Also wieder, ein Stück Naturevangelium! Ist der gute Lyriker ein altparsischer Feueranbeter, der, zumal aus seinem frostigen Atelier, die Sonne als absoluten Geist verehrt? Und wenn nicht, wie kann ihn denn von dem ewigen Wahrheitsquell ein zugefrornes Stubenfenster scheiden? Er heize brav ein und suche zu begreifen, was er noch nicht weiss. ,,Malerlieder,,,Schnee im Lenz," ,,Wie ich dichten wollte," ,Christnacht" sind, wie die angeführten, in ihrer Fassung ansprechend, aber eben so süsslich und gedankenarm. In den Malerliedern begegnet der Verfasser auf seinen ländlichen Wanderungen vor einer kleinen, bemoosten Hütte einer Mutter, ihren Knaben haltend, welche er sogleich mit einer Madonna vergleicht. - Vergleiche kosten Nichts; aber in engen, dumpfigen Tagelöhnerhütten finden sich solche reizenden Rafaelischen Gebilde nicht. In dem vorletzten Liede kommt die Stelle vor: Und was ich schrieb, vertraut' ich seiner Treue woraus man ersieht, dass der Verfasser, wahrscheinlich nach irgend einer Zukunftsgrammatik, die Präposition „zu" mit dem Accusativ verbindet. Im Allgemeinen zeigt dieser Dichter einen sehr geringen Umfang an moralisch-künstlerischer Fülle und Kraft. Er repräsentirt, wie die meisten seiner Collegen, die cultivirte Empfindsamkeit, auf welche Göthe in seinen Jahreszeiten ein so treffendes Epigramm gemacht hat. Clara Bestd. Eine durch manche Stürme geprüfte Lyrikerin, welche mit allen Uebrigen grosse Aehnlichkeit hat. Hier folgt eine Probe: Eine stillbeschauliche, sanfte Blumen- und Herbstnatur, zu deren Bezeichnung folgendes gottselige Sonnett dienen mag: Nänie. Es wölbet sich dein frischberaster Hügel Gar fest verwahrt ist deines Grabes Pforte; Den Weg dir nach zur Gottesstadt da droben. Siegfried Eisenhardt. Von diesem ist nur eine Ode beigesteuert:,,Den Gewaltigen." Er macht in gelungener, wiewohl etwas gedehnter Form den Herrschern zum Vorwurf, dass sie, um vor allen Dingen ihre Macht zu wahren, sich auf den fortgesetzten Gebrauch der rohen Gewalt verlassen, die Rechte der Völker missachten, den nothwendigen Fortschritt der Geschichte in frevelhafter Weise verkennen und hemmen. Er schliesst mit folgender Mahnung: Erkennt die Zeit und ihre Zeichen! Sie flammen lohend durch die Welt. O wollt nicht, dass auf Schutt und Leichen Bahnt ihr den Weg! Ihr seit berufen! Euch ward die heilige Mission! Bringt sie von eures Thrones Stufen Als ein Geschenk der Nation! Steigt nieder in des Volkes Mitte, Vernichtet jede Scheidewand; Erkennt des Bürgers Zucht und Sitte; Das Volk ist gut, und unergründlich Sie macht euch stark, unüberwindlich, Sie macht euch gross, sie macht euch frei. Gerechtigkeit den Unterdrückten, Vertrauen bringt dem Bürgersinn, Dann wird der Jubel der Beglückten Weithin durch eure Lande ziehn! Dann wird den Lorbeerkranz euch winden Das ganze Volk, die ganze Zeit, Und die Geschichte wird euch künden Für alle Zeiten heilig theuer Auf Besserung der Staatenlenker scheint der Dichter also noch einige Hoffnung zu setzen. Zur Belohnung dafür und zur endlichen Erfüllung derselben wollen wir ihm die Lebenslänge eines Methusalem wünschen. Von der grossen Politik abgesehen, verkennt der Verfasser vielleicht, dass das subalternste Rathscollegium in dem kleinsten, armseligsten Neste, trotz alles zur Schau getragenen Liberalismus, seine Untergebenen gewöhnlich weit herrischer und willkürlicher zu behandeln pflegt, als der absoluteste Monarch eines Landes. Und solche Republiken, deren wir einige Tausende im Staate zählen, sind und bleiben die eigentlich Gewaltigen. Dorothea Erstling. Eine, gleich den meisten Anderen, wehmüthig erregte, bei allem Flitterstaate der Bilder phantasielose Natur. Also die alte, abgetakelte Ostentation vom Dichterherzen, dessen Darstellung hier noch dazu auf ein nachgemachtes und verfälschtes, Wie die zweite ,von" mit dem in Sentimentalität verkahmtes Fabricat hindeutet. ,,Der Schmerz," ebenfalls eine Allegorie, spricht die Erfahrung aus, dass dem Schmerze sein ihm gemässes Logis in der Einsamkeit zugewiesen sei, ein Genuss, in welchen sich gute und schlechte Schmerzleider, namentlich dichtende, ebenso theilen, wie Gerechte und Ungerechte in Regen und Sonnenschein, und dem man bei der ersten Gelegenheit zu einem anlockenden Rendezvous, selbst im Alter, sofort, zu entsagen pflegt. Der Dithyrambus ,,das Reich der Phantasie" ist eine pindarisirende, alle möglichen Aquarellblumen kokett abspiegelnde Seifenblase, deren Aufnahme in bedauerlicher Weise das Unvermögen der Redaction bekundet. Rafael Finckenstein. ,,Prolog zur Shakspearefeier. Breslau, 23. April 1864." Gehört der enkomiastischen Richtung an, die den guten Deutschen besonders eigen ist, zum Andenken berühmter Namen Festfeiern und Zweckessen auf Kosten des eigenen Werthes zu veranstalten. Das Gedicht giebt, nach einer historischen Betrachtung, eine allseitige Charakteristik des grossen britischen Dichters, als eines Vorbildes für jeden Nachstrebenden. Es würde lobenswerth sein, wenn es, bei mässiger Spannkraft der Darstellung, nicht allzu gedehnt und schleppend wäre, eine Geschmacklosigkeit, welche nur einer solchen Redaction nicht auffallen konnte. Von dem ,,Prolog zur Dantefeier. Trebnitz, 21. Mai 1865," ist dasselbe zu sagen. Besser, man schreibt gar keine Prologe, als dass man metrisch abschwächt und verwässert, was in jeder literarischen Uebersicht längst anschaulicher und eingehender behandelt ist. ,,In's Stammbuch eines jungen Mädchens" wünscht der liebenswürdigen Adressatin mit Gottes Hilfe andauernde Unschuld und Fröhlichkeit, was sie hoffentlich beherzigen wird. Für ein Stammbuch geeignet, aber nicht zur Aufnahme in ein Dichteralbum. Tritt als erster Epiker der Sammlung auf und wird uns im Interesse der Gründlichkeit und namentlich dessen, was nicht von ihm zu lernen ist, länger beschäftigen, als er es verdient. Protesilaos und Laodamia. Die unter Agamemnon vereinigten Griechen ziehen, um die Frevelthat des Paris zu rächen, nach Troja. Auch Protesilaos, Fürst von Phylake, schliesst sich dem Zuge an. Wohl mag ihm die Fahrt verleiden Und der Kriegsgott tobt so schwer. Das intransitive Verbum,,flehen" kann das Object nur im Dativ oder mit Hilfe der Präposition,,zu" mit sich verbinden. Auch flieht der Held nicht über das Meer, sondern er scheidet oder zieht. Auch tobt der Kriegsgott nicht, sondern wird toben, und nicht auf dem Meere, sondern auf dem Festlande. Protesilaos reisst sich, von der gemeinsamen Pflicht gerufen, aus den Armen seiner Gattin los, welche das ihm bevorstehende Loos ahnt. Die vereinigte Flotte nähert sich dem fernen Gestade, welches von den kampfbereiten Troern besetzt ist. Weilend auf den hohen Schiffen In die Feinde einzufallen Wirbelnd mit der Lanze Schaft. Mit dem Worte ,,muthergriffen" ist wahrscheinlich,,muthbeseelt" gemeint.,,Zuerst den Fürsten allen," statt vor oder unter den Fürsten, ist sprachwidrig. Doch bevor er eingedrungen, Die Strofe ist, namentlich am Schlusse, dürftig und trocken. Uebrigens ist das Wort,,Dardaner" in der vorletzten Sylbe kurz, nicht lang zu betonen. |