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fich ein Kampf zwischen der Achtung vor der Etymologie und der Unterwerfung unter die Gewonheiten einer Aussprache, welche felten der Orthographie des zu Grunde ligenden Latein entsprach. Wärend z. B. die Etymologie forderte, die aus gloria und alter abgeleiteten Wörter: glorie und altre zu schreiben, forderte die übliche Aussprache villeicht: gloire und autre.

Inmitten der Spuren, welche die Routine und die Gelerfamkeit in entgegengesetztem Sinne hinterlassen haben, hat Génin, ein geistreicher Anhänger der Routine, eine fer einfache und leicht anwendbare Regel der Aussprache aufgestellt, welche das versteht fich von felbst gerade wegen irer Einfachheit auch vile Ausnamen zulässt.

Ebenfo wie unfer geschribenes Franzöfisch im Allgemeinen eine Erneuerung des Altfranzöfischen ist, fo muss auch nach natürlicher Analogie unfer gesprochenes Franzöfisch in der Merzal der Laute und Articulationen das Idiom des Mittelalters erneuern. Alles difes muss uns mit dem Wortschatz überlifert worden fein. Daher dife allgemeine Regel: die alten Worte wurden fo ausgesprochen wie die fie erfetzenden neuen heute ausgesprochen werden. So müssen die oben citirten Wörter gelefen werden wie unfer: nièce, autre, neveu, il donne, élire, cœur, meute, bœufs, coqs, yeux, sœur, âme.

Die Anwendung diser allgemeinen Regel vereinfacht und erleichtert das Lefen der Texte des 12. und 13. Jarhunderts."

In iren Anfichten über die neufranz. Orthographie gehen Littré und Pelissier auseinander. Wärend Littré fich einer gemäßigten phonetischen Reform der neufranz. Orthographie im ganzen günstig erklärt hatte, ist Pelissier der entschidenste Gegner einer folchen und fiht Voltaire als den böfen Dämon an, welcher das Unkraut der phonetischen Ketzerei in den blühenden Garten der neufranz. Orthographie hineingepflanzt habe. -,,Voltaire, fagt er, trägt die Ver. antwortlichkeit für die abfurden Verfuche, welche man gemacht hat, die Orthographie umzustürzen, und nur ein blindes Streben nach Popularität macht die Anname eines fo unvernünftigen Princips erklärlich, zur Richtschnur der Rechtschreibung dasjenige zu machen, was in der ganzen Welt das capriciöfeste und unfassbarste ist, die Aussprache. Schrib denn Voltaire etwa für folche, die nicht lefen gelernt haben?"

Wenn Pelissier die Aussprache als etwas unfassbares, und das phonetische Princip überhaupt als etwas unvernünftiges bezeichnet, fo

wird es erklärlich, dass er auch für das Altfranzöfische difes Princip mit Entschidenheit verlaügnet, um nicht den Vorwurf der Unvernunft auf feinen mittelalterlichen Vorfaren lasten zu lassen.

Sollte aber die franzöfische Aussprache wirklich etwas an fich abfolut unfassbares und unbegreifliches feinfo dürfen wir doch mit Recht fragen: wie haben denn die Verteidiger difer Anficht felbst und alle feine Landsleute überhaupt franzöfisch sprechen gelernt, und wie kann überhaupt eine folche Sprache von irgend jemand gelernt werden? - Denn von der Idee, dass dem Kinde die Kentnis feiner Muttersprache oder auch nur der Laute derfelben schon angeboren fei, ist man doch wol zurückgekommen. Aber felbst wenn fie dem Menschen schon angeboren wäre, fo würde doch auch dann, und dann erst recht, nichts naürlicher fein, als dass man die geschribenen Zeichen den gesprochenen Lauten möglichst entsprechen ließe.

Dass aber Voltaire nicht erst das phonetische Princip in die Welt gebracht habe, bedarf natürlich keiner Ausfürung, da offenbar schon mit der Erfindung des ersten alphabetischen Zeichens das Princip fich zu entwickeln anfing, und da jede etymologische Schreibweife eine phonetische als ire Grundlage abfolut voraussetzt.

Es fragt fich jedenfalls, ob man nicht auf dem von Génin angebanten Wege in der Annäherung an das Neu franzöfische zu weit gegangen fei, und fo dem Studium des Altfranz. und damit auch dem gründlicheren Studium des Franzöfischen überhaupt in Frankreich felbst leicht erheblichen Schaden bringen könnte.

Manche Anzeichen, welche die franz. Forscher mit Geist und Gewandtheit benutzt haben, sprechen allerdings dafür, dass die Veränderung und Abschleifung der Aussprache in vilen Fällen schon früher begonnen haben mag, als wir dis aus den Handschriften zu entnemen vermögen. Natürlich findet in der Sprache felbst beim Übergange von einer Form zur andern lange Zeit ein Schwanken zwischen dem Alten und dem Neuen statt. Im Ganzen aber müssen wir, glaube ich, davon ausgehen, dass im 12. und 13. Jarh., welchen die größere Zal der altfranzöfischen Handschriften angehört, die Schrift noch, foweit es das Alphabet zuließ, dem Laute des jedesmaligen Dialektes des Schreibenden entsprach wie dis ja auch Pelissier felbst anerkennt und dass dis fo lange gedauert habe, bis wir einen pofitiven Beweis des Gegenteils füren können.

Wo freilich nur spätere Copien vorligen, welche bereits durch die

Hände von Abschreibern verschidener Dialekte gegangen find, da wird natürlich die kritische Unterfuchung eine außerordentlich schwirige.

Wie mannigfach die franz. Dialekte zur Blütezeit des Altfranz. gewefen find, geht aus Fallot, (Recherches sur les formes grammaticales de la langue française et de ses dialectes au 13me siècle, Par. 1839) hervor, wonach fich in den Schriftdenkmälern des 13. Jarh. wenigstens 7 litterarisch cultivirte Dialekte unterscheiden lassen, nemlich der der Normandie, Picardie, Bourgogne, Isle de France, Lorraine und Poitevin, wozu noch der in England ausgebildete anglonormandische kommt. Wie hätte man aber überhaupt dise verschidenen Dialekte anders unterscheiden follen und können, als nach dem Grundfatze, dass jeder Dialekt feine Eigentümlichkeiten in den schriftlichen Denkmälern phonetisch darzustellen suchte, zu einer Zeit, wo es eine allgemeine conventionelle Schriftsprache noch nicht gab.

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Diez fagt Gr. I, 129 f.: Die Mundarten spilen im Franz. eine weit wichtigere Rolle als im Italiänischen, da fie in der gesamten älteren Litteratur volle Gültigkeit hatten und keine derfelben als eigentliche Schriftsprache anerkannt ward. - Kaum bedarf es der Erinnerung, dass die Lautgefetze in den Handschriften nirgends auf einer bestimmten Orthographie beruhen, dass alfo der Wert der Buchstaben fich nicht überall mit Sicherheit angeben lässt. Da die Schreiber one Zweifel Bücher aus den verschidensten Mundarten lafen, fo konnte es nicht ausbleiben, dass fie fremde Schreibungen einmischten, one die fremde Aussprache damit ausdrücken zu wollen; und dife Freiheit entschuldigt fich um fo leichter, da das Werk für das ganze Sprachgebiet, nicht für den engen Bezirk einer Mundart berechnet war."

Solche fremde Einmischungen haben natürlich überall stattgefunden und geben sich auch schon durch ire Abweichungen von den Normen des Dialektes für den gründlichen Kenner zu erkennen; aber eben dadurch find fie zugleich nicht ein Beweis gegen, fondern ein Beweis für das phonetische Princip, als die Grundlage für die damaligen Schreiber.

Eine allgemeine, von der phonetischen abweichende conventionelle Schreibweife wird überhaupt erst möglich durch eine weiter verbreitete fystematische schulmäßige Einwirkung, oder allenfalls auch durch die Autorität centralisirter Kanzeleien, wie wir fie aber für das 12. und 13. Jarhundert felbst für Frankreich noch nicht vorausfetzen können.

Die Anname, dass Buchstaben, welche in der heutigen allgemeinen franz. Schriftsprache stumm find, von jeher in allen franz. Dialekten stumm gewefen feien, würde nicht bloß den Unterschid der Dialekte vilfach verwischen, fondern auch, in iren Confequenzen durchgefürt, zu einem Verkennen der ganzen Entwicklung der Sprache und Schrift füren. Wir müssen vilmer auch für das Franz., wie dis Jacob Grimm für die germanischen Sprachen getan hat, zunächst von der Anname

ausgehen, dass in den frühern Sprachperioden Schrift und Sprache mit einander fo weit in Einklang stehen, als dis das freilich auf eine zu geringe Zal von Buchstaben beschränkte von den Römern überkommene Alphabet zuließ.

Freilich hat difer gefunde und vernünftige Grundfatz auch in Deutschland vor einigen Jaren eine Anfechtung erlitten, welche nicht geringes Erstaunen bei den Gelerten erregte. Ein Süddeutscher, ein gewisser Prinzinger, trat nemlich mit der künen Behauptung auf, dass fast alles, was Jac. Grimm über die deutsche Lautlere, über Vocalwandelungen und Confonantenverschiebungen, gelert habe, nichts als Schein und Irrtum fei; nicht die Sprache habe die verschidenen durch die Schrift dargestellten Phafen durchgemacht, fondern es feien vilmer die orthographischen Principien, welche die verschidenen Wandelungen und Verschiebungen durchgemacht hätten; unfere deutschen Vorfaren schriben nur anders als fie sprachen, fie sprachen damals, wie man auch jezt noch im gemeinen Leben spricht, schriben aber ire Rede im Sinne und Geiste wälscher Zunge und nur daraus erklären fich die abweichenden alten Schreibweifen.

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Was follte wol aus dem deutschen Unterrichte in unfern Schulen werden, wenn man die Prinzinger'schen Grundfätze dabei zu Grunde legen wollte?

Die von mir angefürten neuern franz. Gelerten find weit davon entfernt, fo weit zu gehen, wie Prinzinger für das Deutsche gegangen ist, aber fie befinden fich mit irer Lere über die altfranz. Aussprache dennoch auf einer geneigten Ban, welche, wenn man nicht zur rechten Zeit wider einlenkt, für das franz. Unterrichts wefen zu gefärlichen Folgen füren, und namentlich das Studium der älteren franzöfischen Dialekte hemmen und verwirren könnte.

Man hat bereits in Frankreich einen kleinen Anfang gemacht, in historischen Schriften die ältern germanischen Eigennamen in irer ursprünglichen Form herzustellen, und wird fich allmählich davon entwönen, darin etwas barbarisches zu erblicken, und fo, meine ich, lässt fich hoffen, dass man auch von den Irrwegen, auf welche die Génin'sche Theorie über die Aussprache des Altfranz. leicht füren kann, zurückkommen werde, und dass man fich immer mer daran gewönen werde, die älteren Schriftformen im allgemeinen als möglichst getreue Darstellungen der damaligen Lautformen aufzufassen, one dabei fortwärend an wüste Barbarei zu denken.

Berlin, im Jan. 1867.

G. Michaelis.

Beiträge zur französischen Lexicographie.

Im Programm der Dorotheenstädtischen Realschule vom 1. Oct. 1866 habe ich unter Anderem auch versucht, der so weit verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, dass die französische Sprache zur Bildung neuer Wörter geradezu unfähig sei. Nicht nur in Bezug auf Neubildungen jedoch wird der französische Wortschatz für begränzt und abgeschlossen angesehen, auch die schon vorhandenen Wörter gelten meist für so feststehend in ihrer Bedeutung, dass sie keine Aenderung oder Erweiterung derselben zulassen. Der französische Schriftsteller, so glaubt man vielfach, darf die Wörter seiner Sprache eben nur in dem Sinn brauchen, der ihnen von den classischen Autoren einmal beigelegt worden. Daher kommt es denn auch, dass man so häufig von den phrases toutes faites des Französischen sprechen hört. Allerdings war wol diese Sprache, oder richtiger, waren die Franzosen weniger als andere Völker zu Neuerungen in der Sprache geneigt; aber das Französische gleichsam als eine Sammlung feststehender Redensarten betrachten zu wollen ist gewiss eben so irrthümlich, als zu glauben, dass andere Sprachen von jeder conventionellen Gebundenheit vollständig frei seien. Wie der Franzose viele Wendungen eines Ausländers für unfranzösisch erklären wird, so wird auch uns vieles, was ein Fremder im Deutschen sagt, für undeutsch gelten, ohne dass wir andere Gründe dafür anführen könnten, als dass der Ausdruck unser Sprachgefühl verletzt.

Jene Ansicht von der Stabilität des französischen Wortschatzes ist eigentlich schon unhaltbar geworden, seitdem wir wissen, dass jede Sprache in steter Umbildung und Fortentwicklung begriffen ist. Doch hoffe ich, es wird nicht ganz ohne Interesse sein durch Beispiele aus

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