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Sollte es bei Engeln ganz so seyn wie bei uns? Sollte Gold und Juwelen ihren höchsten Schmuck ausmachen? Man fühlt, dass so das Wesen der Engel nicht seyn kann. Diese Beschreibung hat höchstens dichterische Wahrheit, von philosophischer keine Spur. Und selbst diese dichterische Wahrheit fällt bei zwei noch andern Personen Miltons weg, Er führt nemlich den Tod und die Sünde als zwei handelnde Wesen auf den Schauplatz, und lässt sie alles mögliche thun, was nur wirkliche Personen thun können. Er ist freilich gewissermassen gezwungen, sie zu personificiren, um sein Gedicht desto mehr zu bevölkern, aber es sind und bleiben doch undenkbare Wesen.

Durch diese Bemerkungen glaube ich, sey es hinlänglich dargethan, dass die meisten Personen in den frühern Epopeen höchstens nur für das Herz und die Einbildungskraft sind. Klopstok aber giebt ihnen noch eine dritte Eigenschaft, und bildet sie auch für den Verstand... Die reinsten Vergnügungen sind die Vergnügungen des Verstandes; und aus diesem einzigen Umstande sieht man schon, wie wichtig es sey, die handelnden Wesen eines Heldengedichts für denselben zu erfinden.

Dies hat unter allen Sängern, die sich in überirdische Dinge einlassen, zuerst Klopstok gethan. Vergebens wird man im ganzen Messias einen Karakter suchen, der nicht auch philosophische Wahrheit

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hätte, sie können allzumahl vor dem Richterstuhl eines geläuterten Verstandes bestehen. Einen Moloch, der die Hölle befestigen, einen Belielel, der sie verschönern, einen Magog, der sie vernichten will, kann die hellste Vernunft sich denken, aber einen Poseidon, der in der Tiefe des Meers seinen Pallast hat, der dort die Pferde vor seinen Wagen spannt, und ihnen nachher ambrosische Nahrung giebt, nicht. Ein Abbadona, der seinen ehmaligen Fall bereut, ist unserm Herzen, unserer Einbildungskraft und unserm Verstande gleich theuer; aber ein Palinurus, der nicht über den Styx kommen kann, weil er nicht begraben ist, existirt bloss für die Imagination. Teufel, die sich von Gebirgen, aus Wassern und Wäldern zu Satan vérsammeln, um den Tod des Messias zu beschliessen, kann man sich denken, aber Teufel die Gold in der Hölle graben, das Pandämonium erbauen, das Pulver erfinden u. s. w. nicht. So stam

men die Maschinen Klopstoks durchaus aus dem Gebiet der philosophischen Wahrscheinlichkeit her, wenn seine Vorgänger sie bloss aus der Ideenwelt holen.

Jetzt wollen wir alle Vorzüge der Karaktere im Messias zusammenfassen um das Resultat daraus zu ziehen. Wir fanden erstlich, dass ihrer eine weit grössere Menge war, als in den übrigen Heldengedichten; wir sahen ferner, dass die Hauptpersonen darin bei weitem mehr physische und moralische Grösse hatten; wir bemerkten endlich philosophische

Wahrscheinlichkeit an ihnen, da jene nur die dichteri sche besassen. Aus diesen drei Vorzügen nun, nach welchen der Werth der Karaktere eines, Heldenge-, dichts bestimmt wird, kann man mit Recht schliessen, dass die handelnden Wesen im Messias überhaupt vorzüglicher sind, als in den übrigen Epopeen.

Jetzt, nach dieser Vergleichung mit andern Karakteren, wollen wir sie an und für sich selbst noch etwas betrachten; und hier finden wir denn, dass alles, was in der ganzen Schöpfung an denkenden Wesen Grosses und Erhabenes ist, darunter als handelnd erscheint. Gott Jehova, der Messias, die Bewohner des Himmels, die gefallenen Engel, die seligen biblischen Personen, die lebenden vorzüglichsten Menschen, die Bewohner einer unschuldigen Welt, die Seelen der Menschen vor ihrer Geburt, und nach dem Tode, die Geister der Menschen, die in der SündЛluth umkamen u. s. w. Alle diese mannigfaltigen Wesen treten in der Messiade auf, erhalten ihren individuellen Karakter, und werden das ganze Gedicht ihrer würdig durchgeführt. Höchst selten fällt eins aus dieser grossen Anzahl von Wesen aus seinem Karakter, wie künftig aus der nähern Prüfung der Gesänge sich entwickeln wird.

Man fühlt leicht, dass ein höchst schöpfrisches Genie dazu gehört, alle diese Gattungen von Wesen in ihrer Art handeln zu lassen. Homer hat nur Götter, Menschen und Seelen nach dem Tode zu behandeln; Virgil ebenfalls nur: Milton hat nur die

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Gottheit, Engel, Teufel und zwei Menschen: wie weit schwerer war also das Tagewerk Klopstoks, der mehr als noch einmal so viel Gattungen von Wesen durchführen musste.

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Forschen wir woher er so viele Arten von Wesen, von denen in den griechischen und römischen Heldengedichten keine Spur ist, nahm, so kann man nicht leugnen, dass er dennoch nicht alles aus sich selbst erfand. Milton ist die grosse Quelle, aus der er die ersten Ideen zu seiner Engel- und Teufelmaschinerie schöpfte. Er hat einen Abdiel, der allein bei dem Fall der Engel unüberwindlich zurükkehrte, einen Moloch, einen Adramelech, einen Gabriel, Raphael und mehrere andere, die sich ebenfalls im verlohrnen Paradiese finden. Wenn auch diese Wesen nicht viel mehr als den Namen miteinander gemein haben, und übrigens im Karakter ganz verschieden sind, so kann man doch in Absicht ihrer Handlungsart im Ganzen eine grosse Ähnlichkeit nicht verkennen. Miltons Teufel halten eine Rathsversammlung, wie sie die Herrschaft über die Erde erlangen, und die ersten Menschen verführen wollen; Klopstoks gefallene Engel berathschlagen sich, wie sie diese Herrschaft erhalten, und die Erlösung hintertreiben wollen; Miltons Satan macht Reisen durch die Schöpfung, und kömmt zu unserm Erdball, Klopstoks Satan ebenfalls; jener verwandelt sich in einen Engel des Lichts, dieser auch; Milton verlegt die Scene Ges. III. in den Himmel, wo er Gott mit

dem Messias und den Engeln reden lässt, Klopstok thut Ges. I. das nemliche. Miltons Satan flösst zur Vorbereitung der Haupthandlung der Eva einen Traum ein, Klopstoks Satan dem Judas u. s. w.

Die Grundidee zu diesem allen nahm Klopstok also offenbar von Milton her. Ja so wie die Aeneide eine Fortsetzung von der Iliade, der Telemach von den ersten Büchern in der Odyssee ist, so ist der Messias ebenfalls eine Fortsetzung vom verlohrnen Paradiese. Klopstok bezieht sich darin auf einen Entschluss zur Erlösung der Menschen, den Gott und der Messias einst fassten, Ges. I. 97; auf eine Engelschlacht, worin der Messias der Held war, Ges. V. 619; auf den Donner, wodurch die gefallenen Engel besiegt werden. Ges. II. 318 u. s. w. Alle diese Ideen finden wir im Milton weiter ausgeführt, und aus seinem Gedicht setzt sie Klopstok als bekannt voraus. Man kann daher wohl kühn behaupten, dass wir, gäbe es kein verlohrnes Paradies, auch keine Messiade haben würden, wenigstens keine Messiade, wie sie jetzt ist.

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Subjectivisch betrachtet ist also Milton darin unstreitig grösser, wie Klopstok, dass er die Bahn brach und zuerst eine schickliche Maschinerie für das christliche Heldengedicht erfand; aber sehen wir auf das Object, auf das Gedicht selbst, so hat wieder das Klopstoksche den Vorzug, denn jene Maschinerie ist darin zu einer höhern, ja man möchte sagen,

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