Obrázky na stránke
PDF
ePub

Thätigkeit Gottes sei Gnade, die auf den Verstand gerichtete Offenbarung, die Aneignung der Aktionen Gottes sei Glaube. Die Gnade solle nur dem zuteil werden, der an Christus als den wahren Gott und wahren Menschen in einer Person glaube, und durch Wiedergeburt mit Christus eins werde, was weiter nichts bedeuten könne, als: die Gnade sei Hinführung des religiösen Bewußtseins zum Jnnewerden der eigenen Gottmenschheit; dieses Bewußtwerden der an sich gegebenen, aber durch den Zwiespalt des gottentfremdeten Bewußtseins verdunkelten Wesensidentität des Menschen mit Gott sei die bedeu tungsvollste Epoche im geistigen Individualleben. Allein diese Gnade könne nicht heteronom gefaßt werden, so daß das Individuum ein Geschenk von außen erhalte, und die Gnade zu einem widernatürlichen Wunder werde, sondern sie sei autonome Entfaltung providentiell gesezter Anlagen, also Entfaltung des Bewußtseins über seine an sich vorhandene Wesensidentität mit dem Absoluten 1). Den Be siz solcher Anlagen könne man ja als Gnade bezeichnen, als die providentielle Mitgift des Individuums. Die sittliche Selbstzucht aber mache erst diese potentielle Gnade aktuell. So gehört das,

was wir Gnade nennen, mit zum Individuum, wenn auch nicht zu seiner bewußten Selbstthätigkeit, und das, was wir demselben zum subjektiven Verdienst anrechnen, sind doch am Ende auch weiter nichts als gesta Dei per hominem", letteres insofern, als diese Thätigkeit des Menschen auch als eine Manifestation des Absoluten in ihm, das sein Wesen ist, kann angesehen werden. So ist die Wiedergeburt, mit welcher die Heiligung anhebt, eine auf die Wefensidentität mit Gott begründete Gesinnung, welche sich in sittlicher Selbstzucht manifestiert. Christus muß hiernach zum „Prinzip“ umgewandelt werden, und dieses Christusprinzip hat nach ihm mit dem historischen Christus 2) gar nichts zu thun; der Christus der Kirche ist nur eine mit Paulus beginnende Jdealdichtung der Kirche 3). Auf dem Standpunkt des konkreten Monismus werde etwas ganz Neues aus diesen theistischen Vorstellungen von der Gnade 2c. - Ebenso

1) S. 812 f.

2) S. 823 f. 3) S. 140 f.

"

aber könne auch der äußerliche theistische Offenbarungsbegriff nichts mehr helfen, denn Gott lasse uns keine andern Offenbarungen zuteil werden, als durch den gesetzmäßigen psychologischen Verlauf des individuellen Vorstellungsprozesses, welchem er als unbewußter Geist immanent ist" 1). Aber selbst solche individuelle innere Offenbarungen würden uns nicht Aufschluß geben können über den durch die sittliche Gesinnung zu verwirklichenden Inhalt des Handelns. Vielmehr müsse man sich über den Kreis des individuellen Lebens zur Erkenntnis des gesamten Weltprozesses erheben, in welchem das Absolute sich offenbare, oder der konkrete Monismus müsse sich mit der historischen Weltanschauung verbinden, um den Inhalt des Handelns zu erkennen. Wenn aber Gnade und Offenbarung in dem theistischen Sinne unhaltbar sind, so selbstverständlich auch der Glaube, welcher beide aneignen soll. In ihm tritt natürlich nach ihm das heteronome Prinzip ganz besonders zutage. Auch der Begriff des Gottesreiches wird von ihm umgedeutet. Nicht als ein Aggregat von substantiell getrennten Kreaturen, sondern als ein aus lauter wesensidentischen Gottmenschen konstruierter Organismus“ soll es gefaßt werden, und Gott als das absolute Subjekt der sittlichen Weltordnung nicht im Sinne eines transcendenten Gesetzgebers, sondern des immanenten Wesens und des Trägers seines sich entwickelnden Reiches". So erst sei das Prinzip des Gottesreiches autonomes Moralprinzip, und „die Forderung der Teilnahme oder Mitarbeit am Gottesreiche kann dann als objektives ethisches Postulat neben die subjektiven der Aufgabe der eigenen Heiligung oder vielmehr über dieselbe als eine sie einschließende treten“ 2). Die Aufgabe des Gottesreiches wird also hier zu der Aufgabe, an seinem Teile im Bewußtsein der Wesensidentität mit Gott denjenigen Teil des absoluten Prozesses, welcher die Menschenwelt umfaßt, d. H. die sittliche Weltordnung mit zu realisieren.

"

"

Ähnlich erscheint nun sein autonomes Moralprinzip in der Beurteilung der religiösen Motive des sittlichen Handelns, z. B. der Dankbarkeit, der Demut, der Reue. Die Dankbarkeit sieht er als

1) G. 829.
2) S. 837.

"

eine Art des Vergeltungstriebes an, und meint, durch Wohlthaten fei das Wohlthaten empfangende Subjekt in eine Ungleichheit mit dem Geber versetzt, sei das Gleichgewicht aufgehoben, welches durch Dank wiederhergestellt werden solle. So könne Neid zum Motiv der Dankbarkeit werden, man handle aus Dankbarkeit, um den Dank Los zu sein; da sie Vergeltung in sich enthalte, so lasse sie ferner bei Individuen, wo sie stark ausgeprägt sei, auch auf die andere Seite des Vergeltungstriebes, auf Rachsucht, schließen. Große Naturen seien deshalb nicht dankbar, sondern nur dann, wenn sie keine höheren Pflichten verlegen, während sie sich irgendjemandem dankbar bezeugen 1). Man sieht, es ist die Selbständigkeit des autonomen Subjekts, welche die Dankbarkeit nicht hoch achtet. Die Dankbarkeit gegen Gott aber ist schon dadurch ausgeschlossen, daß die Welt schlecht ist und das Leben eine Qual. - Den Stolz will er billigen, insofern er sich auf die innere Möglichkeit des sittlichen Verhaltens" bezieht, und auf das Bewußtsein der moralischen AnLage und der mit ihr gegebenen Würde sich gründet. Wenn er fich dagegen auf die vollbrachten Werke richtet, oder auf die Tugend als moralische Fertigkeit, so wird er zum Hochmut; der Werkestolz sei jüdisch-katholisch, der Tugendstolz heidnisch, der Stolz auf Bevorzugung durch die Gnade sei pietistisch; der wahre Stolz sei nicht bloß Ehrgefühl, das von den äußern Einflüssen abhänge, auch nicht Selbstüberschätzung; er erwecke nur den Eifer der Selbstbehauptung durch Vorsicht vor Straucheln als Bewußtsein von der fittlichen Fähigkeit des Individuums. Aber dieser Stolz sei nur bei Autonomie möglich. Denn wer seinen Willen unter fremdes Gebot beugt, bei dem tritt an Stelle des Stolzes der Knechtessinn“. So fordere das Christentum Demut. Das sei vom kirchlichen Standpunkt korrekt. Das Böse bestehe hier in Auflehnung gegen die heteronome Autorität. „Sünde ist da erst aus dem Herzen gerissen, wenn jeder Rest von sittlichem, autonomem Selbstgefühl vernichtet und auf das Niveau der absoluten Demut reduziert ist“ 2). So sei auch dieser Zustand negativen sittlichen Selbstgefühls,

1) S. 203 f.

2) S. 179.

"

"

das an der Möglichkeit der Sittlichkeit aus eigener Kraft verzweifle, der bestpräparierte Boden zur Aufnahme der kirchlichen Gnadenmittel, durch welche das innerlich verödete Sittlichkeitsbe= wußtsein auf magischem Wege von außen mit neuer sittlicher Kraft infiltriert werden soll". Hier sei keine Versöhnung zwischen der philosophischen und kirchlichen Ethik möglich. Hier sei ein entwürdigender Sklavensinn gefordert, der sich übrigens mit dem Lakaienhochmut, „Knecht dieses Herrn“ zu sein, wohl vertrage. Übrigens bemerkt er selbst, daß der Stolz nicht zur Basis der Moral ge= nüge, da er streng und herb nach außen sei; seine „Konzentration müsse mit der Expansion“ verbunden werden. Wenn man hier das oben über die Liebe Gesagte hinzunimmt, so wird der Stolz sich in der That auf die Selbstbehauptung, die ihr zur Seite gehen muß, reduzieren, nur mit der Bedingung, daß die Autonomie auch in der Liebe wirksam sein muß, wie in der Selbstbehauptung. Was endlich noch das „moralische Nachgefühl" oder die Reue angeht, so unterscheidet er verschiedene Formen der Reue, eine solche, welche eudämonistisch ist, und eine sittliche Reue, die sich auf das Unsittliche der That bezieht und eine Depression des moralischen Selbstgefühls ist. Er meint nun, der nach rückwärts gekehrte Teil der Reue, die That nicht begangen haben zu wollen, sei nußlos und unlogisch, der nach vorwärts gekehrte Teil derselben dagegen sei überflüssig, wenn die Vernunft die Besserung besorge. So käme also nur noch der Fall in Betracht, daß die Vernunft nicht ausreiche zur Besserung. Wenn man nun da die egoistische Seite der Reue fernhalte, so würde ihr das für die Mehrzahl der Menschen die Motivationskraft rauben, sei es nun, daß die mit ihr verbundene Furcht vor Strafe, oder sei es, daß der sittliche Reueschmerz selbst abschreckend für die Zukunft wirken solle, lezteres so, daß man das Böse um dieses Schmerzes willen künftig vermeide. Dazu komme die Gefahr, daß, wer den Widersinn erkannt habe, daß man das Geschehene in der Reue ungeschehen machen wolle, leicht dazu kommen könne, auch die Besserung mit zum Fenster hinauszuwerfen, weil man nicht der Narr einer widersinnigen Selbstquälerei sein wolle" 1). Die

1) S. 191.

Reue werde nun aber von der theologischen Ethik so hoch gestellt, daß in ihr „der Wertmesser der menschlichen Sittlichkeit zu suchen sei“ 1). Es solle durch Reue eine Depression des moralischen Selbstgefühles hervorgerufen werden, welche den Menschen, je mehr er sich ihr hingebe, zum Schwinden des Glaubens an die Möglichkeit des sittlichen Sieges führe. So solle die Verzweiflung an dem eigenen sittlichen Vermögen den Menschen der Kirche in die Arme treiben. Sie sei „der Präparandenkursus zur Empfänglichkeit für die durch die Kirche und ihre Sakramente vermittelte Gnade“ 2). Die Heteronomie der theologischen Ethik sei der Grund für ihre Hochstellung der Reue. Für verstockte Menschen, meint er, sei sie am Plate, um sie auf den rechten Weg zu bringen. Aber sie sei nur insoweit von Wert, als die heteronome Moral zur Erziehung auf einer be= stimmten sittlichen Stufe überhaupt Wert habe.

Doch es möge hieran genügen. Aus dem Gesagten erhellt, wie es auch im Religiösen überall die Autonomie 3) ist, welche hier die Hartmannsche Kritik leitet, eine Kritik, die auch, von seinem Pessimismus abgesehen, Geltung für den von ihm geltend gemachten autonomen Standpunkt behalten wird, falls er nicht bei Verwendung von etwas mehr Mühe auf das Studium theologischer Moral zur Einsicht kommen sollte, daß er vielfach ohne weiteres die katholische und protestantische Moral als völlig gleich behandelt 4). Man

1) S. 189.

2) S. 193.

3) Übrigens mildert Hartmann selbst den Gegensatz zwischen der heteronomen und autonomen Moral, wenn er volle sittliche Mündigkeit und Reife als „unerreichbares Ideal" bezeichnet. „Einer toleranten, die Berechtigung der Autonomie anerkennenden und bescheidenen (sich ihres bloß surrogativen und propädeutischen Wertes bewußten) Heteronomie gegenüber befinden sich die Vertreter der autonomen Moral in gar keinem Gegensatz, sondern können Hand in Hand mit ihr arbeiten“ (vgl. Phänom., S. 757). Daß er selbst für die Mehrzahl der Menschen, die Frauen, die niederen Stände die heteronome Moral für nötig hält, wird ihm z. B. von Kirchmann stark entgegengehalten (vgl. Verhandlungen der philos. Gesellschaft in Berlin 1879, Heft 13 u. 14, S. 16), der übrigens, selbst skeptisch gerichtet, das Recht der subjektiven Persönlichkeit gegenüber den empirisch gegebenen objektiven Autoritäten gering schätzt, S. 10-19.

4) Um gerecht zu sein, müssen wir übrigens hinzufügen, daß Hartmann sich mit einigen Hauptvertretern der protestantischen, liberalen Theologie be

« PredošláPokračovať »