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zu begreifen, wie dergleichen Thorheiten sich bei uns haben einschleichen können. Vielleicht verdanken wir diese fehlerhafte Aussprache der Lautirmethode, die um der Einfachheit willen allerdings genöthigt ist, einen einzigen Laut festzuhalten. Aber wie wir von dem Lautiren durch das Syllabiren nach und nach zum fliessenden Lesen fortschreiten, und dabei manche Härten abschleifen, so kann auch die harte Aussprache des g abgeschliffen werden, was auch gewiss geschehen würde, wenn die Lehrenden nur mit den Gesetzen der Aussprache vertraut wären. Andererseits ist der Grund für den gerügten Fehler in dem gesteigerten Verkehr zu suchen, der die verschiedenen Dialecte näher aneinander gebracht hat. In Oberdeutschland werden uns die Gulden allerdings mit der Aussprache: zwanzig, dreissig, vierzig etc. aufgezählt; und eben so schallt das „fertig!" der Conducteure von dem letzten Waggon wie ein Lauffeuer bis zu dem Locomotivführer hin. Desgleichen habe ich in der Schweiz Aussprachen wie: „das ist ganz prächtig“ und „das ist sehr wichtig“ *) zu verschiedenen Malen gehört, Aussprachen, bei denen wir Norddeutsche uns die Zunge verrenken könnten. Indessen wissen wir auch, dass der Gebildete sich von dem, was Dialect heisst, frei zu machen sucht, wie denn die Hofbühnen zu Berlin, Dresden, Wien u. s. w. von jeher einer dialectfreien Aussprache gehuldigt haben.

Dass auch die besten Dichter ihren ursprünglichen Dialect nicht immer verleugnen, zeigen uns einige Schiller'sche Reime, wie:

„Und ein Edelknecht sanft und keck
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg."

(Der Taucher.)

„Des Lebens Aengsten, er wirft sie weg
Er reitet dem Schicksal entgegen keck."
(Reiterlied in Wallenstein's Lager.)

In solchen Fällen wird man ausnahmsweise weg zu sprechen haben, wie auch die französischen Schauspieler ihrem Molière zu Liebe im Misanthrope (Acte I, Sc. 1, v. 37 u. 38):

Lorsqu'un homme vous vient embrasser avec joie

Il faut bien le payer de la même mon noie."

monnoie statt monnaie sprechen; aber massgebend können dergleichen unreine Reime für unsere Aussprache nie werden.

*) Zugleich mit hartgehauchtem ch.

Und nun denke man sich folgende Stellen:

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Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag."

(Göthe, Faust.)

„Ich mag*) nicht fein sein, mag nicht überreden, mag mein Näschen nicht in Alles stecken, mag mein Händchen nicht in Allem haben."

(Lessing, Nathan IV, 1.)

Sie lächelte, sie sprach: du siehst, wie klug,
Wie nöthig war's euch wenig zu enthüllen!
Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug,
Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,
So glaubst du dich schon Uebermensch genug,
Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!"

(Göthe, Zueignung, Nr. 8.)

„Und tausend Stimmen rufen: Sieg!
Vorbei, geendigt ist der Krieg.“

(Schiller, Ring des Polykrates.)

mit anschlagendem g gesprochen, und frage sich, ob die Klänge in diesen Fällen nicht wahrhaft abscheulich lauten, ob Schiller und Göthe nicht entschieden Protest dagegen erheben würden.

III. G als Inlaut, d. h. im Innern eines Stammwortes, hat eine zweifache Aussprache, die harthauchende und die weichhauchende, wobei folgende vier Fälle eine besondere Beachtung verdienen.

1) Nach den tiefen Vocalen a, o, u, so wie nach dem Diph. thongen au muss es harthauchend (an r streifend), aber nicht anschlagend ausgesprochen werden, wie in: sagen, wagen, klagen, Bogen, Wogen, schlugen, trugen, Augen, taugen; so dass zwischen wagen und waren, klagen und klaren sich nur ein ganz geringer Unterschied bemerklich machen wird.

2) Nach den hohen Vocalen e, i, so wie nach den Diph thongen, in welchen ein hoher Vocal enthalten ist, wie ä, ö, û, ei, en, än muss es weichhauchend (an j streifend) ausgesprochen werden, wie in: Segen, hegen, wiegen, siegen, wägen, lägen, zögen, lögen, trügen, genügen, zeigen, steigen, beugen, säugen; deshalb erlaubt sich Göthe sogar die allerdings nicht ganz reinen Reime:

Wie Himmelskräfte auf- und niedersteigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!"

*) Habe ich in München mahk sprechen hören.

(Faust.)

„Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,

Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen."

(ebendas.)

3) Geht dem g ein 1 oder r voraus, in welchen Fällen es die folgende Silbe (meist eine Formsilbe) anlautet, wie in folgen, schwelgen, bergen, Särgen, so ist der weichhauchende Laut als Regel zu betrachten, der anschlagende jedoch gestattet. Man kann also sprechen: Noch köstlicheren Samen bergen (od. bergen) Wir trauernd in der Erde Schooss

Und hoffen, dass er aus den Särgen (od. Särgen)
Erblühen soll zu schönerm Loos." (Schiller, Glocke.)

4) Folgt auf g ein Consonant, wie t oder St, so muss es weichhauchend ausgesprochen werden; also: neigt, beugt, lügt, folgt, sorgt, schlägst, trägst, nicht aber neigt, beugt, schlägst, trägst etc. Auch in diesen Fällen wird viel gesündigt; indessen scheinen nur die betonten Silben von diesem Schicksal betroffen zu werden, denn gepredigt, entschuldigt, vertheidigt wird man so leicht nicht zu hören bekommen. Für die Richtigkeit der eben angeführten

Regel sprechen viele Dichterstellen, wie:

Wo sind wir? Schlummerst Du? Hannchen schweigt,
Und endlich hat er das Dorf erreicht."

"

Wenn er nicht selbst das Thier verscheucht,

(Gerhard, der Bettler und sein Kind.)

(Houwald, die Kinder im Walde.)

Das sich vertrauend zu ihm neigt."

„Auf drei mal dreissig Stufen steigt
Der Pilgrim zu der steilen Höhe,
Und hat er schwindelnd sie erreicht."

(Schiller, Kampf mit dem Drachen.)

Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,

Durch die man zu den Quellen steigt!

Und hat man nur das halbe Ziel erreicht,
Muss wohl ein armer Teufel sterben.

(Göthe, Faust.)

Dagegen denke man sich folgenden Stellen mit anschlagendem g ausgesprochen und frage sich, ob sie nicht wahrhaft empörend klingen?

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Würde durch eine solche Aussprache nicht der ganze musikalische Zauber dieser Stellen zerstört werden? Ja ist es im Entferntesten denkbar, dass die Dichter hier an eine anschlagende Aussprache gedacht haben? Und dennoch giebt es Leute genug, die dergleichen nicht nur vertheidigen, sondern sogar lehren. Wenn das so fortgeht, so bedarf es nur einer geringen Verstärkung des Anschlags und die ärgsten Missverständnisse werden unvermeidlich sein. Man wird dann nicht mehr wissen, ob der Landmann gepflügt oder gepflückt hat, ob etwas gerügt oder gerückt worden ist, ob ein Glied sich geregt oder gereckt hat, ob Wünsche gehegt oder geheckt, Leute befragt oder befrackt worden sind; ja unsere Kellner werden nicht mehr wissen, ob sie uns ein belegtes oder ein belecktes Butterbrod bringen sollen.

IV. Das nasale ng ist ein Laut, der an das Französische erinnert. Dies hat Viele zu dem Irrthum verleitet, als müsse die französische Aussprache hier massgebend sein; sie wollen daher Ring, Ding, Hoffnung, Bildung ohne allen Anschlag gesprochen haben. Nimmt man aber eine Vocabel wie der Rang, le rang, so sieht man gleich, wie lächerlich es wäre, das Wort in beiden Sprachen übereinstimmend auszusprechen. Der Grund, dass das g am Ende nicht wie k klingen dürfe, ist eine reine Spitzfindigkeit, so eine Schulmeistererfindung, die sich gelegentlich breit und zugleich lächerlich macht. Eben so wenig wie wir in der Aussprache einen Unterschied zwischen Schild und schilt, zwischen Wald und wallt machen, eben so wenig brauchen wir besorgt zu sein, man werde Fink und fing, Schwank und schwang, sank und sang miteinander verwechseln können. Der Scherz, der in den Versen liegt:

„Und als die Träger sangen,

Da sank der Todte mit."

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ist in dieser Beziehung bezeichnend genug. Unterlassen wir es daher, unserer kräftigen, ausdrucksvollen Sprache das Gepräge eines fremden Idioms aufzudrücken. Einem Jeden das Seine.

Wir stehen am Schluss. Mag Mancher sagen: „Es lickt mer nix dran, ob so oder so gesprochen wird;" wir sind der Meinung, dass jede Kunst ihre Gesetze hat, die ihr nicht von aussen her octroyirt worden sind, sondern die man an guten Mustern beobachtet und zu einer Theorie zusammengestellt hat. Als eine Kunst aber ist auch der schöne mündliche Vortrag anzusehen, für welchen es gleichfalls Gesetze und Regeln geben muss, denen man sich vernünftigerweise zu fügen hat. Für die von uns vertheidigte verschiedenartige Aussprache des g finden wir übrigens ein Analogon in den durch st und sp bezeichneten Lauten. Es liegt in dem Charakter unserer Aussprache, diese Doppelconsonanten am Anfange volltönender und kräftiger zu sprechen, sie dagegen in der Mitte und am Ende abzuschwächen. Wir sagen daher: Stab, Stern, Stock (wie scht), aber: Weste, Küste, Büste; Bast, Wurst, Durst; und ebenso: Spaten, Speer, Spitze, Spott, Spruch, aber: Wespe, Knospe, lispeln. Es darf daher Niemand wundern, wenn wir uns bei dem g ähnlich verhalten. Es giebt in der Orthographie eine ziemlich schlechte Regel: ,,Schreibe, wie du sprichst." Sollen wir uns auf dem Gebiete der Orthoepie die umgekehrte octroyiren lassen: „Sprich, wie du schreibst?" Vorläufig hat Niederdeutschland über Oberdeutschland gesiegt; kämpfen wir dafür, dass uns auch in Betreff der Aussprache die Hegemonie verbleibe.

Berlin.

L. Rudolph.

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