das Publicum sei, wenn, was geschrieben worden,

,,nicht genau innegehalten werde, wenn statt dessen ,,nach dem Gutdünken des Richters Willensmeinungen ,,aufgesucht werden! Auf solche Weise werde durch ,,die Interpretation irgend eines gewandten Redners der ,,klar niedergeschriebene Wille eines schlichten Bürgers ,,verdreht. Wie Manches hat er nicht von der Autorität ,,seines Vaters gesagt, der immer in diesem Sinn sich ,,ausgesprochen habe, wie viel überhaupt von der Be,,wahrung des alten Civilrechts! Und das Alles bei ,,aller Gelehrsamkeit und allem Hinweis auf die Er,,fahrung so kurz und bündig, so überaus fein, und ,,nicht ohne rhetorischen Schmuck!"

Auf diese Rede folgte die Replik des Crassus ; sie war geistreich, jetzt ernst, jetzt heiter und ironisch, jetzt wieder deducirend und überzeugend. Er sagte, wie sehr er die Schärfe des Verstandes seines Gegners anerkenne; ja er bewundere, wie Dieser es herausgebracht habe, dass man zuerst geboren sein müsse, ehe man sterben könne. 124) Er stellte über Alles den Willen des Testators und sprach von der Gefahr captiöser Wortfechterei, sprach davon, welche Gewalt Scaevola erhielte, wenn Niemand mehr wagen dürfte ein Testament zu errichten, ohne vorerst seine Anweisung eingeholt zu haben. Er belebte die Rede durch Beispiele und Anwendungen; bald führte er den Gegner ad absurdum, bald trat er geschickt auf dessen Argumente ein, und so riss er Alle zur Bewunderung und zur Ueberzeugung hin.

Die Klage wurde gutgeheissen, Scaevola unterlag.

Cicero billigt den Spruch, und wir werden, weit mehr gewohnt als die damalige Zeit, den Inhalt über die Form zu setzen, wohl das Gleiche thun. Er sagt, die Worte seien ja nicht dazu da, die Gedanken zu verbergen,

sondern sie auszudrücken. Auch Quintilian spricht sich in gleichem Sinne aus. 125)

Der Prozess wird in's Jahr 661 verlegt und wohl mit Recht; da die Redner consulares sind, muss er nach 659, da Scaevola 660 in Asien war, nach 660 fallen, und Cicero sagt, er sei verhandelt worden kurze Zeit bevor er selbst aufgetreten sei.

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Die Sache machte ungeheures Aufsehen. Crassus selbst sagt bei Cicero: 126) Wie strömten die Menschen zusammen, um Scaevola's Plaidoyer zu hören, und mit welcher Spannung erwarteten sie dasselbe!" Er nennt dabei seinen Gegner den gelehrtesten Mann im Staate mit Bezug auf das Civilrecht, äusserst scharfsinnig und geistreich, und in der Rede ausgezeichnet durch seine Feinheit und Eleganz. Ich weiss nicht, ob nicht etwelche Zweideutigkeit darin steckt, wenn er hinzufügt, Scaevola sei unter den Rednern als der am meisten Rechtskundige, unter den Rechtskundigen als der am meisten beredte erschienen, ein Satz, dessen ersten Theil Cicero selbst auf Crassus, den zweiten auf Scaevola anwendet. Crassus resumirt Scaevola's Standpunkt in der Sache mit dem Satze, er habe den Wortlaut der Schrift des Testamentes vertreten, wogegen an einer andern Stelle das Auftreten des Crassus von Cicero so charakterisirt wird, er habe gegen den Buchstaben für Recht und Billigkeit gesprochen. 127) Scaevola wird hier überhaupt als sehr bewandert im Testamentsrechte bezeichnet und als sehr scharfsinnig in seinen juristischen Untersuchungen. Als Redner sei er in der Auseinanderlegung der Sache unerreicht geblieben; Dinge zu vergrössern und auszumalen sei dagegen nicht seine Sache gewesen, im Gegentheil habe sich ein Redner damit vor seinem Scharfblick in Acht nehmen müssen. Es ist das doch wohl für einen

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