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eintreten lassen, da er es nicht nur nicht vorbereitet, sondern eben erst ein anderes, freilich höchst undeutliches Bild gebraucht habe. Die Frage, ob Goethe und überhaupt ein guter Dichter jedes Bild vorbereiten müsse, die wir entschieden verneinen, lassen wir hier zur Seite, um auf den Hauptpunkt uns zu beschränken, dass Bernays hier sowohl beim Worte Rath wie bei dem sich drehen den Goethe'schen Sprachgebrauch ausser Acht gelassen hat. Rath benutzt Goethe, und er nicht allein, im Sinne von Rathschluss, Beschluss, Bestimmung, wie wenn er in der Iphigenie sagt: „Was auch der Rath der Götter mit dir sei," "Schön und herrlich zeigt sich mir der Göttin Rath." An der ersten Stelle findet sich Rath schon im ersten Entwurf, der dafür an der zweiten Rathschluss hat. Demnach enthält Rath durchaus keinen matten, unbestimmten Ausdruck, kein undeutliches Bild, und der Ausdruck ist durchaus nicht zu bemäkeln. Zweitens aber braucht Goethe sich drehen nicht allein von kreisförmiger Bewegung, sondern es steht bei ihm häufig im Sinne sich bewegen, wie B. 9, 175. 12, 88. 20, 199. 24. 101. Hier geht es auf das Herumtreiben im Leben, ähnlich wie Jean Paul einmal das bürgerliche Leben als einen Drehplatz bezeichnet. Hiermit sind die Gründe von Bernays widerlegt. Aber das von ihm geforderte Rad statt Rath macht die Verse geradezu abgeschmackt. Freilich kann der Zeit sehr wohl ein Rad zugeschrieben werden, insofern sie rastlos sich fortbewegt, aber lächerlich wäre es, sagte der Dichter, die Menschen wollten sich dem Umschwunge, dem Laufe der Zeit widersetzen, würden aber doch von ihrem Rade umgetrieben, als ob die Zeit die Menschen auf ihrem Rade umwälze. Er will offenbar sagen, die Menschen wollen sich der Bestimmung ihres Schicksals vergebens widersetzen und mühen sich in diesem Kampfe, indem sie ihren eigenen Weg gehen wollen, umsonst ab, bringen sich dadurch um den wahren Genuss und den reinen Erfolg des Lebens ein durchaus Goethe'scher Gedanke. Wenn er aber statt des Schicksals die Zeit nennt, so tritt diese ja auch sonst als die mächtige Schöpferin des Schicksals vielfach, auch bei unserm Dichter, hervor. Schwierigkeit macht nur das sonderbar zwischen verwirrt und betäubt stehende beschäftigt, wofür man sich eher ein beschädigt gefallen liesse. Die Menschen gerathen in Verwirrung, Schaden und Betäubung, während sie dem Schicksal widerstehen wollen. In diesen Participien liegt eigentlich der Hauptpunkt. Bei der Deutung von Bernays haben sie kaum eine rechte Beziehung. Dass im Journal von Tinfurt, wo das Gedicht zuerst erschien, wirklich Rad steht, kann nichts beweisen, Rad dort sehr wohl ein Fehler des Abschreibers sein

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(bekanntlich ist das Journal geschrieben); auch der, welcher das Gedicht zum Zwecke der Einrückung in das Journal abschrieb, den Fehler gemacht haben. Vielleicht findet sich noch einmal eine frühere Abschrift jenes Gedichtes, welche das vom Dichter in der ersten Ausgabe gegebene Rath bestätigt. Die Verwechslung des hier in besonderm Sinne gebrauchten Rath mit Rad ist an sich wahrscheinlicher als die umgekehrte.

In der natürlichen Tochter beginnt die erste, manche Druckfehler bietende Ausgabe nach den Worten der Hofmeisterin: O! möchtest du mir alles gleich vertrauen!

die Antwort Eugeniens also:

Von allen Menschen dir zuerst. Nur jetzt
Geliebte, lass mich mir.. Ich muss allein
Ins eigene Gefühl mich finden lernen.

Statt „lass mich mir" hat die zweite Ausgabe „lass mich nur," was Bernays unbedenklich als schlimmen Druckfehler verwirft. Eugenie wolle sagen: „,Lass mich jetzt allein;" das werde aber durch lass mich nur" matt, ja platt ausgedrückt, und könne unmöglich in einem Gedichte stehn, ,,dessen Sprache wie mit einer Art von Ciselirkunst bis in die unscheinbarsten Theile hinein auf das schärfste ausgearbeitet" sei. Als ob nicht in der ,,natürlichen Tochter" eine grosse Anzahl der gewöhnlichsten Ausdrücke sich fänden, wie kurz vorher "Sei ruhig!" gleich darauf,,Verlass mich!" Und „lass mich" ist keineswegs 80 platt, wie Bernays meint, ja es hat nicht einmal die von diesem ihm zugewiesene Bedeutung, sondern heisst, wie schon im biblischen Sprachgebrauche, lass mich gewähren." So sagt Margarethe im Egmont zu Macchiavell (B. 9, 154): „Lass mich nur! Was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon." Und diese Bedeutung ist auch hier durchaus an der Stelle. Eugenie will sagen: Von allen Menschen würde ich dir zuerst vertrauen. Aber jetzt nur kann ich es nicht." Statt des letztern aber springt sie gleich in ihrer lebhaften Bewegung zu der Aufforderuug über, die Hofmeisterin möge sie jetzt nur ruhig gewähren lassen, was sie zunächst damit begründet, dass sie selbst erst in voller Einsamkeit sich in ihr neues Glück finden müsse. Dass sie ihre Entfernung wünsche, deutet sie nur unwillkürlich in dem beigefügten allein an; erst später spricht sie diesen Wunsch bestimmt aus. „Lass mich mir" ist übelklingend und ganz ungewöhnlich, könnte auch nur in dem härtern Sinne stehn,,kümmere dich nicht um mich," wie man sagt einem sich selbst überlassen." Dass die falsche Lesart der ersten Ausgabe an manchen Stellen später verbessert wordnn ist, habe ich in meiner Erklärung des Stückes (S. 90. 96. 111. 113 f. 117) bemerkt.

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Bernays hat eine falsche Personenvertheilung glücklich in den Mitschuldigen entdeckt, und eine ähnliche im Clavigo nachgewiesen, aber die Herstellung der letztern ist ihm nicht gelungen. Es handelt sich um die Stelle, wo Marie stirbt. Er lässt dort Buenco die Worte sprechen: „Hülfe! sie stirbt!“ Aber Beaumarchais kann unmöglich den Ruf der sterbenden Schwester überhören; ihm gehören diese Worte nothwendig an. Der Ursprung des Fehlers ist leicht zu entdecken. In der beim Drucke zu Grunde liegenden Handschrift waren die Personenbezeichnungen Sophie und Beaumarchais verwechselt worden, wodurch dann der vom Setzer oder Corrector bemerkte Uebelstand eintrat, dass Beaumarchais zweimal unmittelbar hinter einander sprach. Desshalb setzte der Setzer oder Corrector an der ersten Stelle statt Beaumarchais den Namen der noch ausserdem anwesenden Person, des Buenco.

Wir gestehen Bernays gerne das Verdienst zu, dass er ausser seiner folgenreichen Hauptentdeckung auch durch eine viel genauere Vergleichung der ersten Drucke den Goethe'schen Text an vielen Stellen hergestellt hat, nur mit seinen Beweisen sind wir nicht überall einverstanden, und haben wir die feste Ueberzeugung, dass er den spätern Verbesserungen des Dichters nicht gebührende Rechnung getragen, diesen zuweilen die ursprünglichen Druck- oder Schreibfehler zum entschiedenen Nachtheile des Textes vorgezogen hat. Gegen diese Verirrung haben wir unsere Stimme erhoben und glaubten diesen Widerspruch hier den leeren Versicherungen Schöll's gegenüber genauer begründen zu müssen. Möge nach allem hier gegen Herrn Adolf Schöll Vorgebrachten vorurtheilsfreies Urtheil zwischen ihm und mir entscheiden. Mit diesem selbst nach den leichtsinnig gegen mich geschleuderten Verleumdungen weiter zu verhandeln, verbietet mir meine Ehre, die mich ebenso dringend auffordert, gegen jene selbst Einspruch zu thun, was ich im andern Falle gern vermeide. So glaube ich den neulichen Angriff von Haug gegen meine Erklärung der Schiller'schen Gedichte in den „, Blättern für literarische Unterhaltung" auf sich beruhen lassen zu dürfen. Die Begeisterung für Schiller hat jenen Gegner gegen mich aufgerufen. Wer meine Erklärung selbst genauer ansieht, wird leicht finden, wie sehr mir dieser Schillerfreund Unrecht gethan. Will man Schiller als Lyriker recht würdigen, so muss man auch seine Schwächen anerkennen; es hilft nichts, sie leugnen, und dem gewissenhaften Erklärer, der auf sie hinweisen muss, zu grollen und seine mühevolle, das Verständniss des Dichters wahrhaft fördernde Arbeit anzubellen. H. Düntzer.

Köln.

Galilée,

Drame en trois actes en vers par François Ponsard,' de l'Académie française.

Dieses Drama des berühmten Autors der Lucrèce und des Ulysse, wie des l'Honneur et l'Argent, welche Stücke wir in früheren Jahrgängen dieser Blätter besprochen haben, hat bekanntlich vor seinem Erscheinen fast noch mehr Aufsehen gemacht, als nach demselben. Gleich in den ersten Tagen dieses Jahres nämlich verbreiteten die Zeitungen die Kunde, dass Ponsard, der einzige irgend nennenswerthe Dichter des Second Empire im Fache der ernsten dramatischen Poesie, ein Drama oder eine Tragödie Galilée geschrieben habe, deren Annahme beim Théâtre français jedoch durch höheren Einfluss verhindert worden sei und zwar deutete man dabei nicht allzu verstohlen auf die Kaiserin hin, deren ultramontane Gesinnung durch den darin auf Rom geworfenen Tadel verletzt worden sei. Dadurch wurde natürlich alle Welt nur um so gespannter auf das Stück, von dem einzelne Stellen durch die französischen Journale veröffentlicht und sofort auch von den deutschen Zeitungen, zuweilen von recht hübschen Uebertragungen begleitet, wiedergegeben wurden. Endlich hiess es, dass dieser hohe Widerstand besiegt sei und dass das Stück, auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers, auf der kaiserlichen Hofbühne zur Aufführung gelangen werde. Diese Aufführung ging denn am 7. März d. J. bei überfülltem Hause vor sich, allein das Stück erhielt nur einen succès d'estime und hat seitdem, wenn es auch wohl noch gegenwärtig aufgeführt wird, nicht weiter von sich reden gemacht.

Niemand, der das Stück, wie es uns nun im Drucke vor

liegt, durchgelesen hat, wird das pariser Publicum wohl gerade einer Ungerechtigkeit zeihen, wenn auch wohl nicht zu läugnen, dass bei weniger hoch gespannten Erwartungen der Bühnenerfolg ein grösserer gewesen sein würde. Eine Erschütterung des Kaiserreiches, soviel ist sicher, wird von demselben nicht ausgehen und ebenso wenig wird von den Klängen dieser Alexandriner die dreifache Krone vom Haupte des Papstes fallen. Zu grossen dramatischen Erfolgen ist Ponsard's Muse überhaupt nicht angethan, seine Lucrèce und sein Ulysse waren von den Zeitumständen begünstigt, auch seine Charlotte Corday, jedenfalls noch das wirksamste von seinen tragischen Werken, verdankt der Republik von 1848 viel von seinem Erfolge; der Galilée jedoch kann sich solcher Gunst nur in sehr beschränktem Maasse rühmen, denn theils ist das Papstthum, das hier als der Feind des Geistes der freien Wissenschaft erscheint, doch schon zu sehr heruntergebracht, um noch als ein besonders ernstlich zu bekämpfender Gegner der freien Entwickelung zu erscheinen, theils setzt der Held des Stückes demselben auch nicht den entschiedenen Widerstand entgegen, der uns in seinem Kampfe gegen den Widersacher mit voller Seele auf seine Seite treten liesse. In dem Umfange, wie Galilei hier das Panier der freien Wissenschaft gegen die Angriffe des Obscurantismus vertheidigt, hat es am Ende auch mancher gesinnungstüchtige" Professor unserer Tage gethan, der dann schliesslich, nach einigem Widerstreben, den Zumuthungen der Gewalt, aus Rücksicht auf Weib und Kind, unter Protest nachgegeben hat. Dabei kann man allerdings ein ganz ehrenwerther Mann bleiben, aber zu einem tragischen Helden gehört denn doch wohl noch etwas mehr. Ueberhaupt begegnen wir in dem ganzen Stücke keiner einzigen besonders interessanten Persönlichkeit; es sind Alles in ihrer Art und von ihrem Standpunkte aus ganz reputable Leute, den gegen seinen grossen Collegen mit giftigem Neid erfüllten Professor Pompée vielleicht ausgenommen, aber sie zeichnen sich durch keine hervorragende Eigenschaft, weder im Guten noch im Bösen, besonders aus. Da ist Antonia, die Tochter des Galilei, welche ihren Vater kindlich liebt, ausser sich vor Schmerz und Angst, als derselbe die Citation vor das Inquisitionstribunal zu Rom erhält, zum Mindesten Einsicht und

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