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der zugleich mit dem rohen Stoffe auch die Natur und ihre Nachahmung den ewigen Gesetzen der Schönheit dienstbar macht; und wenn jene Sammlungen und ihre Schätze doch zum wesentlichsten Theile aus den wieder an's Tageslicht gezogenen Resultaten der Neigung bestehen, die die Römer der letzten republicanischen und der Kaiserzeit zur Verpflanzung und Vervielfältigung der Werke griechischer Kunst trieb, so werden wir an dem Verdienste der Wirkungen, welche die letzteren in künstlerischer und wissenschaftlicher Beziehung hervorgebracht haben und noch hervorbringen, auch jenen keinen geringen Antheil zumessen dürfen. Ein solches Volk aber, dessen starke Hand allein die Kunst und ihre Denkmäler aus dem Schoosse des untergehenden Griechenlands gerettet, dessen Verschönerungsliebe Hunderten griechischer Künstler Anregung und Unterstützung zu fortgesetzter Thätigkeit gewährt, dessen Geschmack für alle Nachwelt das Zeichen zur Aneignung und Nachbildung jener unvergänglichen Muster gegeben hat, sollte für die diesen Denkmälern und Mustern einwohnende Macht der Schönkeit kein Gefühl, kein lebendiges Interesse für die darin niedergelegte Meisterschaft, mit einem Worte keinen Kunstsinn gehabt, und bei allen Anstrengungen und Geldmitteln, die es auf den Besitz derselben verwandte, nur den todten Besitz selbst, ja nicht einmal den flüchtigen Genuss, sondern höchstens die Ostentation der pecuniären Allmacht oder der Alterthümelei erstrebt haben? Das ist die Meinung eines Büchleins, das vor drei Jahren zu Königsberg in Preussen unter dem Titel: Ueber den Kunstsinn der Römer der Kaiserzeit" erschienen ist und es sich zur Aufgabe gemacht hat, jede Anerkennung und Dankbarkeit, die man nach Winkelmann's Vorgange jener Zeit für die Erhaltung, Verbreitung und Fortpflanzung der griechischen Kunst schuldig zu seyn glaubte, zu zernichten; minder zwar, dass es die erwähnten Thatsachen leugnete oder widerlegte, von welchen vielmehr in dem ganzen Werkchen kaum die

Rede ist, wohl aber indem es aus den Schriften der römischen Kaiserzeit die gänzliche Unfähigkeit dieser zur Würdigung bildender Kunst zu beweisen sucht und daraus auch für deren unleugbare Pflege und Begünstigung die niedrigsten und abgeschmacktesten Motive herleitet; nicht ohne scheinbaren Fleiss im Aufsuchen charakteristischer Stellen, die es in chronologischer Folge bis auf die Zeiten des Apollinaris Sidonius herab an einander reiht, noch ohne die schimmernde Sophistik tendenziöser Interpretation, deren Zwecken eben sowohl das Stillschweigen eines Schriftstellers wie die beiläufigste Aeusserung eines andern dienen muss; bei näherer Prüfung jedoch weder aus der nöthigen Uebersicht und Vollständigkeit des einschlagenden Materials noch aus einer Klarheit und Präcision des ästhetischen Standpunctes hervorgegangen, die der Schärfe seiner Kritik die wünschenswerthe Unbefangenheit mittheilte; und da dasselbe gleichwohl durch Frische und Lebhaftigkeit seiner Darstellung manches Urtheil zu bestechen geeignet seyn dürfte, so wird seine nähere Prüfung kein unangemessener Beitrag zur Geburtstagsfeier des Mannes seyn, dessen Beispiel aller folgenden Forschung gründliches und vorurtheilsloses Quellenstudium zur ersten Pflicht gemacht hat. Ohne Polemik kann es dabei freilich nicht abgehen; je mehr dieselbe aber zunächst gegen rein negative Behauptungen gerichtet ist, desto positivere Resultate wird sie schon von selbst zu erzielen suchen müssen; und wenn es ihr dabei gelingt, die Licht- und Schattenseiten des Gegenstandes in ihr richtiges Verhältniss zu setzen, so darf sie vielleicht auch zu dessen sonstiger Aufklärung Einiges mitzuwirken hoffen. Vier Gesichtspuncte sind es namentlich, aus welchen das Büchlein seine Gründe gegen das Vorhandenseyn eines Kunstsinns bei den Römern herleitet: das Fehlen eines Dilettantismus, der ein allgemeineres Kunstinteresse bei den Gebildeten voraussetzen liesse, das Stillschweigen über Kunst und ihre Gegenstände bei vielen Schriftstellern, die

anstössigen oder beschränkten Aeusserungen und Urtheile auf diesem Gebiete bei andern, die verkehrte und äusserliche Richtung des Kunstinteresses und der Kennerschaft selbst in denjenigen Beispielen, die davon vorkommen; wir werden das Gewicht und die Begründung eines jeden dieser Gesichtspuncte einzeln in Erwägung ziehen und davon zur kurzen Entwickelung und Darlegung unserer eigenen Gesammtansicht über die in Rede stehenden Fragen übergehen.

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Wo der Dilettantismus so gänzlich fehlt," sagt das Büchlein, „kann man nicht bloss auf das Fehlen der Kunst, sondern auch des Kunstsinnes zurückschliessen; denn (Göthe's Worte) der Mensch erfährt und geniesst nichts, ohne sogleich productiv zu werden" - und wir sind weit entfernt, über die Thatsache mit ihm rechten und etwa zu der Ausrede greifen zu wollen, dass es gerade in der Natur des Dilettantismus liege, nur eine vorübergehende Existenz zu haben und keine Spuren zu hinterlassen, woraus die Nachwelt auf sein einstmaliges Daseyn zurückschliessen könne; wir geben ihm zu, dass selbst so hervorragende Beispiele wie Hadrian's, der nach der Epitome de Caesaribus c. 14 pictor fictorque ex aere proxime Polycletos vel Euphranoras war, bei dem entschieden kosmopolitischen Charakter jenes Kaisers für einen specifisch römischen Dilettantismus nichts beweisen; und gehen sogar noch weiter als er, indem wir den vereinzelten Fall des Titidius Labeo bei Plin. N. Hist. XXXV, 4. §. 20., dem es inrisu et iam contumeliae erat, dass er parvis tabellis gloriabatur, ohne auch nur zur Vermuthung einer „unpassenden Schaustellung" unsere Zuflucht zu nehmen, ganz analog mit dem des alten Fabius Pictor auffassen, von welchem Cicero Tuscul. I. 2 sagt: ac censemus, si Fabio nobilissimo homini laudi datum esset quod pingeret, non multos etiam apud nos Polycletos et Parrhasios fuisse? Dass aber dieser Mangel, ja selbst diese Geringschätzung der technischen Ausübung der Kunst einen Mangel an Sinn für ihren Werth und eine Unfähigkeit,

das in ihr enthaltene (geistige oder ästhetische) Bildungselement zu gewinnen, verriethe, ist mindestens eine durch und durch moderne Anschauung, gegen welche man nicht nur das römische, sondern das ganze Alterthum um SO mehr verwahren muss, als ihre Consequenzen uns zuletzt dahin führen würden, dem classischen Boden überhaupt die Empfänglichkeit für dieselben Keime abzusprechen, deren Blüthen und Früchte seine ewige Zierde bilden. Turpe erat docere, quod honestum erat discere, sagt M. Seneca Praefat. Controv. II, p. 134 selbst in Beziehung auf die Redekunst, für die doch den Römern am wenigsten das lebendige Interesse abzusprechen ist; und diese grundsätzliche Scheidung der berufsmässigen Handhabung einer Kunst oder Wissenschaft und der freithätigen Aneignung ihrer Ergebnisse zieht sich mit solcher Schärfe durch das ganze antike Leben, dass jede Abschwächung oder Aufhebung derselben einem Abfalle von seinem gesellschaftlichen Principe gleichkommt, den man zwar vom Gesichtspuncte der Menschheit aus vielleicht als einen Fortschritt betrachten, aber selbst in den Zeiten der Entartung nicht als eine solche Nothwendigkeit voraussetzen darf, wie es von unserem Gegner offenbar geschehen ist. Wie selbst der griechische Künstler von demselben Volke, das seine Werke bewunderte und anbetete, persönlich und bürgerlich dem Handwerker, dŋuovoyós, gleich geachtet (Plat. Alcib. II. p. 140, Protag. p. 312) und seine τέχνη der παιδεία, welche dem ιδιώτης und Lúgos gezieme, entgegengesetzt ward, habe ich anderwärts (Gött. Stud. 1847 S. 44; Privatalterth. §. 41, N. 9 fgg.) nachgewiesen und kann diesen Nachweis auch durch die von Hr. Stahr in seinem Torso neuerdings dagegen aufgestellten Beispiele ebenso wenig für erschüttert halten, als die vereinzelten Fälle eines künstlerischen Dilettantismus in Rom etwas gegen sein Nichtvorhandenseyn im Grossen und Ganzen beweisen; wenn aber dort der gewaltige Kunsttrieb der Nation zuletzt selbst diese Schranke der gesellschaftli

chen Ausschliessung durchbrach und sich und seinen Werken die Anerkennung der ganzen gebildeten Welt erkämpfte, so war für den Römer, dem allerdings Niemand einen Kunsttrieb zuschreiben wird, um so weniger Grund vorhanden, jenem altbürgerlichen Vorurtheile Trotz zu bieten, als der griechische Gewerbfleiss ihn mit allem, was er in dieser Hinsicht wünschen und erstreben konnte, so reich versorgte, wie es ihm von eigener Thätigkeit nie zu hoffen möglich war. Ja wäre nicht überhaupt der ganze Begriff des Kunstdilettantismus dem ächten Alterthume fremd und nur eine Ausgeburt moderner Polypragmosyne, so könnte man es den Römern sogar zum besonderen Zeichen ihres geläuterten Geschmacks anrechnen, dass sie die Stümperei, die solchem Dilettantismus mehr oder minder anhaftet, verschmäht und ihr ästhetisches Bedürfniss lediglich durch die Werke älterer oder lebender Meister vom Fache zu befriedigen gesucht haben; jedenfalls aber theilen sie diesen Charakterzug mit den Griechen der classischen Zeit selbst, unter welchen sich eben so wenige Beispiele werden aufweisen lassen, dass praktische Kunstübung von Nichtkünstlern als άoɛoуov betrieben worden wäre; und wenn jener Mangel an Dilettantismus zum Beweise dienen könnte, dass es den Römern an einer nationalen bildenden Kunst gebrach, so würde die Erscheinung der letzteren bei den Griechen völlig unbegreiflich seyn. Denn wenn unser Gegner die Blüthezeit der griechischen Kunst ,,eine in unbewusstem Drange schaffende" nennt, so ist das eine Phrase, die der Ebre jener Künstlerwelt eben so sehr wie der thatsächlichen Ueberlieferung Hohn spricht, nach welcher jene ganze Blüthezeit hindurch schriftstellerische Theorien, zum Theil Werke der namhaftesten Meister selbst, mit der ausübenden Entwickelung der Kunst Hand in Hand gingen; vgl. Gött. Stud. S. 69, N. 178 fgg. und Watson on the classical authorities for ancient art im Journal of classical and sacred Philology, Cambridge 1854. 8. p. 239 fgg.; was aber

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