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beschuldigt. Mit diesem historischen Hintergrunde aber find seine Reden ganz motivirt und werden es noch mehr, wenn man bedenkt, daß die Zeit, die der jeßigen Despotie vorausging, wohl geeignet war, ein kräftiges Selbstgefühl zu nähren. Zunächst der Kriegsruhm, den der vorige König sich und seinem Volk erworben hatte; eben unser Todtengråber gedenkt des Sieges über Fortinbras und rechnet seine Zeit nach ihm. Denn nächst seiner Tapferkeit war der König auch a goodly king, wie ihn Horatio nennt, voll Majestät und Würde, man denke an die herrliche Schilderung Hamlet's in der Unterredung mit seiner Mutter und an die Worte: He was a man, take him for all in all,

I shall not look upon his like again.

Die Schmach des königlichen Lagers Dänemarks empörte ihn fast noch mehr als seine eigne Ermordung), er war milde endlich und nicht bloß gegen seine Gattin. Seine Regierung selbst war milde und gerecht, dafür bürgt sowohl sein ganzes Wesen, als auch der Gegensaß, in dem die Empörung des Volkes gegen König Claudius zu der Liebe steht, die es Hamlet's Vater schenkte und noch bewahrt. Der Todtengräber giebt uns auch dafür wieder den Beweis, er erwähnt Hamlet's Geburtstag, der für das Volk ein Freudentag war, weil es hoffte, durch ihn sein Glück gesichert zu sehen. So blickte es denn auch, als es unter dem schweren Scepter des Königs seufzte, hoffend zu Hamlet auf, Ophelie nennt ihn the expectancy of the state, der König selbst schildert mehrmals die Liebe des Volks zu ihm und unser Todtengråber kennt ihn sicher auch und hat auch auf ihn gehofft, jezt aber sagt er ihm ins Gesicht, er müsse wahnsinnig geworden sein**) und das in Dänemark, wo er hätte herrschen können.

Zum Schlufse will ich noch erwähnen, daß Shakspeare selbst durch Hamlet uns einen Wink giebt, daß der Humor des Todten

*) Das geht aus seiner Erzählung hervor, die er mit Jenem beginnt. Ich werde später zeigen, daß Hoffmann irrt, wenn er annimmt, daß die Königin ihrem Gatten die Ehe während seiner Lebzeiten gebrochen hat, obgleich es dieser zu sagen scheint; aber er faßt die zweite Ghe überhaupt als Ehebruch. Dadurch erscheint er selbst sowohl wie Hamlet nur noch um Vieles edler und erhabener. **) Ich weiß wohl, daß der Todtengråber hier das bloße Gerücht wiedergeben könnte, mir genügt das aber nicht, weil er Hamlet als den Liebling des Vols kes eben kennen muß und weil das Volk es sicherlich nicht glaubte.

gråbers oder vielmehr der an ihm nagende Gram aus dem politischen Zustand des Landes erwachsen ist, den ich als Grundlage dieser Scene glaube aufgewiesen zu haben. Er läßt Hamlet nämlich sagen: these three years I have taken note of it *); the age is grown so picked, that the toe of the peasant comes so near the heel of the courtier, he galls his kibe. Die Willkürherrschaft des Königs also, unter der die Bauern und untersten Klassen des Volks überhaupt vor Allem litten, während der Adel wohl noch gar Vortheil aus ihr zog, hätte meiner Erklärung zufolge, das Vertrauen derselben, die Pietät ausgelöscht, und sie mit gehässigen Empfindungen gegen die höher Stehenden erfüllt: Was aber die Bauern insbesondere betrifft, so scheinen sie durch den Druck so sehr verarmt zu sein, daß ihre Güter in die Hände weniger großen Landbes figer übergingen, während die Willkür der Rechtspflege Alle gleich betraf **).

Nachdem wir somit Hamlet's eigentlichen Racheplan entwickelt und aus der innern Lage Dänemarks ersehen haben, daß der Erfolg desselben völlig verbürgt war, ja daß er selbst dann noch sicher ge= wesen wäre, wenn Hamlet die That der Mörder einfach auf den Straßen hätte ausrufen lassen: könnten wir zu dem Eingangs bes sprochnen Monolog zurück gehen, um von dem jezt gewonnenen Standpunkt aus die Schwierigkeiten, die wir vorher fanden, wegzuräumen. Aber die Aufgabe wird sich um so leichter lösen lassen, wenn wir zuvor noch einen andern Monolog unsres Helden, der unsrem parallel steht, gründlicher erörtert haben, als es bisher geschehen ist. Ich meine den Monolog im 4ten Akt Sc. 4, als Hamlet sich eben auf das Schiff begeben will, das ihn nach England führen soll und nennt ihn Jenem parallel, weil diese Beiden die einzigen find, in denen Hamlet als der Held der Reflerion erscheint, als den man

*) Mir scheint, daß hierin ein Wink über die Zeiträume liegt, in die die Greignisse unsres Drama's fallen. Drei Jahre seit der Thronbesteigung des Königs würden sehr wohl passen. Sowohl Laertes Reise, als Hamlet's Wegsendung nach England und der Zug des Fortinbras nach Polen, fänden in ihnen Raum.

**) Ich führe dafür als Beleg an die Worte Hamlet's, als er in dem aufgewor fenen Schädel einen great buyer of land oder einen Advokaten zu sehen meint; später trat in der Person Osrick's ein solcher Befißer of dirt auf.

ihn bis jezt faft ausschließlich aufgefaßt hat*). Und wirklich reflecs tirt er hier wie dort, das ist zu klar, als daß es Jemand läugnen könnte nur ist seltsamer Weise weder hier noch dort der Gegenstand, der ihn beschaftigt, ans Tageslicht gezogen worden. Wahrlich, wir Philologen könnten noch Vieles thun, die Erkenntniß dieses größten aller Dichter und damit seinen Ruhm zu fördern!

Niemand, der Hamlet's Auftreten in besagter Scene nur einige Augenblicke widmet, kann übersehen, was in seiner Seele vorgeht, als er dem Hauptmann aus dem Heer des Fortinbras begegnet. Er tritt ihn an, spricht zu ihm voll Haß und innerer Unruh, fragt ihn: Good Sir, whose powers are these? how purposed Sir, I pray you? Who commands them? Es ist offenbar, er möchte diese Schaaren für sich gewinnen, eh' es zu spät ist, um mit ihnen die Rache doch noch zu vollziehen, ja um sich selbst zu retten, denn er hat schon vorher einen Seraph gesehen, der des Königs wahre Absicht durchschaute, hat schon eine dunkle Ahnung von dem Loose, das in England seiner harrt **). Aber bald weicht sein Entschluß, wenn der ohnmächtige Wunsch, der einen Augenblick ihn bewegte, diesen Namen verdient. Schon fragt er: Gues it against the main of Poland, Sir, or some frontier? und eh' der Hauptmann noch gegangen ist, bricht er in die Worte aus:

This is th' imposthume of much wealth and peace,
That inward breaks and shows no cause without,
Why the man dies.

Bringt man diese Worte mit den zunächst vorhergehenden :

*) Rötscher freilich beruft sich vor Allem auf das nothing is either good or bad, but thinking makes it so und auf Hamlet's Darstellung seiner frühern Anschauung des Menschen (in der Unterredung mitRos. und Guilden ft.). Aber was Jenes betrifft, so hat es, wie ich an einem andern Orte zeigen werde, nicht den prägnanten Sinn des Widerspruchs zwischen Denken und Handeln, wie es R. faßt, sondern des Widerspruchs zwischen Idee und Wirklichkeit; und das Zweite ist nun erst ganz unhaltbar, denn R. übersicht, daß Hamlet den Menschen nicht bloß noble in reason und in apprehension how like a God nennt, worauf er alles Gewicht legt, sondern auch in action how like an angel; hier ist also von einem Widerspruch zwischen Denken und Handeln keine Spur.

**) Der Schluß des 3. Aktes von der Frage des Königs an What shall I do? ist jeden Falls unächt, vor Allem aber die Worte: I must to England cet. Ulrici hätte sich hüten sollen, auf sie so viel zu bauen.

Two thousand souls and twenty thousand ducats
Will not debate the question of this straw

in unmittelbaren Zusammenhang, wie es die Sache fordert, so find fie die Erklärung, die sich Hamlet von dem Unternehmen des Fortinbras giebt und imposthume ist dann als Uebermuth zu deuten, der, eine Frucht des Wohlstands und des Friedens, jeßt den kühnen Prinzen antreibt, sein eigenes und so vieler Menschen Leben auf das Spiel zu sezen. Aber gezwungen bleibt diese Auslegung doch, wie Jeder sieht, zumal das shows no cause without, da das Geschwür hier ja durch das Unternehmen selbst äußerlich sichtbar wird und nicht bloß innen aufbricht, so daß der Grund des Untergangs des Fortinbras flar vor uns läge, Jene Auslegung kann also nicht genügen, so sehr auch der Zusammenhang sie fordert und so blendend sie auch auf den ersten Blick erscheint; wir würden Shakspeare einer Unklarheit beschuldigen, wollten wir uns schon bei ihr beruhigen. Aber es bietet sich neben jener, und ohne sie ganz aufzuheben, eine andre dar, die denn zugleich den Grund des Widerspruchs, der in jener liegt, aufdeckt. Sie sollten nämlich anfangs das Urtheil über Hamlet's eignen Fehler sprechen, über seine Schwäche, die, großgezogen durch den Wohlstand und den Frieden, in dem er aufwuchs, ihn jest in sein Verderben führt, da sie ihn von innen aufgezehrt hat, ohne daß sich äußerlich eine Ursache zeigt, warum er stirbt. So malen sie uns gleichsam das Schwanken seiner Seele, als er die Möglichkeit der Rettung sieht und doch zu keinem Entschluß kommt. Denn als er nun auch diese leßte Gelegenheit versäumt hat, begrüßt er sie sogleich als eine Zuflucht, um seinem innern Richter zu entgehen und wendet sie gegen Fortinbras, um dessen Thatendurst statt seiner Thatenscheu anzuklagen. Doch ist er durch diese Selbstbelügung noch nicht ganz von dem Bewußtsein seiner Schwäche freigeworden, sein Monolog zeigt noch den innern Kampf, indem er sich zwar schon wegen seiner Unentschlossenheit verurtheilt, aber doch noch heimlich liebäugelt mit

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Es ist interessant, diese Worte genauer zu betrachten. Ich erinnere Aunächst baran, daß dieser Fortinbras einst Dänemark selbst mit Krieg bedrohte. Hamlet wollte ihn erft werben, wie die Haft zeigt, mit der er auf den Hauptmann zutrat; da war Fortinbras ihm eine Mahnung, ihn fammt seinem Heer als Werkzeug feiner Rache zu verwenden. Jezt werden ste ihm plößlich Muster, denen er nachstreben sollte:

Examples, gross as earth, exhort me Aber eben sagte er noch, er habe strength and means to do it und deshalb nennt er denn das Heer of such mass and charge, während der prince sogleich delicate and tender heißt, um dann wieder wegen seines göttlichen Ehrgeizes und seines Muthes dem unsichtbaren Ausgang gegenüber gepriesen zu werden, Eigenschaften, die Hamlet trefflich zu Statten kommen konnten, um den König von Dänemark zu stürzen, bei einem Kampf um eine egg-shell aber fast lächerlich erscheinen. Das merkt er denn auch selbst und eilt es zu verbessern.,,Rightly to be great," sagt er,

Is, not to stir without great argument

But greatly to find quarrel in a straw,
When honour 's at the stake.

Und dennoch hebt er später auch dieses wieder auf, in seinen Augen geht Fortinbras sammt seinen 20000 Mann for a phantasy and trick of fame ins Grab. So stellt er denn die Antriebe, die ihn zum Handeln spornen, neben die des Fortinbras, und schwört troz jenes Seraphs, den er sah:

O from this time forth

My thoughts be bloody, or be nothing worth.

Ich hoffe, meine Leser werden mir bis hieher ohne Widerspruch in der Hauptsache gefolgt sein, und mache nur nochmals aufmerksam auf die vollendete Sophistik, mit der Hamlet sowohl die erst gegen ihn selbst gerichtete Anklage gegen Fortinbras wendet und dann das Heer sammt seinem Führer plößlich als examples auffaßt, die ihn beschämen, während sie vorher vielmehr seine Bundesgenossen werden sollten. Jezt, denk' ich, wird es mir gelingen, meiner Auffassung des Monologs im 3. Akt die allgemeine Anerkennung zu erringen und mein Wort zu lösen, daß die so lange Täuschung über seinen wahren Inhalt gerade zur Verherrlichung des Dichters dienen werde. Denn eben dieses Schwanken, eben diese Doppeldeutigkeit, die aus der Tiefe seines Wesens fließt, zeigt sich in jenem Monologe, nur

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